Neuropathische Arthropathie

(neurogene Arthropathie, Charcot-Gelenke; Charcot's Gelenke)

VonKinanah Yaseen, MD, Cleveland Clinic
Überprüft/überarbeitet Apr. 2024
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Bei der neuropathische Arthropathie handelt es sich um eine rasch destruktiv fortschreitende Arthropathie, die auf der Basis von gestörter Schmerzwahrnehmung und Haltungsregulation entsteht. Verschiedene Krankheiten, v. a. Diabetes mellitus und Schlaganfall, können zugrunde liegen. Zu den häufigen Manifestationen gehören Gelenkerguss, Deformität und Instabilität. Aufgrund der zugrunde liegenden Neuropathie sind die begleitenden Schmerzen unverhältnismäßig gering. Die Diagnose wird radiologisch bestätigt. Die Behandlung besteht in einer externen oder manchmal auch chirurgischen Stabilisierung der Gelenke, um das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen und die Schmerzen zu lindern.

Pathophysiologie der neuropathischen Arthropathie

Viele Erkrankungen prädisponieren für eine neuropathische Arthropathie (siehe Tabelle Zugrunde liegende Erkrankungen bei neuropathischer Arthropathie). Eine beeinträchtigte tiefe Schmerzempfindung und Propriozeption führen zur Verminderung der protektiven Reflexe des Gelenks, hierdurch bleiben Traumata (v. a. wiederholte Mikrotraumata) und kleine periartikuläre Frakturen unbemerkt. Ein erhöhter Blutfluss zu den Knochen aufgrund einer reflexiven Vasodilatation führt zu einer aktiven Knochenresorption, die zu Knochen- und Gelenkschäden beitragen kann.

Jede neue Verletzung, die das Gelenk aushalten muss, sorgt für mehr Schaden als Heilung. Hämorrhagische Gelenkergüsse und multiple kleine Frakturen sind nicht ungewöhnlich, sie beschleunigen die destruierenden Prozesse. Bandlaxität, muskuläre Hypotonie und die rasche Zerstörung des Gelenkknorpels sind häufig und prädisponieren zur Gelenkinstabilität, -dislokation und Progression der Erkrankung. Eine fortgeschrittene neuropathische Arthropathie kann hypertrophe Veränderungen, destruierende Veränderungen oder beides verursachen.

Tabelle
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Symptome und Anzeichen der neuropathischen Arthropathie

In der Regel tritt die Arthropathie erst Jahre nach Beginn der zugrunde liegenden neurologischen Störung auf, sie schreitet dann aber rasch fort und kann innerhalb von Monaten zur kompletten Desorganisation des Gelenks führen. Schmerz ist zwar ein frühes Symptom, jedoch gemessen an der Gelenkschädigung wegen der zugrunde liegenden neurologischen Störung inadäquat gering. Bereits im frühen Stadium finden sich ein hämorrhagischer Gelenkerguss, eine Subluxation und eine Instabilität des Gelenks. Eine akute Dislokation kann ebenfalls auftreten.

Im späteren Stadium kann der Schmerz an Intensität zunehmen, wenn die Krankheit zur massiven Gelenkzerstörung geführt hat (z. B. durch periartikuläre Frakturen oder durch straffe Hämatome). In diesem fortgeschrittenen Stadium ist das Gelenk durch die Knochenhypertrophie und eine massive Ergussbildung geschwollen. Deformitäten entstehen durch Dislokation und Knochenverlagerung nach Frakturen. Bei Frakturen und Knochenheilung können lose Knorpel- oder Knochenstücke entstehen, die in das Gelenk eindringen können. Es kann sich ein grobes, knirschendes, oft hörbares Krepitieren entwickeln, das meist für den Beobachter unangenehmer ist als für den Patienten.

Obwohl viele Gelenke mitbetroffen sein können, sind Knie- und Sprunggelenk am häufigsten betroffen. Die Gelenkverteilung wird durch die Grunderkrankung bestimmt. So betrifft die Tabes dorsalis v. a. Knie und Hüfte, der Diabetes mellitus Fuß und Sprunggelenke. Die Syringomyelie betrifft v. a. die Wirbelsäule und die oberen Extremitäten, dort v. a. Ellbogen und Schulter. Häufig ist nur ein Gelenk und selten mehr als zwei oder drei (abgesehen von den kleinen Fußgelenken) in asymmetrischer Form betroffen.

Infektiöse Arthritis kann sich mit oder ohne systemische Symptome (z. B. Fieber, Unwohlsein) entwickeln, insbesondere bei Diabetes, und erfordert einen hohen Verdachtsindex.

