Unerwünschte Wirkungen, einschließlich Zytopenien, gastrointestinale Wirkungen, und Tumorlyse- und Zytokin-Release-Syndrome, sind bei Patienten, die die verschiedensten Krebstherapien erhalten, häufig. Die Patienten können auch unerwünschte Wirkungen haben, die aus ihrer Krebserkrankung resultieren (z. B. Depression, Schmerzen). Die erfolgreiche Bewältigung dieser unerwünschten Wirkungen ist wichtig, weil sie die Lebensqualität verbessert (siehe auch Überblick über die Krebstherapie).
Zytopenien
Verminderte Blutkonzentrationen der roten Blutkörperchen (RBC), der weißen Blutkörperchen (WBC), insbesondere der Granulozyten, und der Blutplättchen sind die Folge verschiedener systemischer Krebstherapien, insbesondere der konventionellen Chemotherapie und der Strahlentherapie.
Anämie
Erniedrigte Erythrozytenkonzentrationen sind bei Patienten mit Krebs häufig. Verminderungen der Erythrozyten resultieren aus einer direkten Auswirkung des Krebses (vor allem bei Blut- und Knochenmarkskrebs wie Leukämien, Lymphomen und multiplem Myelom) und aus Wirkungen der Krebstherapie, insbesondere konventioneller Krebsmedikamente (Chemotherapie).
Oft erfordert die Anämie keine Therapie. Einige Patienten, insbesondere solche mit Komorbiditäten wie arteriosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, können von Erythrozytentransfusionen profitieren. Andere können von der Behandlung mit rekombinantem Erythropoetin profitieren, das Erythrozytentransfusionen ersetzen kann. Einige Daten deuten darauf hin, dass die Anwendung von Erythropoietin negative Auswirkungen auf die Krebsprognose haben kann und prothrombotisch wirkt (1). Es gibt Leitlinien zur Erythrozytentransfusion und zum Einsatz von Erythropoetin, (2).
Thrombozytopenie
Eine Abnahme der Thrombozytenzahl ist bei Patienten mit Krebs häufig. Verminderungen der Blutplättchen resultieren aus einer direkten Auswirkung der Krebserkrankung (insbesondere bei Blut- und Knochenmarkskrebsen wie Leukämien, Lymphomen und dem multiplen Myelom) und aus Wirkungen der Krebstherapie, insbesondere der konventionellen Chemotherapie. Das Blutungsrisiko verhält sich umgekehrt proportional zur Thrombozytenzahl (siehe Tabelle Thrombozytenzahl und Blutungsrisiko). Thrombozytenkonzentrationen < 10.000/MikroL (10 x 109/l) sind gefährlich und erfordern Thrombozytentransfusionen. Molekular klonierte Hormone wie Eltrombopag und Avatrombopag, die die Megakaryozyten zur Produktion von Blutplättchen stimulieren, wurden eingesetzt.
Die Leukocyten-Depletion von transfundierten Blutprodukten kann die Alloimmunisierung gegen Thrombozyten verhindern und sollte bei Patienten angewendet werden, die voraussichtlich während mehrerer Chemotherapiezyklen Thrombozytentransfusionen benötigen oder Kandidaten für eine hämatopoetische Stammzelltransplantation sind. Die Verringerung der Leukozytenzahl senkt auch die Wahrscheinlichkeit einer Zytomegalie.
Neutropenie
Eine verminderte Granulozytenzahl ist bei Krebspatienten häufig. Neutropenie ist definiert als eine Reduktion der Neutrophilenzahl im Blut auf <1500/Mikroliter (< 1,5 × 109/l); die Ausgangsneutrophilenzahl ist jedoch bei schwarzen Patienten tendenziell niedriger als bei weißen Patienten (3). Ein Rückgang der Granulozyten resultiert aus einer direkten Auswirkung der Krebserkrankung (insbesondere bei Blut- und Knochenmarkskrebserkrankungen wie Leukämien, Lymphomen und multiplem Myelom) und aus Wirkungen der Krebstherapie, insbesondere konventioneller Chemotherapeutika.
