Riesenzellarteriitis

(Arteriitis temporalis; kraniale Arteritis; Horton-Krankheit)

VonAlexandra Villa-Forte, MD, MPH, Cleveland Clinic
Überprüft/überarbeitet Juni 2022
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Die Riesenzellarteriitis betrifft vorwiegend die Aorta, große Arterien, die aus der Aorta in den Hals führen, und extrakranielle Äste der Karotiden. Symptome von Polymyalgia rheumatica sind häufig. Symptome können Kopfschmerzen, Sehstörungen, eine schmerzhafte A. temporalis und Schmerzen in der Kaumuskulatur sein. Fieber, Gewichtsverlust, Krankheitsgefühl und Müdigkeit sind ebenso häufig. Die Erythrozytensedimentationsrate und das C-reaktive Protein sind in der Regel erhöht. Die Diagnose wird klinisch gestellt und durch eine Biopsie der Arteria temporalis bestätigt. Die Therapie mit hochdosierten Kortikosteroiden und/oder Tocilizumab und Aspirin ist sehr effektiv und verhindert einen Verlust der Sehkraft.

(Siehe auch Übersicht über Vaskulitis.)

Die Riesenzellarteriitis ist eine relativ häufige Form der Vaskulitis in den USA und Europa. Die Inzidenz variiert je nach ethnischer Herkunft. Autopsiestudien deuten darauf hin, dass die Erkrankung möglicherweise häufiger ist als klinisch auffällig. Frauen sind häufiger betroffen. Das mittlere Alter bei Ausbruch der Krankheit liegt bei etwa 70 Jahren mit einer Schwankungsbreite von 50 bis > 90 Jahren. Rund 40–60% der Patienten mit Riesenzellarteriitis haben Symptome einer Polymyalgia rheumatica. Die intrakraniellen Gefäße sind in der Regel nicht betroffen.

Pathophysiologie der Riesenzellarteriitis

Die Vaskulitis kann lokalisiert, multifokal oder weitverbreitet auftreten. Vornehmlich sind Arterien mit elastischem Gewebe, am häufigsten temporale, kraniale oder andere Arterien des Karotissystems von der Krankheit betroffen. Äste im Aortenbogen, Koronararterien und periphere Arterien können ebenfalls betroffen sein. Mononukleäre Zellinfiltrate in der Adventitia bilden Granulome mit aktivierten T-Zellen und Makrophagen. Riesenzellen bilden, wenn vorhanden, Cluster in der Nähe der zerstörten Lamina elastica. Die Intimaschicht ist deutlich verdickt mit konzentrischer Verengung und Verschluss des Lumens.

Symptome und Anzeichen einer Riesenzellarteriitis

Symptome der Riesenzellarteriitis können allmählich über mehrere Wochen oder abrupt auftreten.

Die Patienten präsentieren sich mit systemischen Symptomen wie Fieber (in der Regel geringgradig), Müdigkeit, Unwohlsein, unerklärlichem Gewichtsverlust und Schweißausbrüchen. Bei einigen Patienten wird zunächst Fieber unbekannter Ursache diagnostiziert. Schließlich entwickeln die meisten Patienten Symptome im Zusammenhang mit den betroffenen Arterien.

Schwere, gelegentlich tobende Kopfschmerzen (temporal, okzipital, frontal oder diffus) sind das häufigste Symptom. Sie sind begleitet von Schmerzen der Kopfhaut, ausgelöst durch Berühren der Kopfhaut oder das Kämmen der Haare.

