Schwäche

VonMark Freedman, MD, MSc, University of Ottawa
Überprüft/überarbeitet Okt. 2023
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Schwäche ist einer der häufigsten Gründe, warum Patienten in der primärärztlichen Versorgung vorgestellt werden. Unter Schwäche wird der Verlust von Muskelkraft verstanden; viele Patienten sprechen allerdings auch von Schwäche, wenn sie sich generell müde fühlen oder funktionelle Einschränkungen haben (z. B. aufgrund von Schmerzen oder eingeschränkter Gelenkbeweglichkeit), obwohl die Muskelkraft normal ist.

Schwäche kann wenige oder viele Muskeln betreffen und sich plötzlich oder allmählich entwickeln. Je nach Ursache können weitere Symptome vorliegen. Schwäche bestimmter Muskelgruppen kann auch Störungen der Augenbewegungen, Dysarthrie, Dysphagie oder respiratorische Schwäche verursachen.

Pathophysiologie von Schwäche

Willkürliche Bewegungen werden im motorischen Kortex ausgelöst, der am hinteren Rand des Frontallappens liegt. Die beteiligten Neuronen (obere Motoeuronen oder Neuronen der Pyramidenbahn) bilden Synapsen mit Neuronen des Rückenmarks (untere Motoneuronen oder Vorderhornzellen). Die unteren Motoneuronen übertragen Impulse auf die neuromuskuläre Endplatte und lösen die Muskelkontraktion aus.

Allgemeine Mechanismen von Schwäche umfassen somit die Dysfunktion von

  • Obere Motoneurone (Läsionen der Pyramidenbahn und des kortikobulbären Traktes)

  • Untere Motoneurone (z. B. aufgrund von peripheren Polyneuropathien oder Zellschädigungen im Vorderhorn)

  • Neuromuskuläre Endplatte

  • Muskel (z. B. aufgrund von Myopathien)

Die Lokalisation bestimmter Läsionen korreliert mit den körperlichen Befunden:

  • Eine Dysfunktion der oberen Motoneurone führt zur Disinhibition der unteren Motoneurone, was einen erhöhten Muskeltonus (Spastik) und verstärkte Muskeldehnungsreflexe (Hyperreflexie) nach sich zieht. Ein Babinski-Zeichen ist spezifisch für eine Dysfunktion der Pyramidenbahn. Allerdings kann eine Dysfunktion der oberen Motoneurone Tonus und Reflexe verringern, wenn die motorische Paralyse plötzlich auftritt und heftig ist (z. B. bei Rückenmarkdurchtrennung, bei der der Tonus zunächst abnimmt und dann allmählich über Tage und Wochen ansteigt) oder wenn die Läsion den motorischen Kortex im Bereich des Gyrus praecentralis alleine und nicht die benachtbarten motorischen Assoziationsgebiete schädigt.

  • Dysfunktion der unteren Motoneuronen unterbricht Reflexbögen mit der Folge von Hyporeflexie und reduziertem Muskeltonus (Schlaffheit) und kann zu Faszikulationen führen; mit der Zeit atrophieren die Muskeln.

  • Periphere Polyneuropathien sind in der Regel am deutlichsten in den längsten Nerven feststellbar (d. h., die Schwäche ist in der distalen Extremität ausgeprägter als in der proximalen und in den Beinen stärker als in den Armen); sie produzieren Zeichen einer Dysfunktion der unteren Motoneurone (z. B. Reflexe und Muskeltonus abgeschwächt).

  • Die häufigste Erkrankung der neuromuskulären EndplatteMyasthenia gravis–bewirkt typischerweise eine fluktuierende Schwäche, die sich bei Aktivität verschlechtert und in Ruhe bessert.

  • Diffuse Muskelfunktionsstörungen (z. B. bei Myopathien) sind meist am deutlichsten in den größten Muskelgruppen erkennbar (proximale Muskeln).

Ätiologie der Schwäche

Die zahlreichen Ursachen von Muskelschwäche werden entsprechend der Lokalisation der Läsion kategorisiert (siehe Tabelle Ursachen von Muskelschwäche). Normalerweise manifestieren sich Läsionen an einer bestimmten Stelle in ähnlichen klinischen Befunden. Allerdings haben einige Erkrankungen Läsionsmerkmale in mehr als einer Lokalisation. Z.B. können Patienten mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) eine Dysfunktion sowohl der oberen als auch der unteren Motoneurone aufweisen. Rückenmarkerkrankungen können Stränge von den oberen, den unteren Motoneuronen (Vorderhornzellen) oder beiden beeinflussen.

Häufige Ursachen für fokale Schwäche sind

Eine temporäre fokale Schwäche kann im Rahmen einer postiktalen Parese (Todd’sche Lähmung) auftreten, die sich in der Regel nach einigen Stunden zurückbildet, oder die Folge einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA) sein.

Die häufigsten Ursachen von generalisierter Schwäche sind

  • Abbau aufgrund von Inaktivität (Inaktivitätsatrophie) infolge von Krankheit oder Gebrechlichkeit, insbesondere bei älteren Patienten

  • Generalisierter Muskelschwund aufgrund längerer Immobilisierung auf einer Intensivstation—ein Zustand, der als akute kritische Krankheitsmyopathie bezeichnet wird

  • Cricital-Illness-Polyneuropathie (ICU-Neuropathie)

  • Verbreitete Myopathien (z. B. alkoholische Myopathie, Hypokaliämie, Kortikosteroidmyopathie)

  • Verwendung von paralytischen Medikamenten bei einem Patienten auf der Intensivstation

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Müdigkeit

Viele Patienten berichten über Schwäche, wenn ihr eigentliches Problem Ermüdbarkeit ist. Diese kann bei Tests zur Muskelkraft die maximale Anstrengung und Leistungsfähigkeit der Muskulatur verhindern.