Das Infektionsrisiko verhält sich umgekehrt proportional zur Granulozytenzahl. Eine Granulozytenkonzentration < 500/MikroL (0,5 × 109/l) erhöht das Infektionsrisiko deutlich. Maßnahmen zum Schutz vor Infektion, wie das Tragen einer Maske, Händewaschen und schützende Isolierung, sind wichtig. Laminar Air Flow (LAF)-Räume werden manchmal verwendet, haben sich aber nicht als wirksam erwiesen. Orale, nicht resorbierbare Antibiotika werden manchmal prophylaktisch verabreicht. Wenn ein längeres Intervall mit niedrigen Granulozyten zu erwarten ist, werden manchmal prophylaktisch antimykotische und antivirale Medikamente gegeben, darunter auch Medikamente gegen Pneumocystis jirovecii. Bei Krebspatienten, die eine Chemotherapie erhalten und bei denen mit einer Inzidenz von febrilen Neutropenien > 20% zu rechnen ist, werden prophylaktische myeloische Wachstumsfaktoren wie Filgrastrim, Sargramostim oder Pegfilgastrim zusammen mit der Chemotherapie verabreicht (4, 5).
Afebrile Patienten mit Neutropenie benötigen eine engmaschige ambulante Nachsorge zur Erkennung von Fieber. Diese Patienten sollten angewiesen werden, den Kontakt mit kranken Menschen und mit Bereichen, in denen sich viele Menschen aufhalten (z. B. Einkaufszentren, Flughäfen), zu vermeiden. Obwohl die meisten Patienten keine Antibiotika benötigen, erhalten Patienten mit starker Immunsuppression gelegentlich Trimethoprim-Sulfamethoxazol als Prophylaxe gegen Pneumocystis jirovecii. Bei Patienten, die sich einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation unterzogen haben oder bei Patienten, die eine hochdosierte Chemotherapie erhalten, sollte eine antivirale Prophylaxe (Aciclovir 800 mg oral zweimal täglich oder 400 mg i.v. alle 12 Stunden) in Betracht gezogen werden, wenn serologische Tests positiv auf das Herpes-simplex-Virus sind.
Fieber> 38,5° C bei zwei oder mehr Gelegenheiten bei einem Patienten mit Neutropenie ist ein medizinischer Notfall. Es sollte eine ausführliche Untersuchung auf mögliche Infektionsquellen erfolgen und Blutkulturen sollten angelegt werden. In der Regel werden systemische Breitspektrum-Antibiotika verabreicht, bevor die Kulturergebnisse bekannt sind, und die Therapie wird bei Bedarf angepasst. Patienten mit persistierendem Fieber, die nicht auf Antibiotika ansprechen, werden oft mit systemischen antimykotischen und manchmal antiviralen Medikamenten behandelt. Die Diagnostik sollte einen sofortigen Röntgenthorax sowie bakterielle Kulturen von Blut, Sputum, Urin, Stuhl und verdächtigen Hautarealen beinhalten. Die Untersuchung umfasst mögliche Abszessstellen (z. B. Haut, Ohren, Nebenhöhlen, perirektale Bereiche), Haut und Schleimhäute bei Vorhandensein von herpetischen Läsionen, Netzhaut bei vaskulären Läsionen, die auf infektiöse Embolien hinweisen, und Katheterstellen. Rektale Untersuchungen und die Verwendung eines Rektalthermometers sollten vermieden werden. Andere Bewertungen sollten sich an den klinischen Befunden orientieren.
Febrile neutropenische Patienten sollten sofort ein Breitspektrumantibiotikum erhalten, dessen Auswahl auf Basis der wahrscheinlichsten Organismus erfolgt. Typische Behandlungsschemata umfassen Cefepim oder Ceftazidim, die unmittelbar nach der Entnahme von Proben für die Kultur eingeleitet werden. Bei Vorhandensein von diffusen Lungeninfiltraten sollte das Sputum auf P. jirovecii getestet werden. Ist der Befund positiv, sollte unmittelbar darauf eine geeignete Therapie eingeleitet werden. Verschwindet das Fieber innerhalb von 72 h nach Beginn der antibiotischen Therapie, sollte diese bis zum Erreichen von Neutrophilenwerten > 500/MikroL fortgesetzt werden (0,5 × 109/l). Wenn das Fieber weitergeht, sollten Antimykotika zugesetzt werden. Eine Neubewertung der Infektion, oft einschließlich CT von Brust und Bauch, wird auch durchgeführt.
