Hyperkaliämie

VonJames L. Lewis III, MD, Brookwood Baptist Health and Saint Vincent’s Ascension Health, Birmingham
Überprüft/überarbeitet Sept. 2023
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Hyperkalämie ist eine Serumkaliumkonzentration > 5,5 mEq/l (> 5,5 mmol/l), die in der Regel durch eine reduzierte Kaliumausscheidung der Nieren oder durch eine pathologische Verschiebung von Kalium in den Extrazellulärraum bedingt ist. Meistens gibt es mehrere, gleichzeitig auftretende ursächliche Faktoren, darunter die Erhöhung der Kaliumzufuhr, Arzneimittel, die die Kaliumausscheidung über die Nieren beeinträchtigen, und akuter Nierenerkrankung oder chronischer Nierenerkrankung. Hyperkalämie kann auch im Rahmen einer metabolischen Azidose auftreten (wie z. B. bei diabetischer Ketoazidose). Die klinischen Manifestationen sind in der Regel neuromuskulärer Ursache. Es zeigen sich Muskelschwäche und Herzrhythmusstörungen, die schlimmstenfalls zu Kammerflimmern und Asystolie führen können. Die Diagnose ergibt sich aus der Bestimmung des Serumnkaliums. Die Therapie kann durch Verringerung der Kaliumzufuhr, Anpassen der Arzneimittel, Gabe eines Kationenaustauschharzes und in Notfällen auch durch die Gabe von Kalziumglukonat und Insulin erfolgen. Auch die Dialyse stellt eine Therapieoption dar.

(Siehe auch Übersicht zu Störungen der Kaliumkonzentration.)

Ätiologie der Hyperkaliämie

Eine häufige Ursache für eine erhöhte Serumkaliumkonzentration ist

  • Pseudo-Hyperkaliämie

Pseudohyperkaliämie wird meistens durch Hämolyse von Erythrozyten in einer Blutprobe verursacht. Pseudohyperkalämie kann auch durch verlängerte Anwendung einer Blutsperre oder übermäßiges Zusammenpressen der Faust beim Entnehmen von venösem Blut auftreten. Thrombozytose kann zu Pseudo-Hyperkaliämie im Serum (platelet Kalium wird während der Blutgerinnung freigegeben) führen, genauso wie extreme Leukozytose.

Normale Nieren sind in der Lage, auch große Mengen an Kalium auszuscheiden. So legt eine anhaltende, nicht artifizielle Hyperkalämie den Verdacht auf eine verminderte renale Kaliumausscheidung nahe. Allerdings sind auch andere Faktoren von Bedeutung. Sie können eine erhöhte Kaliumzufuhr, eine erhöhte Kaliumfreisetzung aus den Zellen oder beides beinhalten (siehe Tabelle Faktoren, die zu einer Hyperkaliämie beitragen). Wenn genügend Kaliumchlorid schnell aufgenommen oder parenteral verabreicht wird, kann es zu einer schweren Hyperkaliämie kommen, auch wenn die Nierenfunktion normal ist, aber die Hyperkaliämie ist in der Regel vorübergehend.

Tabelle
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Eine Hyperkalämie auf dem Boden einer erhöhten Gesamtkörpermenge an Kalium ist bei oligurischen Zuständen, besonders bei akuter Nierenschädigung, bei Rhabdomyolyse, Verbrennungen, Einblutungen in Weichteile oder in den Gastrointestinaltrakt und bei einer Nebenniereninsuffizienz häufig. Bei chronischen Nierenerkrankungen ist eine Hyperkaliämie selten bis die glomeruläre Filtrationsrate auf < 10–15 ml/Minute fällt, es sei denn, die Nahrungs- oder intravenöse Kaliumzufuhr ist massiv.

Symptome und Zeichen der Hyperkaliämie

Obwohl gelegentlich eine schlaffe Lähmung auftritt, ist eine Hyperkalämie in der Regel so lange asymptomatisch, bis sich die Kardioarrhythmie bemerkbar macht.

Bei der seltenen hyperkaliämischen familiären periodischen Paralyse entwickelt sich häufig während der Anfälle eine Schwäche, die zu einer echten Lähmung fortschreiten kann.