Häufige Ursachen von Ermüdbarkeit sind fast alle akuten schweren Erkrankungen, Krebserkrankungen, chronische Infektionen (z. B. HIV Infektion, Hepatitis, Endokarditis, Mononukleose), endokrine Erkrankungen, Nierenversagen, Leberversagen, Herzversagen und Anämie. Multiple Sklerose kann zu täglicher Müdigkeit führen, die mit der Einwirkung von Hitze und Feuchtigkeit zunimmt.

Patienten mit Fibromyalgie, Depression oder chronischem Fatigue-Syndrom können über Schwäche oder Ermüdbarkeit klagen, weisen aber keine objektiv definierten Anomalien auf.

Bewertung der Schwäche

Bei der Untersuchung der Schwäche sollte versucht werden, echte Muskelschwäche von Müdigkeit zu unterscheiden und dann nach Befunden zu suchen, die helfen, den Sitz oder den Mechanismus (z. B. ob die Schwäche durch eine Funktionsstörung des Gehirns, des Rückenmarks, des Plexus, der peripheren Nerven, der neuromuskulären Verbindung oder der Muskeln verursacht wird) und, wenn möglich, die Ursache festzustellen.

Historie

Die Anamneseerhebung zur bestehenden Krankheit sollte mit offenen Fragen beginnen, die die Patienten auffordern, detailliert zu beschreiben, was sie als Schwäche erleben. Dann können spezifische Fragen gestellt werden, v. a. ob bestimmte Tätigkeiten wie Zähneputzen, Haarekämmen, Sprechen, Schlucken, Aufstehen von einem Stuhl, Treppensteigen und Gehen ausgeführt werden können.

Es sollten auch der Beginn der Schwäche (plötzlich oder allmählich) und die Progression von Symptomen (z. B. gleichbleibend, sich verschlechternd, intermittierend) erfragt werden. Eine genaue Befragung ist erforderlich, um zu unterscheiden, ob die Symptome unvermittelt aufgetreten sind oder plötzlich bemerkt wurden; Patienten können diese schlagartig wahrnehmen, wenn eine langsam fortschreitende Schwäche eine Schwelle überschreitet und sie dann an Routinetätigkeiten hindert (z. B. Gehen, Schuhe zubinden).

Wichtige Begleitsymptome sind sensorische Veränderungen, Doppelbilder, Gedächtnisverlust, Schwierigkeiten mit der Sprache, Anfälle und Kopfschmerzen. Faktoren, die die Schwäche verschlimmern, wie Wärme (Hinweis auf multiple Sklerose) oder repetivie Kontraktion eines Muskels (Hinweis auf Myasthenia gravis), werden aufgenommen.

Bei der Überprüfung der Organsysteme sollte nach Symptomen gesucht werden, die auf eine mögliche Ursache hinweisen, einschließlich der Folgenden:

  • Tägliche Müdigkeit und Schwäche, die mit Hitze und Feuchtigkeit zunimmt: Multiple Sklerose

  • Tageszeitliche Schwankungen von Müdigkeit und Schwäche: Myasthenia gravis

  • Ausschlag: Dermatomyositis, Lyme-Krankheit oder Syphilis

  • Fieber: Chronische Infektion

  • Muskelschmerzen: Myositis

  • Nackenschmerzen: zervikale Myelopathie

  • Erbrechen oder Diarrhö: Botulismus

  • Atemnot: Herzversagen, eine Lungenerkrankung oder Anämie

  • Anorexie und Gewichtsverlust: Krebs oder andere chronische Krankheiten

  • Veränderung der Farbe des Urins: Porphyrie oder eine Leber- oder Nierenerkrankung

  • Hitze- oder Kälteintoleranz: Schilddrüsenfehlfunktion

  • Gedrückte Stimmung, schlechte Konzentration, Angst und Verlust des Interesses an gewohnten Aktivitäten: affektive Störung

In der Anamnese sollten bekannte Störungen identifiziert werden, die Schwäche oder Müdigkeit verursachen können, einschließlich

  • Schilddrüsen-, Leber-, Nieren- und Nebennierenerkrankungen

  • Krebs oder Risikofaktoren für Krebs (paraneoplastische Syndrome - z. B. Eaton-Lambert-Syndrom) wie starkes Rauchen

  • Osteoarthritis (zervikale Myelopathie)

  • Infektionen

Risikofaktoren für mögliche Ursachen sollten bewertet werden, inkl. derer für Infektionen (z. B. ungeschützter Geschlechtsverkehr, Bluttransfusionen, Exposition gegenüber Tuberkulose) und Schlaganfall (z. B. Bluthochdruck, Vorhofflimmern, Arteriosklerose).

Die vollständige Arzneimittelanamnese sollte erfragt werden.

Die Familienanamnese sollte bekannte Erbkrankheiten (z. B. erbliche Muskelerkrankungen, Kanalopathien, metabolische Myopathien, erbliche Neuropathien) umfassen sowie das Vorliegen von ähnlichen Symptomen bei Familienangehörigen (Hinweis auf eine mögliche unerkannte Erbkrankheit). Aufgrund ihrer variablen, unvollständigen phänotypischen Ausprägung bleiben erbliche motorische Neuropathien in Familien oft unerkannt. Hammerzehen, hohe Fußgewölbe und schlechte sportliche Leistungen können auf eine nichtdiagnostizierte erbliche motorische Neuropathie hindeuten.

