Renal-tubuläre Azidose

VonL. Aimee Hechanova, MD, Texas Tech University Health Sciences Center, El Paso
Überprüft/überarbeitet Apr. 2024
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Die renal-tubuläre Azidose (RTA) ist eine Azidose und Elektrolytstörung infolge einer gestörten renalen Wasserstoffionenausscheidung (Typ 1), einer gestörten Bicarbonatresorption (Typ 2) oder abnormen Aldosteronproduktion oder -reaktion (Typ 4). Typ 3 ist extrem selten und wird hier nicht besprochen. Die Patienten können symptomlos sein, oder sie zeigen Symptome und Anzeichen von Elektrolytstörungen oder geraten in eine chronische Nierenerkrankung. Die Diagnose basiert auf charakteristischen Änderungen von Urin-pH und von Elektrolyten als Antwort auf provozierende Tests. Die Therapie korrigiert den pH-Wert und Elektrolytungleichgewichte mittels alkalischer Substanzen und Elektrolyte, seltener auch medikamentös.

Als RTA wird eine Gruppe von Störungen definiert, bei denen die Ausscheidung von Wasserstoffionen oder die Reabsorption von gefiltertem Bicarbonat gestört ist. Dadurch kommt es zu einer chronischen metabolischen Azidose mit einer normalen Anionenlücke. Meist liegt eine Hyperchlorämie vor, und sekundäre Störungen können andere Elektrolyte wie Kalium (häufig) und Kalzium (siehe Tabelle Einige Merkmale der verschiedenen Formen von renal tubulärer Azidose) betreffen.

Die chronische RTA steht häufig im Zusammenhang mit einem strukturellen Schaden der renalen Tubuli und kann zu einer chronischen Nierenerkrankung führen.

Tabelle
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Typ 1 (distale) RTA

Typ-1 ist eine verminderte Sekretion von Wasserstoffionen im distalen Tubulus, was zu einem dauerhaft erhöhten pH-Wert (> 5,5) und zu einer systemischen Azidose führt. Das Plasma-Bicarbonat ist gewöhnlich < 15 mEq/l (15 mmol/l), und oft liegen auch eine Hypokalämie, Hyperkalziurie und eine verminderte Citratexkretion vor. Hyperkalziurie ist die primäre Anomalie in einigen familiären Fälle, mit Kalzium-induzierten tubulointerstitiellen Schäden, die eine distale RTA verursachen. Nephrokalzinose und Nephrolithiasis sind mögliche Komplikationen der Hyperkalziurie sowie der Hypocitraturie, wenn der Urin relativ alkalisch ist.

Dieses Syndrom ist selten. Sporadische Fälle treten am häufigsten bei Erwachsenen auf und können primär (fast immer bei Frauen) oder sekundär sein. Familiäre Fälle manifestieren sich in der Regel zunächst in der Kindheit und sind meist autosomal-dominant. Die sekundäre Typ 1 RTA kann von Medikamenten, Nierentransplantation oder verschiedenn Krankheiten verursacht werden:

Kaliumspiegel können bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Uropathie oder Sichelzellenanämie hoch sein.

Typ 2 (proximale) RTA

Typ-2 kennzeichnet eine Beeinträchtigung der Bicarbonat-Resorption in den proximalen Tubuli, die einen Urin-pH-Wert > 7 verursacht, wenn die Plasma-Bicarbonat-Konzentration normal ist und einen Urin-pH-Wert < 5,5, wenn die Plasma-Bicarbonat-Konzentration durch den fortschreitenden Verlust schon dezimiert ist.

Dieses Syndrom kann als Teil einer generalisierten Dysfunktion der proximalen Tubuli auftreten und Patienten können eine erhöhte Ausscheidung von Glukose, Harnsäure, Phosphat, Aminosäuren, Citrat, Kalzium, Kalium und Protein aufweisen. Osteomalazie oder Osteopenie (einschließlich Rachitis bei Kindern) können sich entwickeln. Zu den Mechanismen können Hyperkalziurie, Hyperphosphaturie, Veränderungen im Vitamin-D-Stoffwechsel und sekundärer Hyperparathyreoidismus zählen.