Diagnose der Hyperkaliämie

  • Bestimmung des Serumkaliumwertes

  • EKG

  • Überprüfung von Medikamenten

  • Beurteilung der Nierenfunktion

Eine Hyperkaliämie (Serumkaliumwert > 5,5 mEq/l [> 5,5 mmol/l]) kann bei einer Routinebestimmung der Serumelektrolyte entdeckt werden. Der Verdacht sollte bei Patienten mit typischen EKG-Veränderungen oder bei Patienten mit hohem Risiko bestehen, z. B. bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung, akuter Nierenschädigung, fortgeschrittener Herzinsuffizienz oder Harnwegsobstruktion, oder bei Patienten, die mit ACE-Hemmern (Angiotensin-Converting-Enzyme) und kaliumsparenden Diuretika behandelt werden.

Pseudohyperkalemia sollte bei Patienten ohne Risikofaktoren oder Veränderungen im EKG berücksichtigt werden. Eine Hämolyse kann durch das Labor gemeldet werden. Wenn eine Pseudo-Hyperkaliämie vermutet wird, sollten die Kaliumkonzentration wiederholt und Maßnahmen ergriffen werden, um eine Hämolyse der Probe (wie die Vermeidung von Nadeln mit geringer Größe oder Tourniquet-Gebrauch und begrenztes Ballen der Faust) zu vermeiden und Blut sollte umgehend durch das Labor verarbeitet werden.

EKG

Ein EKG sollte bei Patienten mit Hyperkaliämie gemacht werden. EKG-Veränderungen (siehe Abbildung EKG-Muster bei Hyperkaliämie) sind häufig sichtbar, wenn das Serumkalium > 5,5 mEq/l beträgt (> 5,5 mmol/L). Die Verlangsamung der Leitung ist gekennzeichnet durch ein erhöhtes PR-Intervall und eine Verkürzung des QT-Intervalls. Anfangs sind hohe, symmetrische, spitze T-Wellen sichtbar. Kaliumwerte > 6,5 mEq/l (> 6,5 mmol/l) verursachen eine weitere Verlangsamung der Leitung mit Verbreiterungen des QRS-Komplexes, ein Verschwinden der P-Welle und nodalen und ventrikulären Arrhythmien. Schließlich degeneriert der QRS-Komplex zu einer Sinuswelle, und Kammerflimmern oder eine Asystolie können beobachtet werden.

EKG-Veränderungen während Hyperkaliämie

Serumkalium wird in mEq/l und mmol/l angegeben.

Diagnostik der Ursachen

Diagnostik der Ursache einer Hyperkaliämie erfordert eine detaillierte Anamnese einschließlich einer Überprüfung der Medikation, eine körperliche Untersuchung mit Fokus auf den Volumenstatus und eine Messung von Elektrolyten, Blut-Harnstoff-Stickstoff und Kreatinin. Im Falle eines Nierenversagens müssen weitere Untersuchungen einschließlich eines Ultraschalls zur Klärung der Ursache durchgeführt werden.

Behandlung der Hyperkaliämie

  • Behandlung der Ursache

  • Bei leichter Hyperkaliämie: Natriumpolystyrolsulfonat, Patiromer oder Natriumzirkoniumsilikat

  • Bei mittel- oder hochgradiger Hyperkaliämie intravenös Insulin und Glukose, eine intravenöse Kalziumlösung, möglicherweise ein inhalativer Beta-2-Agonist und in der Regel Hämodialyse

Geringgradige Hyperkalämie

Bei Patienten mit einem Serumkaliumspiegel < 6 mEq/l (< 6 mmol/l) und ohne EKG-Veränderungen kann es ausreichend sein, die Kaliumaufnahme zu reduzieren und kaliumerhöhende Medikamente abzusetzen. Sofern keine Volumendepletion vorliegt, verbessert die Gabe eines Schleifendiuretikums die renale Kaliumausscheidung.

Natriumpolystyrensulfonat in Sorbit (15–30 g in 30–70 ml einer 70%igen Sorbitlösung p.o. alle 4–6 Stunden) kann verabreicht werden. Es wirkt als Kationenaustauschharz und entfernt Kalium über die Mucosa des Gastrointestinalrakts. Sorbit wird zusammen mit dem Harz verabreicht, um die Passage durch den Gastrointestinaltrakt sicherzustellen. Patienten, die oral keine Medikamente aufnehmen können, z. B. bei Übelkeit, können ähnliche Dosen als Einlauf erhalten. Einläufe zur Senkung des Kaliums sind bei Patienten mit Ileus nicht so wirksam. Einläufe sollte nicht bei Verdacht auf eine akutes Abdomen gegeben werden. Pro Gramm des Harzes werden ungefähr 1 mEq (1 mmol) Kalium entfernt. Die Harztherapie wirkt nur sehr langsam und häufig können die Serumkaliumspiegel bei hypermetabolischen Störungen nicht ausreichend gesenkt werden. Da bei der Anwendung von Natriumpolystyrolsulfonat Natrium gegen Kalium ausgetauscht wird, kann es zu einer Natriumüberladung (siehe Hypernatriämie) kommen, insbesondere bei Patienten mit Oligurie und vorbestehender Volumenüberladung.