Diagnose der neuropathischen Arthropathie

  • Röntgenaufnahmen

Die Diagnose einer neuropathischen Arthropathie sollte bei einem Patienten mit einer prädisponierenden neurologischen Erkrankung in Betracht gezogen werden, der eine destruierende, aber relativ schmerzlose Arthropathie entwickelt, in der Regel mehrere Jahre nach dem Auftreten der zugrunde liegenden neurologischen Erkrankung. Die Kombination aus der prädisponierenden Krankheit, den typischen klinischen Symptomen und Befunden und einem charakteristischen Röntgenbild sichert die Diagnose.

Anomalien im Röntgenbild bei neuropathischer Arthropathie im Frühstadium ähneln oft denen bei Osteoarthritis (siehe Diagnose von Arthrose). Die wichtigsten Anzeichen im späteren Verlauf der Krankheit sind:

  • Knochenfragmentierung

  • Knochenzerstörung

  • Neues Knochenwachstum

  • Verlust von Gelenkraum

Auch Ergussbildung und Gelenksubluxation können vorkommen. Die Knochen können sich verformen, und neben der Rinde bildet sich neuer Knochen, der in der Gelenkkapsel beginnt und sich oft den Schaft hinauf erstreckt, insbesondere bei langen Knochen. In den Weichteilen können Kalzifizierung und Ossifikation auftreten. Große, bizarr geformte Osteophyten können an den Gelenkgrenzen oder innerhalb des Gelenks vorhanden sein. Grobwulstige spinale Osteophyten bilden sich häufig in Abwesenheit klinischer Zeichen einer Wirbelsäulenkrankheit.

Die neuropathische Arthropathie schreitet schneller fort als die Arthrose.

Behandlung der neuropathischen Arthropathie

  • Behandlung der Ursache

  • Gelegentlich Operation

Die Behandlung der Grunderkrankung kann ebenfalls die Progression der Arthropathie verlangsamen oder in einem frühen Stadium der Destruktion möglicherweise sogar zur Rückbildung führen.

Die frühe Diagnosestellung bei asymptomatischen oder minimalen symptomatischen Frakturen erleichtert die frühe therapeutische Intervention. Stabilisierung mittels Schienen, Spezialschuhen oder Gehapparaten schützt das Gelenk vor weiterem Schaden und kann so die weitere Entwicklung stoppen. Die Stabilisierung kann sogar eine neuropathische Arthropathie bei einem Risikopatienten verhindern.

Bei einem massiven Gelenkbefund kann eine Operation mit interner Fixation, Kompression und adäquater Knochenübertragung Erfolg bringen. Bei stark desorganisierten Hüft- und Kniegelenken, bei denen die neuropathische Arthropathie voraussichtlich nicht fortschreitet, können mit einem totalen Hüft- und Kniegelenkersatz erfolgreiche Behandlungsergebnisse erzielt werden. Allerdings besteht für die Patienten ein höheres Risiko für postoperative Komplikationen wie Lockerung und Dislokation der Prothese (1).

Literatur zur Therapie

  1. 1. Zhang Z, Chi J, Raso J, Xu H, Cui Q: Outcomes following total hip arthroplasty in patients who have Charcot neuroarthropathy of the hip [published online ahead of print, 2023 Jun 8]. J Arthroplasty S0883-5403(23)00630-7, 2023. doi:10.1016/j.arth.2023.05.088

Wichtige Punkte

  • Die neuropathische Arthropathie ist eine schnell destruierende Arthropathie, die auftritt, wenn das Schmerzempfinden und der Lagesinn beeinträchtigt sind (z. B. aufgrund von Diabetes mellitus oder Schlaganfall).

  • Typisch ist eine Destruktion des Gelenks, die in keinem Verhältnis zu den Schmerzen steht, häufig mit rascher Progression zur Gelenkdesorganisation in fortgeschrittenen Stadien.

  • Bestätigt wird die Diagnose bei Patienten mit einer prädisponierenden neurologischen Erkrankung anhand von Röntgenbefunden (die anfangs den bei Arthrose zu sehenden Veränderungen ähneln) durch den Nachweis der Gelenkdestruktion, die in keinem Verhältnis zu den Schmerzen steht.

  • Achten Sie auf die Möglichkeit einer Infektion.

  • Behandelt wird die zugrunde liegende Ursache, außerdem sollte das Gelenk vor weiteren Verletzungen durch physikalische Mittel (z. B. durch Stabilisierung) geschützt werden.

  • Falls nötig werden Patienten zu einer chirurgischen Intervention überwiesen.