Bei derSozialanamnese sollte folgendes beachtet werden:

  • Die Verwendung von Alkohol: Hinweis auf alkoholische Myopathie

  • Konsum illegaler Drogen: Zeichen für ein erhöhtes Risiko von HIV/AIDS, bakteriellen Infektionen, Tuberkulose oder Schlaganfall wegen Kokainkonsums

  • Berufliche oder andere Kontakte mit Toxinen (z. B. Organophosphat-Insektizide, Schwermetalle, industrielle Lösungsmittel)

  • Aktuelle Reise: Deutet auf Lyme-Krankheit, Zecken-Lähmung, Diphtherie, oder eine parasitäre Infektion hin

  • Soziale Stressoren: Hinweis auf Depression hinweis

Körperliche Untersuchung

Eine vollständige neurologische und Muskel-Untersuchung wird durchgeführt, um Befunde zur Lokalisation oder Diagnose zu identifizieren. Zu den wichtigsten Ergebnissen gehören normalerweise

  • Hirnnerven

  • Motorik

  • Koordination

  • Gang

  • Sensorik

  • Reflexe

Die Prüfung der Hirnnerven umfasst die Inspektion des Gesichts nach groben Asymmetrien und Ptosis; eine leichte Gesichtsasymmetrie kann normal sein. Extraokuläre Bewegungen und Gesichtsmuskeln, inkl. die Masseteren (Kraft), werden getestet. Eine Schwäche des Gaumens wird durch eine näselnde Stimme nahegelegt; den Würgereiz zu prüfen und den Gaumen direkt zu betrachten, ist weniger hilfreich. Die Unfähigkeit, bestimmte Konsonanten klar zu artikulieren (z. B. "ta-ta-ta"), und eine verwaschene Sprache (linguale Dysarthrie) deuten auf eine Schwäche der Zunge hin. Eine leichte Asymmetrie bei Zungenprotrusion kann normal sein. Die Karft des M. sternocleidomastoides und M. trapezius wird getestet, indem der Patient den Kopf dreht und die Schultern gegen Widerstand hochzieht. Der Patient wird aufgefordert, wiederholt zu blinzeln, um zu festzustellen, ob der Lidschlag ermüdet.

Die motorische Untersuchung umfasst Inspektion, Beurteilung des Tonus und Prüfung der Kraft. Der Körper wird auf Kyphoskoliose (möglicher Hinweis auf chronische Schwäche der paraspinalen Muskeln) und chirurgische und traumatische Narben untersucht. Eine dystone Haltung (z. B. Schiefhals) kann mit der Bewegung interferieren und eine Schwäche imitieren. Die Muskeln werden auf Faszikulationen und Atrophie untersucht; beides kann bei der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) fokal oder asymmetrisch beginnen. Faszikulationen werden am deutlichsten sichtbar an der Zunge von Patienten mit fortgeschrittener ALS. Eine diffuse Atrophie zeigt sich am deutlichsten an den Händen, im Gesicht und am Schultergürtel.

Der Muskeltonus wird mithilfe von passiver Bewegung ermittelt. Klopfen auf einen Muskel (z. B. Hypothenar) kann bei Neuropathien Faszikulationen induzieren oder myotone Kontraktionen bei myotoner Muskeldystrophie.

Die Prüfung der Muskelkraft sollte sowohl an proximalen als auch distalen Muskeln sowie Extensoren und Flexoren erfolgen. Zu einigen Tests von großen, proximalen Muskeln gehören: aus einer sitzenden Position aufstehen, in die Hocke gehen und aufstehen, den Körper beugen und strecken und den Kopf gegen Widerstand drehen.

Die motorische Kraft wird oft auf einer Skala von 0—5 bewertet:

  1. 0: Keine sichtbare Muskelkontraktion

  2. 1: Sichtbare Muskelkontraktion ohne Bewegung der Gliedmaßen

  3. 2: Bewegung der Gliedmaßen, nicht gegen die Schwerkraft

  4. 3: Bewegung gegen die Schwerkraft, aber nicht gegen Widerstand

  5. 4: Schwäche bei Widerstand

  6. 5: Volle Kraftentwicklung

Obwohl diese Angaben objektiv erscheinen, ist die Einschätzung der Stärke 3–5 (typische Niveaus bei früher Schwäche, d. h. in der Regel bei Diagnosestellung) eher subjektiv; bei einseitigen Symptomen verbessert der Vergleich mit der gesunden Seite die Unterscheidung. Oft ist es nützlicher, konkret zu beschreiben, was der Patient kann oder nicht kann, als der Schwäche einfach einen Zahlenwert zuzuweisen, v. a. wenn die Veränderungen der Schwäche über die Zeit beurteilt werden sollen. Ein kognitives Defizit kann für mangelnde motorische Ausdauer (Unfähigkeit, die Aufmerksamkeit auf den Abschluss einer motorischen Aufgabe zu richten), motorische Perseverationen, Apraxie oder unzureichendes Bemühen verantwortlich sein. Simulieren und weitere funktionale Schwächen sind oft dadurch charakterisiert, dass der Schwäche nachgegeben wird, wobei die normale Anspannung plötzlich nachlässt.

Koordinationsprüfungen beinhalten Finger-Nase- und Hacken-Schienbein-Versuch sowie Zehen-Fersen-Gang zur Abklärung einer zerebellären Dysfunktion, die einen Schlaganfall im Kleinhirn, eine Vermis-Atrophie (z. B. aufgrund von Alkoholmissbrauch), einige erbliche spinozerebelläre Ataxien, multiple Sklerose und die Miller-Fisher-Variante des Guillain-Barré-Syndroms begleiten können.