Bei Patienten mit rezidivierender Hyperkaliämie reicht es in der Regel aus, Medikamente zu meiden, die eine Hyperkaliämie auslösen können (siehe Tabelle Faktoren, die zu einer Hyperkaliämie beitragen). Bei Patienten, die ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker benötigen (z. B. Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz oder diabetischer Nephropathie), kann ein Polymerharzpatiromer täglich eingenommen werden, um zu helfen, die Darmabsorption von Kalium zu verringern und eine Hyperkaliämie zu verhindern. Natrium-Zirkonium-Cyclosilikat kann ebenfalls verwendet werden. Es handelt sich um eine Polymermatrix, die das Kalium im Darm bindet. Es senkt das Serumkalium über mehrere Stunden und hat nur wenige unerwünschte gastrointestinale Wirkungen.

Mittel- bis hochgradige Hyperkalämie

Serumkaliumwerte zwischen 6 und 6,5 mEq/l (6 und 6,5 mmol/l) erfordern eine umgehende Behandlung, aber die eigentliche Therapie hängt vom klinischen Zustand ab.

Wenn keine EKG-Veränderungen vorhanden sind und die Nierenfunktion intakt ist, sind Verfahren wie bei geringgradiger Hyperkaliämie in der Regel wirksam. Weitere Kontrolluntersuchungen des Serumkaliumwertes sind erforderlich, um sicherzustellen, dass die Hyperkaliämie erfolgreich behandelt wurde.

Serumkaliumwerte > 6,5 mEq/l (> 6,5 mmol/l) erfordern eine aggressivere Therapie. Nach oder gemeinsam mit der Zufuhr von 5–10 Einheiten Altinsulin IV wird eine schnelle Infusion von 50 ml 50% Glukose gegeben. Anschließend sollte eine Infusion von 10% Dextrose in Wasser mit 50 ml/Stunde erfolgen, um eine Hypoglykämie zu verhindern. Die Effekte auf die Serumkaliumwerte erreichen nach 1 Stunde ihren Höhepunkt und halten für mehrere Stunden an.

Wenn im EKG ein Verschwinden der P-Welle oder eine Verbreiterung des QRS-Komplexes zu erkennen ist, besteht die Behandlung in intravenöser Kalzium- sowie in einer Insulin- und Glukosegabe; 10–20 ml 10% Kalziumglukonat (oder 5–10 ml 22% Kalziumgluceptat) werden IV über 5–10 Minuten gegeben. Falls das EKG bereits eine Sinuswellen-Muster oder eine Asystolie zeigt, kann Kalziumglukonat schneller verabreicht werden (5 bis 10 ml intravenös über 2 Minuten). Kalzium antagonisiert die Effekte der Hyperkalämie auf das Myokard. Patienten, die eine Glykosidtherapie erhalten, sollte Kalzium nur mit äußerster Vorsicht verabreicht werden, da das Risiko besteht, hypokalämieinduzierte Herzrhythmusstörungen auszulösen. Kaliumchlorid kann ebenfalls verwendet werden, kann aber zu einer Reizung der peripheren Venen und, wenn es austritt, zu einer Gewebenekrose führen. Kalziumchlorid sollte nur über einen korrekt platzierten zentralen Venenkatheter verabreicht werden.

Die Wirkung von Kalzium tritt binnen Minuten ein, hält aber nur 20–30 Minuten an. Die Infusion von Kalzium ist eine vorübergehende Maßnahme, mit der man Zeit gewinnt, während man auf die Effekte der anderen Behandlungsoptionen oder den Beginn einer Hämodialyse wartet. Die Gabe von Kalzium kann wiederholt werden.

