Autoimmunmyositis

VonAlana M. Nevares, MD, The University of Vermont Medical Center
Überprüft/überarbeitet Okt. 2022
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Eine Autoimmunmyositis ruft eine Entzündung und Schwächung der Muskeln (Polymyositis) oder der Haut und der Muskulatur (Dermatomyositis) hervor.

  • Die Muskelschäden können zu Muskelschmerzen führen, und die Betroffenen können aufgrund der Schwächung der Muskulatur die Arme nur schwer über Schulterhöhe anheben, Treppen steigen oder aus einer sitzenden Position aufstehen.

  • Der Arzt prüft die Muskelenzyme im Blut sowie die elektrische Muskelaktivität, nimmt möglicherweise eine Magnetresonanztomografie der Muskeln vor und untersucht das Muskelgewebe.

  • Kortikosteroide, Immunsuppressiva und/oder Immunglobulin sind in der Regel wirksam.

(Siehe auch Übersicht über Autoimmunerkrankungen des Bindegewebes.)

Die Erkrankungen führen zu einer Entzündung der Muskulatur (Myositis), einer lähmenden Muskelschwäche und gelegentlich zu Druckempfindlichkeit. Meist sind Schultern und Hüften betroffen, aber die Muskelschwäche kann symmetrisch im ganzen Körper auftreten.

Autoimmunmyositis tritt gewöhnlich bei Erwachsenen zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr sowie bei Kindern im Alter von 5 bis 15 Jahren auf. Frauen sind doppelt so häufig davon betroffen wie Männer. Menschen mit dunkler Hautfarbe sind 3- bis 4-mal so häufig davon betroffen wie Menschen mit heller Hautfarbe. Bei Erwachsenen treten diese Störungen als eigenständige Krankheiten oder Teil einer anderen Erkrankung des Bindegewebes auf, wie z. B. eine Mischkollagenose, systemischer Lupus erythematodes oder systemische Sklerodermie.

Die Ursache der Autoimmunmyositis ist unbekannt. Viren könnten eine Rolle spielen, und gelegentlich kann auch eine Krebserkrankung diese Störung auslösen. Die Störung kann in der Familie liegen.

Es gibt vier Arten von Autoimmunmyositis:

  • Polymyositis

  • Dermatomyositis

  • Immunvermittelte nekrotisierende Myopathien

  • Einschlusskörpermyositis

Dermatomyositis führt in der Regel zu Hautveränderungen, die bei einer Polymyositis nicht auftreten, sodass die beiden Erkrankungen gut unterschieden werden können. Biopsieproben von Muskeln sehen unter dem Mikroskop ebenfalls unterschiedlich aus.

Immunvermittelte nekrotisierende Myopathien sind Erkrankungen, bei denen Muskelzellen (Myozyten) abgetötet werden, während anderes Gewebe nicht beschädigt wird.

Die Einschlusskörpermyositis ist eine separate Erkrankung, die Muskelschwäche und Muskelschwund verursachen kann, am häufigsten in den Beinen, Händen und Füßen. Diese Störung entwickelt sich jedoch bei älteren Menschen, schreitet langsamer voran und spricht im Allgemeinen nicht auf eine Therapie an. Das Muskelgewebe hat auch ein anderes Erscheinungsbild unter dem Mikroskop.

Symptome einer Autoimmunmyositis

Die Symptome einer Autoimmunmyositis sind in jedem Alter gleich, wobei die Muskelentzündung bei Kindern meist plötzlicher auftritt als bei Erwachsenen. Während oder direkt nach einer Infektion können symmetrische Muskelschwäche (vor allem in den Oberarmen, Hüften und Oberschenkeln), Gelenkschmerzen (oft mit nur geringen Muskelschmerzen), Schluckbeschwerden, Fieber, Erschöpfung und Gewichtsverlust auftreten. Das Raynaud-Syndrom, bei dem die Finger als Reaktion auf Kälte oder emotionalen Stress plötzlich weiß und gefühllos werden oder prickeln, kann ebenfalls vorkommen.

Die Muskelschwäche kann plötzlich oder schleichend beginnen und sich über Wochen oder Monate verstärken. Da die Muskeln in Rumpfnähe am heftigsten betroffen sind, kann es für die Patienten sehr schwierig werden, den Arm über Schulterhöhe anzuheben, eine Treppe hinaufzusteigen und von einem Stuhl oder Toilettensitz aufzustehen. Sind die Nackenmuskeln betroffen, kann der Patient im Liegen womöglich nicht einmal den Kopf heben. Muskelschwäche in den Schultern oder Hüften kann den Patienten in einen Rollstuhl zwingen oder ans Bett fesseln. Im oberen Teil der Speiseröhre führt die Muskelschwäche zu Schluckbeschwerden und Herauswürgen der Nahrung. Hand-, Fuß- und Gesichtsmuskeln sind hingegen normalerweise nicht betroffen.

Gelenkschmerzen und Entzündungen treten bei etwa 30 % der Patienten auf.

