Störungen des Kleinhirns

VonAlex Rajput, MD, University of Saskatchewan;
Eric Noyes, MD, University of Saskatchewan
Überprüft/überarbeitet Feb. 2024
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Zerebelläre Störungen haben zahlreiche Ursachen, inkl. kongenitaler Fehlbildungen, hereditärer Ataxien und erworbener Störungen. Die Symptome variieren zwar je nach Ursache, dazu gehört aber typischerweise eine Ataxie (gestörte Muskelkoordination). Die Diagnose wird klinisch gestellt, häufig anhand einer Bildgebung und manchmal aufgrund von Gentests. Die Behandlung ist meist unterstützend, es sei denn, die Ursache ist erworben und reversibel.

(Siehe auch Übersicht über Störungen der Motorik und des Kleinhirns.)

Das Kleinhirn besteht aus 3 Teilen:

  • Archicerebellum (Vestibulocerebellum): Es umfasst den Lobus flocculonodularis, der in der medialen Zone lokalisiert ist. Das Archicerebellum ist an der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts und der Koordination von Augen-, Kopf- und Nackenbewegungen beteiligt; es ist eng mit den Nuclei vestibulares verschaltet.

  • Median gelegener Wurm (Vermis, Paläocerebellum): Er hilft, den Rumpf und die Beinbewegungen zu koordinieren. Läsionen des Wurms führen zu Anomalien von Stand und Gang.

  • Laterale Hemisphären (Neocerebellum): Sie kontrollieren schnelle und feinkoordinierte Bewegungen der Extremitäten, v. a. der Arme und Hnde.

Der Konsens darüber wächst, dass das Kleinhirn neben der Koordination auch einige Aspekte von Gedächtnis, Lernen und Kognition steuert.

Ataxie ist das archetypische Zeichen einer zerebellären Funktionsstörung, jedoch können auch viele andere motorische Anomalien auftreten (siehe Tabelle Zeichen zerebellärer Störungen).

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Ätiologie zerebellärer Störungen

Die häufigste Ursache für Erkrankungen des Kleinhirns sind

  • Alkoholische zerebelläre Degeneration

Kongenitale Fehlbildungen

Derartige Fehlbildungen kommen fast immer sporadisch vor, häufig treten sie als Teil komplexer Fehlbildungssyndrome auf (z. B. Dandy-Walker-Syndrom), die auch andere Teile des Gehirns betriffen.

Fehlbildungen manifestieren sich früh im Leben und sind nicht progressiv. Die Manifestationen variieren deutlich in Abhängigkeit von den betroffenen Strukturen; eine Ataxie liegt meist vor.

Hereditäre Ataxien

Hereditäre Ataxien können autosomal-rezessiv oder autosomal-dominant vererbt sein. Autosomal-rezessive Ataxien umfassen die Friedreich-Ataxie (kommt am häufigsten vor), die Ataxia teleangiectatica, die Abetalipoproteinämie (Bassen-Kornzweig-Syndrom), die Ataxie mit isoliertem Vitamin-E-Mangel und die zerebrotendinöse Xanthomatose.

Die Friedreich-Ataxie beruht auf einer Genmutation, die eine anomale Wiederholung der DNA-Sequenz GAA im FXN-Gen auf dem langen Arm von Chromosom 9 verursacht; das FXN-Gen codiert für das mitochondriale Protein Frataxin. Bei Menschen ohne Friedreich-Ataxie wiederholt sich die GAA-Sequenz 5 bis 38 Mal innerhalb des -FXN-Gens; bei Menschen mit Friedreich-Ataxie kann die GAA-Sequenz jedoch 70- bis > 1000-mal wiederholt werden (1, 2). Die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv. Verminderte Frataxinspiegel führen zu mitochondrialer Eisenüberladung und gestörter Mitochondrienfunktion.

Bei der Friedreich-Ataxie macht sich Gangunsicherheit zwischen dem 5. und 15. Lebensjahr bemerkbar; darauf folgt eine Ataxie der oberen Extremitäten, Dysarthrie und Parese, v. a. der unteren Extremitäten. Ein Tremor ist, falls vorhanden, leicht. Häufig sind aufsteigende plantare Reaktionen vorhanden. Die Reflexe und der Vibrations- und Lagesinn gehen verloren. Bei spät einsetzender Friedreich-Ataxie (Alter > 25 Jahre) können die Reflexe jedoch erhalten bleiben. Häufig sind Pes equinovarus (Klumpfuß), Skoliose und progressive Kardiomyopathie. Am Ende der 3. Lebensdekade können die Patienten an den Rollstuhl gefesselt sein. Der Tod, häufig aufgrund von Herzrhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz, tritt meist im mittleren Lebensalter ein. Durch formale neuropsychologische Tests kann eine Verschlechterung der kognitiven Funktionen festgestellt werden.

Omaveloxolon, ein Aktivator des NF2-Signalwegs, ist für die Behandlung der Friedreich-Ataxie verfügbar. Dieses Medikament kann das Fortschreiten der Ataxie um 1,5 bis 2 Jahre verzögern (3).

Spinozerebelläre Ataxien (SCA) sind die häufigsten autosomal-dominant vererbten Ataxien. Die Einteilung dieser Ataxien wurde kürzlich mehrmals revidiert, da das Wissen über die Genetik zunimmt (4). Derzeit sind mindestens 48 verschiedene Genloci bekannt; etwa 10 davon beinhalten die expandierten DNA-Repeats. Einige betreffen Repeats der DNA-Sequenz CAG, die für die Aminosäure Glutamin kodiert, ähnlich wie bei Chorea Huntington.