Die Granulozytenkonzentration kann durch die Gabe von molekular geklonten myeloischen Wachstumsfaktoren wie Granulozyten (G) oder Granulozyten/Makrophagen (GM) koloniestimulierenden Faktoren (CSF) wie Filgrastim, Sargramostim und Peg-Filgrastim erhöht werden. Es gibt Leitlinien für die angemessene Verwendung dieser Medikamente (4). Bei bestimmten Patienten mit Chemotherapie-induzierter Neutropenie, vor allem bei Hochdosischemotherapie, können Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor (G-GSF) oder Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor (G-GSF) eingesetzt werden, um die Dauer der Neutropenie zu verkürzen. Der Einsatz von G-CSF (5 mcg/kg subkutan einmal täglich für bis zu 14 Tage) oder lang wirksamen Formen (z. B. Pegfilgrastim 6 mg subkutan als Einzeldosis pro Chemotherapiezyklus) kann zur Verstärkung der Leukozytenerholung führen. Diese Medikamente sollten nicht innerhalb der ersten 24 h nach Chemotherapie verabreicht werden, und bei Pegfilgrastim sollten mindestens 14 Tage bis zur nächsten Chemotherapiegabe vergehen. Diese Mittel werden bei Beginn des Fiebers oder der Sepsis verabreicht oder bei Patienten, die fieberfrei, aber stark gefährdet sind, wenn die Neutrophilenzahl auf < 500 / μl (0,5 × 109/ L) fällt.
In vielen Krebsbehandlungszentren wird G-CSF bei ausgewählten Patienten mit Fieber und Neutropenie, die ein geringes Infektionsrisiko aufweisen, ambulant verabreicht. Sie dürfen jedoch keine Hypotonie, Veränderungen der Bewusstseinslage, respiratorische Einschränkungen, unkontrollierte Schmerzen oder schwere Komorbiditäten wie Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz oder Hyperkalzämie aufweisen. Die ambulante Behandlung erfordert in solchen Fällen eine tägliche Überwachung und häufig die Beteiligung eines ambulanten Pflegedienstes und häusliche Antibiotikainfusionen. Einige Behandlungsschemata beinhalten orale Antibiotika, wie z. B. Ciprofloxacin plus Amoxicillin/Clavulanat. Ist die Überwachung von neutropenischen Patienten im ambulanten Bereich nicht möglich, so ist eine stationäre Aufnahme erforderlich.
Zytopenie-Referenzen
1. Heregger R, Greil R: Erythropoiesis-stimulating agents—benefits and harms in the treatment of anemia in cancer patients. memo 16: 259–262, 2023. https://doi.org/10.1007/s12254-023-00902-4
2. Bohlius J, Bohlke K, Castelli R, et al: Management of cancer-associated anemia with erythropoiesis-stimulating agents: ASCO/ASH Clinical Practice Guideline Update. J Clin Oncol 37(15):1336–1351, 2019. doi: 10.1200/JCO.18.02142
3. Borinstein SC, Agamasu D, Schildcrout JS, et al: Frequency of benign neutropenia among Black versus White individuals undergoing a bone marrow assessment. J Cell Mol Med 26(13):3628–3635, 2022. doi:10.1111/jcmm.17346
4. Crawford J, Becker PS, Armitage JO, et al: Myeloid Growth Factors, Version 2.2017, NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology. J Natl Compr Canc Netw 15, 12; 10.6004/jnccn.2017.0175
5. Smith TJ, Bohlke K, Lyman GH, et al: Recommendations for the Use of WBC Growth Factors: American Society of Clinical Oncology Clinical Practice Guideline Update. J Clin Oncol 33(28):3199–3212, 2015. doi: 10.1200/JCO.2015.62.3488
Gastrointestinale Nebenwirkungen
Gastrointestinale Nebenwirkungen sind bei Patienten mit Krebs häufig. Diese Nebenwirkungen können durch den Krebs selbst, die Krebstherapie oder beides verursacht werden.
Anorexie
Anorexie ist bei Patienten mit Krebs häufig und kann direkt durch den Krebs oder als Folge der Krebstherapie(n) verursacht werden. Ein Verlust von mehr als 10% des idealen Körpergewichts sagt eine ungünstige Prognose voraus. Es sollte auf eine angemessene Ernährung geachtet werden. Manchmal ist eine parenterale Ernährung (PN) erforderlich. Bei Patienten mit einer chirurgischen Unterbrechung des Magen-Darm-Trakts kann eine Gstrostomiesonde erforderlich sein. Zu den Medikamenten, die den Appetit steigern können, gehören Kortikosteroide, Megestrolacetat, androgene Steroide und Dronabinol. Ob diese Medikamente überzeugend die Anorexie reduzieren, den Gewichtsverlust umkehren, die Lebensqualität verbessern oder das Überleben verlängern, ist unklar. Anabole Steroide, wie Testosteron, sind bei Patienten mit Prostata- oder Leberkrebs kontraindiziert.
