Hypernatriämie

VonJames L. Lewis III, MD, Brookwood Baptist Health and Saint Vincent’s Ascension Health, Birmingham
Überprüft/überarbeitet Sept. 2023
Aussicht hier klicken.

Eine Hypernaträmie ist eine Serumnatriumkonzentration von > 145 mEq/l (> 145 mmol/l). Es setzt ein Mangel des Gesamtkörperwassers relativ zur Gesamtnatriummenge im Körper voraus, der dadurch zustande kommt, dass die Wasseraufnahme geringer als der Wasserverlust ist. Ein sehr wichtiges Symptom ist Durst. Andere klinische Manifestationen entstehen aufgrund des osmotischen Ausströmens von Wasser aus den Gehellen. Es sind Symptome seitens des ZNS, wie Verwirrung, neuromuskuläre Übererregbarkeit, Krampfanfälle und Koma. Die Diagnose erfordert die Bestimmung der Serumnatriumwerte und gelegentlich weitere Labortests. Die Therapie ist normalerweise ein kontrollierter Wasserersatz. Bei ungenügender Antwort auf die Behandlung werden Tests (z. B. überwachter Dursttest oder Vasopressingabe) zum Nachweis anderer Ursachen als die reduzierte Wasseraufnahme durchgeführt.

(Siehe auch Wasser- und Natriumgleichgewicht und Neugeborenen-Hypernatriämie.)

Ätiologie der Hypernatriämie

Hypernaträmie entsteht durch einen Mangel des Gesamtkörperwassers (TBW) in Relation zur Gesamtkörpermenge an Natrium. Da der Natriumgehalt des gesamten Körpers durch den Volumenstatus der extrazellulären Flüssigkeit reflektiert wird, muss die Hypernatriämie zusammen mit dem Status des Extrazellularflüssigkeit-Volumens betrachtet werden:

  • Hypovolämie

  • Euvolämie

  • Hypervolämie

Beachte, dass das Extrazellularflüssigkeit-Volumen und das effektive Plasmavolumen nicht identisch sind. Eine Verminderung des effektiven Plasmavolumens kann beispielsweise zusammen mit einem verminderten Extrazellularflüssigkeit-Volumen (wie beim Gebrauch von Diuretika oder bei hämorrhagischem Schock) auftreten, kann aber auch bei erhöhtem Extrazellularflüssigkeit-Volumen (z. B. beim Herzversagen, bei Hypoalbuminämie oder beim Capillary-leak-Syndrom) vorkommen.

Zu einer Hypernaträmie gehört ein beeinträchtigtes Durstempfinden oder unzureichender Zugriff auf Wasser, genauso wie beeinflussende Faktoren oder primäre Ursachen. Die Schwere der Grunderkrankung, die zu der Unfähigkeit, auf ein Durstgefühl zu trinken, führt und die Effekte der zerebralen Hyperosmolalität sind vermutlich verantwortlich für die hohe Mortalität bei hospitalisierten Erwachsenen mit Hypernaträmie. Es gibt mehrere häufige Ursachen für Hypernatriämie (siehe Tabelle Hauptursachen für Hypernatriämie).

Tabelle
Tabelle

Hypovolämische Hypernaträmie

Eine Hypernaträmie zusammen mit Hypovolämie tritt auf, wenn ein Natriumverlust von einem relativ gesehen größeren Verlust an Wasser begleitet ist. Häufige extrarenale Ursachen sind dieselben, die auch zu Hyponaträmie und Volumenmangel führen. Bei einem schweren Flüssigkeitsverlust kann entweder eine Hypernaträmie oder eine Hyponaträmie auftreten, abhängig von der quantitativen Relation des Natrium- und Wasserverlusts zueinander.

Eine renale Ursache der Hypernaträmie und des Volumenmangels kann eine Diuretikatherapie sein. Schleifendiuretika inhibieren die Natriumrückresorption in den konzentrierenden Anteilen des Nephrons und können so die Wasserausscheidung erhöhen. Eine osmotische Diurese kann, aufgrund der Anwesenheit hypertoner Substanzen in den tubulären Lumen des distalen Nephrons, die renale Konzentrationskapazität ebenfalls beeinträchtigen. Glycerol, Mannit und hin und wieder auch Harnstoff verursachen eine osmotische Diurese, die zur Hypernaträmie führen kann.

