Neurologische Untersuchung

VonMark Freedman, MD, MSc, University of Ottawa
Überprüft/überarbeitet Aug. 2023
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Bei Verdacht auf eine neurologische Störung begutachtet der Arzt in der Regel während einer körperlichen Untersuchung sämtliche Organsysteme, konzentriert sich dabei jedoch auf die verschiedenen Komponenten des Nervensystems. Bei der Untersuchung des Nervensystems – der neurologischen Untersuchung – wird Folgendes beurteilt:

Je nach Art der vermuteten Erkrankung kann der Arzt manche Körperregionen eingehender als andere untersuchen. Mit der neurologischen Untersuchung kann zum Beispiel die Ursache einer Muskelfehlfunktion (wie Schwäche oder Lähmung) festgestellt werden, da die normale Muskelkontraktion von der Stimulierung durch einen Nerv abhängt (siehe Abbildung zum Muskel-Gehirn-Schaltkreis).

Eine neurologische Untersuchung unterscheidet sich von einer psychiatrischen Untersuchung, deren Schwerpunkt auf das Verhalten des Menschen ausgerichtet ist. Zum Teil überlappen sich jedoch beide Untersuchungen, da Auffälligkeiten im Gehirn oftmals ein auffälliges Verhalten hervorrufen. Anormales Verhalten kann auf ein organisches Problem im Gehirn hindeuten.

Geistige Verfassung

Ärzte werten Folgendes aus:

  • Aufmerksamkeit

  • zeitliche, räumliche und personenbezogene Orientierung

  • Gedächtnis

  • Verschiedene Fähigkeiten, wie abstraktes Denken, Befolgen von Befehlen, Verwenden von Sprache und Lösen mathematischer Aufgaben

  • Stimmung

Die Beurteilung der geistigen Verfassung besteht aus einer Reihe von Fragen und Aufgaben, wie Objekte benennen, kurze Listen wiedergeben, Sätze schreiben und Formen kopieren. Die Antworten des Betroffenen werden aufgezeichnet und auf Richtigkeit überprüft. Falls der Betroffene über Depressionsgefühle berichtet, fragen Ärzte nach eventuellen Selbstmordgedanken.

Tabelle
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Hirnnerven

Es gibt 12 Paare von Hirnnerven, die das Gehirn mit den Augen, den Ohren, der Nase, dem Gesicht, der Zunge, dem Rachen, dem Nacken, den oberen Schultern und einigen inneren Organen verbinden (siehe Tabelle zur Betrachtung der Hirnnerven). Die Anzahl der Nerven, die von den Ärzten untersucht wird, hängt von der Art der vermuteten Störung ab. Bei vermuteter Muskelstörung wird zum Beispiel der Hirnnerv I (der Nerv für Geruchssinn) normalerweise nicht untersucht, wohl aber bei Leuten, die sich von einer ernsthaften Gehirnverletzung erholen (da dabei häufig der Geruchssinn verloren geht).

Ein Hirnnerv kann an jeder beliebigen Stelle beschädigt sein. Dies kann durch Folgendes entstehen:

  • eine Verletzung

  • Gestörte Durchblutung

  • Autoimmunerkrankung

  • Ein Tumor

  • eine Infektion

  • Erhöhter Schädeldruck (intrakranieller Druck):

Die genaue Position der Schädigung kann oft durch eine Funktionsuntersuchung eines bestimmten Hirnnervs festgestellt werden.

Motorische Nerven

Motorische Nerven übertragen Gehirn- und Rückenmarksimpulse an die Skelettmuskulatur (Muskeln, die durch bewusste Anstrengung gesteuert werden), wie z. B. die Arm- und Beinmuskulatur. Muskelschwäche oder Lähmung eines Muskels kann auf folgende Schädigungen hinweisen:

Ärzte suchen nach Unregelmäßigkeiten wie den folgenden:

  • Abnahme der Muskelmasse (Muskelschwund oder Atrophie)

  • Zunahme der Muskelmasse

  • Tremor (rhythmisches Zittern eines Körperteils) und andere unbeabsichtigte (unwillkürliche) Muskelbewegungen

  • Muskelzucken

  • Eine Zunahme (Muskelverkrampfung oder -starre) oder Abnahme der Muskelspannung

  • Schwäche, insbesondere, welche Körperteile davon betroffen sind (Art der Schwäche)

  • Ungeschicklichkeit (Fähigkeit, die Hände geschickt einzusetzen)

Der Arzt prüft die Muskeln auf Größe, ungewöhnliche Bewegungen, Spannung, Kraft und Geschicklichkeit.

