Harninkontinenz bei Erwachsenen

VonPatrick J. Shenot, MD, Thomas Jefferson University Hospital
Überprüft/überarbeitet Sept. 2023
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Harninkontinenz ist der unwillkürliche Abgang von Urin. Manche Experten glauben, dass Inkontinenz nur dann vorliegt, wenn der Patient dies als ein Problem betrachtet. Die Krankheit wird viel zu wenig beachtet und es wird zu wenig darüber berichtet. Viele Patienten informieren ihren Arzt nicht über das Problem, und viele Ärzte fragen nicht explizit nach Inkontinenz. Inkontinenz kann in jedem Lebensalter auftreten, kommt aber häufiger bei älteren Menschen und bei Frauen vor, von denen etwa 30% betroffen sind, gegenüber 15% der älteren Männer.

Inkontinenz beeinträchtigt die Lebensqualität erheblich, indem sie Schamgefühl, Stigmatisierung, Isolierung und Depression verursacht. Viele ältere Menschen sind in Pflegeheimen untergebracht, weil ihre Inkontinenz eine starke Belastung für ihre Betreuer ist. Bei bettlägerigen Patienten reizt und mazeriert der Urin die Haut und fördert so Dekubitusbildung. Ältere Menschen mit Harndrang haben ein höheres Sturz- und Frakturrisiko.

(Siehe auch Harninkontinenz bei Kindern und Miktion im Überblick.)

Formen

Inkontinenz kann sich als fast permanentes Tröpfeln manifestieren oder als intermittierender Harnabgang mit oder ohne das Gefühl, Wasser lassen zu müssen. Manche Patienten haben einen extremen Harndrang (nicht unterdrückbarer Zwang, Wasser zu lassen) mit nur kurzer oder ohne Vorwarnung und können den Harndrang nicht bis zum Erreichen einer Toilette unterdrücken (sog. Dranginkontinenz). Inkontinenz kann durch Bewegungen, die den intraabdominalen Druck erhöhen, entstehen oder sich verschlechtern. Nachträufeln ist äußerst häufig und bei Männern wahrscheinlich sogar normal. Es ist manchmal hilfreich, das klinische Muster zu erkennen, doch häufig überlappen sich die Ursachen auch und dann ist ein Teil der Behandlung identisch.

Als Dranginkontinenz wird unkontrollierter Harnverlust (von mittelgroßen bis großen Volumen) bezeichnet, der sofort beginnt, sobald das dringende unbändige Bedürfnis des Wasserlassens auftritt. Nykturie und nächtliche Inkontinenz sind häufig. Dranginkontinenz ist die häufigste Form der Inkontinenz bei älteren Menschen, kann aber auch bei jüngeren vorkommen. Sie wird oft durch Einnahme von Diuretika ausgelöst und verstärkt sich, wenn eine Toilette nicht schnell genug erreicht werden kann. Bei Frauen, trägt eine atrophische Vaginitis, die mit dem Altern häufig auftritt, zur Verschmälerung und Reizung der Harnröhre sowie Harndrang bei.

Stressinkontinenz ist charakterisiert als Urinverlust durch abrupte Zunahme des intraabdominalen Drucks, z. B. beim Husten, Niesen, Lachen, Beugen oder Heben. Die verlorene Harnmenge ist gewöhnlich gering bis mittelgroß. Es ist der zweithäufigste Typ von Inkontinenz bei Frauen, häufig als Folge von Komplikationen bei der Entbindung oder als Folge einer atrophischen Urethritis. Männer können Stressinkontinenz nach Eingriffen wie z. B. eine radikale Prostatektomie entwickeln. Stressinkontinenz ist bei Menschen mit Adipositas typischerweise schwerwiegender, aufgrund des Drucks der Bauchorgane auf die Oberseite der Blase.

Überlaufinkontinenz ist durch ständiges Träufeln aus einer übervollen Blase gekennzeichnet. Das Verlustvolumen ist meist gering, aber es tröpfelt ständig, was zu einem großen Gesamturinverlust führt. Überlaufinkontinenz ist die zweithäufigste Inkontinenzform bei Männern.

Funktionelle Inkontinenz ist gekennzeichnet durch kognitive oder physische Störungen, z. B. durch Demenz oder Schlaganfall, oder Umgebungsbedingungen, die die Kontrolle über das Wasserlassen stören. Zum Beispiel kann der Patient nicht die Notwendigkeit des Wasserlassens erkennen, kann nicht wissen, wo die Toilette ist, oder nicht in der Lage sein, zu einer entfernt gelegenen Toilette zu gehen. Neurale Bahnen und Harntraktmechanismen, die die Kontinenz kontrollieren, können unbeeinträchtigt sein.

Gemischte Inkontinenz ist eine Kombination der o. g. Formen. Häufigste Kombinationen sind Drang- und Stressinkontinenz sowie Drang- oder Stressinkontinenz mit funktioneller Inkontinenz.

Ätiologie der Harninkontinenz bei Erwachsenen

Die Störungen unterscheiden sich in den verschiedenen Altersgruppen. Mit dem Alterungsprozess nimmt die Blasenkapazität ebenso ab, wie die Fähigkeit, den Harndrang zu unterdrücken. Willkürliche Blasenkontraktionen (Detrusorüberaktivität) nehmen zu, die Blasenkontraktilität ist gestört. Auf diese Weise wird es immer schwieriger, das Wasserlassen zu verschieben, auf der anderen Seite wird die Miktion unvollständig. Das Restharnvolumen nimmt zu, wahrscheinlich bis auf 100 ml (normal < 50 ml). Die endopelvine Faszie wird schwächer;

Bei postmenopausalen Frauen nimmt der Östrogenspiegel ab, was zu einer atrophischen Urethritis, athropischen Vaginitis und zu einem erniedrigten urethralen Widerstand, Verkürzung der Harnröhrenlänge und Verminderung des maximalen Verschlussdrucks führt.

