Bei der intravenösen Vitamintherapie (auch als intravenöse Mikronährstofftherapie und Hydratationstherapie bezeichnet) werden hohe Konzentrationen von Vitaminen und Mineralstoffen direkt in den Blutkreislauf verabreicht. Dies ermöglicht eine schnelle Aufnahme höherer Dosen von Vitaminen und Mineralstoffen, als wenn der Patient diese über die Nahrung oder als Nahrungsergänzungsmittel zu sich nimmt.
Die Infusionsflüssigkeit wird über einen dünnen Schlauch in eine Vene verabreicht.
Die Infusion dauert in der Regel 20 bis 60 Minuten bis zu einer Stunde, je nach der Menge des Cocktails und der Venengröße des Patienten.
Die intravenöse Vitamintherapie wird von zahlreichen Prominenten empfohlen und ist in vielen sogenannten IV-Bars, Drip-Bars und IV-Lounges erhältlich.
Der Myers-Cocktail ist eine beliebte Formulierung der intravenösen Vitamintherapie bei Anbietern von Komplementär- und Alternativmedizin.
Die Myers-Formel besteht aus hohen Dosen von B-Vitaminen, Vitamin C und Mineralstoffen (Magnesium und Kalzium), die mit sterilem Wasser gemischt werden.
Dr. John Myers entwickelte und verabreichte die ersten intravenösen Vitaminbehandlungen in den 1970er Jahren in Baltimore.
Jedes Vitamin und jeder Mineralstoff kann intravenös infundiert werden, und einige Ärzte, welche die Infusion verabreichen, haben die Mengen der Vitamine im Myers-Cocktail verändert (dies wird als modifizierter Myers-Cocktail bezeichnet). Manche Ärzte bieten auch individuelle Dosen für gebrechliche ältere Erwachsene und Kinder an.
(Siehe auch Heilpflanzen und Ergänzungspräparate im Überblick.)
Behauptungen zur intravenösen Vitamintherapie
Eine intravenöse Vitamintherapie wird angeblich am besten bei Menschen eingesetzt, die nicht genügend Vitamine und Mineralstoffe erhalten, da sie nicht ausreichend Nahrung zu sich nehmen oder aufgrund einer Krankheit keine Nährstoffe aufnehmen können.
Einige Fürsprecher behaupten jedoch, dass die intravenöse Vitamintherapie auch bei Personen, die keinen Vitaminmangel (oder Mineralstoffmangel) aufweisen, das Wohlbefinden verbessern kann. Kliniken und Unternehmen, die den Myers-Cocktail und andere hochdosierte intravenöse Vitaminpräparate anbieten, schreiben den Infusionen den folgenden Nutzen zu:
Behandlung von Dehydratation nach extremer körperlicher Aktivität oder übermäßigem Alkoholkonsum
Stärkung des Immunsystems (obwohl dies nicht belegt und die Wirkweise nicht klar ist)
Erhöhung des Energieniveaus und Verringerung von Erschöpfung
Linderung von Stress, Angst und Depressionen
Ausscheidung von Giftstoffen aus dem Körper
Verbesserung der Hautgesundheit
Behandlung von Asthma, Allergien, chronischer Nebenhöhlenentzündung, Bluthochdruck, Fibromyalgie, Diabetes, Herzerkrankungen, akuten Muskelkrämpfen und Parkinson-Krankheit
Behandlung von Migräne und Spannungskopfschmerzen
Die Anbieter von intravenösen Vitamintherapien behaupten auch, dass Infusionen aus den folgenden Gründen besser sind als die Aufnahme von Vitaminen aus der Nahrung:
Die Infusionen können Patienten mit verschiedenen Nahrungsmittelempfindlichkeiten verabreicht werden.
Große Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen werden direkt ins Blut abgegeben, sodass sie direkt in die Zellen und Mitochondrien gelangen, wo sie ihre angeblich positive Wirkung entfalten.
Nachweise für die intravenöse Vitamintherapie
Nur sehr wenige Studien haben die Wirksamkeit von Myers-Cocktails oder einer anderen Form der hochdosierten intravenösen Vitamintherapie bei Personen untersucht, die keinen Vitamin- oder Mineralstoffmangel haben. (Außerdem liegen bisher keine veröffentlichten Nachweise dafür vor, dass diese Therapie bei irgendeiner schweren oder chronischen Erkrankung wirksam ist.) Daher liegen die meisten Nachweise in Form von Einzelberichten vor, was bedeutet, dass sie sich auf die persönlichen Erinnerungen der Betroffenen beschränken. Einzelberichte gelten im Allgemeinen nicht als eindeutige Belege.
Die Injektion einzelner Vitamine oder Mineralstoffe ist eine evidenzbasierte Behandlung für Patienten mit Mangel an diesen Nährstoffen oder zur Behandlung der Nebenwirkungen bestimmter Medikamente.
Es gibt jedoch auch Belege dafür, dass benötigte Vitamine, Mineralstoffe und andere Nährstoffe am besten über die Nahrung zugeführt werden sollten – mit gelegentlichen Ausnahmen (z. B. Eisen oder Vitamin B12 in bestimmten Fällen).