Gangart wird auf Folgendes beobachtet:

  • "Zündungsfehler" (ignition failure - vorübergehendes FEstfrieren an einer Stelle, wenn mit dem Gehen begonnen wird, gefolgt von Festination): Parkinson-Krankheit

  • Apraxie, als wenn die Füße auf dem Boden kleben: Normalerdruckhydrocephalus oder andere Frontallappenstörungen

  • Festination: Parkinson-Krankheit

  • Asymmetrische Gliedmaßen, so als ob die Patienten ein Bein hinter herziehen, sie einen reduziert e Armbewegung haben oder beides: Hemisphärischer Schlaganfall

  • Ataxie: Kleinhirnerkrankung der Mittellinie

  • Instabilitäten beim Drehen: Parkinsonismus

Zehen- und Fersengang werden getestet; eine distale Muskelschwäche macht diese Manöver schwierig. Fersengang ist besonders schwierig, wenn Läsionen der Pyramidenbahn Ursache der Schwäche sind. Spastischer Gang wird erkennbar an der Scherenstellung (Beine leicht in Hüfte und Knie gebeugt, Erscheinungsbild einer Hockstellung, Knie und Oberschenkel schlagen aneinander oder überkreuzen sich in einer scherenähnlichen Bewegung) und Zehengang. Steppergang und Fußheberschwäche können bei Peroneuslähmung auftreten.

Die Sensorik wird geprüft; sensorische Defizite können bei der Lokalisation von Läsionen, die Schwäche verursachen (z. B. die sensorische Ebene lokalisiert die Läsion in einem Rückenmarksegment), behilflich sein oder bestimmte Ursachen für die Schwäche nahelegen (z. B. distale Sensibilitätsstörungen bekräftigen den klinischen Verdacht auf ein Guillain-Barré-Syndrom).

Ein stumpfbandförmiges Kribbeln und Druck in einer dermatomalen Verteilung ist ein Rückenmarkzeichen, das sowohl bei intrinsischen als auch bei extrinsischen Läsionen auftritt.

DieReflexe werden geprüft. Scheinen die Muskeldehnungsreflexe zu fehlen, können sie durch Bahnung, z. B. der Beinreflexe mithilfe des Jendrassik-Manövers, ausgelöst werden (die ineinander verhakten Finger beider Hände werden kräftig auseinandergezogen). Hyporeflexie kann das ganze Leben hindurch normal sein oder mit zunehmendem Alter auftreten, aber die Befunde sollten symmetrisch sein und die Augmentation sollte Reflexe auslösen, die sonst fehlen. Der Plantarreflex (Babinskizeichen) wird geprüft. Folgende Reaktionen deuten auf bestimmte Störungen oder Stellen von Läsionen hin:

  • Der klassische Babinski-Reflex (Heben der Großzehe, Abspreizen der übrigen Zehen) ist spezifisch für eine Läsion der Pyramidenbahn (außer bei Säuglingen, bei denen der Reflex physiologisch ist, weil der kortikospinale Trakt unreif ist).

  • Ein normaler Masseterreflex und gesteigerte Reflexe an Armen und Beinen deuten auf eine zervikale Läsion mit Schädigung der Pryamidenbahn hin, in der Regel eine Zervikalstenose.

  • Der Tonus der Analmuskulatur, der Analreflex oder beides ist bei Rückenmarkverletzungen abgeschwächt oder fehlend, bei aufsteigender Lähmung bei Guillain-Barré-Syndrom dagegen erhalten.

  • Bauchreflexe fehlen unterhalb der Höhe der Rückenmarkverletzung (außer bei ALS, wo sie unerklärlich erhalten sind).

  • Mit dem Kremasterreflex kann beim Mann getestet werden, ob das obere Lendenmark und die entsprechenden Nervenwurzeln intakt sind.

Abklärung umfasst auch

  • Test auf Druckdolenz des Rückens beim Abklopfen (liegt vor bei vertebralen Entzündungen, einigen vertebralen Tumoren und epiduralen Abszessen)

  • Heben des gestreckten Beines (schmerzhaft bei Ischiassyndrom)

  • Untersuchung auf Skapulier alata (was auf Schwäche der Schultergürtelmuskulatur hindeutet)

Allgemeine Untersuchung

Wenn Patienten objektiv keine motorische Schwäche haben, ist die allgemeine Untersuchung besonders wichtig; es sollte bei diesen Patienten nach Erkrankungen gesucht werden, die nicht neuromuskulären Ursprungs sind.

Zeichen von Atemnot (z. B. Tachypnoe, schwache Inspiration) werden aufgenommen. Die Haut wird auf Gelbsucht, Blässe, Hautausschlag und Striae untersucht. Weitere wichtige Befunde sind: Mondgesicht bei M. Cushing, Parotisvergrößerung, glatte unbehaarte Haut, Aszites, Spider-Naevi bei chronischem Alkoholkonsum.

Hals, Achselhöhlen und Leistengegend sollten auf eine Adenopathie getastet werden; jede Schilddrüsenvergrösserung wird vermerkt.

Herz und Lunge werden auf knisternde und pfeifende Atemgeräusche, verzögerte Exspiration, Herzgeräusche und Stolperrhythmen auskultiert.

Das Abdomen wird auf Raumforderungen und, falls eine Dysfunktion des Rückenmarks denkbar ist, auf eine stark vergrößerte Blase palpiert.

Bewegungsbereich der Gelenke wird festgestellt

Bei Verdacht auf Zeckenlähmung wird die Haut, insbesondere die Kopfhaut, gründlich auf Zecken untersucht.