Bei Männern nimmt die Prostatagröße zu, blockiert z. T. die Harnröhre und führt zu unvollständiger Blasenentleerung und Überdehnung des Detrusors. Diese Veränderungen treten bei vielen normalen, kontinentalen älteren Erwachsenen auf und können eine Inkontinenz aufgrund einer anderen Ursache erleichtern, aber eine vergrößerte Prostata allein verursacht keine Inkontinenz.

Bei jüngeren Patienten können Selbstlimitierende Erkrankungen wie Harnwegsinfektionen oder Scheidenentzündungen eine vorübergehende Inkontinenz verursachen. In solchen Fällen beginnt sie oft plötzlich, kann geringfügiges Auslaufen verursachen und löst sich in der Regel schnell mit wenig oder keiner Behandlung auf. Oft hat Inkontinenz bei jüngeren Patienten eine einzige Ursache, kann aber bei älteren Erwachsenen mehrere Ursachen haben.

Eine Unterteilung in reversible (vorübergehende) oder bleibende Ursachen kann nützlich sein. Allerdings überschneiden sich Ursachen und Mechanismen häufig und treten in Kombination auf.

Vorübergehende Inkontinenz

Es gibt mehrere Ursachen für vorübergehende Inkontinenz (siehe Tabelle Ursachen der vorübergehenden Inkontinenz). Eine nützliche Merkhilfe für die vielen vorübergehende Ursachen ist die sog. DIAPPERS-Regel: Delirium, Infektion (üblicherweise symptomatischer HWI), Atrophische Urethritis und Vaginitis, Pharmaka (solche mit alpha-adrenergen, cholinergen oder anticholinergen Eigenschaften, Diuretika, Sedativa), Psychische Störungen (insb. Depression), Exzessive Urinausscheidung (Polyurie), Reduzierte Mobilität und Stuhlverstopfung.

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Permanente Inkontinenz

Eine permanente Inkontinenz wird durch ein fortdauerndes Problem verursacht, das die Nerven oder Muskeln betrifft. Die Mechanismen, die dieses Problem beschreiben, werden üblicherweise als Blasenauslassinkompetenz oder -obstruktion, Detrusorüber- oder Detrusorminderaktivität, Sphinkter-Detrusor-Dyssynergie oder eine Kombination daraus beschrieben (siehe Tabelle Ursachen der permanenten Inkontinenz). Diese Mechanismen sind bei vorübergehenden Ursachen allerdings ebenso beteiligt.

Tabelle
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Die Auslassinkompetenz ist eine häufige Ursache für Stressinkontinenz. Bei Frauen besteht sie in der Regel aufgrund einer Schwäche des Beckenbodens oder der endopelvinen Faszie. Eine solche Schwäche resultiert gewöhnlich aus mehrfachen vaginalen Entbindungen, Beckeneingriffen (einschl. Hysterektomie), altersbedingten Veränderungen (einschl. atrophischer Urethritis) oder einer Kombination der genannten Veränderungen. Als Folge davon senkt sich die vesikourethrale Verbindung, der Blasenhals und die Harnröhre werden hypermobil und der Druck in der Harnröhre fällt unter den der Blase. Häufige Ursache bei Männern ist eine Beschädigung des Schließmuskels oder Blasenhalses sowie der posterioren Harnröhre nach radikaler Prostatektomie.

Eine häufige Inkontinenzursache bei Männern ist eine Blasenauslassobstruktion, obwohl die meisten Männer mit Obstruktion nicht inkontinent sind. Die Obstruktion bei Männern ist meist auf eine benigne Prostatahyperplasie, ein Prostatakarzinom oder eine Harnröhrenstriktur zurückzuführen. Bei Männern und Frauen kann Koprostase eine Obstruktion bewirken. Bei Frauen kann die Obstruktion aber Folge einer vorausgegangenen Operation wegen Inkontinenz oder einer Zystozele sein, die zu einem Abknicken der Urethra bei der Miktion führt.

Die Obstruktion führt zur chronischen Überdehnung der Blase und damit zum Verlust ihrer Kontraktionsfähigkeit. Infolgedessen kann sich die Blase nicht vollständig entleeren, und es bildet sich eine Überlaufblase. Verstopfung kann auch zu Detrusorhyperaktivität und Dranginkontinenz führen. Wenn der Detrusormuskel seine Fähigkeit zu kontrahieren verliert, kann eine Überlaufinkontinenz die Folge sein. Einige Ursachen einer Blasenauslassobstruktion (z. B. große Blasendivertikel, Zystozelen, Blaseninfektionen, Steine und Tumoren) sind reversibel.

Detrusorüberaktivität ist ein häufiger Grund für Dranginkontinenz bei älteren und jungen Patienten. Der Detrusor zieht sich ohne erkennbaren Grund in Abständen zusammen, typischerweise wenn die Blase nur teilweise oder kaum gefüllt ist. Die Detrusorüberaktivität kann idiopathisch oder Folge einer Dysfunktion im frontalen Miktionskontrollzentrum (typisch für altersbedingte Veränderungen, Demenz oder Schlaganfall) oder Folge einer Auslassobstruktion sein. Eine Detrusorüberaktivität (Hyperaktivität) mit gestörter Kontraktilität stellt eine Variante der Dranginkontinenz dar, deren Kennzeichen Harndrang, häufiges Wasserlassen, schwacher Harnstrahl, Harnretention, Blasenwandtrabekulierung und Restharn > 50 ml sind. Diese Variante kann bei Männern ein benignes Prostatasyndrom (BPS) oder bei Frauen eine Stressinkontinenz vortäuschen.