Veränderung der Muskelgröße

Ein Muskelschwund (Atrophie) tritt ein, wenn der Muskel oder die Nerven, die ihn versorgen, beschädigt sind oder der Muskel aus anderen Gründen monatelang nicht benutzt worden ist (wie z. B. wenn der Betroffene einen Gips tragen musste).

Die Größe eines Muskels kann zunehmen (Hypertrophie), wenn dieser mehr arbeiten muss, um die Schwäche eines anderen Muskels auszugleichen. Muskeln können auch größer wirken, wenn normales Muskelgewebe durch anormales Gewebe ersetzt wird, wie bei Amyloidose und einigen erblichen Muskelkrankheiten (wie z. B. Muskeldystrophie Typ Duchenne). Dabei wird der Muskel größer, aber nicht kräftiger.

Unkontrollierte Bewegungen

Muskeln können sich ohne Absicht des Betroffenen bewegen (unkontrolliert). Im Folgenden sind Beispiele für unkontrollierte Bewegungen aufgeführt:

  • Faszikulationen sind kleine, leichte Muskelzuckungen, die wellenförmig unter der Haut verlaufen. Faszikulationen können auf einen Nervenschaden des betroffenen Muskels hindeuten.

  • Myoklonie bezeichnet eine plötzliche Anspannung (Kontraktion) eines Muskels oder einer Muskelgruppe, z. B. in der Hand, im Arm oder Bein. Die Muskeln bewegen sich so, als hätte die Person gerade einen elektrischen Schlag bekommen. Myoklonien können ganz normal sein, wie das häufig beim Einschlafen der Fall ist, oder sie können durch eine Störung des Rückenmarks oder Gehirns hervorgerufen werden.

  • Tics sind ziellose Bewegungen, die ständig, aber nicht rhythmisch, wiederholt werden, wie Blinzeln oder Kopfbewegungen. Tics sind häufig mit unwillkürlichen, plötzlichen, häufig wiederholten Geräuschen und/oder Worten verbunden.

  • Hemiballismus umfasst gewöhnlich heftige unwillkürliche Schleuderbewegungen eines Arms und/oder eines Beins.

  • Chorea bezeichnet schnelle, unregelmäßige Bewegungen, die in einem Körperteil beginnen und oft plötzlich und unkontrolliert auf einen anderen Körperteil übergehen.

  • Athetose bezeichnet kontinuierliche, langsame, windende, unwillkürliche Bewegungen.

  • Dystonie bezeichnet unwillkürliche, anhaltende (dauerhafte) Muskelkontraktionen, die dazu führen, dass die Betroffenen in einer anomalen Haltung und manchmal schmerzhaften Position verharren.

Unkontrollierte Bewegungen können auf Beschädigungen in den Bereichen des Gehirns (Basalganglien) hinweisen, die für die motorische Koordination zuständig sind.

Muskelspannung

Die Ärzte bitten den Betroffenen zuerst, die Muskeln einer Gliedmaße vollständig zu entspannen, um die Muskelspannung auszuwerten. Anschließend bewegen die Ärzte die Gliedmaße des Betroffenen, um festzustellen, wie stark der entspannte Muskel sich der Bewegung unfreiwillig widersetzt (Muskelspannung, genannt Muskeltonus). Die Reaktion der Muskelspannung auf Bewegungen gibt Aufschluss über mögliche Ursachen:

  • Eine ungleichmäßige Muskelspannung, die ganz plötzlich ansteigt, sobald der entspannte Muskel bewegt wird (Spastizität oder Spastik): Kann infolge eines Schlaganfalls oder einer Verletzung des Rückenmarks auftreten.

  • Kontinuierlich ansteigende Muskelspannung: Möglicherweise aufgrund einer Fehlfunktion der Basalganglien, wie bei der Parkinson-Krankheit

  • Stark verminderte Muskelspannung (Schlaffheit): Kann eine Störung der Nerven außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks (periphere Nerven) anzeigen, so wie bei einer Polyneuropathie (einer Störung, die viele Nerven im gesamten Körper beeinflusst)

Schlaffheit kann vorübergehend nach einer Verletzung, die eine Lähmung verursacht, auftreten, wie eine Rückenmarksverletzung. Schlaffheit aufgrund einer solchen Rückenmarksverletzung führt häufig zur stufenweisen Erhöhung der Muskelspannung über Tage bis Wochen und schließlich zur Spastizität.