Warnhinweise

Bei Patienten mit Schwäche sind die folgenden Befunde von besonderer Bedeutung:

  • Schwäche, die im Zeitraum von wenigen Tagen heftig wird

  • Dyspnoe

  • Unfähigkeit, den Kopf gegen die Schwerkraft anzuheben

  • Bulbäre Symptome (z. B. Schwierigkeiten beim Kauen, Sprechen und Schlucken)

  • Verlust der Gehfähigkeit

  • Harnverhalt oder Inkontinenz oder Stuhlinkontinenz

Interpretation der Befunde

Mithilfe der Anamnese kann Schwäche von Ermüdbarkeit unterschieden werden, sie definiert den zeitlichen Verlauf der Krankheit und gibt Hinweise auf das anatomische Muster der Schwäche. Schwäche und Ermüdbarkeit verursachen üblicherweise unterschiedliche Symptome:

  • Schwäche: Patienten klagen typischerweise darüber, das sie bestimmte Tätigkeiten nicht ausführen können. Sie können auch über Schwere in den Gliedmaßen oder Steifigkeit berichten. Schwäche weist in der Regel ein bestimmtes zeitliches und/oder anatomisches Muster auf. Schwierigkeiten bei Überkopfarbeiten, beim Kämmen oder Bürsten der Haare, beim Treppensteigen oder beim Aufstehen von einem Toilettensitz deuten auf eine proximale Muskelschwäche hin.

  • Ermüdbarkeit: Ermüdibarkeit, die als Schwäche berichtet wird, zeigt kein zeitliches (z. B. "die ganze über Zeit müde ") oder anatomisches Muster (z. B. "überall schwach"); die Klagen zielen mehr darauf ab, zu müde zu sein, bestimmte Aufgaben zu erledigen, und nicht auf die Unfähigkeit, dies zu tun.

Ein zeitliches Symptommuster ist nützlich.

  • Schwäche, die innerhalb von Minuten oder eher heftig wird, beruht in der Regel auf einem schweren Trauma oder einem Schlaganfall; bei Schlaganfall ist die Schwäche meist einseitig, sie kann leicht oder ausgeprägt sein. Plötzliche Schwäche, Taubheit und starke Schmerzen in einer Extremität sind mit größerer Wahrscheinlichkeit auf einen lokalen arteriellen Verschluss und Ischämie in der Extremität zurückzuführen; dies kann durch die Beurteilung der Gefäße geklärt werden (z. B. Puls, Farbe, Temperatur, Rekapillarisierungszeit, Blutdruckunterschiede bei Dopplermessung). Eine Kompression des Rückenmarks kann ebenfalls zu Lähmungen führen, die sich innerhalb von Minuten (üblicherweise jedoch über Stunden oder Tage) entwickeln. Sie lassen sich leicht an Inkontinenz und klinischen Rückenmarkbefunden auf einer bestimmten sensorischen und motorischen Höhe erkennen.

  • Schwäche, die über Stunden bis Tage stetig fortschreitet, kann durch akute oder subakute Erkrankungen verursacht werden (z. B. Kompression des Rückenmarks, Querschnittsmyelitis, Rückenmarkischämie oder -blutung, Guillain-Barré-Syndrom, manchmal Muskelschwund durch eine kritische Erkrankung, Rhabdomyolyse, Botulismus, Organophosphatvergiftung).

  • Schwäche, die sich über Wochen bis Monate entwickelt, kann durch subakute oder chronische Erkrankungen bedingt sein (z. B. zervikale Myelopathie, die meisten vererbten und erworbenen Polyneuropathien, Myasthenia gravis, Motoneuronenerkrankungen, erworbene Muskelerkrankungen, die meisten Tumoren).

  • Von Tag zu Tag schwankende Schwäche kann durch multiple Sklerose und manchmal durch metabolische Myopathien verursacht werden.

  • Schwäche, die im Tagesverlauf schwankt, kann durch Myasthenia gravis, Lambert-Eaton-Syndrom oder periodische Paralyse bedingt sein.

Das anatomische Muster von Schwäche wird charkatierisiert durch Schwierigkeiten bei der Ausführung bestimmter motorischer Aufgaben. Anatomische Muster deuten auf bestimmte Diagnosen hin:

  • Proximale Muskelschwäche beeinträchtigt Aufwärtsbewegungen (z. B. Haarekämmen, Gegenstände über den Kopf heben), Treppensteigen oder Aufstehen aus einer sitzenden Position; dieses Muster ist typisch für entzündliche Myopathien.

  • Distale Muskelschwäche beeinträchtigt Aufgaben wie über eine Bordsteinkante steigen, eine Tasse halten, schreiben, knöpfen oder mit einem Schlüssel umgehen; dieses Muster ist typisch für Polyneuropathien und myotone Muskeldystrophie. Viele Erkrankungen (z. B. chronische entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie, Guillain-Barré-Syndrom, Myasthenia gravis, Radikulopathien, Lambert-Eaton-Syndrom) verursachen proximale und distale Schwäche, wobei eines der Muster zunächst prominenter erscheinen kann.

  • Bulbäre Schwäche kann eine Gesichtsschwäche, Dysarthrie und Dysphagie verursachen, mit oder ohne Beeinträchtigung der Augenbewegungen; diese Manifestationen sind typisch für bestimmte neuromuskuläre Erkrankungen wie Myasthenia gravis, Lambert-Eaton-Syndrom oder Botulismus, aber auch für bestimmte Motoneuronenerkrankungen wie ALS oder progressive supranukleäre Blickparese.

Die körperliche Untersuchung unterstützt die weitere Lokalisation der Läsion. Zunächst werden allgemeine Muster unterschieden:

  • Eine Schwäche, die mehr die Streck- als die Beugemuskeln in den oberen Extremitäten oder mehr die Beugemuskeln als die Streckmuskeln in den unteren Extremitäten betrifft, ist ein Schwächemuster, das Ursachen im zentralen Nervensystem hat.

  • Schwäche, v. a. der proximalen Muskeln, spricht für eine Myopathie.

