Übersicht über das periphere Nervensystem

VonMichael Rubin, MDCM, New York Presbyterian Hospital-Cornell Medical Center
Überprüft/überarbeitet März 2024
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Unter peripherem Nervensystem versteht man die Teile des Nervensystems, die außerhalb des zentralen Nervensystems, nämlich außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks, liegen.

Zum peripheren Nervensystem gehören also:

  • Die Nerven, die Kopf, Gesicht, Augen, Nase, Muskeln und Ohren mit dem Gehirn verbinden (Hirnnerven)

  • Die Nerven, die das Rückenmark mit dem übrigen Körper, einschließlich der 31 Spinalnervenpaare, verbinden

  • Über 100 Milliarden Nervenzellen, die durch den ganzen Körper verlaufen

Der Muskel-Gehirn-Schaltkreis

Die Bewegung der Muskeln setzt in der Regel die Kommunikation zwischen Muskel und Gehirn über Nerven voraus. Der Anstoß, einen Muskel zu bewegen, kann vom Gehirn ausgehen – wie wenn sich jemand bewusst entscheidet, einen Muskel zu bewegen, z. B., um ein Buch aufzuheben.

Der Anstoß, einen Muskel zu bewegen, kann aber auch von den Sinnesorganen ausgehen. Beispielsweise ermöglichen spezielle Nervenenden in der Haut (sensorische Rezeptoren) einer Person, Schmerzen oder Temperaturschwankungen wahrzunehmen. Diese sensorische Information wird zum Gehirn gesandt, und das Gehirn signalisiert den Muskeln, wie sie reagieren sollen. An dieser Art der Kommunikation sind zwei komplexe Nervenbahnen beteiligt:

  • Die sensorische Nervenbahn zum Gehirn

  • Die motorische Nervenbahn zu den Muskeln

  1. Nehmen sensorische Rezeptoren Schmerz oder Temperaturschwankungen wahr, übermitteln sie einen Impuls (Signal), der schließlich bis zum Gehirn reicht.

  2. Der Impuls wird über einen sensorischen Nerv zum Rückenmark geleitet.

  3. Der Impuls läuft durch eine Synapse (Kontaktstelle zwischen zwei Nervenzellen) zwischen dem sensorischen Nerv und einer Nervenzelle im Rückenmark.

  4. Er läuft durch eine Nervenzelle im Rückenmark zur gegenüberliegenden Seite des Rückenmarks.

  5. Der Impuls wird ans Rückenmark und durch den Hirnstamm an den Thalamus geleitet, einen Teil des Zwischenhirns zur Verarbeitung sensorischer Informationen.

  6. Der Impuls läuft durch eine Synapse im Thalamus zu Nervenfasern, die Impulse an den sensorischen Kortex im Großhirn (den Hirnbereich, der Informationen aus den sensorischen Rezeptoren empfängt und verarbeitet) übermitteln.

  7. Der sensorische Kortex nimmt die Impulse wahr. So werden bewusste Bewegungen eingeleitet, die erregungsauslösend für die Generierung von Impulsen durch den motorischen Kortex (den Bereich, der willkürliche Bewegungen entwirft, steuert und ausführt) wirken.

  8. Der den Impuls leitende Nerv kreuzt an der Hirnbasis auf die gegenüberliegende Seite.

  9. Der Impuls wird an den unteren Bereich des Rückenmarks geleitet.

  10. Der Impuls läuft durch eine Synapse zwischen den Nervenfasern im Rückenmark und einem im Rückenmark liegenden motorischen Nerv.

  11. Der Impuls wandert außerhalb des Rückenmarks über die gesamte Länge des motorischen Nervs.

  12. Der Impuls erreicht die neuromuskuläre Verbindungsstelle (an der die Nerven mit den Muskeln verbunden sind), wo der Impuls vom motorischen Nerv auf die motorische Endplatte des Muskels überspringt und eine Muskelkontraktion auslöst.

Wenn das Gefühl plötzlich auftritt und stark ist (vergleichbar mit dem Treten auf einen spitzen Stein oder dem Anfassen eines Bechers mit sehr heißem Kaffee), kann der Impuls zunächst ins Rückenmark und dann direkt zurück zum motorischen Nerv wandern und umgeht dabei das Gehirn. Das Ergebnis ist eine schnelle Muskelreaktion – die Person entfernt sich sofort von der Schmerzquelle. Diese Reaktion wird als Spinalreflex bezeichnet.