Überaktive Blase ist ein Begriff, der manchmal zur Beschreibung von Harndrang benutzt wird (mit oder ohne Inkontinenz), der oft von häufigem Harndrang und Nykturie begleitet ist.

Eine Detrusorminderaktivität verursacht Harnretention und Überlaufinkontinenz bei etwa 5% aller Patienten mit Inkontinenz. Ursache hierfür kann eine Verletzung des Rückenmarks oder der Nervenwurzeln sein, die die Blase versorgen (z. B. bei Bandscheibenvorfall, Tumor oder nach Eingriffen), eine periphere oder autonome Neuropathie oder andere neurologischen Störungen (siehe Tabelle Ursachen der permanenten Inkontinenz). Diese Substanzen sind häufig Ursache vorübergehender Störungen. Anticholinergika und Opioide setzen die Detrusorkontraktilität stark herab. Der Detrusor kann bei Männern mit chronischer Blasenauslassobstruktion minderaktiv werden, weil der Detrusormuskel durch Fibrose und Bindegewebe ersetzt wird, was eine Blasenentleerung trotz Behebung der Obstruktion behindern kann. Bei Frauen ist eine Detrusorminderaktivität meist idiopathisch. Eine etwas geringere Detrusorminderfunktion ist häufig bei älteren Frauen anzutreffen. Eine solche Schwäche verursacht keine Inkontinenz, kann aber die Behandlung erschweren, falls andere Ursachen einer Inkontinenz hinzukommen.

Eine Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (Verlust der Koordination zwischen Blasenkontraktion und Relaxation des Sphincter externus) kann eine obstruktionsbedingte Überlaufinkontinenz verursachen. Die Dyssynergie ist oft die Folge einer Rückenmarkläsion, die die Wege zum pontinen Miktionszentrum unterbricht, wo Sphinkterrelaxation und Blasenkontraktion koordiniert werden. Anstatt sich bei der Blasenkontraktion zu relaxieren, kontrahiert sich der Sphinkter ebenfalls und obstruiert damit den Blasenauslass. Dyssynergien verursachen schwere Trabebekelungen, Divertikel, eine "Weihnachtsbaum"-Verformung der Blase, die bei Zystogramm, Hydronephrose und Nierenversagen auftritt.

Eine funktionelle Störung wie gestörte Wahrnehmung, verminderte Mobilität, verminderte manuelle Geschicklichkeit, gleichzeitig bestehende andere Behinderungen und Mangel an Motivation können insbesondere bei Älteren zu einer Inkontinenz beitragen, sie aber kaum alleine auslösen.

Beurteilung der Harninkontinenz bei Erwachsenen

Die meisten Patienten geben aus Scham über ihre Inkontinenz nicht freiwillig darüber Auskunft, obwohl sie vielleicht auf darauf bezogene Symptome zu sprechen kommen (z. B. häufiger Harndrang, Nykturie, verzögerter Miktionsbeginn). Allen Erwachsenen sollte deswegen die Frage gestellt werden: „Haben Sie schon einmal Urin verloren?“

Ärzte sollten nicht davon ausgehen, dass eine Inkontinenz irreversibel ist, nur weil sie schon lange besteht. Darüber hinaus muss eine Harnretention ausgeschlossen werden, bevor eine Behandlung wegen Detrusorüberaktivität eingeleitet wird.

Tipps und Risiken

  • Den meisten Patienten ist es peinlich, Inkontinenz zu erwähnen, daher sollten alle Erwachsenen danach befragt werden.

Anamnese

Die Anamnese konzentriert sich auf Dauer und Art des Wasserlassens, Darmfunktion, Medikamenteneinnahme, gynäkologische oder beckenchirurgische Eingriffe. Ein Miktionstagebuch kann Hinweise auf Ursachen liefern. Der Patient oder eine Pflegeperson hält über 48–72 h Harnmenge und Miktionszeit ebenso fest wie jede Inkontinenzepisode bei bestimmten Aktivitäten (insbesondere Essen, Trinken, Medikamenteneinnahme) oder im Schlaf. Die Menge des Urinverlusts kann als Tropfen, gering, mittel oder triefend beschrieben oder mittels Pad-Test durch Wiegen des in den Vorlagen oder Inkontinenzeinlagen aufgefangenen Urins über 24 h abgeschätzt werden.

Ist die Menge der meisten nächtlichen unwillkürlichen Miktionen deutlich geringer als die funktionelle Blasenkapazität (definiert als größte einzelne Miktionsmenge im Miktionstagebuch), dann ist der Grund der Inkontinenz eher ein schlafbezogenes Problem (Patienten lassen Wasser, weil sie ohnehin wach sind) oder aber eine eigenständige Blasenstörung (Patienten ohne Dysfunktion der Blase oder schlafbezogenes Problem werden nur wach, um Wasser zu lassen, wenn die Blase voll ist.).

Von den Männern mit obstruktiven Symptomen (verzögerter Miktionsbeginn, schwacher Harnstrahl, Intermittenz, Gefühl der unvollständigen Blasenentleerung) hat etwa ein Drittel eine Blasendetrusorhyperaktivität ohne tatsächliche Obstruktion.