Innere Organe sind bis auf Rachen und Speiseröhre in der Regel nicht betroffen. Sind jedoch auch Lunge und Herz betroffen, kommt es zu Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien), Kurzatmigkeit und Husten. Anders als bei Erwachsenen kann es bei Kindern aufgrund einer Entzündung der Blutgefäße (Vaskulitis) zu Magen-Darm-Beschwerden kommen, unter Umständen mit Bluterbrechen, schwarzem, teerigem Stuhl und starken Bauchschmerzen, gelegentlich auch mit einem Darmdurchbruch (Perforation).

Bei Personen mit Dermatomyositis kommt es zu Hautveränderungen. Ausschläge treten meistens gleichzeitig wie Muskelschwäche und andere Symptome auf. Am Gesicht kann ein dunkler oder violetter Ausschlag (heliotroper Ausschlag) mit rötlich-violetten Schwellungen um die Augen auftreten. Dieser Ausschlag kann auch erhaben und schuppig sein und am ganzen Körper auftreten, vor allem an den Fingerknöcheln, Ellenbogen, Knien, den äußeren Bereichen der Oberschenkel und an Teilen der Hände und Füße. Dabei können die Bereiche um die Nägel gerötet oder verdickt sein. Wenn der Hautausschlag nachlässt, können sich bräunliche Pigmentflecken, Vernarbungen, Schrumpfungen und helle, pigmentlose Stellen auf der Haut zeigen. Ausschläge auf der Kopfhaut können an Schuppenflechte erinnern und heftig jucken. Es kommt auch zu Sonnenempfindlichkeit und wunden Stellen an der Haut. Vor allem bei Kindern können sich unter der Haut oder in den Muskeln Kalziumknötchen bilden. Erhabene, rötliche Beulen (sogenannten Gottron-Papeln) können an den großen und manchmal auch an den kleinen Fingergelenken auftreten.

Symptome von Dermatomyositis an der Hand
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Auf diesem Bild sind Gottron-Papeln (auf den großen Knöcheln), Beulen aus Kalzium unter der Haut (auf den großen und kleinen Knöcheln) sowie eine Rötung und Verdickung um die Nägel herum zu sehen.
© Springer Science+Business Media

Manchmal treten diese charakteristischen Hautveränderungen auch bei Personen auf, die nicht unter Muskelschwäche und Entzündungen leiden. In diesen Fällen liegt eine amyopathische Dermatomyositis vor.

Diagnose einer Autoimmunmyositis

  • Bekannte Kriterien

  • Muskelbiopsie

Zur Diagnose einer Autoimmunmyositis werden die folgenden Kriterien überprüft:

  • Muskelschwäche an den Schultern oder an Hüften und Oberschenkeln

  • Manchmal ein charakteristischer Hautausschlag

  • Erhöhter Wert bestimmter Muskelenzyme (vor allem Kreatinkinase) im Blut als Hinweis auf eine Muskelschädigung

  • Auffällige elektrische Muskelaktivität bei einer Elektromyografie oder auffälliges Aussehen der Muskeln bei einer Magnetresonanztomografie (MRT)

  • Typische Veränderungen des im Rahmen einer Biopsie entnommenen Muskelgewebes unter dem Mikroskop (das deutlichste Anzeichen)

Die Diagnose der Autoimmunmyositis stützt sich auf alle Informationen, die von den Ärzten zusammengetragen werden können: Symptome, Ergebnisse der körperlichen Untersuchung sowie sämtliche Testergebnisse.

Eine Muskelbiopsie wird häufig vorgenommen und ist die beweiskräftigste Methode zur Diagnose einer Autoimmunmyositis, wenn die Diagnose sonst unschlüssig wäre. Eine Muskelbiopsie ist in der Regel nicht notwendig, wenn die Patienten charakteristische Hautveränderungen einer Dermatomyositis aufweisen.

Mit anderen Laboruntersuchungen kann die Autoimmunmyositis nicht klar identifiziert werden, sie können jedoch zum Ausschluss anderer Erkrankungen, zur Erkennung der Gefahr von Komplikationen und zur Bestimmung des Schweregrads beitragen.

Blutuntersuchungen werden zur Bestimmung der Werte von antinukleären Antikörpern (ANA) und anderen Antikörpern vorgenommen, die bei den meisten Patienten mit einer Autoimmunmyositis vorhanden sind. Auch wenn Blutuntersuchungen bei der Diagnose einer Autoimmunmyositis hilfreich sein können, lässt sich rein dadurch keine definitive Diagnose stellen, denn auffällige Werte sind manchmal auch bei gesunden Personen oder bei Personen mit anderen Erkrankungen feststellbar.

Eine MRT kann dem Arzt die optimale Stelle für eine Biopsie anzeigen. Mit speziellen Untersuchungen am Muskelgewebe lässt sich die Krankheit von anderen Muskelerkrankungen unterscheiden.

Bei Dermatomyositis-Patienten ab dem 40. Lebensjahr oder bei Polymyositis-Patienten ab dem 60. Lebensjahr werden oft auch Krebsuntersuchungen empfohlen, da hier eine unerkannte Krebserkrankung vorliegen könnte.