Die Sehstörungen umfassen Diplopie, Skotome, Ptosis, Schleiersehen, und Verlust des Sehvermögens (was ein unheilvolles Zeichen ist). Auf kurze Perioden eines teilweisen oder vollständigen Verlusts des Sehvermögens (Amaurosis fugax) in einem Auge folgt schnell der permanente irreversible Verlust des Sehvermögens. Unbehandelt kann das andere Auge ebenfalls betroffen sein. Allerdings ist eine vollständige beidseitige Erblindung ungewöhnlich. Der Verlust der Sehkraft wird durch eien Arteriitis der Äste der Augenarterie oder hinteren Ciliararterien verursacht, was zur Ischämie des Sehnervs führt. Die fundoskopischen Befunde können eine ischämische Neuritis mit Blässe und Ödem der Papille, verstreuten baumwollartigen Patches und kleinen Blutungen umfassen. Später atrophiert der Sehnerv. Selten resultiert eine zentrale Blindheit durch einen Infarkt im visuellen Kortex, hervorgerufen durch arterielle Läsionen im distalen Halsbereich oder der Hirnbasis. Die Inzidenz von Sehstörungen ist in den letzten 5 Jahrzehnten zurückgegangen, wahrscheinlich weil die Riesenzellarteriitis erkannt und behandelt wird, bevor Sehstörungen auftreten.

Eine intermittierende Claudicatio (ischämischer Muskelschmerz) zeigt sich in den Kiefermuskeln und Muskeln der Zunge oder den Extremitäten. Eine Claudicatio des Kiefers wird insbesondere bemerkt, wenn feste Nahrung gekaut wird. Kieferklopfen und Diplopie sind mit einem höheren Erblindungsrisiko verbunden.

Neurologische Manifestationen wie Schlaganfall und transitorische ischämische Attacken können die Folge sein, wenn die Karotiden oder vertebrobasiläre Arterien verengt oder verschlossen sind.

Thorakale Aortenaneurysmen und Dissektion der Aorta sind ernste, oft späte Komplikationen der Aortitis und können ohne Anzeichen weiterer Symptome entstehen.

Diagnose von Riesenzellarteriitis

  • Erythrozytensedimentationsrate (ESR), C-reaktives Protein und vollständiges Blutbild

  • Biopsie, in der Regel der Arteria temporalis

  • Manchmal Ultraschall der Schläfenarterie

Der Verdacht auf Riesenzellarteriitis besteht bei Patienten > 55 Jahre, wenn eines der folgenden Symptome auftritt, insbesondere wenn sie auch Symptome und Labornachweise für eine systemische Entzündung haben:

  • eine neue Art von Kopfschmerzen

  • jedes neue Symptom oder Zeichen mit Ischämie einer Arterie oberhalb des Halses

  • Kaumuskelschmerz während des Kauens

  • Druckschmerzhaftigkeit der Schläfenarterie oder der Kopfhaut

  • ungeklärtes subakutes Fieber oder Anämie

Die Diagnose der Riesenzellarteriitis ist wahrscheinlicher, wenn Patienten auch Symptome einer Polymyalgia rheumatica aufweisen.

Bei der körperlichen Untersuchung können Schwellungen und Druckdolenz, mit oder ohne Knötchenbildung oder Rötung, über den Schläfenarterien festgestellt werden, manchmal mit Verlust eines tastbaren Pulses. Die Temporalarterien können sich als ausgeprägt zeigen. Eine Temporalarterie, die sich unter den Fingern des Untersuchers aufrollt, anstatt zu kollabieren, ist anomal. Die großen Arterien des Halses und die Aortenäste sollten auf Gefäßgeräusche untersucht werden.

Bei Verdacht auf eine AT werden Erythrozytensedimentationsrate, CRP und ein Blutbild bestimmt. Bei den meisten Patienten sind Erythrozytensedimentationsrate und CRP erhöht; bei chronischer Erkrankung ist eine Anämie häufig. Gelegentlich ist die Thrombozytenzahl erhöht, während Serumalbumin und Gesamteiweiß niedrig sind, wenn sie gemessen werden. Eine leichte Leukozytose wird häufig festgestellt, ist aber nicht spezifisch.

Falls die Diagnose Riesenzellarteritis vermutet wird, ist die Biopsie einer Arterie zu empfehlen. Da entzündete Segmente sich oft mit normalen Segmenten abwechseln, sollte wenn möglich ein Segment, das anomal erscheint, untersucht werden. Normalerweise wird die Temporalarterie von der Seite biopsiert, die symptomatisch ist, aber es kann auch die Arteria occipitalis biopsiert werden, wenn sie anomal erscheint. Die optimale Länge zur Entfernung der Temporalarterie ist unklar, aber längere Proben bis zu 5 cm erhöhen die Treffsicherheit. Der zusätzliche diagnostische Wert einer kontralateralen Biopsie ist gering. Mit der Therapie sollte nicht bis zur Durchführung der Biopsie gewartet werden. Da die Entzündung langsam abklingt, kann die Temporalarterienbiopsie (TAB) bis zu 2 Wochen nach Beginn der Kortikosteroidbehandlung durchgeführt werden.

