Übersicht zu entzündlichen Darmerkrankheiten

VonAaron E. Walfish, MD, Mount Sinai Medical Center;
Rafael Antonio Ching Companioni, MD, HCA Florida Gulf Coast Hospital
Überprüft/überarbeitet Nov. 2023
Aussicht hier klicken.

Entzündliche Darmkrankheiten (IBD), zu denen der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa gehören, sind mit Remissionen und Rückfällen einhergehende chronische Entzündungen in unterschiedlichen Abschnitten des Gastrointestinaltrakts, die zu Diarrhö und Bauchschmerzen führen.

Die Entzündung beruht auf einer zellvermittelten Immunantwort in der gastrointestinalen Schleimhaut. Die genaue Ätiologie der entzündlichen Darmerkrankung ist nicht bekannt, aber es gibt Hinweise darauf, dass die normale Darmflora bei Patienten mit einer multifaktoriellen genetischen Veranlagung (vielleicht mit anomalen epithelialen Barrieren und mukosaler Immunabwehr) in unangemessener Weise eine Immunreaktion auslöst. Spezifische Noxen aus der Umwelt oder aus der Nahrung oder Infektionen konnten bisher nicht ursächlich identifiziert werden. Die in Gang gesetzte Immunreaktion führt zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren, inkl. Zytokinen, Interleukinen und Tumornekrosefaktor.

Obwohl es eine Reihe von Gemeinsamkeiten zwischen dem Morbus Crohn und der Colitis ulcerosa gibt, sind sie in den meisten Fällen doch eindeutig zu unterscheiden (siehe Tabelle Unterscheidung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa). Etwa 10% der Colitis-Fälle sind zunächst nicht unterscheidbar und werden nicht klassifiziert; wenn eine chirurgische pathologische Probe nicht klassifiziert werden kann, wird sie als unbestimmte Colitis bezeichnet. Der Begriff Kolitis bezieht sich nur auf die Entzündung des Kolons (z. B. ulzerative, granulomatöse, ischämische, strahleninduzierte und infektiöse Kolitis). Der Begriff „spastische Kolitis“ ist eine Fehlbezeichnung, mit der manchmal eine funktionelle Krankheit, der sog. Reizdarm, bezeichnet wird.

Tabelle

Epidemiologie

Entzündlichen Darmkrankheiten treten in jeder Altersstufe auf, beginnen aber in der Regel vor dem 30. Lebensjahr mit einem Gipfel zwischen dem 14. und 24. Lebensjahr (1). IBD können einen zweiten kleineren Altersgipfel zwischen dem 50. und dem 70. Lebensjahr haben. Allerdings kann dieser späte Altersgipfel einige Fälle einer ischämischen Kolitis einschließen.

IBD ist am häufigsten bei Menschen nordeuropäischer und angelsächsischer Herkunft. Sie ist bei Menschen aschkenasischer jüdischer Abstammung (aus Mittel- oder Osteuropa) 2- bis 4-mal häufiger als bei nichtjüdischen Weißen aus demselben geographischen Gebiet (2). Die Inzidenz ist niedriger in Zentral- und Südeuropa und noch niedriger in Südamerika, Asien und Afrika. Die Inzidenz nimmt jedoch bei Schwarzafrikanern und Südamerikanern, die in Nordamerika leben, zu. Beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen. Verwandte ersten Grades von Patienten mit entzündlichen Darmkrankheiten haben ein 4- bis 20-fach erhöhtes Risiko, ihr absolutes Risiko kann bis zu 7% betragen. Ein familiäres Vorkommen ist häufiger beim Morbus Crohn als bei der Colitis ulcerosa. Inzwischen sind einige spezifische Genmutationen, die ein hohes Risiko für den Morbus Crohn (und einige möglicherweise für die Colitis ulcerosa) tragen, identifiziert worden.

Zigarettenrauchen scheint Exazerbationen eines Morbus Crohn zu begünstigen, aber vermindert das Risiko für eine Colitis ulcerosa. Eine stattgehabte Appendektomie zur Behandlung einer Blinddarmentzündung scheint ebenfalls das Risiko für eine Colitis ulcerosa zu senken. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) können IBD verschlimmern. Orale Kontrazeptiva erhöhen das Risiko für Morbus Crohn. Einige Daten deuten darauf hin, dass perinatale Erkrankungen und die Verwendung von Antibiotika in der Kindheit mit einem erhöhten Risiko für IBD assoziiert sind.

Aus bisher ungeklärten Gründen besitzen Menschen, die einen höheren sozioökonomischen Status haben, ein erhöhtes Risiko für Morbus Crohn.

Allgemeine Literatur

  1. 1. Bernstein CN, Rawsthorne P, Cheang M, et al: A population-based case control study of potential risk factors for IBD. Am J Gastroenterol 101(5):993-1002, 2006. doi: 10.1111/j.1572-0241.2006.00381.x

  2. 2. Schiff ER, Frampton M, Semplici F, et al: A new look at familial risk of inflammatory bowel disease in the Ashkenazi Jewish population. Dig Dis Sci 63(11):3049-3057, 2018. doi: 10.1007/s10620-018-5219-9

Extraintestinale Manifestationen von entzündlichen Darmerkrankungen

Sowohl beim Morbus Crohn als auch bei der Colitis ulcerosa sind außer dem Darm weitere Organe befallen. Die Mehrzahl der extraintestinalen Manifestationen treten bei der Colitis ulcerosa und der Crohn-Kolitis auf, weniger bei einem ausschließlichen Dünndarmbefall des Morbus Crohn. Extraintestinale Manifestationen von entzündlicher Darmerkrankung werden nach drei Gesichtspunkten eingeteilt:

1. Erkrankungen, die in der Regel mit entzündlichen Schüben der IBD assoziiert sind (d. h. kommen und gehen): Hierzu gehören periphere Arthritis, Episkleritis, Aphthen Stomatitis, Erythema nodosum. Die Arthritis befällt bevorzugt große Gelenke, wandert und besteht vorübergehend.