Bei Betroffenen, die während der Untersuchung ängstlich oder verwirrt sind, kann es dazu kommen, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Muskeln zu entspannen. In solchen Fällen kann die Muskelspannung schwanken, was die Auswertung durch den Arzt erschwert.

Muskelkraft

Die Muskelkraft wird untersucht, indem der Arzt den Betroffenen bittet, gegen einen Widerstand zu drücken oder zu ziehen oder Bewegungen auszuführen, die Kraft erfordern, wie auf den Fersen oder den Zehenspitzen zu gehen oder von einem Stuhl aufzustehen. Die Ärzte stufen die Muskelkraft von 0 (keine Muskelspannung) bis 5 (volle Muskelspannung) ein.

Die Muskelschwäche wird manchmal dadurch deutlich, dass der Betroffene eine Gliedmaße mehr als die andere benutzt. Beispielsweise gestikuliert ein Rechtshänder während eines Gesprächs möglicherweise mehr mit der linken Hand. Ein schwacher Arm kann beim Gehen mehr schwingen oder nach unten sinken, wenn die Arme bei geschlossenen Augen hochgehalten werden.

Die Bestimmung der schwachen Körperteile (das Muster der Schwäche), kann den Ärzten helfen, die Ursache des Problems zu bestimmen, wie in folgenden Fällen:

  • Schultern und Hüfte sind schwächer als Hände und Füße: Die Ursache kann eine Muskelstörung sein (Myopathie). Myopathien neigen dazu, die größeren Muskeln zuerst anzugreifen. Betroffene haben unter Umständen Schwierigkeiten, ihre Arme zu heben, um ihr Haar zu kämmen, Treppen hinaufzusteigen oder aus dem Sitzen heraus aufzustehen.

  • Hände und Füße sind schwächer als Schultern, Arme und Oberschenkel: Das Problem ist oft eine Polyneuropathie (gleichzeitige Fehlfunktion mehrerer peripherer Nerven im gesamten Körper). Polyneuropathien greifen häufig die längsten Nerven zuerst an (diejenigen, die zu den Händen und Füßen hinziehen). Feine Fingerbewegungen stellen unter Umständen ein Problem für die Betroffenen dar (Ungeschicklichkeit). Sie können Schwierigkeiten beim Schließen eines Knopfes, Öffnen einer Sicherheitsnadel oder Binden der Schuhe haben.

  • Die Schwäche ist nur auf eine Seite begrenzt: Die Vermutung für Ärzte liegt nahe, dass hier eine Störung der gegenüberliegenden Seite des Gehirns vorliegt, so wie bei einem Hirnschlag.

  • Schwäche tritt unterhalb einer bestimmten Körperebene auf: Die Ursache kann eine Rückenmarksstörung sein. So verursacht zum Beispiel eine Verletzung der Wirbelsäule in Höhe der Brust (Brustwirbelsäule) eine Lähmung der Beine, aber nicht der Arme. Eine Verletzung des Nackens oder oberhalb des Nackens verursacht eine Lähmung aller vier Gliedmaßen.

Muskelschwäche kann auch unter anderen Umständen auftreten, z. B.:

  • Schwäche nur in einem verhältnismäßig kleinen Bereich: Diese Art von Schwäche signalisiert, dass nur ein peripherer Nerv bzw. einige periphere Nerven beschädigt wurden. In solchen Fällen kann die Schwäche auch die Geschicklichkeit beeinträchtigen.

  • Schwäche wird nur dann erkannt, wenn die Muskeln, die zur wiederholten Durchführung einer Tätigkeit benutzt werden, schneller schwach werden als es normalerweise der Fall wäre. So ist beispielsweise jemand, der früher gut mit einem Hammer umgehen konnte, nicht mehr in der Lage, mehrere Minuten lang zu hämmern. Myasthenia gravis kann diese Art von Schwäche verursachen.