Harndrang oder ein abrupter Harnstrom ohne Vorwarnung oder vorherige Erhöhung des intraabdominalen Drucks (häufig als Reflex- oder unbewusste Inkontinenz bezeichnet) spricht typischerweise für eine Detrusorüberaktivität.

Körperliche Untersuchung

Im Mittelpunkt stehen neurologische, Becken- und rektale Untersuchungen.

Die neurologische Untersuchung umfasst die Erhebung des mentalen Status, Gang, Funktion der unteren Extremitäten. Dabei wird auch auf Zeichen einer peripheren oder autonomen Neuropathie einschließlich einer orthostatischen Hypotonie geachtet. Hals- und oberen Extremitäten sollten auf Anzeichen von zervikaler Spondylose oder Stenose überprüft werden. Die Wirbelsäule sollte auf Anzeichen vorausgegangener Operationen und auf Deformationen, Grübchen oder behaarte Stellen untersucht werden, die auf einen Neuralrohrdefekt schließen lassen.

Innervation des externen Harnröhrenschließmuskels, der gemeinsame Sakralnervenwurzeln mit dem analen Schließmuskel hat, kann geprüft werden durch:

  • Perineale Reflexe

  • Willentliche Kontraktion des analen Schließmuskels (S2–S4)

  • Analsphinkterreflex (S4–S5), der bei leichtem Beklopfen der perinalen Haut eine Analsphinkterkontraktion auslöst

  • Der Bulbocavernosusreflex (S2–S4), der durch Pressen auf die Glans penis oder Klitoris eine Analsphinkterkontraktion hervorruft.

Allerdings ist das Fehlen dieser Reflexe nicht unbedingt pathologische.

Die Beckenuntersuchung bei Frauen kann eine atrophische Vaginitis oder Urethritis oder eine Harnröhrenhypermobilität und Beckenbodenschwäche ergeben mit oder ohne Gebärmuttersenkung. Eine blasse, dünne Vaginalschleimhaut mit Verlust der Runzeln zeigt eine atrophische Vaginitis an. Eine Harnröhrenhypermobilität kann beim Husten erkannt werden, indem die hintere Vaginalwand mit einem Spekulum stabilisiert wird. Eine Zystozele, Enterozele, Rectozele oder Uterusprolaps sprechen für eine Beckenbodenschwäche. Wird die Gegenseite mit einem Spekulum stabilisiert, zeigt ein Vorwölben der vorderen Scheidenwand eine Zystozele an, während das Vorwölben der hinteren Scheidenwand eine Rekto- oder Enterozele demonstriert. Eine Beckenbodenschwäche ist nicht ursächlich, sei denn, es wird ein großer Zystozelenprolaps nachgewiesen.

Bei der rektalen Untersuchung können eine Koprostase, rektale Tumoren und beim Mann ein Prostataknoten oder -tumor gefunden werden. Die Prostatagröße sollte dokumentiert werden, sie korreliert aber nur schwach mit der Auslassobstruktion. Die suprapubische Palpation und Perkussion zur Feststellung einer Harnblasendistension sind in der Regel von geringem Wert, außer in extremen akuten Fällen von Harnretention.

Stress Urintest kann auf dem Untersuchungstisch durchgeführt werden, wenn Stressinkontinenz vermutet wird; dieses Verfahren hat eine Empfindlichkeit und Spezifität von > 90%. Die Blase muss gut gefüllt sein. Der Patient liegt oder sitzt mit gespreizten Beinen auf dem Untersuchungstisch, entspannt den perinealen Bereich und hustet einmal kräftig:

  • Sofortiger Harnverlust, der mit dem Husten beginnt und aufhört, spricht für eine Stressinkontinenz.

  • Verzögerter oder persistierender Urinverlust spricht für eine durch den Hustenstoß ausgelöste Detrusorhyperaktivität.

Eine Inkontinenz, die auf diese Art und Weise behoben werden kann, sollte gut auf eine operative Korrektur ansprechen. Wenn Husten eine Inkontinenz auslöst, kann das Manöver wiederholt werden, indem der Untersucher ein oder zwei Finger in die Vagina einführt, um die Harnröhre anzuheben (Marshall-Bonney-Test).

  • Die Ergebnisse können falsch-positiv sein, wenn Patienten während der Untersuchung einen plötzlichen Drang zu urinieren verspüren.

  • Das Ergebnis des Tests kann falsch-negativ sein, wenn die Patientin sich nicht richtig entspannt, die Blase nicht ausreichend gefüllt, der Hustenstoß nicht stark genug ist oder eine große Zystozele vorliegt. Bei Frauen mit großen Zystozelen sollte der Test im Liegen und, sofern möglich, unter Wegdrücken der Zystozele wiederholt werden

Tests

  • Urinanalyse und Urinkultur

  • Blut-Harnstoff-Stickstoff (BUN), Kreatinin im Serum

  • Restharnvolumen

  • Manchmal urodynamische Untersuchungen

Erforderlich sind Harnstatus, Urinkultur und die Bestimmung von Harnstoff und Serumkreatinin. Andere Untersuchungen schließen die Messung von Blutzucker und Kalzium (mit Albumin zur Bestimmung des proteinfreien Kalziumspiegels) ein, sofern das Miktionstagebuch eine Polyurie nahelegt, bzw. der Elektrolyte (bei verwirrten Patienten) und des Vitamin-B12-Spiegels, sofern die klinischen Befunde eine Neuropathie vermuten lassen.