Konstipation
Obstipation kommt bei Krebspatienten häufig vor und wird durch Opioide, die zur Schmerzbehandlung eingesetzt werden, oft noch verschlimmert. Eine gleichzeitig verabreichte Laxanzientherapie (z. B. Senna 2 Tabletten oral vor dem Schlafengehen (maximal 8 Tabletten/Tag) oder Bisacodyl 5-15 mg oral. vor dem Schlafengehen) sollte eingesetzt werden, wenn wiederholte Opioidgaben wahrscheinlich sind. Eine bestehende Obstipation kann mit verschiedenen Medikamenten behandelt werden (z. B. Bisacodyl 5–15 mg oral alle 24 Stunden, Magnesiummilch 15–30 ml oral vor dem Schlafengehen, Lactulose 15–30 ml [10–20 g] alle 12–24 Stunden, Magnesiumcitrat 195–300 ml einmal alle 24 Stunden). Bei Patienten mit Neutropenie oder Thrombozytopenie sollten Einläufe oder Zäpfchen vermieden werden.
Diarrhoe
Diarrhö ist häufig nach Chemotherapeutika, zielgerichteten Medikamenten und Strahlentherapie, insbesondere wenn der Bauch und/oder das Becken in das Strahlenfeld einbezogen sind. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit Loperamid 2-4 mg oral nach jedem lockeren Stuhlgang; oder Diphenoxylat/Atropin 2,5-5 mg oral alle 6 Stunden. Die Dosis hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab. Patienten mit Krebs, die Breitspektrum-Antibiotika einnehmen, können sich mit Clostridioides (früher Clostridium) difficile infizieren, auf die getestet und mit Vancomycin behandelt werden sollte. Bei Patienten mit unteren kolorektalen Kazinomen kann eine Diverting-Kolostomie angelegt werden, die die Behandlung von Durchfall erschwert. Bei Diarrhö oder einem abnormal funktionierenden Darm kann eine parenterale Ernährung erforderlich sein.
Orale Mukositis
Mundläsionen wie Entzündungen und Ulzera sind häufig bei Patienten, die Chemotherapeutika und/oder eine Strahlentherapie erhalten. Manchmal werden diese Läsionen durch eine Infektion kompliziert, oft mit Candida albicans. Candidiasis wird in der Regel mit Nystatin behandelt.
Orale Candidiasis kann mit Nystatin-Oralsuspension, Clotrimazol-Lutschtabletten oder Fluconazol behandelt werden.
Eine Mukositis infolge einer Strahlentherapie kann Schmerzen verursachen und eine ausreichende orale Nahrungsaufnahme verhindern, wodurch Unterernährung und Gewichtsverlust auftreten können. Mundspülungen mit Analgetika oder topisch wirksame Anästhetika (2% visköses Lidocain, 5–10 ml alle 2 h oder andere kommerziell verfügbare Lösungen) vor dem Essen, eine milde Diät ohne Zitrusfrüchte oder Säfte und die Vermeidung von extremen Speisetemperaturen können Patienten die Nahrungsaufnahme und so die Beibehaltung ihres Gewichts ermöglichen. Gelingt dies nicht, kann eine Magensonde sinnvoll sein, sofern die Darmfunktion erhalten ist. Bei schwerer Mukositis kann eine parenterale Ernährung erforderlich sein.