Die Typ-2-RTA ist sehr selten und tritt am häufigsten bei Patienten mit folgendem auf:

Manchmal kommen auch andere Ursachen wie Vitamin-D-Mangel, chronische Hypokalzämie mit sekundärem Hyperparathyreoidismus, Nierentransplantation, Schwermetallvergiftung und andere vererbte Krankheiten (z. B. Fruktoseintoleranz, Morbus Wilson, okulozerebrorenales Syndrom [Lowe-Syndrom], Zystinose) infrage.

Typ 4 (generalisierte) RTA

Typ-4 entsteht durch einen Aldosteronmangel oder mangelnde Aldosteronempfindlichkeit der distalen Tubuli. Da Aldosteron die Natriumresorption im Austausch gegen Kalium und Wasserstoff fördert, kommt es zu einer verminderten Kaliumexkretion, die wiederum eine Hyperkaliämie und verringerte Säureausscheidung bedingt. Eine Hyperkaliämie kann die Ammoniakausscheidung reduzieren, und zur metabolischen Azidose beitragen. Urin-pH ist normalerweise entsprechend dem Serum pH-Wert (in der Regel < 5,5 wenn eine Serumazidose vorliegt). Plasma-Bicarbonat ist in der Regel > 17 mmol/l (17 mmol/l).

Typ 4 ist die häufigste Form der RTA. Sie kommt typischerweise sporadisch als Folge einer Störung in der Renin-Aldosteron-Nierentubuli-Achse (hyporeninämischer Hypoaldosteronismus) vor.

Zu den anderen Faktoren, die zu einer Typ 4 RTA beitragen können gehören folgende:

Symptome und Anzeichen einer renalen tubulären Azidose

Die RTA verläuft meist asymptomatisch. Schwere Elektrolytstörungen sind selten, können aber lebensbedrohlich sein.

Nephrolithiasis und Nephrokalzinose sind möglich, insbesondere bei Typ-1-RTA.

Zeichen einer Extrazellularflüssigkeit-Volumenverminderung können sich durch den Urinflüssigkeitsverlust in Verbindung mit der Elektrolytausscheidung bei einer Typ-2-RTA entwickeln.

Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-RTA können Symptome und Beschwerden einer Hypokaliämie mit Muskelschwäche, Hyporeflexie und Paralyse aufweisen. Einerknöchernen Beteiligung (z. B. Knochenschmerzen und Osteomalazie bei Erwachsenen und Rachitis bei Kindern) kann bei Typ-2 auftreten und manchmal bei Typ-1-RTA. Chronische Nierenerkrankungen sind bei Menschen mit RTA vom Typ 1 häufig (1).

Eine Typ-4-RTA verläuft gewöhnlich asymptomatisch mit nur geringer Azidose, aber kardialen Arrhythmien oder einer Paralyse, wenn die Hyperkaliämie schwerwiegend ist.

Hinweise auf Symptome und Zeichen

  1. 1. Lopez-Garcia SC, Emma F, Walsh SB, et al: Treatment and long-term outcome in primary distal renal tubular acidosis. Nephrol Dial Transplant 34(6):981-991, 2019. doi: 10.1093/ndt/gfy409

Diagnose der renalen tubulären Azidose

  • Der Verdacht besteht bei Patienten mit metabolischer Azidose mit normaler Anionenlücke oder mit ungeklärter Hyperkaliämie

  • Serum und Urin-pH-, Elektrolytspiegel und Osmolalitäten

  • Oft Tests nach Stimulation (z. B. mit Ammoniumchlorid, Bicarbonat oder einem Schleifendiuretikum)

