Störungen der neuromuskulären Übertragung

Störungen der neuromuskulären Endplatte

VonMichael Rubin, MDCM, New York Presbyterian Hospital-Cornell Medical Center
Überprüft/überarbeitet März 2024
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Störungen der neuromuskulären Übertragung betreffen den neuromuskulären Übergang; sie verursachen häufig schwankende Muskelschwäche ohne sensorische Defizite.

    (Siehe auch Überblick über Störungen des peripheren Nervensystems)

    Störungen der neuromuskulären Übertragung können Folgende beinhalten

    • Postsynaptische Rezeptoren (z. B. bei Myasthenia gravis)

    • Präsynaptische Freisetzung von Acetylcholin (z. B. bei Botulismus)

    • Abbau von Acetylcholin in der Synapse (z. B. aufgrund von Medikamenten oder neurotoxischen Chemikalien)

    Die häufigste Erkrankung, die die neuromuskuläre Übertragung beeinflusst, ist die Myasthenia gravis.

    Einige Erkrankungen, die andere Bereiche des Körpers betreffen in erster Linie (z. B. Stiff-Person-Syndrom, Isaac-Syndrom) haben neuromuskuläre Manifestationen.

    Lambert-Eaton-Syndrom

    Das Eaton-Lambert-Syndrom ist eine seltene Autoimmunerkrankung des neuromuskulären Übergangs, bei der die Freisetzung von Acetylcholin aus präsynaptischen Nervenendigungen gestört ist; sie ist auf den Verlust von spannungsgesteuerten Kalziumkanälen vom Typ P/Q an den präsynaptischen Nervenendigungen zurückzuführen. Repetitive Nerventests mit hohen Frequenzen (20–50 Hz [Hz]) oder eine einzelne supramaximale Stimulation vor und nach 10 Sekunden maximaler isometrischer Belastung zeigen eine inkrementelle Reaktion von bis zu 400%. Erhöhungen von > 100% gelten als diagnostisch für eine präsynaptische Störung der neuromuskulären Übertragung, aber eine Erhöhung von ≥ 60% oder mehr ist hochverdächtig.

    Botulismus

    Botulismus, ebenfalls bedingt durch eine eingeschränkte Freisetzung von Acetylcholin aus präsynaptischen Nervenendigungen, entsteht durch irreversible Bindung des durch Sporen von Clostridium botulinum gebildeten Toxins an einen spezifischen Rezeptor (Synaptotagmin II) auf den präsynaptischen terminalen cholinergen Nervenendigungen. Das Ergebnis ist eine ausgeprägte Schwäche, manchmal mit respiratorischer Insuffizienz und Schwierigkeit zu schlucken. Andere systemische Symptome können sein: Mydriasis, Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalt und Tachykardie durch ungehemmte Aktivität des sympathischen Nervensystems (anticholinerges Syndrom). Diese systemischen Befunde fehlen bei Myasthenia gravis.

    Bei Botulismus zeigt sich bei der Elektromyographie (EMG) ein leichtes Dekrement bei niederfrequenter (2–3 Hz) repetitiver Nervenstimulation, jedoch ein deutliches Inkrement nach 10 Sekunden körperlicher Anstrengung oder bei schneller (50 Hz) repetitiver Nervenstimulation.

    Arzneimittel oder toxische Chemikalien

    Cholinerge Medikamente, Organophosphat-Insektizide und die meisten Nervengase (z. B. Sarin) blockieren die neuromuskuläre Übertragung durch überschießende Acetylcholinwirkung, die den postsynaptischen Rezeptor depolarisiert. Daraus resultieren Miosis, Bronchorrhö Bauchkrämpfe und myasthenieähnliche Schwäche (cholinerges Syndrom).

    Aminoglykoside und Polypeptidantibiotika vermindern die präsynaptische Acetylcholinfreisetzung und die Empfindlichkeit der postsynaptischen Membran gegenüber Acetylcholin. Bei hohen Serumspiegeln können diese Antibiotika eine neuromuskuläre Blockade bei Patienten mit latenter Myasthenia gravis verstärken. Eine Langzeitbehandlung mit Penicillamin kann ein reversibles Syndrom verursachen, das klinisch und elektromyographisch einer Myasthenia gravis ähnelt. Exzessive Magnesiumgaben oral oder IV (mit Blutspiegeln um 8 bis 9 mg/dl [4 bis 4,5 mmol/l]) können ebenfalls eine schwere Muskelschwäche hervorrufen, die einem myasthenischen Syndrom ähnelt. Immun-Checkpoint-Inhibitoren (z. B. Ipilimumab, Nivolumab, Pembrolizumab), eine Klasse von Krebsmedikamenten, haben bei < 1% der Patienten immunbedingte unerwünschte Wirkungen; über diese unerwünschten Wirkungen (zu denen auch Myasthenia gravis gehört) wird jedoch weiterhin berichtet.

    Die Behandlung besteht in der Eliminierung des Medikaments oder der toxischen Chemikalie und der Versorgung mit erforderlicher Atemunterstützung und Intensivpflege. Atropin 0,4–0,6 mg p.o. 3-mal/Tag setzt die Bronchialsekretion bei Patienten mit cholinergem Überschuss herab. Höhere Dosen (z. B. 2–4 mg IV alle 5 Minuten) können bei Vergiftungen mit Organophosphat-Insektiziden oder Nervengasen nötig werden.