Übelkeit und Erbrechen
Übelkeit und Erbrechen sind bei Krebspatienten häufig, unabhängig davon, ob sie eine Krebstherapie erhalten oder nicht, und beeinträchtigen die Lebensqualität. Variablen, die die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Übelkeit und Erbrechen als Folge einer Krebstherapie vorhersagen, sind
Art der Medikamente
Applikationsweg
Dosis
Dosierungsfrequenz
Wechselwirkungen zwischen Medikamenten
Einige Chemotherapeutika verursachen besonders häufig Übelkeit und Erbrechen, darunter platinhaltige Medikamente wie Cisplatin und Oxaliplatin. Bei Patienten, die mit anderen Krebsmodalitäten behandelt werden, einschließlich Strahlentherapie, Hormonen, zielgerichteten Therapien und Immuntherapie, können Übelkeit und Erbrechen ebenfalls auftreten. Mehrere Medikamente sind wirksam bei der Kontrolle und/oder Verhinderung von Übelkeit und Erbrechen:
Serotonin-Rezeptor-Antagonisten sind die wirksamsten Medikamente. Bei Granisetron und Ondansetron tritt nahezu keine Toxizität auf, abgesehen von Kopfschmerzen und orthostatischer Hypotension. Die Wirksamkeit gegen hochemetogene Substanzen, wie z. B. platinhaltigen Medikamente, kann durch die gleichzeitige Verabreichung von Dexamethason (8 mg IV 30 Minuten vor der Chemotherapie und Wiederholungsdosen von 4 mg IV alle 8 Stunden) verbessert werden.
Ein Substance-P-/Neurokinin-1-Antagonist, Aprepitant, kann Übelkeit und Erbrechen nach einer hochemetogenen Chemotherapie mildern. Die Dosierung beträgt 125 mg p.o. 1 Stunde vor der Chemotherapie an Tag 1 und danach 80 mg p.o. 1 Stunde vor der Chemotherapie an den Tagen 2 und 3.
Andere herkömmliche Antiemetika, einschließlich Phenothiazine (z. B. Prochlorperazin oder Promethazin) und Metoclopramid, die vor der Chemotherapie verabreicht und häufig während oder nach der Chemotherapie wiederholt werden, sind Alternativen, die auf Patienten mit leichter bis mittelschwerer Übelkeit und Erbrechen beschränkt sind.
Dronabinol (Delta-9-Tetrahydrocannabinol, THC) stellt eine weitere Behandlungsmöglichkeit für Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen dar. THC ist der psychoaktive Anteil von Marihuana. Sein antiemetischer Mechanismus ist unklar, jedoch ist bekannt, dass Cannabinoide an Opioidrezeptoren im Prosenzephalon binden und indirekt das Brechzentrum hemmen können. Dronabinol wird in einer Dosierung von 5 mg/m2 p.o. 1–3 h vor der Chemotherapie verabreicht mit wiederholten Gaben all 2–4 Stunden nach Beginn der Chemotherapie (max. 4–6 Dosen/Tag). Jedoch hat es eine stark variierende orale Bioverfügbarkeit und ist in der Behandlung von Übelkeit und Erbrechen bei platinhaltigen Chemotherapieregimen nicht effektiv. Außerdem geht es mit erheblichen Nebenwirkungen (z. B. Schläfrigkeit, orthostatische Dysregulation, Mundtrockenheit, Stimmungsveränderungen, Einschränkungen der visuellen und zeitlichen Wahrnehmung) einher. Das Rauchen von Marihuana kann effektiver sein. Marihuana zur Linderung von Übelkeit und Erbrechen kann in einigen Staaten legal erworben werden, obwohl das Bundesgesetz der Vereinigten Staaten seine Verwendung nach wie vor verbietet. Aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit und da einige Patienten Rauchen an sich nicht vertragen, wird es jedoch weniger häufig verwendet.
Benzodiazepine, wie z. B. Lorazepam (1–2 mg p.o. oder IV 10–20 Minuten vor der Chemotherapie, Wiederholungsdosen alle 4–6 h nach Bedarf), sind manchmal bei therapierefraktärer oder antizipatorischer Übelkeit und Erbrechen hilfreich.
Schmerzen
Schmerzen, einschließlich chronischer und/oder neuropathischer Schmerzen, sind bei Patienten mit Krebs häufig und sollten antizipiert und aggressiv behandelt werden.
Zur Behandlung von Schmerzen können Paracetamol oder nichtsteroidale Antiphlogistika eingesetzt werden. Diese Medikamente sind jedoch oft unwirksam bei der Bekämpfung von Krebsschmerzen, so dass Opioide (z. B. Morphin, Oxycodon, Hydromorphon, Fentanyl, Methadon und Oxymorphon) erforderlich sein können.n. Eine angemessene Dosierung und ein angemessenes Einnahmeschema dieser Medikamente sind für eine adäquate Schmerzkontrolle unerlässlich (siehe Tabelle Opioid-Analgetika). In der Regel kann der Krebspatient selbst am besten beurteilen, wann Analgetika erforderlich sind. Die patientenkontrollierte Anästhesie (PCA) mit einer Verweilpumpe ermöglicht es dem Patienten, die Dosis und den Zeitpunkt der Analgetika zu steuern.