Die Symptomatik von SCAs variiert. Einige der am weitesten verbreitenen SCA betreffen verschiedene Areale im zentralen und peripheren Nervensystem: häufig sind Neuropathie, Pyramidenbahnzeichen und Restless-Legs-Syndrom sowie Ataxie. Einige SCA verursachen in der Regel nur eine zerebelläre Ataxie.

SCA Typ 3, früher bekannt als Machado-Joseph-Erkrankung, kann die häufigste dominant vererbte SCA weltweit sein. Symptome sind Ataxie, Parkinsonismus und möglicherweise Dystonie, Gesichtszuckungen, Ophthalmoplegie und hervorquellende Augen.

Erworbene Störungen

Erworbene Ataxien können als Folge von nichthereditären neurodegenerativen Erkrankungen (z. B. Multsystematrophie), systemischen Erkrankungen, multipler Sklerose, Kleinhirninfarkten, wiederholtem Schädel-Hirn-Trauma, Toxinexposition auftreten, oder sie können idiopathisch sein. Systemische Erkrankungen umfassen Alkoholismus (alkoholtoxische zerebelläre Degeneration), Thiaminmangel, Zöliakie, Hitzschlag, Hyperthyreose und Vitamin-E-Mangel.

Zu den Toxinen, die eine Kleinhirnfunktionsstörung verursachen können, gehören Kohlenmonoxid, Schwermetalle, Lithium, Phenytoin und bestimmte Lösungsmittel. Toxische Konzentrationen bestimmter Medikamente (z. B. Antiepileptika, Sedativa in hohen Dosen) können zu Kleinhirnstörungen und Ataxie führen.

Selten tritt die subakute zerebelläre Degeneration tritt als als paraneoplastisches Syndrom bei Patientinnen mit Brustkrebs, Eierstockkrebs, kleinzelligem Lungenkarzinom oder anderen soliden Tumoren auf. Sie kann über Wochen oder Jahre hinweg fortschreiten, bevor ein Tumorleiden entdeckt wird. Anti-Yo, jetzt PCA-1 (Purkinje cell cytoplasmic antibody type 1) genannt, ist ein zirkulierender Autoantikörper, der im Serum oder im Liquor einiger Patienten auftritt, insbesondere bei Frauen mit Mamma- oder Ovarialkarzinomen.

Bei Kindern kann ein primärer Hirntumor (Medulloblastom, zystisches Astrozytom) die Ursache sein; die Mittellinie des Kleinhirns ist die häufigste Lokalisation eines solchen Tumors. Selten entwickeln sich bei Kindern reversible diffuse zerebelläre Funktionsstörungen als Folge eines viralen Infekts.

Literatur zur Ätiologie

  1. 1. Pandolfo M: Friedreich ataxia. Arch Neurol. 65 (10):1296–1303, 2008. doi: 10.1001/archneur.65.10.1296

  2. 2. Cook A, Giunti P: Friedreich's ataxia: clinical features, pathogenesis and management. Br Med Bull 124 (1):19–30, 2017. doi: 10.1093/bmb/ldx034

  3. 3. Lynch DR, Chin MP, Boesch S, et al: Efficacy of omaveloxolone in Friedreich's ataxia: Delayed-start analysis of the MOXIe extension. Mov Disord Feb;38 (2):313–320, 2023. doi: 10.1002/mds.29286. Epub 2022 Nov 29.

  4. 4. Lange LM, Gonzalez-Latapi P, Rajalingam R, et al: Nomenclature of genetic movement disorders: Recommendations of the International Parkinson and Movement Disorder Society Task Force - An update. Mov Disord 37 (5):905–935, 2022. doi: 10.1002/mds.28982 Epub 2022 Apr 28.

Diagnose von zerebellären Störungen

  • Klinische Untersuchung

  • Typischerweise MRT

  • Gelegentlich Gentests

Die Diagnose von zerebralen Erkrankungen wird klinisch gestellt und umfasst eine gründliche Familienanamnese und die Suche nach erworbenen systemischen Krankheiten.

Es wird eine neuronale Bildgebung (typischerweise eine MRT) durchgeführt. Bei entsprechenden Hinweisen aus der Familienanamnese wird eine genetische Untersuchung durchgeführt.

Behandlung von Störungen des Kleinhirns

  • Behandlung der Ursache, wenn möglich

  • Normalerweise nur unterstützend

Riluzol 50 mg oral alle 12 Stunden ist wahrscheinlich hilfreich für die kurzfristige Behandlung von Ataxie. Einige Studien deuten darauf hin, dass Amantadin die motorische Koordination verbessern könnte, aber insgesamt gibt es keine ausreichende Evidenz für oder gegen eine Behandlung der Ataxie mit Amantadin (1).

Einige systemische Erkrankungen (z. B. Hypothyreoidismus, Zöliakie) und Toxinexposition können behandelt werden; gelegentlich ist eine chirurgische Intervention bei strukturellen Läsionen (Tumor, Hydrozephalus) nützlich. Die Behandlung ist jedoch in der Regel nur unterstützend (z. B. Übungen zur Verbesserung des Gleichgewichts, der Körperhaltung und der Koordination; Hilfsmittel, die beim Gehen, Essen und anderen täglichen Aktivitäten helfen).

Literatur zur Therapie

  1. 1. Zesiewicz TA, Wilmot G, Kuo SH, et al: Comprehensive systematic review summary: Treatment of cerebellar motor dysfunction and ataxia. Report of the Guideline Development, Dissemination, and Implementation Subcommittee of the American Academy of Neurology. Neurology 90 (10):464–471, 2018. doi: 10.1212/WNL.0000000000005055