  • Schwäche in Verbindung mit einem erhöhten Muskeltonus (was Arme oder Beine steif macht) und übertriebenen Reflexen deuten auf ein Problem im zentralen Nervensystem hin. Schwäche in Verbindung mit einem verminderten Muskeltonus (was dazu führt, dass sich Arme oder Beine kraftlos oder schlaff anfühlen), verminderte oder fehlende Reflexe und intermittierende Muskelzuckungen deuten auf ein Problem im peripheren Nervensystem hin.

Sensorische Nerven

Die sensorischen Nerven tragen Informationen über Berührung, Schmerz, Wärme und Kälte (Temperatur), Erschütterung, die Lage der Körperteile und die Form von Gegenständen vom Körper an das Gehirn weiter. Diese Sinne können alle untersucht werden. Empfindungsstörungen oder reduzierte Wahrnehmung von Empfindungen können auf die Beschädigung eines sensorischen Nervs, des Rückenmarks oder bestimmter Teile des Gehirns hinweisen.

Informationen von spezifischen Bereichen auf der Körperoberfläche, die man Dermatome nennt, werden an einen bestimmten Abschnitt des Rückenmarks und anschließend an das Gehirn weitergeleitet. Durch die Identifizierung der Bereiche, in denen Wahrnehmungsstörungen oder -verluste auftreten, können die Ärzte das spezifische Rückenmarksniveau festlegen, in dem die Schädigung erfolgte.

Dermatome

Die Hautoberfläche ist in die sogenannten Dermatome unterteilt. Ein Dermatom ist ein Hautbereich, der von den sensiblen Fasern einer Spinalnervenwurzel autonom versorgt wird. Sensorische Nerven leiten z. B. Informationen über Schmerz, Temperatur und Erschütterungen von der Haut an das Rückenmark weiter.

Spinalnervenwurzeln kommen paarig vor – ein Paar auf jeder Seite des Körpers. Es gibt 31 Paare:

  • Die sieben Halswirbel weisen acht Paar sensorischer Nervenwurzeln auf.

  • Zu den 12 Brust-, 5 Lenden- und 5 Kreuzbeinwirbeln jeweils gehört die gleiche Anzahl von Nervenwurzelpaaren.

  • Zusätzlich gibt es am untersten Teil der Wirbelsäure ein Paar Nervenwurzeln, die einen kleinen Hautbereich des Steißbeins (Os coccygis) versorgen.

Diese Nervenwurzeln weisen Dermatome auf.

Mittels sensorischer Nervenfasern übermittelt ein bestimmtes Dermatom sensorische Informationen an die Spinalnervenwurzel eines bestimmten Rückenwirbels. Beispielsweise werden sensorische Informationen von einem Hautstreifen über die Innenseite der Unterschenkel mittels sensorischer Nervenfasern an die 2. Nervenwurzel der Kreuzbeinwirbel (S2) übermittelt.

Die Empfindung in der Haut wird untersucht. Meist konzentriert sich der Arzt auf ein Gebiet, in dem der Patient über Taubheit, Kribbeln oder Schmerzen klagt. Der beste Screening-Test für Empfindungsverlust besteht darin, die Haut im Gesicht, am Körper und an allen vier Gliedmaßen mit einer Nadel oder einem stumpfen Gegenstand (wie dem Kopf einer Sicherheitsnadel) zu berühren, um festzustellen, ob der Patient zwischen spitzen und stumpfen Reizen unterscheiden kann. Der Arzt testet beide Körperseiten. Wenn der Arzt einen Empfindungsverlust in einem bestimmten Bereich feststellt, testet er umliegende Bereiche, um das Ausmaß des Verlusts abzuschätzen. Dieser Ansatz ermöglicht es ihm, die Lage der Störung im Gehirn, im Rückenmark oder im peripheren Nervensystem zu bestimmen.

Eine sanfte (leichte) Berührung wird mit einem Wattebausch untersucht.

Der Temperatursinn (Fähigkeit, Hitze und Kälte zu spüren) wird mit einer Stimmgabel untersucht. Beide Gabeln sind kalt und die untersuchende Person erwärmt eine davon durch leichtes Reiben. Dann wird jeweils mit einer der Gabeln die Haut des Patienten berührt.

Der Vibrationssinn wird ebenfalls mit einer Stimmgabel untersucht. Diese wird leicht angestoßen, sodass sie vibriert. Dann wird sie an ein Fingergelenk gehalten, um festzustellen, ob und wie lange der Patient die Vibration spürt.