Hierbei kann der Einsatz von verschiedenen Medikamentenklassen zu einer besseren Schmerzkontrolle mit weniger oder weniger schweren Nebenwirkungen führen als der Einsatz von nur einer Substanz. Aspirin und nichtsteroidale Antiphlogistika sollten bei Patienten mit Thrombozytopenie vermieden werden.
Neuropathische Schmerzen können mit Gabapentin hoch dosiert (bis zu 1200 mg p.o. 3-mal/Tag) behandelt werden. Die Verabreichung muss niedrig dosiert gestartet (z. B. 300 mg 3-mal/Tag) und über einige Wochen hinweg gesteigert werden. Alternativ kann ein trizyklisches Antidepressivum (z. B. Nortriptylin 25–75 mg oral vor dem Schlafengehen) versucht werden. Die Dosierung kann von Patient zu Patient stark variieren.
Opioide sind die Hauptstütze der Schmerzkontrolle bei Krebspatienten und werden oft zu wenig eingesetzt. Schmerzmedikamente sollten in einer Dosierung und nach einem Zeitplan verabreicht werden, die den angestrebten Grad der Schmerzkontrolle erreichen. Zu oft erhalten Menschen mit Krebs eine unzureichende Schmerzbehandlung.
Unter besonderen Umständen können andere Ansätze zur Schmerzkontrolle erforderlich sein. So ist zum Beispiel bei Knochenschmerzen häufig eine Strahlentherapie erforderlich. Um die Nervenbahnen zu unterbrechen, können Nervenblockaden und Operationen durchgeführt werden.
Depression und Angst
Angst ist bei Menschen mit Krebs häufig. Eine Depression wird häufig übersehen. Sie kann als Folge der Erkrankung (ihrer Symptome und den gefürchteten Konsequenzen) und/oder der Nebenwirkungen der Behandlungen auftreten. Patienten, die eine Interferontherapie erhalten, können eine Depression entwickeln. Alopezie als Folge von Strahlentherapie oder Chemotherapie kann zu Depressionen beitragen. Oft hilft ein offenes Gespräch mit dem Patienten über seine Ängste, um die Angstsymptome zu mindern. Die Behandlung der Depression oder Angst mit Medikamenten und / oder Psychotherapie kann oft wirksam sein.
Syndrome der Tumorlyse und Zytokinfreisetzung
Tumorlysesyndrom
Das Tumorlyse-Syndrom tritt auf, weil durch das schnelle Absterben von Krebszellen infolge zytotoxischer Medikamente und einiger Arten von Immuntherapien (z. B. CAR-T-Zell-Behandlung) intrazelluläre Bestandteile in die Blutbahn freigesetzt werden, insbesondere Nukleinsäuren (die zu Harnsäure abgebaut werden und Hyperurikämie verursachen). Das Tumorlyse-Syndrom verursacht auch Hyperphosphatämie, Hypokalzämie und Hyperkaliämie. Harnsäure kann sich in den Nierentubuli ablagern und eine akute Nierenschädigung verursachen (siehe auch Akute Uratnephropathie). Je nach Phosphat-Calcium-Produkt kann eine Hyperphosphatämie zu Calciumphosphatablagerungen in den Nierentubuli und im kardialen Reizleitungssystem führen; sie kann auch eine Hypokalzämie hervorrufen, die eine Tetanie verursachen kann. Eine Hyperkaliämie kann Herzrhythmusstörungen verursachen. Zu den Symptomen der Tumorlyse gehören Lethargie, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Krampfanfälle.
Das Tumorlyse-Syndrom tritt vor allem bei Leukämien und Lymphomen auf, kann aber auch bei anderen hämatologischen Krebsarten und seltener nach der Behandlung von soliden Krebsarten auftreten. T-Zell-Impfungen, die angewandt werden, um B-Zell-Leukämien zu behandeln, können eine lebensbedrohliche Tumorlyse und eine Zytokinfreisetzung Tage bis Wochen nach der Impfung herbeiführen.