Eine hohe Dosis eines Beta-2-Agonisten, wie z. B. Albuterol 10–20 mg, inhaliert über 10 min (in einer Konzentration von 5 mg/ml), kann die Serumkaliumwerte um 0,5–1,5 mEq/l (0,5–1,5 mmol/l) senken und ist eine wertvolle Zusatzmaßnahme. Der Höhepunkt der Wirkung wird nach 90 Minuten erreicht. Jedoch sind Beta-2-Agonisten bei Patienten mit instabiler Angina pectoris oder akutem Myokardinfarkt kontraindiziert.

Die intravenöse Verabreichung von Natriumbicarbonat (NaHCO3) wird häufig zur Behandlung von Hyperkaliämie eingesetzt, doch gibt es nur wenige Belege für ihre Verwendung. Es kann die Serumkaliumwerte für mehrere Stunden senken. Die Absenkung kann aus der Alkalisierung oder aus der Hypertonizität des hohen Natriumgehalts des Präparats resultieren. Die in der Infusion enthaltene Natriummenge kann für Dialysepatienten schädlich sein, die auch eine Volumenüberladung aufweisen können. Eine weitere mögliche Komplikation von IV -Natriumhydrogencarbonat ist, dass es die ionisierte Kalziumkonzentration akut senkt, was die Kardiotoxizität der Hyperkaliämie weiter verschlimmert. Bei der Verabreichung von Natriumbicarbonat beträgt die typische Dosis 3 Ampullen mit 7,5% Natriumbicarbonat in einem Liter 5% Dextrose in Wasser, die über 2 bis 4 Stunden infundiert werden. Die Bicarbonat-Therapie hat, für sich genommen, bei Patienten mit schwerer Nierenkrankheit nur eine geringe Wirkung, es sei denn, es besteht eine Azidämie.

Zusätzlich zu den Maßnahmen, die zu einer Senkung des Kaliums durch Transport in die Zellen führen, sollten auch früh in der Therapie der schweren oder symptomatischen Hyperkalämie Maßnahmen ergriffen werden, die zu einer Entfernung des überschüssigen Kaliums aus dem Körper führen. Kalium kann über den gastrointestinalen Trakt durch Verabreichung von Natrium-Polystyrolsulfonat entfernt werden, aber weil die Rate der Kaliumentfernung etwas unberechenbar ist, ist eine engmaschige Überwachung erforderlich.

Patiromer und Natriumzirkonsilikat werden nicht zur Notfallbehandlung einer akuten Kaliumsenkung empfohlen, da der Wirkeintritt dieser Medikamente verzögert ist.

Hämodialyse sollte sofort eingeleitet werden, wenn eine medizinische Notfallbehandlung unwirksam ist, insbesondere bei Patienten mit schwerer chronischer Nierenerkrankung und/oder akuter Nierenschädigung. Dialyse sollte frühzeitig bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz und Hyperkaliämie in Betracht gezogen werden, da sie ein erhöhtes Risiko für eine Progression zu schwerer Hyperkaliämie und schweren Herzrhythmusstörungen haben. Die Peritonealdialyse ist hinsichtlich der akuten Entfernung von Kalium nicht sehr effektiv.

Wichtige Punkte

  • Zu den häufigen Ursachen einer Hyperkaliämie gehören kaliumzurückhaltende Arzneimittel, Niereninsuffizienz, Nebenniereninsuffizienz und Störungen, die mit zellulärem Abbau einhergehen (z. B. Rhabdomyolyse, Verbrennungen, Blutungen in Weichteilgewebe oder GastrointestinaItrakt).

  • Eine Hyperkaliämie ist in der Regel bis zur Entwicklung einer Kardiotoxizität asymptomatisch, obwohl einige Patienten eine Schwäche haben.

  • EKG-Veränderungen beginnen mit einem verlängerten PR-Intervall, einem verkürzten QT-Intervall und hohen, symmetrischen, spitzen T-Wellen; bei Kaliumwerten > 6,5 mEq/l (> 6,5 mmol/l) verbreitert sich der QRS-Komplex und die P-Welle verschwindet; letztlich degeneriert der QRS-Komplex zu einem Sinus-Wellen-Muster und Kammerflimmern oder Asystolie tritt auf.

  • Bei leichter Hyperkaliämie wird Natriumpolystyrolsulfonat, Patiromer oder Natriumzirkoniumcyclosilikat gegeben.

  • Zur Behandlung einer mittel- bis hochgradigen Hyperkaliämie wird intravenös Insulin, Glukose und Kalzium und möglicherweise ein inhalativer Beta-2-Agonist gegeben.

  • Eine Hämodialyse wird bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung und bei Patienten mit signifikanten EKG-Veränderungen durchgeführt.