Um den Lagesinn zu beurteilen, bewegt der Arzt einen Finger oder Zeh des Patienten auf oder ab und bittet ihn, ohne hinzusehen seine Position zu beschreiben.

Die Fähigkeit, die Form von Gegenstände zu erkennen, wird untersucht, indem dem Patienten ein bekanntes Objekt wie ein Schlüssel oder eine Sicherheitsnadel in die Hand gegeben wird und dieser das Objekt ohne hinzusehen identifizieren soll. Der Arzt kann mit dem Finger Buchstaben oder Zahlen in die Handfläche des Patienten zeichnen und diesen bitten, diese zu identifizieren. Wenn der Betroffene diese nicht identifizieren kann, ist möglicherweise die Hirnrinde (die äußere Schicht des Großhirns, der größte Teil des Gehirns) beschädigt. Dieser Teil des Gehirns integriert und interpretiert Sinnesinformationen von verschiedenen Quellen.

Reflexe

Ein Reflex ist eine automatische Reaktion auf einen Reiz. Beispielsweise schnellt der Unterschenkel vor, wenn man mit einem kleinen Gummihammer vorsichtig auf die Sehne unterhalb der Kniescheibe klopft. Das Gehirn ist an der Bahn, welcher ein Reflex folgt (Reflexbogen), nicht direkt beteiligt. Der Weg führt vom sensorischen Nerv zum Rückenmark und über die Nervenverbindungen im Rückenmark und die motorischen Nerven zurück zum Muskel, was das Knie zum Zucken bringt.

Der Arzt untersucht die Reflexe, um festzustellen, ob alle Teile dieser Bahn richtig funktionieren. Zu den am häufigsten geprüften Reflexen gehören der Patellarsehnenreflex und ähnliche Reflexe an Ellenbogen und Knöchel.

Der Plantarreflex (Babinski-Reflex oder Fußsohlenreflex) hilft Ärzten, Unregelmäßigkeiten in den Nervenbahnen, die an der bewussten Steuerung der Muskeln beteiligt sind, zu diagnostizieren. Er wird durchgeführt, indem man mit einem Schlüssel oder einem anderen Gegenstand, der leichtes Unbehagen verursacht, fest am äußeren Rand der Fußsohle entlangstreicht. Außer bei Säuglingen unter sechs Monaten krümmen sich daraufhin normalerweise die Zehen nach unten. Bewegt sich der große Zeh nach oben und strecken sich die anderen Zehen seitwärts, kann dies ein Hinweis auf eine Hirn- oder Rückenmarksstörung sein.

Die Prüfung weiterer Reflexe kann wichtige Informationen liefern. Der Arzt ermittelt zum Beispiel das Ausmaß der Verletzung eines Patienten im Koma, indem er Folgendes feststellt:

  • Ob sich seine Pupillen bei Lichteinwirkung verengen (Pupillenlichtreflex)

  • Ob sich das Lid schließt, wenn die Hornhaut mit einem Wattebausch berührt wird (Hornhautreflex)

  • Wie sich seine Augen bewegen, sobald sein Kopf gedreht oder Wasser in seinen Gehörgang eingespritzt wird (kalorische Prüfung)

  • Ob der Würgereflex durch Berühren des hinteren Rachenraums ausgelöst wird (zum Beispiel mit einem Zungenspatel)

Die Ärzte überprüfen auch, ob sich der Anus zusammenzieht (anale Kontraktion) wenn er leicht berührt wird (Analreflex). Das Vorhandensein dieses Reflexes bei einem aufgrund einer Rückenmarksverletzung gelähmten Patienten kann auf eine leichtere Verletzung zurückzuführen sein, wodurch man mit einer höheren Heilungswahrscheinlichkeit rechnen kann, als wenn der Reflex fehlen würde.

Der Reflexbogen: Bewegungen ohne Einfluss des Gehirns

Ein Reflexbogen ist der Weg, den ein Nervenreflex, wie der Patellarsehnenreflex, beschreibt.

  1. Ein Tippen auf das Knie reizt sensorische Rezeptoren, die ein Nervensignal erzeugen.

  2. Das Signal wird über eine Nervenbahn zum Rückenmark geleitet.

  3. Im Rückenmark wird das Signal von dem sensorischen Nerv auf einen motorischen Nerv umgeleitet.

  4. Der motorische Nerv leitet das Signal zurück zu einem Muskel im Oberschenkel.

  5. Der Muskel zieht sich zusammen, wodurch der Unterschenkel nach vorne schnellt. Der gesamte Reflex läuft ohne Beteiligung des Gehirns ab.