  • Schwäche, die mit Hyperreflexie und erhöhtem Muskeltonus einhergeht, legt eine Dysfunktion der oberen Motoneurone nahe (Pyramidenbahn oder anderer motorischer Trakt), insbesondere bei Vorhandensein eines es Babinski-Zeichen.

  • Eine disproportionale Einschränkung der Fingerfertigkeit (z. B. feine Zangenbewegungen, Klavier spielen) mit relativ erhaltener Greifkraft zeigt eine selektive Störung der Pyramidenbahn (Tractus corticospinalis) an.

  • Eine vollständige Parese durch ausgefallene Reflexe und stark erniedrigten Muskeltonus (Schlaffheit) tritt bei plötzlichen, schweren Rückenmarkverletzungen auf (spinaler Schock).

  • Von Hyporeflexie begleitete Schwäche, verminderter Muskeltonus (mit oder ohne Faszikulationen) und chronischer Muskelschwund weisen auf eine Dysfunktion der unteren Motoneurone hin.

  • Schwäche, die in den Muskeln am auffälligsten ist, welche von den längsten Nerven innerviert werden (d. h. distal eher als proximal, Beine eher als Arme), insbesondere mit distalen sensorischen Ausfällen, lässt eine Dysfunktion der unteren Motoneurone aufgrund einer peripheren Polyneuropathie vermuten.

  • Das Fehlen von neurologischen Anomalien (d. h. normale Reflexe, kein Muskelschwund, keine Faszikulationen, normale Kraftentwicklung, geringe Anstrengung bei der Überprüfung der Muskelstärke) oder ein geringer Kraftaufwand bei Patienten mit Ermüdbarkeit bzw. Schwäche ohne zeitliches oder anatomisches Muster sprechen für Ermüdbarkeit und nicht für eine echte Muskelschwäche. Wenn die Schwäche allerdings intermittierend auftritt und zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht vorhanden ist, können Anomalien übersehen werden.

Zusätzliche Befunde können dazu beitragen, die Läsion genauer zu lokalisieren. Zum Beispiel

  • Schwäche, die mit Auffälligkeiten der oberen Motoneurone und weiteren Zeichen wie Aphasie, Anomalien im mentalen Status oder anderen kortikalen Dysfunktionen vergesellschaftet ist: eine zerebrale Läsion

  • Unilaterale Zeichen der oberen Motoneurone (Spastik, Hyperreflexie, Plantarextensionsreflex) und Schwäche, die einen Arm und ein Bein auf derselben Körperseite betreffen: eine kontralaterale hemisphärische Läsion, am häufigsten ein Schlaganfall

  • Zeichen der oberen und unteren Motoneurone (oder beide) sowie sensorischer Ausfall unterhalb eines Rückenmarksegments und Verlust der Kontrolle über Darm und Blase (oder beides): eine Rückenmarkläsion.

Eine Schwäche mit Zeichen der unteren Motoneurone kann aus einer Störung resultieren, die eine oder mehrere periphere Nerven betrifft; eine solche Störung weist sehr spezifische Muster von Schwäche auf (z. B. Fallhand bei N. Radius- Verletzung). Bei beschädigtem Arm- oder Lumbosakralplexus sind die motorischen, sensorischen und Reflex- Defizite oft fleckförmig und folgen keinem peripheren Nervenmuster.

Feststellung einer spezifischen zugrunde liegenden Störung

Manchmal deuten kombinierte Ergebnisse auf eine Ursache hin (siehe Tabelle Schwächebezogene Befunde, die für eine spezifische Erkrankung sprechen).

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Liegen keine Symptome oder Anzeichen von Schwäche vor (z. B. charakteristisches anatomisches und zeitliches Muster, objektive Zeichen), und die Patienten klagen nur über generelle Schwäche, Erschöpfung oder Mangel an Energie, sollten nichtneurologische Störungen in Betracht gezogen werden. Bei älteren Patienten, die sich zu schwach zum Gehen fühlen, kann es jedoch schwierig sein, den Anteil der Muskelschwäche zu bestimmen, da die Gangstörung oft multifaktoriell bedingt ist (siehe Grundlagen der Geriatrie: Schwäche ).

Patienten mit zahlreichen Störungen können funktional eingeschränkt sein, aber keinen echten Verlust von Muskelkraft aufweisen. Kardiopumonale Dysfunktion oder Anämie können z. B. Erschöpfung wegen Atemnot oder Belastungsintoleranz verursachen. Eine Dysfunktion der Gelenke (z. B. aufgrund von Arthritis) oder Muskelschmerzen (z. B. aufgrund von Polymyalgia rheumatica oder Fibromyalgie) können körperliche Tätigkeiten erschweren. Diese und weitere körperliche Erkrankungen, die Beschwerden von Schwäche verursachen (z. B. Influenza, infektiöse Mononukleose, Nierenversagen), sind in der Regel bereits diagnostiziert oder durch anamnestische Befunde und/oder körperliche Untersuchung naheliegend.

Wenn die Anamnese und die körperliche Untersuchung keine Anomalien ergeben, die auf körperliche Störungen hindeuten, sind diese Störungen im Allgemeinen unwahrscheinlich; Störungen, die eine konstante, generalisierte Müdigkeit ohne physiologisches zeitliches oder anatomisches Muster verursachen (z. B. Depression; chronisches Müdigkeitssyndrom; eine bisher unentdeckte systemische Erkrankung wie schwere Anämie, Hypothyreose oder Addison-Krankheit; eine unerwünschte Arzneimittelwirkung), sollten in Betracht gezogen werden.

Testung

Bei Patienten mit Fatigue statt Schwäche konzentrieren sich Anamnese und körperliche Untersuchung auf die Identifizierung subtiler Manifestationen der Grunderkrankung (insbesondere Infektionen, endokrine und rheumatologische Erkrankungen, Anämie und Depression), an denen sich die Tests orientieren können.