Zu den diagnostischen Kriterien für das Tumorlyse-Syndrom gehören
Hypokalzämie (Kalzium < 7 mg/dl [< 1,75 mmol/l])
Hyperurikämie (Harnsäure > 8 mg/dl [> 0,48 mmol/l])
Hyperphosphatämie (Phosphor > 6,5 mg/dl [> 2 mmol/l])
Hyperkaliämie (Kalium > 6 mEq/l [> 6 mmol/l])
Die Behandlung des Tumorlyse-Syndroms erfolgt mit Allopurinol (200–400 mg/m2 1-mal täglich, maximal 600 mg/Tag) und physiologischer Kochsalzlösung i.v., um eine Diurese von > 2 l/Tag zu erreichen, wobei eine engmaschige laborchemische und kardiale Überwachung erfolgen sollte. Obwohl einige Ärzte IV NaHCO3 zur Alkalisierung des Urins und Erhöhung der Löslichkeit von Harnsäure einsetzen, kann die Alkalisierung bei Patienten mit Hyperphosphatämie die Ablagerung von Kalziumphosphat fördern. Ein pH-Wert von > 7 sollte vermieden werden. Die Behandlung der Hyperkaliämie richtet sich nach dem Serumkaliumspiegel und kann orale kaliumsenkende Medikamente, intravenöses Kalzium sowie intravenöse Glukose und Insulin umfassen. Eine Hypokalzämie wird mit Kalziuminfusionen behandelt. Da dies jedoch zu einer verstärkten Ausfällung von Kalziumphosphat führen kann, sollte Kalzium bei asymptomatischer Hypokalzämie nicht verabreicht werden, solange die Hyperphosphatämie nicht korrigiert ist. Patienten mit Hypokalzämie, die Symptome aufweisen (z. B. Herzrhythmusstörungen, Tetanie), sollten unabhängig vom Serumphosphatspiegel intravenös Kalzium erhalten.
Die Prävention des Tumorlyse-Syndroms ist wünschenswert. Oft ist es möglich, die Entwicklung eines Tumorlysesyndroms vorherzusehen (z. B. bei der Behandlung von Krebserkrankungen mit schnellem Zellumsatz) und vor Beginn einer Chemotherapie und manchmal vor einer Immuntherapie (wie bispezifische monoklonale Antikörper oder CAR-T-Zellen) große Mengen Flüssigkeit und Allopurinol oder Rasburicase zu verabreichen, um die Nieren vor Schäden durch Harnsäure zu schützen. Die Patienten sollten vor der Behandlung eine intensive IV Flüssigkeitszufuhr erhalten, um eine Urinausscheidung von mindestens 100 ml/Stunde zu erreichen. Die Patienten sollten außerdem mindestens 2 Tage lang vor und während der Chemotherapie Allopurinol erhalten; bei Patienten mit hoher Zelllast kann diese Behandlung 10 bis 14 Tage lang nach der Therapie fortgesetzt werden. Rasburicase ist ein Enzym, das Harnsäure zu Allantoin (einem besser löslichen Molekül) oxidiert und in einer Dosis von 0,15–0,2 mg/kg i.v. über 30 Minuten einmal täglich für 5–7 Tage verabreicht wird, in der Regel 4–24 Stunden vor der ersten Chemotherapie. Zu den Nebenwirkungen von Rasburicase gehören Anaphylaxie, Hämolyse, Hämoglobinurie und Methämoglobinämie.
Leitlinien zur Bewertung und Behandlung von Tumorlyse-Syndrom sind verfügbar (1, 2).
Zytokinfreisetzungssyndrom
Das Zytokinfreisetzungssyndrom hängt mit dem Tumor-Lyse-Syndrom zusammen, unterscheidet sich jedoch von diesem. Das Zytokinfreisetzungssyndrom tritt auf, wenn eine große Anzahl von Immunzellen aktiviert wird und entzündliche Zytokine freisetzt, einschließlich Interleukin (IL)-6 und Interferon-gamma. Es ist eine häufige Komplikation von Immuntherapien wie biospezifischen monoklonalen Antikörpern oder CAR-T-Zellen (3).
Zu den klinischen Merkmalen gehören Fieber, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Hautausschlag und Kopfschmerzen. Tachypnoe, Tachykardie, Hypotonie, Zittern, Koordinationsverlust, Krampfanfälle und Delirium können auftreten.