Koordination, Gleichgewicht und Gang

Koordination und Gang (Haltung) erfordern Integration der Signale von sensorischen und motorischen Nerven durch das Gehirn und das Rückenmark.

Um den Gang zu testen, bittet der Arzt den Betroffenen, entlang einer geraden Linie zu gehen, indem er einen Fuß vor den anderen setzt. Anhand der Auffälligkeiten kann festgestellt werden, welcher Teil des Nervensystems nicht normal funktioniert. Wenn beispielsweise eine Person breitbeinige, unsichere Schritte macht (sogenannte Ataxie), kann das Kleinhirn geschädigt oder gestört sein. (Das Kleinhirn ist der Gehirnbereich, der die willkürlichen Bewegungen koordiniert und das Gleichgewicht kontrolliert.)

Um die Koordination zu testen, bittet der Arzt den Patienten, mit dem Zeigefinger erst den Finger des Arztes, dann die eigene Nase anzusteuern und zu berühren und anschließend diese Bewegungen rasch zu wiederholen. Der Patient kann gebeten werden, diese Bewegungen zunächst mit offenen und später mit geschlossenen Augen durchführen.

Der Romberg-Test wird zur Untersuchung des Lagesinns durchgeführt. Der Patient steht still mit geschlossenen Füßen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Dann soll er die Augen schließen. Verliert er das Gleichgewicht, so erreicht die Information über die Lage der Beine, meistens aufgrund einer Verletzung der Nerven oder des Rückenmarks, möglicherweise das Gehirn nicht. Es kann jedoch auch infolge von Funktionsstörungen des Kleinhirns oder des Gleichgewichtssystems in den Innenohren oder deren Verbindungen zum Gehirn zu Auffälligkeiten kommen.

Vegetatives Nervensystem

Das autonome (vegetative) Nervensystem reguliert interne Körperprozesse, die nicht bewusst wahrgenommen werden, wie Blutdruck, Herzschlag, Atmung und Temperaturregelung durch Schwitzen oder Zittern. Eine Störung dieses Systems kann folgende Probleme verursachen:

  • Blutdruckabfall, wenn der Betroffene steht (orthostatische Hypotonie)

  • Verringertes oder ausbleibendes Schwitzen

  • Sexuelle Probleme, wie zum Beispiel Schwierigkeiten mit dem Herbeiführen oder der Aufrechterhaltung einer Erektion (erektile Dysfunktion)

  • Eine Pupille, die sich als Reaktion auf Lichtveränderungen nicht vergrößert oder verengt

Der Arzt kann eine Reihe von Untersuchungen durchführen:

  • Messung des Blutdrucks und Pulses, während der Patient liegt oder sitzt und nachdem er aufgestanden ist

  • Untersuchung der Pupillen auf abnorme oder mangelnde Reaktionen bei Lichtveränderung

  • Durchführung eines Schweißtests

  • Entnahme und Untersuchung einer kleinen Hautprobe (Spindelbiopsie), um festzustellen, ob die Anzahl der Nervenendigungen abgenommen hat, so wie es bei einigen Polyneuropathien der Fall ist, die kleine Nerven (inklusive Nerven des vegetativen Nervensystems) befallen

Durchblutung des Gehirns

Eine schwere Verengung der Gehirnarterien vermindert die Durchblutung und erhöht das Risiko für einen Schlaganfall. Besonders gefährdet sind ältere Menschen und Raucher bzw. Menschen mit Bluthochdruck und hohem Cholesterinspiegel sowie Menschen, die an Diabetes oder Herz- und Gefäßerkrankungen leiden.

Der beste Weg, um Erkrankungen der Arterien festzustellen, ist ein bildgebendes Verfahren, wie z. B. eine Ultraschalluntersuchung, eine Magnetresonanzangiografie (MRA), eine computertomografische Angiografie (CTA) oder eine zerebrale Angiografie.

Der Blutdruck kann an beiden Armen gemessen werden, um eventuelle Blockierungen der großen Arterien zu diagnostizieren, die von der Aorta abzweigen. Solche Blockierungen können unter Umständen zu einem Hirnschlag führen.