Die Farbdoppler-Ultraschalluntersuchung der A. temporalis kann, wenn sie von Experten durchgeführt wird, ein Gefäßwandödem erkennen, das als Halo zu sehen ist, und kann die Biopsie der A. temporalis bei der Diagnose einer Riesenzellarteriitis ersetzen (1). Die Ultraschalluntersuchung der Temporalarterie sollte vor Beginn der Behandlung oder innerhalb von 5 Tagen durchgeführt werden, da Kortikosteroide die Sensitivität des Tests verringern. Zu den vielen Vorteilen gehört, dass der Test nicht invasiv ist, keine Strahlenbelastung mit sich bringt und auch andere Hirngefäße abbilden kann. Der diagnostische Nutzen des Ultraschalls der Schläfenarterie hängt jedoch stark von den Fähigkeiten des Ultraschallanwenders und der Ausrüstung ab.

Eine Bildgebung der Aorta und ihre Äste sollte zum Zeitpunkt der Diagnose und dann in regelmäßigen Abständen danach durchgeführt werden, auch wenn keine suggestiven Symptome oder Anzeichen vorhanden sind (siehe Tabelle Bildgebende Verfahren bei Takayasu- Arteriitis).

Diagnosehinweis

  1. 1. Chrysidis S, Døhn UM, Terslev L, et al: Diagnostic accuracy of vascular ultrasound in patients with suspected giant cell arteritis (EUREKA): a prospective, multicentre, non-interventional, cohort study. The Lancet Rheumatology 3 (12) e865-e873, 2021. doi.org/10.1016/S2665-9913(21)00246-0

Behandlung der Riesenzellarteriitis

  • Kortikosteroide

  • Niedrigdosiertes Aspirin

  • Tocilizumab

Die Therapie sollte sofort begonnen werden, wenn eine Riesenzellarteriitis vermutet wird. Selbst wenn sich die Biopsie um bis zu 2 Wochen verzögert, sollte die Pathologie noch erkennbar sein.

Tipps und Risiken

  • Wenn Patienten > 55 Jahre neu auftretende Kopfschmerzen, eine Claudicatio des Kiefers, plötzliche Sehstörungen und/oder eine Druckdolenz der Temporalarterien zeigen, sollte die sofortige Behandlung mit Kortikosteroiden gegen Riesenzellarteriitis in Betracht gezogen werden.

Der Eckstein der Behandlung sind die Kortikosteroide. Diese reduzieren schnell die Symptome und verhindern bei den meisten Patienten einen Sehverlust. Die optimale Initialdosis, Ausschleichzeitplan und Gesamtdauer der Behandlung sind in der Diskussion. Bei den meisten Patienten ist eine Initialdosis von 40–60 mg Prednison oral einmal täglich (oder gleichwertig) über 4 Wochen, gefolgt von allmählichem Ausschleichen, wirksam.

Wenn die Patienten Sehstörungen haben, kann ein Versuch mit einer Initialdosis von 500–1000 mg Methylprednisolon IV einmal täglich über 3–5 Tage unternommen werden, um einen weiteren Rückgang des Sehvermögens zu verhindern, insbesondere beim kontralateralen Auge. Die Bewahrung des Sehvermögens hängt wahrscheinlich stärker davon ab, wie schnell die Kortikosteroidtherapie eingeleitet wird, als von der Dosis. Ein Sehnervinfarkt, einmal begonnen, kann nicht rückgängig gemacht werden, unabhängig von der Kortikosteroiddosis.