Der Restharn sollte mittels Katheter oder Ultraschall bestimmt werden. Restharn und Gesamtmiktionsvolumen lassen auf die Blasenkapazität schließen und helfen, das Blasenfüllungsempfinden zu prüfen. Ein Restharnvolumen < 50 ml gilt als normal, < 100 ml sind für Patienten > 65 Jahre möglicherweise akzeptabel, nicht aber für jüngere Patienten. Ein Restharn > 100 ml spricht für eine Detrusorminderaktivität oder eine Auslassobstruktion.

Urodynamische Untersuchungen sind angebracht, wenn die klinische Untersuchung zusammen mit den entsprechenden Tests nicht zur Diagnose führen oder wenn die Anomalien vor einem chirurgischen Eingriff genauer bestimmt werden müssen.

Eine Zystometrie kann helfen Dranginkontinenz zu diagnostizieren, aber Sensitivität und Spezifität sind unbekannt. Steriles Wasser wird in die Blase in 50-ml-Schritten mit einer 50-ml-Spritze und einem 12 - bis 14-F Harnröhrenkatheter eingeleitet bis der Patient Harndrang oder Kontraktionen der Blase spürt, die durch Änderungen im Flüssigkeitsstand in der Spritze erkannt werden. Wenn < 300 ml Harndrang oder Kontraktionen verursachen, sind Detrusorhyperaktivität und Dranginkontinenz wahrscheinlich.

Bei Männern werden zum Nachweis oder Ausschluss einer Blasenauslassobstruktion Harnflussmessungen durchgeführt. Die Ergebnisse hängen zwar vom Füllungsvolumen ab, aber eine Peak-Flow-Rate von < 12 ml/s bei einem Miktionsvolumen von 200 ml und verlängerte Miktion sprechen für eine Auslassobstruktion oder eine Detrusorminderaktivität. Eine Rate von 12 ml/s schließt eine Obstruktion aus und kann auf eine Detrusorhyperaktivität hindeuten. Bei der Untersuchung – vor allem wenn eine Stressinkontinenz vermutet und ein chirurgischer Eingriff erwogen wird – wird der Patient angehalten, seine Hand während des Wasserlassens auf das untere Abdomen zu legen, um auf eine Belastung zu prüfen. Liegt eine Belastung vor, so deutet das auf eine Detrusorschwäche hin, die Patienten für eine postoperativen Retention prädisponieren können.

Provokationstests (mit Bethanechol oder Eiswasser) werden eingesetzt, um Blasenkontraktionen zu provozieren. Bei der Zystomanometrie werden Druckvolumenkurven und Blasenkontraktionen aufgezeichnet, während die Blase mit sterilem Wasser gefüllt wird.

Die Elektromyographie der perinealen Muskeln dient zur Untersuchung der Beckenbodenfunktion. Harnröhren-, Abdominal- und rektaler Druck können simultan gemessen werden.

Videostudien des Druckflusses, üblicherweise in Verbindung mit der Miktionszysturethrographie, können die Blasenkontraktion, die Blasenhalsaktivität und die Detrusor-Sphinkter-Synergie simultan aufzeichnen. Allerdings sind die Geräte für diese Untersuchung nicht überall vorhanden.

Behandlung von Harninkontinenz bei Erwachsenen

  • Blasentraining

  • Kegel-Übungen

  • Medikamente

Spezifische Ursachen werden entsprechend behandelt. Medikamente, die eine Inkontinenz verursachen oder verschlechtern können, werden abgesetzt oder das Dosierungsschema geändert (z. B. werden Diuretika so dosiert, dass eine Toilette beim Einsetzen der Wirkung leicht erreichbar ist). Andere Therapieformen sind an den Typ der Inkontinenz anzupassen. Unabhängig von Typ und Ursache der Inkontinenz sind einige allgemeine Maßnahmen hilfreich.

Allgemeine Maßnahmen

Die Patienten werden aufgefordert, ihre Flüssigkeitsaufnahme zu bestimmten Zeiten zu reduzieren (z. B. vor dem Verlassen der Wohnung oder 3–4 h vor dem Zubettgehen), Flüssigkeiten zu vermeiden, die die Blase reizen könnten (z. B. koffeinhaltige Getränke), und mehr als 1500–2000 ml/Tag zu trinken, da konzentrierter Urin die Blase reizen kann.

Manche Patienten, besonders solche mit verminderter Mobilität oder kognitiver Störung, profitieren von tragbaren Urinbeuteln. Andere profitieren von absorbierenden Vorlagen oder speziell gefütterter Unterwäsche. Diese Produkte können die Lebensqualität der Patienten und ihrer Betreuer deutlich verbessern. Andererseits sollten sie die Maßnahmen zur Kontrolle bzw. Beseitigung der Inkontinenz nicht ersetzen. Überdies müssen diese Produkte oft gewechselt werden, um Hautirritationen und Harnwegsinfektionen zu vermeiden.

Blasentraining

Um die Blasenentleerungsgewohnheiten zu ändern, können die Patienten von einem Blasentraining profitieren und auch ihre Flüssigkeitsaufnahme anpassen. Das Blasentraining umfasst eine regelmäßige Blasenentleerung (alle 2–3 h im Wachzustand). Im Laufe der Zeit kann dieses Intervall auf alle 3–4 h im Wachzustand erhöht werden. Bei kognitiv gestörten Patienten werden strenge Miktionszeiten vorgegeben; sie werden alle 2 h zur Miktion aufgefordert, unabhängig davon, ob sie Wasser lassen müssen oder eingenässt haben. Mithilfe eines Miktionstagebuches lässt sich abschätzen, wie oft und wann eine Miktion notwendig ist und ob die Patienten in der Lage sind, eine volle Blase zu spüren.

