Beim vorderen und hinteren Scheidenwandvorfall kommt es zu einer Vorwölbung eines Organs in den Vaginalkanal. Der vordere Scheidenwandprolaps wird allgemein als Zystozele oder Urethrozele bezeichnet (wenn die Blase oder Harnröhre betroffen ist). Der hintere Scheidenwandprolaps wird allgemein als Enterozele (wenn Dünndarm und Bauchfell betroffen sind) und Rektozele (wenn das Rektum betroffen ist) bezeichnet. Zu den Symptomen gehören Völlegefühl oder Druck im Becken oder in der Scheide, Harninkontinenz, Harnverhalt und Schwierigkeiten beim Stuhlgang. Die Diagnose wird klinisch gestellt. Die Behandlung umfasst konservative Maßnahmen wie Beckenbodengymnastik, Pessare und manchmal auch eine Operation.
Zystozele, Urethrozele, Enterozele und Rektozele treten besonders oft zusammen auf. Eine Urethrozele kommt praktisch immer gemeinsam mit einer Zystozele (Zystourethrozele) vor.
Zystozele und Zystourethrozele entwickeln sich gewöhnlich bei Schwächung des Diaphragma urogenitale. Eine Enterozele tritt gewöhnlich nach einer Hysterektomie auf. Durch Schwächung der Fascia pubocervicalis und Fascia rectovaginalis deszendiert der apikale Teil der Vagina, der das Peritoneum und den Dünndarm enthält. Eine Rektozele kommt durch eine Unterbrechung des beidseitigen M. levator ani zustande.
Risikofaktoren für einen Scheidenwandprolaps sind
Alter
Adipositas
Vaginale Entbindung
Chronische Überlastung (z. B. aufgrund von Verstopfung oder schwerem Heben)
Der Schweregrad des Vaginalwandprolapses mit dem Pelvic Organ Prolapse-Quantification (POP-Q)-System eingestuft werden:
Stadium 0: Kein Prolaps
Stadium I: Der distalste Prolaps liegt mehr als 1 cm über dem Hymen
Stadium II: Der distalste Prolaps liegt zwischen 1 cm oberhalb und 1 cm unterhalb des Hymens.
Stadium III: Der distalste Prolaps liegt mehr als 1 cm unterhalb des Hymens, ist aber 2 cm kürzer als die gesamte Vaginallänge
Stadium IV: Vollständige Umkehrung
Das POP-Q-System wird von Fachverbänden empfohlen, weil es ein zuverlässiges und reproduzierbares Klassifizierungssystem ist, das auf vordefinierten anatomischen Orientierungspunkten basiert.
Manchmal wird das Baden-Walker-System verwendet, das auf dem Grad der Protrusion basiert. Es handelt sich jedoch um ein älteres Klassifikationssystem, das nicht reproduzierbar ist:
Stufe 0: Kein Vorfall
Stufe 1: Auf halbem Weg zum Hymen
Stufe 2: Bis zum Hymen
Stufe 3: Auf halbem Weg hinter dem Hymen.
Stufe 4: Maximal möglich
Symptome und Beschwerden von Vaginalwandprolaps
Ein Völle- oder Druckgefühl im Unterbauch oder in der Vagina und ein Empfinden, als ob Organe herausfallen wollten, sind häufige Angaben. Die Organe können in den Vaginalkanal oder durch die vaginale Öffnung (Introitus) hervorwölben, v. a. während der Bauchpresse oder beim Husten. Dyspareunie kann auftreten.
Leichte Fälle können erst Symptome verursachen, wenn Frauen älter werden.
Stressinkontinenz oder Harnverhalt kann mit einem Beckenorganprolaps einhergehen.
Enterozelen können Schmerzen im unteren Rückenbereich hervorrufen.
Rektozelen können zu Obstipation und unvollständiger Defäkation führen; die Patienten müssen unter Umständen manuell auf die hintere Scheidenwand drücken und so den Winkel des Rektums verändern, damit sie defäkieren können.
Diagnose von Vaginalwandprolaps
Untersuchung der vorderen oder hinteren Vaginalwand während die Patientin presst
Die Diagnose eines Scheidenwandvorfalles wird durch die Untersuchung bestätigt.
Bei der in Steinschnittlage liegenden Patientin erkennt man eine Zystozele oder Zystourethrozele, indem man die hintere Vaginalwand mit einem einblättrigen Spekulum abdrängt. Wenn die Patientinnen zum Pressen aufgefordert werden, tritt eine Zystozele oder Zystourethrozele sichtbar oder tastbar als weiche, reponible Vorwölbung der vorderen Vaginalwand in Erscheinung.
