Übersicht über die Beurteilung des älteren Erwachsenen

VonRichard G. Stefanacci, DO, MGH, MBA, Thomas Jefferson University, Jefferson College of Population Health
Überprüft/überarbeitet Apr. 2024
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    In der Regel unterscheidet sich die Beurteilung von älteren Menschen von einer ärztlichen Standardabklärung. Bei älteren Patienten, insbesondere sehr alten oder gebrechlichen, können Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt werden, und die körperliche Untersuchung kann 2 Sitzungen erfordern, weil die Patienten müde werden. (Für Empfehlungen zur Vorsorgeuntersuchung bei älteren Menschen siehe Prävention von Krankheiten bei älteren Erwachsenen.)

    Ältere Menschen haben außerdem unterschiedliche, oft komplizierte Gesundheitsprobleme, wie z. B. Mulitmorbidität, die den Gebrauch vieler Medikamente (gelegentlich Polypharmazie genannt) erfordern können, und daher eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Verschreibung eines Medikaments mit hohem Risiko (siehe Tabelle Potenziell unangemessene Arzneimittel bei älteren Erwachsene).

    Frühzeitiges Aufdecken von Problemen kann zu einer frühzeitigen Intervention führen, die manchmal durch relativ einfache, kostengünstige Maßnahmen (wie z. B. die Änderung von Lebensgewohnheiten) eine Verschlechterung verhindern und die Lebensqualität verbessern kann. So lassen sich einige ältere Patienten, insbesondere gebrechliche oder chronisch kranke, am besten mithilfe eines umfassenden geriatrischen Assessments beurteilen, welches die Funktionsfähigkeit und die Lebensqualität untersucht; am besten geleitet durch ein interdisziplinäres Team.

    Mulitmorbidität

    Im Durchschnitt haben ältere Patienten 6 diagnostizierbare Störungen. Eine Störung in einem Organsystem kann ein anderes in Mitleidenschaft ziehen, wodurch sich beide verschlechtern und zu Funktionsminderung oder Hilfsbedürftigkeit und ohne Intervention zum Tod führen. Mulitmorbidität kompliziert Diagnose und Behandlung, und die Auswirkungen der Erkrankungen werden noch verstärkt durch soziale Benachteiligung (z. B. Isolation) und Armut (da die Patienten länger leben, als ihre Ressourcen ausreichen, oder weil sie ihr soziales Umfeld überleben) und durch funktionelle und finanzielle Schwierigkeiten.

    Einige allgemeine geriatrische Symptome (z. B. Delirium, Schwindel, Synkope, Sturz, Mobilitätsprobleme, Gewichtsabnahme und Appetitlosigkeit, Harninkontinenz) müssen von den Ärzten besonders beachtet werden, da sie durch Erkrankungen mehrerer Organsysteme bedingt sein können.

    Bei multimorbiden Patienten müssen die Behandlungen (z. B. Bettruhe, chirurgischer Eingriff, Medikation) gut aufeinander abgestimmt werden; eine Erkrankung isoliert und ohne die damit zusammenhängenden Störungen zu behandeln, kann die Hinfälligkeit beschleunigen. Außerdem ist eine sorgfältige Überwachung notwendig, um iatrogene Folgen zu vermeiden. Bei völliger Bettruhe können z. B. ältere Patienten pro Tag 1–3% ihrer Muskelmasse und -kraft verlieren (was zu Sarkopenie und stark eingeschränkter Mobilität führt), und allein die Auswirkungen der Bettruhe können letztlich zum Tod führen.

    Versäumte oder verzögerte Diagnose

    Störungen, die häufig bei älteren Menschen vorkommen, werden häufig übersehen, oder die Diagnose wird verzögert gestellt. Kliniker sollten die Anamnese, die körperliche Untersuchung und einfache Labortests nutzen, um aktiv nach Erkrankungen zu suchen, die nur oder häufiger bei älteren Patienten auftreten (siehe Tabelle Einige bei älteren Erwachsenen häufigere Erkrankungen); wenn diese Erkrankungen frühzeitig diagnostiziert werden, können sie oft leichter behandelt werden. In vielen Fällen hängt eine frühzeitige Diagnose davon ab, ob der Arzt mit dem Verhalten und der Anamnese seines Patienten, inkl. seines mentalen Status, vertraut ist. Für gewöhnlich sind die ersten Zeichen einer körperlichen Erkrankung Störungen des Verhaltens, mentale oder emotionale Störungen. Ist sich der Arzt dieser Möglichkeit nicht bewusst und hält er diese Zeichen für einen Ausdruck von Demenz, können Diagnose und Behandlung verzögert werden.

    Polypharmazie

    Die verschreibungspflichtigen, rezeptfreien und illegalen Medikamente (einschließlich Marihuana) der Patienten sollten häufig überprüft werden, insbesondere im Hinblick auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und die Verwendung von Medikamenten, die für ältere Patienten als ungeeignet gelten. Diese Überprüfung ist vor allem bei Pflegeübergängen wichtig, wenn ein Abgleich der Medikamente erforderlich ist, um Doppelungen, fehlende Medikamente und Dosierungsfehler zu vermeiden und Medikamente zu identifizieren, die möglicherweise nicht mehr benötigt werden.

    Probleme mit Pflegekräften

    Gelegentlich hängen Probleme älterer Patienten mit Vernachlässigung oder Missbrauch durch ihre Pflegekraft zusammen. Lassen die Umstände und Befunde darauf schließen, sollten die Ärzte die Möglichkeit von Patientenmissbrauch und Medikamentenabusus durch die Betreuungsperson prüfen. Bestimmte Verletzungsmuster oder Verhaltensweisen von Patienten haben besonderen Hinweischarakter, sie umfassen

    • Häufige Blutergüsse, v. a. in schwer zugänglichen Bereichen (z. B. Mitte des Rückens)

    • Griffprellungen der Oberarme

    • Quetschungen der Genitalien

    • Eigenartige Verbrennungen

    • Unerklärliche Ängstlichkeit des Patienten vor einer Pflegeperson