Kegel-Übungen

Oft ist eine Beckenbodengymnastik (z. B. Kontraktionsübungen nach Kegel) – besonders bei Stressinkontinenz – wirkungsvoll. Die Patienten sollten eher die Beckenmuskeln (M. pubococcygeus und paravaginale Muskeln) zusammenziehen als die Oberschenkel-, Bauch- bzw. Gesäßmuskeln. Die Muskeln werden 3-mal täglich 10- bis 15-mal für 10 Sekunden zusammengezogen, dann für 10 Sekunden entspannt. Oft müssen die Patienten immer wieder angeleitet werden. Als nützlich hat sich das sog. Biofeedback erwiesen. Bei Frauen < 75 Jahren beträgt die Heilungsrate 10–25%, und eine Verbesserung tritt bei weiteren 40–50% ein, vor allem dann, wenn die Patienten motiviert sind, die Übungen unter Anleitung durchgeführt werden und die Teilnehmer schriftliche Instruktionen und zur Ermutigung Nachsorgetermine oder beides erhalten. Eine schwache oder gestörte Beckenbodenmuskulatur kann oft durch spezielle Physiotherapieprogramme gestärkt werden, die von Therapeuten durchgeführt werden, die sich in diesem Bereich auskennen.

Die elektrische Beckenbodenstimulation ist eine automatisierte Version der Kegel-Übungen. Hierbei wird zur Minimierung der Detrusorüberaktivität und Stimulierung der Beckenmuskulatur elektrischer Strom eingesetzt. Vorteile sind eine verbesserte Compliance und die Kontraktion der richtigen Beckenmuskeln. Welche Vorteile sich aber gegenüber einer alleinigen Verhaltensänderung ergeben, ist unklar.

Medikamentöse Therapie

Medikamente sind häufig nützlich (siehe Tabelle Medikamente zur Behandlung von Inkontinenz). Dabei handelt es sich um Anticholinergika und Antimuskarinika, die den Detrusor entspannen, und Alpha-Agonisten, die den Sphinktertonus erhöhen. Medikamente mit starken anticholinergen Wirkungen sollten bei älteren Patienten vorsichtig verwendet werden. Alpha-Antagonisten sowie 5-Alpha-Reduktasehemmer können zur Behandlung einer Auslassobstruktion bei Männern mit Drang- und Überlaufinkontinenz gegeben werden. Diese Arzneimittel werden unregelmäßig verwendet

Tabelle
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Dranginkontinenz

Die Behandlung zielt auf die Reduktion der Detrusorüberaktivität. Am Anfang stehen Blasentraining, Kegel-Übungen und Entspannungstechniken (1). Biofeedback mit diesen Behandlungen verwendet werden. Medikamente können ebenso erforderlich sein wie intermittierender Selbstkatheterismus (z. B. bei hohem Restharn). Seltener werden Sakralmarkstimulation, intravesikale Therapien oder gar operative Eingriffe erforderlich.

Das Blasentraining hilft dem Patienten, Detrusorkontraktionen zu tolerieren und schließlich zu unterdrücken. Die Miktionsintervalle werden langsam verlängert (z. B. 30 min alle 3 Tage), um die Detrusorkontraktionen besser ertragen zu können. Entspannungstechniken können die emotionale und psychische Reaktion auf den Harndrang verbessern helfen. Entspannen, Stehenbleiben oder Hinsetzen (anstatt zur Toilette zu hasten) und Anspannung der Beckenbodenmuskulatur kann den Patienten dabei unterstützen, seinen Miktionsdrang zu unterdrücken.

Medikamente (siehe Tabelle Medikamente zur Behandlung von Inkontinenz) sollten die Verhaltensänderung unterstützen, nicht aber ersetzen. Am häufigsten werden Oxybutynin und Tolterodin verabreicht. Beide wirken anticholinerg und antimuskarinisch und sind in "extended-release"-Form erhältlich, die einmal täglich p.o. eingenommen werden kann. Oxybutynin ist sowohl als Pflaster erhältlich, das 2-mal wochentlich gewechselt wird, sowie als topisches Gel, das 1-mal täglich auf die Haut aufgetragen wird.

Zu den neueren Medikamenten mit anticholinergen und antimuskarinischen Eigenschaften gehören Solifenacin und Darifenacin, die 1-mal täglich p.o. eingenommen werden, und Trospium, das 1-mal oder 2-mal täglich eingenommen wird. Medikamente können erforderlich sein, um Harndrang aufgrund von Detrusorüberaktivität (Hyperaktivität) mit eingeschränkter Kontraktilität zu unterdrücken. Tritt eine Inkontinenz zu bestimmten vorhersagbaren Zeiten auf, können Medikamente mit schnellem Wirkungseintritt prophylaktisch gegeben werden (z. B. sofort freigesetztes Oxybutynin). Eine Kombination von Medikamenten kann sowohl die Wirksamkeit als auch die Nebenwirkungen erhöhen, was den Einsatz bei älteren Patienten limitiert. OnabotulinumtoxinA wird über zytoskopische Injektion in den Detrusormuskel verabreicht und ist nützlich bei der Behandlung von Dranginkontinenz, bei Patienten mit neurologischen Ursachen (z. B. multiple Sklerose, Rückenmarkdysfunktion), die auf andere Behandlungen nicht ansprechen. Vibegron ist ein Beta-3-adrenerger Agonist, der verwendet wird, um eine überaktive Blase mit Symptomen von Dranginkontinenz, Harndrang und Harndrang zu behandeln (2).