Der Verdacht auf eine RTA liegt bei Patienten mit einer ungeklärten metabolischen Azidose (niedriges Plasmabicarbonat und niedriger Blut-pH-Wert) mit einer normalen Anionenlücke nahe. Eine Typ-4-RTA sollte bei Patienten vermutet werden, die eine persistente Hyperkaliämie ohne erkennbare Ursache haben, wie Kaliumergänzungen, kaliumsparende Diuretika oder chronischer Nierenerkrankung. Eine arterielle Blutgasanalyse (ABG) wird durchgeführt, um eine RTA zu bestätigen und eine respiratorische Alkalose als Ursache einer kompensatorischen metabolischen Azidose auszuschließen. Elektrolyte, Harnstoff, Kreatinin und Urin-ph werden bei allen Patienten bestimmt. Weitere Untersuchungen und manchmal provozierende Tests werden durchgeführt, je nachdem, welche Form von RTA vermutet wird:

  • Eine Typ-1-RTA wird durch einen Urin-pH-Wert gesichert, der bei systemischer Azidose von > 5,5 bleibt. Die Azidose kann spontan auftreten oder durch einen Säurebelastungstest (Gabe von Ammoniumchlorid, 100 mg/kg p.o.) induziert werden. Gesunde Nieren reduzieren den Urin-pH-Wert innerhalb von 6 h nach Auftreten der Azidose auf < 5,2.

  • Die Diagnose einer Typ-2-RTA erfolgt durch Messung des Urin-pH und der fraktionierten Bicarbonatausscheidung während einer BicarbonatInfusion (Natriumbicarbonat, 0,5-1,0 mEq/kg/h [0,5 bis 1,0 mmol/l] IV). Beim Typ 2 steigt der Urin-pH-Wert auf > 7,5 und die fraktionierte Bicarbonat-Ausscheidung liegt bei > 15%. Weil IV Bicarbonat zur Hypokaliämie beitragen kann, sollten Kaliumergänzungen in ausreichenden Mengen vor der Infusion gegeben werden.

  • Typ 4 RTA wird durch frühere Bedingungen bestätigt, die mit Typ-4 RTA, chronisch erhöhtem Kalium und normalem oder leicht vermindertem Bicarbonat in Verbindung gebracht werden konnte. In den meisten Fällen sind Plasmareninaktivität und Aldosteron-Konzentration niedrig und Kortisol ist normal.

Behandlung der renalen tubulären Azidose

  • Variiert je nach Art

  • Oft Alkali-Therapie

  • Behandlung von begleitenden Anomalien in Bezug auf Kalium-, Kalzium- und Phosphatmetabolismus

Die Behandlung besteht in der Korrektur der pH- und Elektrolytbilanz durch Gabe alkalischer Substanzen. Eine erfolglose RTA-Therapie verlangsamt bei Kindern das Wachstum.

Alkalische Substanzen wie Natriumbicarbonat, Kaliumbicarbonat oder Natriumcitrat können dazu beitragen, eine relativ normale Plasma-Bicarbonat-Konzentration zu erzielen (22–24 mEq/l [22 bis 24 mmol/l]). Kaliumcitrat kann, wenn eine persistente Hypokaliämie vorhanden ist, oder weil Natrium die Kalziumausscheidung erhöht, bei Vorhandensein von Kalziumsteinen ersetzt werden.

Eine Vitamin-D- (z. B. Ergocalciferol, 800 I.E. p.o. 1-mal täglich) und orale Kalziumsubstitution (elementares Kalzium 500 mg p.o. 3-mal täglich z. B. als Kalziumkarbonat, 1250 mg p.o. 3-mal täglich) kann auch erforderlich sein, um Skelettdeformationen durch Osteomalazie oder Rachitis zu vermindern.

Typ-1-RTA

Erwachsene erhalten Natriumbicarbonat oder Natriumcitrat 0,25–0,5 mEq/kg (0,25 bei 0,5 mmol/l) p.o. alle 6 h. Diese Dosis kann dem Wachstum des Kindes angepasst werden. Bei Kindern kann eine Gesamttagesdosis von bis zu 2 mEq/kg (2 mmol/l) alle 8 h notwendig werden. Eine Kaliumzufuhr ist in der Regel nicht erforderlich, wenn Dehydration und sekundärer Aldosteronismus mit einer Bicarbonat-Therapie korrigiert werden.