2. Krankheiten, die eindeutig mit IBD assoziiert sind, aber unabhängig von IBD-Schüben auftreten: Hierzu gehören Morbus Bechterew, Sacroiliitis, Uveitis, Pyoderma gangraenosum und die primär sklerosierende Cholangitis. Die Spondylitis ankylosans tritt häufiger bei IBD-Patienten mit dem humanen Leukozytenantigen B27 (HLA-B27) auf. Die meisten Patienten mit spinaler oder sakroiliakaler Beteiligung haben eine Uveitis und vice versa. Die primär sklerosierende Cholangitis, die einen Risikofaktor für die Entstehung von Gallengangskarzinomen darstellt, ist eindeutig mit Colitis ulcerosa und Crohn-Kolitis assoziiert. Eine Cholangitis kann vor oder gleichzeitig mit der Darmerkrankung auftreten oder selbst 20 Jahre nach Kolektomie. Eine Lebererkrankung (z. B. steatotische Lebererkrankung, autoimmune Hepatitis, Pericholangitis, Zirrhose) tritt bei 3–5% der Patienten auf, obwohl geringe Abweichungen bei Lebertests häufiger vorkommen. Einige dieser Krankheiten (z. B. primär sklerosierende Cholangitis) können der IBD um Jahre vorausgehen und sollten, sobald sie diagnostiziert sind, zur Abklärung einer IBD Anlass geben.

3. Krankheiten, die in der Folge der gestörten Darmphysiologie auftreten: Diese entstehen vorwiegend bei einem schweren Morbus Crohn des Dünndarms. Eine Malabsorption als Folge einer ausgedehnten Ileumresektion führt zu Mangelzuständen an fettlöslichen Vitaminen, Vitamin B12 oder Mineralien, was in Anämie, Hypokalzämie, Hypomagnesiämie, Gerinnungsstörungen und Knochendemineralisation resultiert. Bei Kindern verzögert Malabsorption Wachstum und Entwicklung. Weitere Krankheiten sind Nierensteine aufgrund einer ausgeprägten Oxalataufnahme mit der Nahrung, Hydroureter und Hydronephrose, hervorgerufen durch Kompression eines Ureters durch einen benachbarten entzündlichen Darmprozess, Gallensteine aufgrund der verminderten Reabsorption von Gallensalzen im Ileum und eine Amyloidose als Folge von langdauernden Entzündungs- und eitrigen Prozessen.

Weiterhin können thromboembolische Erkrankungen als Folge multipler Faktoren aus allen drei Kategorien der extraintestinalen Manifestationen entstehen.

Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen

Bei der Behandlung der IBD werden verschiedene Substanzklassen eingesetzt. Einzelheiten zu ihrer Auswahl und Verwendung werden unter jeder Störung und in Medikamente für entzündliche Darmerkrankungen diskutiert.

Unterstützende Behandlung

Viele Patienten und ihre Familien sind an speziellen Diäten und an einer Stressbehandlung interessiert. Obwohl es anekdotische Berichte über klinische Besserungen bei bestimmten Diäten gibt, inkl. einer Diät mit strenger Kohlenhydratrestriktion, haben kontrollierte Studien keinen durchgängigen Vorteil nachweisen können. Ein spezielles Stress-Management kann hilfreich sein.

Gesundheitserhaltung bei entzündlichen Darmerkrankungen

Impfungen

Patienten mit IBD sollten die jährliche Grippeimpfung und die Pneumokokkenimpfung erhalten. Personen, die ≥ 19 Jahre alt sind, sollten den rekombinanten Herpes-Zoster-Impfstoff erhalten (1). Dieser Impfstoff sollte nach Möglichkeit vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie verabreicht werden.

Routineimpfungen wie Tetanus-Diphtherie, Hepatitis A, Hepatitis B, und humanes Papillomavirus sollte gemäß der Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) Richtlinien gegeben werden.

Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und die Canadian Association of Gastroenterology empfehlen bei Patienten mit CED, einschließlich derjenigen, die eine immunsuppressive Therapie erhalten, einen mRNA-basierten COVID-19-Impfstoff zu verwenden.

Screening-Tests

Weibliche Patienten, die keine immunsuppressive Therapie erhalten, sollten alle 3 Jahre auf Zervixkarzinom untersucht werden. Patienten, die eine immunsuppressive Therapie erhalten sollten jährlich auf Zervixkarzinom untersucht werden.

Alle Patienten, die immunmodulierende Medikamente oder biologische Wirkstoffe einnehmen oder beabsichtigen dies zu tun, sollten jährlich auf Hautkrebs untersucht werden.

Patienten mit Risiko für Osteoporose sollten einen dual-Energie-Röntgenabsorptionsmessung (DXA)- Scan haben.

Health Erhaltung Referenz

  1. 1. Neil Murthy, A. Patricia Wodi, Sybil Cineas, et al: Recommended adult immunization schedule, United States, 2023. Ann Intern Med 176:367-380, 2023.  doi:10.7326/M23-0041

Weitere Informationen

Die folgenden englischsprachigen Quellen können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP): Information about routine vaccination recommendations and guidelines and vaccine-specific updates

  2. Canadian Association of Gastroenterology: Clinical practice guideline for immunizations in patients with inflammatory bowel disease—Part 2: Inactivated vaccines (2021)