Es können zwar viele Tests bei Patienten mit echter Muskelschwäche durchgeführt werden, diese haben jedoch oft nur ergänzenden Charakter.

Wenn keine echte Schwäche vorliegt, werden weitere ggf. vorhandene klinische Befunde (z. B. Atemnot, Blässe, Gelbsucht, Herzgeräusche) genutzt, um die geeigneten Tests zu veranlassen.

Bei Patienten ohne abnorme klinische Befunde ist es unwahrscheinlich, dass die Testergebnisse auffällig sind. In diesen Fällen variieren die Testmethoden stark. Erste Tests umfassen in der Regel eine kombinierte Bestimmung von Blutbild, Elektrolyten (einschließlich Kalzium und Magnesium), Glukose, Nieren- und Leberwerten, TSH, Blutsenkungsgeschwindigkeit und Hepatitis-C-Serologie.

Bei Auftreten von plötzlicher oder gravierender echter allgemeiner Schwäche oder von respiratorischen Symptomen müssen Atemfunktionstests, (z. B. forcierte Vitalkapazität und maximaler inspiratorischer Druck) durchgeführt werden, um das Risiko einer akuten Ventilationsinsuffizienz zu beurteilen. Patienten mit einer Vitalkapazität < 15 ml/kg oder einem inspiratorischen Druck < 20 cm H2O haben ein erhöhtes Risiko.

Bei Vorliegen einer echten Schwäche (und üblicherweise nach Einschätzung des Risikos für eine akute Ventilationsinsuffizienz), zielen die ersten Tests in der Regel auf den Mechanismus der Schwäche ab. Falls die Ursache nicht ersichtlich ist, werden üblicherweise Routinelabortests durchgeführt (Blutbild, Elektrolyte [einschließlich Kalzium und Magnesium], Glukose, Nieren- und Leberwerte, TSH, Blutsenkungsgeschwindigkeit, Hepatitis-C-Serologie).

Die Tests zur Bestimmung der Lokalisation und des Mechanismus der Schwäche hängen von den klinischen Befunden ab.

Bei Verdacht auf Dysfunktion der kortikalen oberen Motoneurone ist die wichtigste Untersuchung ein MRT. Eine CT wird eingesetzt, wenn MRT-Untersuchungen nicht möglich sind (z. B. bei Patienten mit Herzschrittmacher).

Bei V. a. Myelopathie können Läsionen im Rückenmark mithilfe einer MRT erkannt werden. Damit können auch andere Lähmungsursachen detektiert werden, die eine Myelopathie imitieren könnten, inkl. Läsionen in Cauda equina, Spinalwurzeln, Arm- und Lumbosakral-Plexus. Die CT-Myelographie aknn zum Einsatz kommen, wenn MRT-Untersuchungen nicht zur Verfügung stehen. Andere Tests werden durchgeführt (siehe Tabelle Ursachen von Muskelschwäche). Eine Blutbildanalyse kann bei manchen Störungen, die während der Bildgebung diagnostiziert werden, überflüssig sein (z. B. epidurale Tumoren) und ist kontraindiziert, wenn eine Liquorblockade (z. B. aufgrund einer epiduralen Kompression des Rückenmarks) vermutet wird. Die Analyse des Liquors ist bei Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom nützlich; die albuminzytologische Dissoziation (hoher Proteingehalt bei normaler Anzahl weißer Blutkörperchen) ist nahezu pathognomonisch.

Bei Verdacht auf Polyneuropathien, Myopathien oder Störungen der neuromuskulären Endplatte sind elektrodiagnostische Untersuchungen (Elektromyographie und Nervenleitfähigkeitsuntersuchungen) die wichtigsten Tests, die zur Unterscheidung dieser Schwächemechanismen beitragen.

Nach einer Nervenverletzung kann es bis zu einigen Wochen dauern, bis sich Veränderungen der Nervenleitung und der Denervation von Muskeln entwickeln, so dass elektrodiagnostische Tests bei einer akuten Störung möglicherweise nicht hilfreich sind. Diese Untersuchungen können jedoch zur Unterscheidung bestimmter akuter Erkrankungen wie akute demyelinisierende Neuropathie (z. B. Guillain-Barré-Syndrom), akuter Botulismus und andere akute neuromuskuläre Störungen beitragen.

Besteht der Verdacht auf eine Myopathie (erkennbar an Muskelschwäche, Muskelkrämpfen und Schmerzen), können die Muskelenzyme (z. B. Kreatinkinase, Aldolase, Laktatdehydrogenase) bestimmt werden. Erhöhte Spiegel passen zur Myopathie, sie können aber auch bei Neuropathien hoch sein (als Ausdruck der Muskelatrophie) und sehr hoch bei der ischämischen Rhabdomyolyse. Außerdem können die Spiegel nicht bei allen Myopathien hoch sein. Regelmäßiger Gebrauch von Crack kann auch zu chronisch mäßig erhöhten CK-Werten führen (Mittelwert 400 I.E./l).

Mithilfe der MRT lassen sich Muskelentzündungen identifizieren, wie sie bei entzündlichen Muskelerkrankungen vorkommen. Eine Muskelbiopsie kann nötig sein, um abschießend eine Myopathie oder Myositis zu diagnostizieren. MRT oder Elektromyographie können bei der Suche nach einer geeigneten Stelle für die Muskelbiopsie behilflich sein. Allerdings können Artefakte durch Nadelstiche eine Muskelpathologie imitieren und sind zu vermeiden; eine Biopsie sollte also nie einem Muskel entnommen werden, der auch mit einer Elektromyographie untersucht wurde.