Bei Patienten mit schwerer Inkontinenz, die nicht auf andere Behandlungen ansprechen, kann die Sakralnervenstimulation erwogen werden. Es wird angenommen, dass diese Therapie durch eine zentrale Hemmung sensorischer Blasenafferenzen wirkt. Zu Beginn der Therapie wird 3 Tage lang eine perkutane Nervenstimulation des S3-Nervs durchgeführt. Bei einer günstigen Reaktion wird ein permanenter Neurostimulator implantiert.

Die Stimulation des Nervus tibalis posterior (PTNS) ist ein ähnliches Verfahren der elektrischen Neurostimulation zur Behandlung von Miktionsstörung, die als weniger invasive Alternative zu herkömmlichen Sakralnervenstimulation entwickelt wurde. Eine Nadel wird über dem medialen Malleolus in der Nähe des Nervus tibialis posterior eingeführt, mittels Niederspannungsstimulation in wöchentlichen 30-Minuten-Sitzungenüber 10–12 Wochen. Die Dauerhaftigkeit von PTNS ist nicht geklärt.

Eine chirurgische Therapie ist die letzte Alternative, die meist jüngeren Patienten mit schwerer Inkontinenz vorbehalten ist, bei denen andere Therapieformen erfolglos waren. Eine Blasenerweiterungsplastik, bei der ein Dünndarmsegment in die Blase genäht wird, um die Blasenkapazität zu vergrößern, ist das gängigste Verfahren. Das Erlernen des intermittierenden Selbstkatheterismus kann sinnvoll sein, wenn die Blasenerweiterungsplastik zu einer schwachen Blasenkontraktion oder mangelnder Koordination des abdominalen Drucks (Valsalva-Manöver) mit der Sphinkterrelaxation führt. Eine Detrusor Myomektomie kann durchgeführt werden, um unerwünschte Kontraktionen der Blase zu verringern. Letztes Mittel wäre eine Harnableitung, um den Urin von der Harnblase wegzuleiten. Die Wahl des Verfahrens hängt von anderen gleichzeitig bestehenden Störungen, physischen Einschränkungen und der Präferenz des Patienten ab.

Stressinkontinenz

Zu den therapeutischen Maßnahmen gehören Blasentraining und Kegel-Übungen. Ebenfalls eingesetzt werden in der Regel Medikamente, Operationen (3), andere Verfahren oder bei Frauen auch okklusive Geräte. Die Behandlung zielt im Allgemeinen auf die Blasenauslassinkompetenz, dient aber auch der Behandlung der Dranginkontinenz, sofern eine Detrusorhyperaktivität besteht. Es kann hilfreich sein, körperliche Anstrengungen, die Inkontinenz hervorrufen, zu vermeiden. Bei fettleibigen Patienten kann eine Gewichtsreduktion von Vorteil sein.

Zu den Medikamenten (siehe Tabelle Medikamente zur Behandlung von Inkontinenz) gehören das bei Frauen mit Auslassinkompetenz eingesetzte Pseudoephedrin, das zur Behandlung einer gemischten oder auch einzeln vorliegenden Stress- und Dranginkontinenz verabreichte Imipramin und Duloxetin. Ist die Inkontinenz durch eine atrophische Urethritis verursacht, ist oft die topische Gabe von Östrogen (Estradiol) erfolgreich.

Wenn sich die nichtinvasiven Maßnahmen als ineffektiv erweisen, haben Operation oder andere Maßnahmen gute Aussichten auf Erfolg. Eine Blasenhalssuspension wird durchgeführt, um Hypermobilität der Harnröhre zu korrigieren. Suburethrale Schlingen, periurethral injizierte auftreibende Substanzen oder Implantation eines künstlichen Sphinkters helfen bei Sphinkterschwäche. Die Wahl des Verfahrens hängt davon ab, ob der Patient den Eingriff toleriert, ob gleichzeitig andere chirurgische Maßnahmen erforderlich sind (z. B. Hysterektomie, Operation einer Zystozele) sowie von den Erfahrungen vor Ort (2).

Pessare werden bei älteren Frauen mit oder ohne Blasen- oder Uterusprolaps eingesetzt, wenn das Operationsrisiko hoch ist oder vorausgegangene Operationen gegen Stressinkontinenz erfolglos waren. Verschiedene "mesh slings" können verwendet werden. Der Einsatz von Pessaren ist Erfolg versprechend: Sie heben den Blasenhals, heben den vesikourethralen Übergang und erhöhen den urethralen Widerstand, indem sie die Harnröhre gegen die Symphyse drücken. Neuere und wahrscheinlich besser akzeptierte Alternativen sind Silikonsaugkappen über dem Harnröhrenmeatus, mit einem Applikator eingeführte intraurethrale Verschlussgeräte und intravaginale, den Blasenhals unterstützende Prothesen. Entfernbare Harnröhrenstöpsel werden noch untersucht.

Übungen mit Vaginalkegeln werden derzeit ebenfalls untersucht. Dabei werden zunehmend schwerere Kegel in die Scheide eingebracht und dort zweimal täglich für 15 Minuten gehalten, um die Beckenbodenmuskulatur zu stärken.

Überlaufinkontinenz

Die Behandlung hängt davon ab, ob es sich um eine Auslassobstruktion, Detrusorminderaktivität oder beides handelt.