Prognose bei autoimmuner Myositis

Innerhalb von 5 Jahren nach der Diagnose kommt es bei bis zu 50 % der Betroffenen (vor allem bei Kindern) durch eine Behandlung zu einer langfristigen Periode ohne Symptome (Remission) oder sogar zu einer scheinbar vollständigen Heilung. Doch die Erkrankung kann jederzeit wiederkehren (rezidivieren). Insgesamt überleben ca. 75 % der Betroffenen die Diagnose um mind. 5 Jahre. Die Heilungschancen sind bei Kindern sogar noch höher.

Bei Erwachsenen kann die Erkrankung aufgrund einer schweren, progressiven Muskelschwäche, Schluckbeschwerden, Unterernährung, Lungenentzündung durch Einatmen von Nahrung (Aspirationspneumonie) oder Atemstillstand, häufig in Verbindung mit einer Lungenentzündung, zum Tod führen.

Bei Kindern mit juveniler Dermatomyositis kann es zu einer schweren Entzündung der Blutgefäße (Vaskulitis) im Darm kommen, die unbehandelt letztlich zu einer Darmperforation führen kann.

Bei Personen mit Herz- oder Lungenerkrankungen ist die Polymyositis häufig schwerer und behandlungsresistenter. Polymyositis und insbesondere Dermatomyositis wird mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung gebracht. Bei Krebskranken ist die Todesursache eher der Krebs als die Autoimmunmyositis.

Behandlung einer Autoimmunmyositis

  • Kortikosteroide

  • Immunsuppressiva

  • Manchmal Immunglobulin

Häufig hilft es, bei besonders starker Muskelentzündung die körperlichen Aktivitäten etwas einzuschränken.

Im Allgemeinen wird das Kortikosteroid Prednison hoch dosiert zur oralen Einnahme verabreicht. Das Medikament wirkt kräftigend und lässt Schmerzen und Schwellungen langsam abklingen, wodurch die Erkrankung unter Kontrolle gebracht wird. Bei Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf, Schluckbeschwerden oder einer Schwächung der Atemmuskulatur wird ein Kortikosteroid wie Methylprednisolon über eine Vene verabreicht. Viele Erwachsene müssen Prednison (in der niedrigsten wirksamen Dosis) über Monate weiter einnehmen.

Um die Wirkung der Kortikosteroidbehandlung zu überprüfen, werden regelmäßig Bluttests zur Messung der Menge an Muskelenzymen durchgeführt. Die Werte senken sich in der Regel auf normale oder beinahe normale Bereiche ab, und die Muskelkraft wird nach ca. 6 bis 12 Wochen wiederhergestellt. Eine MRT kann entzündete Bereiche und demzufolge die Wirksamkeit der Behandlung ebenfalls aufzeigen. Sobald die Enzymwerte den Normalbereich erreicht haben, kann die Prednisondosis schrittweise verringert werden. Steigt der Muskelenzymspiegel an, wird die Dosis wieder erhöht.

Obwohl Kortikosteroide bei einer Autoimmunmyositis üblicherweise als erste Behandlungsmethode eingesetzt werden, haben diese Medikamente Nebenwirkungen (z. B. hoher Blutzucker, Stimmungsschwankungen, grauer Star, Gefahr von Knochenbrüchen und grüner Star), besonders wenn sie über längere Zeit in hohen Dosen verabreicht werden. Zur Minimierung der Nebenwirkungen durch langfristigen Einsatz von Kortikosteroiden kann daher zusätzlich zu Prednison ein Immunsuppressivum (wie Methotrexat, Tacrolimus, Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil, Rituximab oder Ciclosporin) verabreicht werden.

Eine weitere mögliche Behandlung ist mit Immunglobulin, einem Antikörperkonzentrat, das über eine Vene (intravenös) verabreicht wird. Bei einigen Patienten wird eine Kombination aus Kortikosteroiden, Immunsuppressiva und Immunglobulin verordnet.

Tritt eine Muskelschwäche in Verbindung mit Krebs auf, spricht der Patient auf Prednison meist nicht gut an. Wird die Krebserkrankung erfolgreich behandelt, bessert sich gewöhnlich jedoch auch die Muskelschwäche.

Bei Einnahme von Kortikosteroiden besteht das Risiko von Brüchen aufgrund von Osteoporose. Zur Vorbeugung von Osteoporose können daher Osteoporosemittel verordnet werden, wie z. B. Bisphosphonate sowie Vitamin-D- und Kalziumpräparate.

Bei Patienten, die Immunsuppressiva einnehmen, werden häufig auch Mittel zum Schutz vor Infektionen durch Pilze wie Pneumocystis jirovecii (siehe Vorbeugung einer Lungenentzündung bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem) und Impfstoffe gegen häufige Infektionen wie Lungenentzündung (Pneumonie), Grippe (Influenza) und COVID-19 verabreicht.

Patienten mit Autoimmunmyositis erkranken häufiger an Atherosklerose und müssen ärztlich eng überwacht werden.