Ein Gentest kann die Diagnose von bestimmten erblichen Myopathien bestätigen.

Bei V. a. Motoneuron-Erkrankungen (z. B. ALS) beinhalten die Tests Elektromyographie und Nervenleitungsuntersuchungen, um die Diagnose zu bestätigen und um behandelbare Erkrankungen, die Motoneuronerkrankungen imitieren, auszuschließen (z. B. chronisch entzündliche demyelinisierende Polyneuropathie, multifokale motorische Neuropathie mit Leitungsblock). Eine MRT des Gehirns kann bei fortgeschrittener ALS eine Degeneration der Pyramidenbahn darstellen. Eine MRT des Rückenmarks (oder CT-Myelographie) wird zum Ausschluss einer Rückenmarkkompression oder anderer Myelopathien routinemäßig durchgeführt (siehe Tabelle Ursachen von Muskelschwäche).

Eine Testung auf bestimmte Erkrankungen kann erforderlich sein:

  • Wenn die Befunde auf Myasthenia gravis hindeuten: Eisbeuteltest und serologische Untersuchungen (z. B. Acetylcholinrezeptorantikörperspiegel, ggf. Anti-Muskel-spezifische Tyrosinkinase-Antikörper)

  • Wenn die Befunde für eine Vaskulitis sprechen: Autoantikörpertests

  • Wenn Familienanamnese auf eine erbliche Erkrankung hinweist: Gentests

  • Wenn die Befunde eine Polyneuropathie nahe legen: weitere Tests (siehe Tabelle Ursachen von Muskelschwäche)

  • Sollte die Myopathie durch Drogen, metabolische oder endokrine Störungen nicht erkläbar sein: ggf. Muskelbiopsie

Behandlung von Schwäche

Ursachen für Muskelschwäche werden behandelt. Für Patienten mit lebensbedrohlicher, akuter Schwäche kann eine Atemhilfe benötigt werden.

Physio- und Ergotherapie kann den Betroffenen helfen, sich an die dauerhafte Schwäche anzupassen und den Funktionsverlust zu minimieren, unabhängig von der Ursache.

Grundlagen der Geriatrie: Schwäche

Eine gewisse Minderung der Muskeldehnungsreflexe im Alter ist häufig, aber eine Asymmetrie oder das Fehlen dieser Reflexe bei Bahnung ist pathologisch.

Da Ältere mit größerer Wahrscheinlichkeit eine vorbestehende Sarkopenie aufweisen, kann Bettruhe manchmal schon nach ein paar Tagen einen rapiden Muskelschwund verursachen.

Ältere Menschen nehmen mehr Arzneimittel ein und sind anfälliger für arzneimittelinduzierte Myopathien, Neuropathien und Emüdbarkeit; somit sind Arzneimittel bei Senioren eine häufige Ursache von Schwäche.

Das Gefühl zu schwach zu sein, um zu gehen, hat oft mehrere Ursachen. Weitere mögliche Faktoren sind folgende:

  • Muskelschwäche (z. B. verursacht durch einen Schlaganfall, die Einnahme bestimmter Substanzen oder Medikamente, Myelopathie aufgrund von zervikaler Spondylose oder Muskelatrophie)

  • Hydrozephalus

  • Parkinsonismus

  • Schmerzhafte Arthritis

  • Altersbedingter Ausfall von neuronalen Schaltkreisen, welche Haltungsstabilität (vestibuläres System, propriozeptive Bahnen), Koordination (Kleinhirn, Basalganglien), Sehen und Praxie (Frontallappen) vermitteln

Die Abklärung sollte sich auf reversible Faktoren konzentrieren.

Physikalische Therapie und Rehabilitation sind in der Regel unabhängig von der Ätiologie der Schwäche hilfreich.

Wichtige Punkte

  • Unterscheiden Sie den Verlust von Muskelkraft vom Gefühl der Ermüdbarkeit.

  • Wenn die Erschöpfung weder ein anatomisches noch ein zeitliches Muster von Schwäche bei Patienten mit einem normalen körperlichen Untersuchungsbefund aufweist, gehen Sie von einem chronischen Fatigue-Syndrom aus, von einer noch unentdeckten systemischen Erkrankung (z. B. schwere Anämie, Hypothyreodismus, M. Addison), von einem psychischen Problem (z. B. Depression) oder von einer unerwünschten Arzneimittelwirkung.

  • Stellen Sie bei Patienten mit einer echten Muskelschwäche zunächst fest, ob die Schwäche auf einer Dysfunktion des Gehirns, des Rückenmarks, der Plexus, der peripheren Nerven, der neuromuskulären Endplatte oder der Muskeln beruht.

  • Zeigen Patienten Hyperreflexie und erhöhten Muskeltonus (Spastik), v. a. bei positivem Babinski-Zeichen, nehmen Sie eine Läsion der oberen Motoneurone (z. B. Pyramidenbahn) im Gehirn oder im Rückenmark an; eine MRT ist in der Regel erforderlich.

  • Bei Patienten mit Hyporeflexie, verminderter Muskelspannung, Muskelschwund und Muskelzuckungen gehen Sie von einer Läsion der unteren Motoneurone aus.

  • Bei Patienten mit Hyporeflexie und überwiegend distaler Muskelschwäche, insbesondere mit distalen sensorischen Defiziten oder Parästhesien, besteht ein V. a. Polyneuropathie.

  • Haben Patienten Schwierigkeiten beim Treppensteigen, Haarekämmen und Aufstehen mit einer überwiegend proximalen Muskelschwäche und intakter Sensorik, nehmen Sie eine Myopathie an.

  • Physiotherapie ist in der Regel hilfreich, um die Kraft bei allen Ursachen von Schwäche zu verbessern.