Funktionsstörungen des peripheren Nervensystems sind auf Schäden an jedem beliebigen Teil des Nervs zurückzuführen:

  • Am Axon (der die Signale überträgt)

  • Am Zellkörper

  • An der Myelinscheide (Membranen, die das Axon umschließen und als Isolierung für elektrische Kabel dienen und rasch Impulse übermitteln)

Eine Schädigung der Myelinscheide wie beim Guillain-Barré-Syndrom wird Demyelinisation genannt.

Typischer Aufbau einer Nervenzelle

Eine Nervenzelle (Neuron) besteht aus einem großen Zellkörper und Nervenfasern – einer ausgedehnten Verlängerung (Axon), um Impulse auszusenden, und normalerweise vielen Abzweigungen (Dendriten), um Impulse zu empfangen. Die Impulse des Axons durchqueren eine Synapse (Kontaktstelle zwischen 2 Nervenzellen) zum Dendriten einer anderen Zelle.

Jedes lange Axon ist im Gehirn und im Rückenmark von Oligodendrozyten und im peripheren Nervensystem von Schwann-Zellen (oder Lemnozyten) umgeben. Die Membranen dieser Zellen bestehen aus einer Fett-Eiweiß-Verbindung (Lipoprotein), dem Myelin. Die Membranen sind fest um das Axon gewickelt und bilden eine vielschichtige Hülle. Dieser Myelinmantel (Myelinscheide) funktioniert ähnlich wie die Isolierung eines elektrischen Kabels. Nervenimpulse wandern in von einer Myelinscheide umhüllten Nerven viel schneller als in solchen ohne.

Isolierung einer Nervenfaser

Die meisten Nervenfasern sind von einem vielschichtigen fetthaltigen Mantel (Lipoprotein) umgeben, der Myelinschicht. Diese Schichten bilden die Myelinscheide. Ähnlich der Isolierung eines Elektrokabels ermöglicht die Myelinscheide, Nervensignale (elektrische Impulse) schnell und exakt entlang der Nervenfaser weiterzuleiten. Ist die Myelinscheide defekt (was als Demyelinisation bezeichnet wird), leiten die Nerven Impulse nicht richtig weiter.

Erkrankungen des peripheren Nervensystems können

  • Sich auf einen Nerv auswirken (Mononeuropathie)

  • Zwei oder mehr periphere Nerven in verschiedenen Bereichen des Körpers beeinflussen (multiple Mononeuropathie)

  • Mehrere Nerven im gesamten Körper betreffen, oft jedoch in den gleichen Regionen auf beiden Körperseiten (Polyneuropathie)

  • Sich auf eine Spinalnervenwurzel auswirken (Teil des Spinalnervs in der Nähe des Rückenmarks)

  • Einen Plexus beeinflussen (eine Verflechtung von Nervenfasern, aus der Fasern aus verschiedenen Spinalnerven sortiert und neu zusammengefasst werden, um einem bestimmten Körperbereich zu dienen)

  • Die neuromuskuläre Verbindungsstelle (zwischen Nerv und Muskel) betreffen

Eine Schädigung der motorischen Nerven (die Muskelbewegungen auslösen) führt zu Muskelschwäche und -lähmung. Eine Schädigung der sensorischen Nerven (die sensorische Informationen z. B. über Schmerz, Temperatur und Vibration übermitteln) führt zu Empfindungsstörungen oder -verlust.

Ursachen für Erkrankungen des peripheren Nervensystems

Die Erkrankungen des peripheren Nervensystems können mit oder nach der Geburt erworben werden (durch Kontakt mit Giftstoffen, Verletzungen, Entzündungen, Stoffwechselstörungen oder Entzündungskrankheiten).

Tabelle
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Störungen, die Erkrankungen des peripheren Nervensystems ähneln können

Bestimmte Störungen führen zu einer fortschreitenden Schädigung der Nervenzellen im Rückenmark und Gehirn, welche die Muskelbewegung kontrollieren (Motoneuronerkrankungen), sowie in den peripheren Nerven. Motoneuronerkrankungen können Erkrankungen des peripheren Nervensystems ähneln, die Nervenzellen außerhalb und nicht innerhalb des Gehirns und Rückenmarks betreffen. Motoneuronerkrankungen können durch Viren verursacht werden (z. B. das Polio-Virus), vererbt sein oder keine eindeutige Ursache haben (wie die amyotrophe Lateralsklerose).