Typ-2-RTA

Ein normaler Plasma-Bikarbonat-Spiegel kann nicht wiederhergestellt werden, jedoch sollte der Bikarbonat-Ersatz die Säurelast der Nahrung übersteigen z. B. (Natriumbikarbonat 1 mEq/kg [1 mmol/l] p.o. alle 6 h bei Erwachsenen oder 2–4 mEq/kg [2 bis 4 mmol/l] alle 6 h bei Kindern), um Serumbikarbonat bei ungefähr 22–24 mEq/l (22 bis 24 mmol/l) zu halten, weil durch niedrigere Spiegel Wachstumsstörungen riskiert werden. Auf der anderen Seite erhöht sich durch extremen Bicarbonatersatz der Kaliumbicarbonatverlust im Urin. Deswegen können Citratsalze statt Natriumbicarbonat substituiert werden. Sie werden auch besser toleriert.

Kaliumsupplemente oder Kaliumcitrat können bei Patienten erforderlich werden, die durch die Gabe von Natriumbicarbonat hypokaliämisch werden. Dies wird bei Patienten mit normalem oder hohem Serumkaliumspiegel aber nicht empfohlen. In schwierigen Fällen kann eine Behandlung mit niedrigdosiertem Hydrochlorothiazid 25 mg p.o. 2-mal täglich die proximalen Tubulustransportfunktionen stimulieren. In Fällen einer generalisierten proximalen Tubulusstörung werden Hypophosphatämie und Knochenstörungen zur Normalisierung der Plasmaphosphatkonzentration mit Phosphat- und Vitamin-D-Supplementation behandelt.

Typ-4-RTA

Die Hyperkaliämie wird mit Volumenerhöhung, diätetischer Kaliumrestriktion und kaliumausschwemmenden Diuretika behandelt (Furosemid, 20–40 mg p.o. 1-mal täglich oder 2-mal täglich titriert, bis ein Effekt erzielt wird). Eine Alkalisierung ist oft überflüssig. Einige Patienten brauchen eine Mineralokortikoidersatztherapie (Fludrokortison, 0,1–0,2 mg p.o. 1-mal täglich, oft höher bei hyporeninämischen Hypoaldosteronismus). Ein Mineralokortikoidersatz sollte jedoch mit Vorsicht angewandt werden, weil dieser eine bestehende Hypertonie, Herzinsuffizienz oder Ödeme verschlechtern kann.

Wichtige Punkte

  • Eine renal-tubuläre Azidose (RTA) ist eine Gruppe von Störungen, bei denen die Ausscheidung von Wasserstoffionen oder die Reabsorption von gefiltertem Bicarbonat gestört ist. Dadurch kommt es zu einer chronischen metabolischen Azidose mit einer normalen Anionenlücke.

  • Eine RTA entsteht in der Regel durch eine anomale Aldosteronproduktion oder -reaktion (Typ 4) oder seltener aufgrund eingeschränkter Wasserstoffionenausscheidung (Typ 1) oder gestörter Bicarbonat-Resorption (Typ 2).

  • Eine RTA sollte vermutet werden, wenn die Patienten eine metabolische Azidose mit einer normalen Anionenlücke oder eine unerklärliche Hyperkaliämie haben

  • Blutgasanalyse und Serumelektrolyte, Harnstickstoff sowie Kreatinin und Urin-pH müssen geprüft werden.

  • Andere Tests sollten durchgeführt werden, um den Typ der RTA zu bestätigen (z. B. Säurelasttest für Typ 1, Bicarbonatinfusion für Typ 2).

  • Die Behandlung sollte mittels Alkali-Therapie und Maßnahmen zur Korrektur von niedrigem Serumkalium bei Typ 2 und Kaliumeinschränkung oder kaliumzehrende Diuretika bei Typ 4 RTA erfolgen; anderen Elektrolyte werden nach Bedarf verabreicht.