Wenn die Symptome nach einigen Wochen abklingen, kann Prednison schrittweise reduziert werden, und zwar von ~60 mg/Tag, je nach Ansprechen des Patienten, um 5–10 mg pro Tag pro Woche auf 40 mg pro Tag, um 2,5–5 mg pro Tag pro Woche auf 10–20 mg pro Tag und dann weiter, bis das Medikament abgesetzt wird. BSG allein sollte nicht verwendet werden, um das Ansprechen des Patienten (und die Krankheitsaktivität) zu beurteilen. Beispielsweise können bei älteren Patienten andere Faktoren, wie monoklonale Gammopathien Erythrozytensedimentationsrate erhöhen. Auch die klinischen Symptome sind hierbei zu berücksichtigen. C-reaktives Protein kann manchmal hilfreicher sein als Erythrozytensedimentationsrate.

Die meisten Patienten benötigen eine mindestens 2-jährige Behandlung mit Kortikosteroiden. Die langfristige Anwendung von Kortikosteroiden kann erhebliche Nebenwirkungen haben und sollte daher wenn möglich begrenzt werden. Mehr als die Hälfte der Patienten, die diese Medikamente einnehmen, zeigt medikamentenabhängige Komplikationen. Daher werden alternative Therapien erforscht. Tocilizumab, ein IL-6-Rezeptor-Antagonist, sollte bei der Einleitung der Behandlung in Betracht gezogen werden. Tocilizumab ist eine wirksame Option, die die Exposition gegenüber Kortikosteroiden verringern kann (1). In Kombination mit Corticosteroiden hat Tocilizumab eine Wirksamkeit gezeigt, die Corticosteroiden allein überlegen ist (1-3). Die Dauer der Therapie mit Tocilizumab ist jedoch nicht festgelegt, und das Medikament sollte bei Patienten mit einer Divertikulitis in der Vorgeschichte wegen des Risikos einer Divertikelperforation mit Vorsicht verabreicht werden.

Ältere Patienten, die Prednison über einen längeren Zeitraum einnehmen, sollten ein antiresorptives Medikament erhalten, um die Knochenmasse zu erhöhen und Osteoporose vorzubeugen.

Bei einer randomisierten kontrollierten Studie, hatte das Anti-Tumornekrosefaktor-Medikament Infliximab keinen Nutzen und mögliche Schäden wurden erkannt (4).

Niedrig dosiertes Aspirin (81–100 mg oral einmal täglich) verhindert ischämische Ereignisse und sollte allen Patienten verschrieben werden, sofern dies nicht kontraindiziert ist.

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Adler S, Reichenbach S, Gloor A, et al: Risk of relapse after discontinuation of tocilizumab therapy in giant cell arteritis. Rheumatology (Oxford) 58(9):1639-1643, 2019. doi:10.1093/rheumatology/kez0913

  2. 2. Villiger PM, Adler S, Kuchen S, et al: Tocilizumab for induction and maintenance of remission in giant cell arteritis: A phase 2, randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 387:1921–1927, 2016. doi: 10.1016/S0140-6736(16)00560-2

  3. 3. Stone JH, Tuckwell K, Dimonaco S, et al: Trial of tocilizumab in giant-cell arteritis. N Engl J Med 377:317–328, 2017. doi: 10.1056/NEJMoa1613849

  4. 4. Hoffman GS, Cid MC, Rendt-Zagar KE, et al: Infliximab for maintenance of glucocorticosteroid-induced remission of giant cell arteritis: a randomized trial. Ann Intern Med 146(9):621-30, 2007. doi: 10.7326/0003-4819-146-9-200705010-00004. PMID: 17470830.

Wichtige Punkte

  • Bei der Riesenzellarteriitis handelt es sich um eine verbreitete Vaskulitis der großen Arterien, die die Aorta und ihre primäre Äste betrifft.

  • Viele Patienten zeigen eine Polymyalgia rheumatica.

  • Zu den Manifestationen gehören Sehstörungen, Diplopie, Kopfschmerzen, Kieferkrämpfe, Druckempfindlichkeit der Temporalarterien und konstitutionelle Symptome.

  • Komplettes Blutbild, Erythrozytensedimentationsrate und C-reaktives Protein (CRP) bestimmen und eine Biopsie der Arteria temporalis oder Ultraschall durchführen.

  • Die Behandlung umfasst Kortikosteroide (sofort beginnen), niedrig dosiertes Aspirin und Tocilizumab.