Enterozelen und Rektozelen werden bei in Steinschnittlage liegenden Patientinnen durch Zurückdrängen der vorderen Vaginalwand identifiziert. Bei der Aufforderung zum Pressen können Enterozelen und Rektozelen sichtbar und bei rektovaginaler Untersuchung tastbar hervortreten. Die Patientinnen werden auch im Stehen mit angezogenem Knie (z. B. mit einem Fuß auf einem Stuhl) und unter Pressen untersucht; manche Senkungen werden gelegentlich nur durch eine rektovaginale Untersuchung bei diesem Manöver erkannt.
Eine etwaige Harninkontinenz wird ebenfalls untersucht.
Behandlung von Vaginalwandprolaps
Beckenbodenübungen (z. B. Kegel-Übungen)
Pessar
Ggf. operative Korrektur des Halteapparats
Die Behandlung eines Vaginalwandvorfalls ist individuell, auf der Grundlage der Symptome der Patientin, und zielt auf die Verbesserung der Lebensqualität ab. Die symptomatische Behandlung kann aus Beckenbodentraining, einem Pessar und, wenn diese Maßnahmen nicht erfolgreich sind oder die Patientin es vorzieht, aus einer chirurgischen Behandlung bestehen.
Pessare
Pessare sind Vorrichtungen, die in die Vagina eingeführt werden, um die normale Anatomie zu erhalten und die vorgefallenen Strukturen zu reponieren. Pessare bestehen in der Regel aus Silikon und variieren in Form und Größe; einige sind aufblasbar. Pessare können Vaginalulzera verursachen, wenn sie in der Größe nicht korrekt angepasst und nicht routinemäßig gesäubert werden (mindestens einmal monatlich, ggf. auch öfter). Pessare können von Ärzten angepasst werden; in einigen Ländern können Pessare über den Ladentisch verfügbar sein.
Beckenbodenübungen
Beckenbodenübungen (Einschließlich Kegel-Übungen) können empfohlen werden. Die Kegelübungen beruhen auf der isometrischen Kontraktion des M. pubococcygeus. Diese Muskeln werden für ca. 1 bis 2 Sekunden angespannt und dann für ca. 10 Sekunden entspannt. Nach und nach werden die Kontraktionen für jeweils 10 Sekunden gehalten. Die Übung wird etwa 10 mal hintereinander wiederholt. Es wird empfohlen, mehrmals täglich die Übungen zu machen.
Übungen können erleichtert werden durch
Die Verwendung von Vaginalkegeln (die es den Patientinnen erleichtern, sich auf die Kontraktion des richtigen Muskels zu konzentrieren)
Biofeedback-Geräte
Elektrische Stimulation, die den Muskel kontrahiert
Beckenbodenübungen können lästige Symptome von Prolaps (und Stressinkontinenz) verringern, sind aber nicht angezeigt, um die Schwere des Prolaps zu reduzieren.
Chirurgische Intervention
Eine operative Korrektur kann bei starken Beschwerden oder Versagen der konservativen Maßnahmen hilfreich sein. Der chirurgische Ansatz hängt von der Art des Prolaps, der klinischen Situation sowie dem Alter und den Begleiterkrankungen des Patienten ab. Die Operation kann eines (oder eine Kombination) der folgenden Verfahren umfassen:
anteriore oder posteriore Kolporrhaphie (vaginale Korrektur)
Suspension oder Wiederherstellung des vaginalen Apex
Colpocleisis (Verschluss der Vagina nach Entfernung der Gebärmutter oder bei vorhandener Gebärmutter [Le Fort Verfahren])
Perineorrhaphie (chirurgische Verkürzung und Straffung des Perineums) wird traditionell durchgeführt, hilft aber nicht bei der Lösung eines Beckenorganprolaps.
Die operative Korrektur der Vagina wird in der Regel, wenn möglich, so lange aufgeschoben, bis die Familienplanung abgeschlossen ist, da eine spätere vaginale Entbindung das Operationsergebnis zunichte machen könnte. Nach der Operation sollten die Patienten mindestens 6 Wochen lang schweres Heben vermeiden.
Nach der operativen Korrektur einer Zystozele oder Zystourethrozele wird ein Urethralkatheter für < 24 Stunden belassen.
Wichtige Punkte
Eine Urethrozele kommt praktisch immer gemeinsam mit einer Zystozele vor und Zystozele, Urethrozele, Enterozele und Rectozele treten wahrscheinlich zusammen auf.
Risikofaktoren für einen vaginalen Organprolaps sind Alter, Adipositas und vaginale Entbindung.
Um zu helfen, eine Zystozele oder Zystourethrozele zu erkennen, drängen Sie die hintere Vaginalwand mit einem einblättrigen Spekulum ab, während sich die Patientin in Steinschnittlage befindet und bitten Sie sie zu belasten.
Um Enterozelen und Rektozelen zu erkennen, wird bei in Steinschnittlage liegenden Patientinnen die vordere Vaginalwand zurückgedrängt.
Empfehlen Sie Pessare und/oder Beckenbodentraining, aber wenn diese unwirksam sind, sollte eine chirurgische Korrektur in Betracht gezogen werden.