Typische Merkmale sind:
Hypoxie
Verbreiterter Pulsdruck
Erhöhtes oder verringertes Herzzeitvolumen
Erhöhter Blut-Harnstoff-Stickstoff (BUN), D-Dimer, Leberenzyme und Bilirubin
Niedriger Fibrinogenspiegel
Die Einstufung des Zytokinfreisetzungssyndroms (4) ist wie folgt:
Grad 1: Die Symptome (z. B. Fieber, Übelkeit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Myalgien, Unwohlsein) sind nicht lebensbedrohlich und erfordern nur eine symptomatische Behandlung.
Grad 2: Symptome wie Hypoxie, die eine mäßige Intervention mit Sauerstoffzufuhr von bis zu 40 % des inspirierten Sauerstoffs (FiO2) erfordert und darauf anspricht, oder Hypotonie, die auf Flüssigkeiten oder niedrig dosierte Vasopressoren anspricht. Diese Anomalien stellen eine Organtoxizität des Grades 2 dar.
Grad 3: Symptome wie Hypoxie, die eine aggressive Intervention mit Sauerstoffsupplementierung ≥ 40% FiO2 erfordern und darauf ansprechen, oder Hypotonie, die hochdosierte oder mehrfache Vasopressoren erfordert, was auf Organtoxizität des Grades 3 hinweist, oder eine deutliche Erhöhung der Lebertests, was auf Transaminitis des Grades 4 hinweist.
Grad 4: Die Symptome sind lebensbedrohlich, einschließlich der Notwendigkeit der Unterstützung durch ein Beatmungsgerät, was auf eine Organtoxizität des Grades 4 hinweist (außer Transaminitis).
Grad 5: Tod
Die Therapie von niedriggradigem (d.h. Grad 1) CRS ist unterstützend. Moderategradiges CRS (d.h. Grad 2 und 3) erfordert eine Sauerstofftherapie und Flüssigkeiten sowie ein oder mehrere antihypotensive Medikamente zur Erhöhung des Blutdrucks. Moderate und schwere Formen (d.h. Grad 3 und 4) des CRS werden mit Immunsuppressiva wie Kortikosteroiden behandelt. Tocilizumab, ein monoklonaler Anti-Interleukin-6-Antikörper, wird auch bei schwerem CRS verwendet.
Das Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizitätssyndrom (ICANS) ist ein neuropsychiatrisches Syndrom, das bei einigen Krebspatienten auftreten kann, die mit einer Immuntherapie behandelt werden. Es tritt bei einigen, aber nicht allen Patienten mit Zytokinfreisetzungssyndrom auf und wird als Zytokinfreisetzungs-Enzephalopathie-Syndrom (CRES) bezeichnet. Zu den Symptomen gehören Verwirrung, herabgesetzte Bewusstseinslage, Aufmerksamkeitsstörungen, Lethargie, Veränderungen des mentalen Status, Delirium, Schwindel, Muskelkrämpfe und Muskelschwäche (4).
Leichte Neurotoxizität wird unterstützend behandelt. Schwere Neurotoxizität wird mit Dexamethason oder Methylprednisolon behandelt. Patienten mit schwerer Neurotoxizität müssen möglicherweise auf der Intensivstation behandelt werden.
Literatur zum Tumorlyse-Syndrom und zum Syndrom der Zytokinfreisetzung
1. Cairo MS, Coiffier B, Reiter A, et al: Recommendations for the evaluation of risk and prophylaxis of tumour lysis syndrome (TLS) in adults and children with malignant diseases: an expert TLS panel consensus. Br J Haematol 149(4):578–586, 2010. doi: 10.1111/j.1365-2141.2010.08143.x
2. Coiffier B, Altman A, Pui CH, et al: Guidelines for the management of pediatric and adult tumor lysis syndrome: an evidence-based review. J Clin Oncol 26(16):2767–2778, 2008. doi: 10.1200/JCO.2007.15.0177
3. Shi X, Wu H: Recent advances in the prevention and management of cytokine release syndrome after chimeric antigen receptor T-cell therapy. European Journal of Inflammation 2022;20. doi:10.1177/1721727X221078727
4. Lee DW, Santomasso BD, Locke FL, et al: ASTCT consensus grading for cytokine release syndrome and neurologic toxicity associated with immune effector cells. Biol Blood Marrow Transplant 25(4):625–638, 2019. doi: 10.1016/j.bbmt.2018.12.758