Die Blasenauslassobstruktion als Folge einer benignen Prostatahyperplasie oder eines Karzinoms wird durch Medikamente oder Operation behandelt; ist sie durch eine Urethrastriktur bedingt, wird sie mittels Harnröhrenschlitzung, Sichturethrotomie und offene Harnröhrenrekonstruktion therapiert. Zystozelen werden operiert oder konservativ mittels Pessar behandelt. Bei operationsbedingten Zystozelen kann eine urethrale Adhäsiolyse Erfolg versprechend sein. Besteht gleichzeitig eine urethrale Hypermobilität, sollte eine Blasenhalssuspension durchgeführt werden.

Eine Detrusorminderaktivität erfordert eine Blasenentlastung (Reduktion des Restharns) durch intermittierende Selbstkatheterisierung oder seltener durch einen zeitweiligen Dauerkatheter. Es kann Wochen bis zur Erholung der Blase dauern. Wenn die Blasenfunktion nicht vollständig wiederhergestellt ist, werden Mittel zur Leerung verwendet. Beispiele sind

  • Doppelte Entleerung (zweiter Versuch, die Blase vor dem Verlassen der Toilette zu leeren)

  • Valsalvamanöver

  • Die Anwendung von suprapubischer Druck (Credé Methode) während der Miktion

Eine vollständig akontraktile Blase macht eine intermittierende Selbstkatheterisierung oder die Anlage eines Dauerkatheters notwendig. Der Nutzen von Antibiotika oder Methenamin zur Prävention eines Harnweginfektionen bei Patienten mit intermittierendem Selbstkatheterismus wird kontrovers diskutiert, ist aber wahrscheinlich bei Patienten mit häufigen Harnwegsinfekten oder mit Gefäß- oder orthopädischen Prothesen indiziert. Diese Infektprophylaxe eignet sich nicht für Patienten mit Dauerkatheter.

Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Blasenkontraktion und Blasenentleerung sind Elektrostimulation und der cholinerge Agonist Bethanechol. Dieses Parasympathomimetikum ist normalerweise unwirksam und hat unerwünschte Wirkungen (siehe Tabelle Medikamente zur Behandlung von Inkontinenz).

Behandlungsresistente Inkontinenz

Adsorbierende Vorlagen, spezielle Unterwäsche oder intermittierender Selbstkatheterismus sind hierbei erforderlich. Dauerkatheter sind eine Option für Patienten, die nicht zur Toilette gehen können oder eine chronische Harnretention haben und sich nicht selbst katheterisieren können. Diese Katheter werden bei Dranginkontinenz nicht empfohlen, weil sie Detrusorkontraktionen verstärken können. Falls ein Katheter erforderlich ist (z. B. um die Heilung eines Dekubitalgeschwürs bei Patienten mit schwer therapierbarer Detrusorüberaktivität zu fördern), sollte ein dünner Katheter mit einem kleinen Ballon verwendet werden, weil dieser die Irritation verringern wird. Durch eine Irritation, kann Urin austreten, auch um den Katheter herum.

Für Männer, die bei der Behandlung kooperieren können, könnte ein Kondom-Katheter von Vorteil sein, weil dadurch das HWI-Risiko reduziert wird; allerdings können diese Katheter zu Hautmazerationen und somit zur Minderung der Motivation führen. Neue externe Auffangvorrichtungen, bei denen der Urin mit Hilfe eines Niederdrucksaugers von den Patienten in einen Behälter "gesaugt" wird, können bei inkontinenten Frauen wirksam sein. Falls die unwillkürlichen Blasenkontraktionen persistieren, können Oxybutynin und Tolterodin eingesetzt werden. Bei herabgesetzter Mobilität sind Maßnahmen zur Verhinderung von Hautirritationen und -mazerationen durch Urin von besonderer Bedeutung (siehe Prävention).

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Lightner DJ, Gomelsky A, Souter L, et al: Diagnosis and treatment of overactive bladder (non-neurogenic) in adults: AUA/SUFU Guideline Amendment 2019. J Urol 202(3):558-563, 2019. doi: 10.1097/JU.0000000000000309

  2. 2. Staskin D, Frankel J, Varano S, et al: International phase III, randomized, double-blind, placebo and active controlled study to evaluate the safety and efficacy of vibegron in patients with symptoms of overactive bladder: EMPOWUR. J Urol 204(2):316-324, 2020. doi: 10.1097/JU.0000000000000807

  3. 3. Kobashi KC, Albo ME, Dmochowski RR, et al: Surgical treatment of female stress urinary incontinence: AUA/SUFU guideline. J Urol 198(4):875-883, 2017. doi: 10.1016/j.juro.2017.06.061

Wichtige Punkte

  • Da Patienten oft nicht freiwillig darüber sprechen, dass sie inkontinent sind, sollte speziell nachgefragt werden.

  • Inkontinenz ist nicht eine normale Folge des Alterns und sollte immer untersucht werden.

  • Die 4 Arten der Harninkontinenz sind Drang-, Stress-, Überlauf- und funktionale Inkontinenz.

  • Auch einige langjährige Ursachen der Inkontinenz sind reversibel.

  • Es sollten auf jeden Fall eine Urinanalyse durchgeführt und eine Urinkultur angelegt werden sowie Serumharnstoff und Kreatinin untersucht und das Restharnvolumen bei allen inkontinenten Patienten gemessen werden.

  • Blasentraining und Kegel-Übungen sollten durchgeführt werden.

  • Direkte medikamentöse Therapie zur Korrektur des Mechanismus der Blasenfunktionsstörungen.