Erkrankungen der neuromuskulären Verbindungsstellen unterscheiden sich von Erkrankungen des peripheren Nervensystems, können aber ähnliche Konsequenzen haben, wie z. B. Muskelschwäche. Die neuromuskuläre Verbindungsstelle ist dort, wo die Enden peripherer Nervenfasern mit speziellen Bereichen auf einer Muskelmembran verbunden sind. Die Nervenfasern setzen einen chemischen Botenstoff frei (Neurotransmitter), der einen Nervenimpuls über den neuromuskulären Übergang sendet und einem Muskel damit signalisiert, sich zusammenzuziehen. Störungen an neuromuskulären Verbindungsstellen umfassen:

Nowitschok wurde in Russland entwickelt und kam bei Mordversuchen zum Einsatz. Curare wurde verwendet, um die Muskeln während eines chirurgischen Eingriffs zu entspannen und wird an Pfeilspitzen zum Lähmen und Töten eingesetzt.

Erkrankungen, die eher den Muskel beeinflussen als die Nerven (wie Erkrankungen des peripheren Nervensystems) verursachen zudem Muskelschwäche. Muskelerkrankungen können wie folgt unterteilt werden:

Die Ärzte führen Tests durch, um festzustellen, ob eine Muskel- oder Nervenstörung oder die Störung einer neuromuskulären Verbindungsstelle die Ursache der Schwäche ist.

Diagnose von Erkrankungen des peripheren Nervensystems

  • Untersuchung durch den Arzt

  • Möglicherweise Elektromyografie und Messungen der Nervenleitungsgeschwindigkeit, bildgebende Verfahren oder Biopsie

  • Gentests bei Verdacht auf hereditäre Neuropathie

Zur Diagnose einer Erkrankung des peripheren Nervensystems werden die Betroffenen gebeten, folgende Angaben zu machen:

  • Wann die Symptome eingetreten sind

  • Welche Symptome zuerst eintraten

  • Wie sich die Symptome mit der Zeit verändert haben

  • Welche Körperteile betroffen sind

  • Wodurch Symptome gelindert bzw. verstärkt werden

Die Patienten werden vom Arzt auch nach möglichen Ursachen gefragt, z. B. ob Infektionen oder andere Erkrankungen aufgetreten sind, ob sie möglicherweise Toxinen ausgesetzt waren und ob es Familienmitglieder mit ähnlichen Symptomen gibt. Diese Informationen können Aufschluss über die Symptomursache geben.

Eine gründliche körperliche und neurologische Untersuchung kann bei der Ursachenfindung helfen. Folgendes wird überprüft:

Der Befund der ärztlichen Untersuchung deutet auf eine mögliche Ursache hin und gibt Anhaltspunkte dazu, welche Tests durchzuführen sind.

Die Tests umfassen Folgendes:

Behandlung von Erkrankungen des peripheren Nervensystems

  • Behandlung der Ursache, falls möglich

  • Symptomlinderung

  • Möglicherweise Physio-, Ergo- und Sprech- bzw. Sprachtherapie

Wenn eine Erkrankung symptomatisch ist, wird sie behandelt, sofern dies möglich ist. Andernfalls liegt der Schwerpunkt auf der Linderung der Symptome.

Ein Team aus verschiedenen medizinischen Fachkräften (fachübergreifendes Team) kann den Betroffenen helfen, mit dem fortschreitenden Charakter der Störung umzugehen. Dieses Team kann aus folgenden Personen bestehen:

  • Physiotherapeuten helfen den Betroffenen, ihre Muskeln weiter zu verwenden.

  • Ergotherapeuten können Hilfsmittel empfehlen, die den Betroffenen im Alltag helfen (z. B. Gehhilfen).

  • Sprech- und Sprachtherapeuten helfen Personen, die Kommunikation zu verbessern.

  • Spezialisten zur Hilfestellung bei bestimmten Problemen, z. B. beim Schlucken oder Atmen

Wenn eine Erkrankung des peripheren Nervensystems die Lebensdauer verkürzt, müssen der/die Betroffene, die Familie und die Betreuer mit den medizinischen Fachkräften offen über Entscheidungen in Bezug auf die medizinische Versorgung sprechen für den Fall, dass der/die Betroffene selbst dazu nicht mehr in der Lage ist. Das beste Vorgehen ist es, die Wünsche des Patienten bezüglich der Entscheidungen, die die Gesundheitsversorgung betreffen, rechtsverbindlich festzuhalten (als Patientenverfügung bezeichnet), für den Fall dass der Patient diese Entscheidungen nicht mehr selbst treffen kann.