Die wenigen durchgeführten Studien waren klein, umfassten keine Placebo-Gruppe oder kamen zu dem Ergebnis, dass die Infusionen nicht wirksamer waren als das Placebo.
Im Jahr 2018 klagte die US-amerikanische Federal Trade Commission (FTC) ein Unternehmen an, das den Myers-Cocktail und andere intravenöse Vitamin- und Mineralstoffinfusionen vermarktete und vertrieb. Die Klage bezog sich auf „irreführende und nicht belegte Behauptungen zum gesundheitlichen Nutzen“ hinsichtlich der Fähigkeit der Infusionen, Erkrankungen wie Krebs, multiple Sklerose, Diabetes, Fibromyalgie und Herzinsuffizienz zu behandeln.
Die FTC argumentierte, dass diese Behauptungen bezüglich des gesundheitlichen Nutzens und der Wirksamkeit falsch oder nicht durch kompetente und verlässliche wissenschaftliche Nachweise belegt seien.
Nebenwirkungen der intravenösen Vitamintherapie
Bei Patienten mit Anomalien im Magnesium- oder Kaliumblutspiegel (z. B. aufgrund einer Nierenerkrankung, der Verwendung von Diuretika oder übermäßigem Alkoholkonsum) können Infusionen von Magnesium (oder seltener Kalium) Probleme wie Herzrhythmusstörungen oder Muskelschwäche auslösen.
Bei Menschen mit Herzerkrankungen oder Bluthochdruck kann eine hochdosierte Vitamininfusion zu einer Flüssigkeitsüberlastung führen, die vorübergehend (aber gelegentlich auch dauerhaft) die Nieren, das Gehirn und/oder das Herz schädigen könnte.
Wenn die Infusion zu schnell verabreicht wird, kann sie den Blutdruck senken (wahrscheinlich aufgrund des Magnesiums), was zu Benommenheit und Ohnmacht führen kann.
Laut einigen Studienberichten können Infusionen des Myers-Cocktails oder einer anderen Kombination von Vitaminen und Mineralstoffen zu Symptomen von Depression, Schlaflosigkeit und Magenbeschwerden führen.
Überschüssige Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen können schädlich sein. Beispielsweise können hohe intravenöse Dosen des B-Vitamins Thiamin eine Anaphylaxie verursachen, eine potenziell lebensbedrohliche allergische Reaktion. Hohe Dosen von Vitamin B6 könnten zudem die peripheren Nerven schädigen (periphere Neuropathie).
Die Sicherheit einer intravenösen Vitamintherapie bei schwangeren und stillenden Frauen wurde bisher nicht untersucht.
Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und intravenöser Vitamintherapie
Welche Medikamente mit intravenösen Vitamintherapien in Wechselwirkung treten, hängt davon ab, welche Vitamine und Mineralstoffe in welchen Dosierungen infundiert werden. Im Folgenden sind einige Beispiele für Wechselwirkungen aufgeführt:
Intravenöses Vitamin B6 kann zu einem schlechteren Ansprechen auf Medikamente führen, die eingenommen werden, um die Produktion von Blutzellen anzuregen (z. B. Erythropoetin, Epoetin alfa und Darbepoetin alfa). Diese Medikamente werden häufig bei chronischer Nierenerkrankung oder Krebs eingesetzt.
Magnesium könnte mit blutdrucksenkenden Mitteln in Wechselwirkung treten, was zu niedrigem Blutdruck führt.
Ceftriaxon, eine Injektionsbehandlung gegen bestimmte bakterielle Infektionen, könnte sich mit dem infundierten Kalzium im Blut verbinden, sodass diese Kombination die Nieren, die Lunge oder die Gallenblase schädigen könnte.
Empfehlungen für die intravenöse Vitamintherapie
Von einer intravenösen Vitamintherapie bei gesunden Menschen sollte abgeraten werden, da keine der angeblichen gesundheitlichen Auswirkungen bestätigt wurde.
Die Sicherheit von intravenösen Vitamininfusionen ist unklar, zum Teil, weil sie davon abhängt, welche Vitamine und Mineralstoffe verabreicht werden, wie schnell die Infusion verabreicht wird und wie hoch die Dosis jedes Nährstoffs ist. Außerdem sollte eine intravenöse Vitamintherapie durch nicht geschultes Personal (wie in einigen medizinischen Spas) vermieden werden.
Schwangere und stillende Frauen sowie Menschen mit Nierenerkrankungen, Bluthochdruck oder Herzerkrankungen sollten den Myers-Cocktail oder andere Arten von hochdosierten intravenösen Vitamintherapien vermeiden.
Personen, die keinen Vitamin- oder Mineralstoffmangel haben, sowie jene, die bestimmte Medikamente einnehmen (einschließlich Medikamente zur Anregung der Bildung roter Blutkörperchen und Ceftriaxon), sollten mit ihrem Arzt sprechen, bevor sie sich mit einem Myers-Cocktail oder anderen Arten einer hochdosierten intravenösen Vitamintherapie behandeln lassen.