Die häufigste Ursache einer Hypernaträmie im Rahmen einer osmotischen Diurese ist die Hyperglykämie bei Patienten mit Diabetes. Da Glukose in Abwesenheit von Insulin nicht die Zellmembran passiert, dehydriert eine Hyperglykämie das Kompartiment der intrazellulären Flüssigkeit (ICF) weiter. Das Ausmaß der Hyperosmolalität bei Hyperglykämie kann durch eine Absenkung des Serumnatriums verschleiert werden. Diese Natriumabsenkung resultiert aus dem Übertritt von Wasser aus den Zellen in die Extrazellularflüssigkeit (Verschiebungshyponaträmie)

Patienten mit einer Nierenerkrankung können ebenfalls eine Veranlagung zur Hypernaträmie aufweisen, wenn ihre Nieren nicht mehr in der Lage sind, den Urin maximal zu konzentrieren.

Normovolämische Hypernaträmie

Eine Hypernaträmie mit einer Normovolämie bedeutet eine Abnahme des TBW mit fast normalen Werten für das Gesamtkörpernatrium und ist ein reines Wasserdefizit. Extrarenale Ursachen für den Wasserverlust, wie z. B. übermäßiges Schwitzen, führen zu einem gewissen Natriumverlust, aber da Schweiß hypotonisch ist (insbesondere bei hitzeakklimatisierten Menschen), kann es zu einer Hypernatriämie kommen, bevor eine signifikante Hypovolämie auftritt. Ein Mangel an fast reinem Wasser tritt auch auf Arginin-Vasopressin-Mangel (früher zentraler Diabetes insipidus) und Arginin-Vasopressin-Resistenz (früher nephrogener Diabetes insipidus).

Essentielle Hypernatriämie (primäre Hypodipsie) tritt gelegentlich bei Kindern mit strukturellen Hirnanomalien in der Mittellinie aufgrund angeborener Defekte oder erworbener Erkrankungen und bei chronisch kranken älteren Erwachsenen auf. Sie ist durch eine Beeinträchtigung des Durstempfindens gekennzeichnet (z. B. verursacht durch eine Schädigung des Durstzentrums im Gehirn). Eine veränderte osmotische Schwelle für die Freisetzung von Vasopressin ist eine weitere mögliche Ursache für normovolämische Hypernaträmie; einige Läsionen verursachen sowohl eine Beeinträchtigung des Durstempfindens und eine veränderte osmotische Schwelle. Die nicht osmotische Freisetzung von Vasopressin erscheint intakt, sodass diese Patienten meistens normovolämisch sind.

Hypervolämische Hypernaträmie

Ganz selten tritt eine Hypernaträmie gemeinsam mit einer Volumenüberladung auf. In diesen Fällen resultiert die Hypernaträmie aus einer stark erhöhten Natriumaufnahme in Verbindung mit einer nur unzureichenden Wasseraufnahme. Ein Beispiel ist die übermäßige Administration von hypertonem Natriumbicarbonat zur Behandlung einer Laktatazidose. Eine Hypernaträmie kann auch durch die Gabe hypertoner Kochsalzlösung oder durch eine falsch zubereitete Hyperalimentation hervorgerufen werden.

Hypernatriämie bei älteren Menschen

Hypernatriämie ist bei älteren Erwachsenen häufig, insbesondere nach Operationen und bei Patienten, die Sondennahrung oder parenterale Ernährung erhalten. Weitere Faktoren sind die folgenden:

  • Zugang zu Wasser hängt von anderen Personen ab

  • Beeinträchtigung des Durstempfindens

  • Beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit der Nieren (aufgrund von Diuretika, beeinträchtigter Freisetzung von Vasopressin oder altersbedingtem Nephronverlust oder Nierenerkrankungen)

  • Beeinträchtigung der Angiotensin-II-Bildung (die unmittelbar zur Beeinträchtigung des Durstempfindens beiträgt)

Symptome und Anzeichen einer Hypernatriämie

Das wichtigste Symptom der Hypernaträmie ist Durst. Tritt bei Patienten, die eine Hypernaträmie haben und bei Bewusstsein sind, kein Durstgefühl auf, weist dies auf eine Beeinträchtigung der Wahrnehmung oder der Entstehung des Durstgefühls hin. Für Patienten, deren Kommunikationsfähigkeit oder Gehvermögen gestört ist, kann es manchmal schwierig sein, ihr Durstgefühl auszudrücken bzw. Zugang zu Wasser zu erhalten. Patienten mit Kommunikationsschwierigkeiten können Durst äußern, indem sie unruhig werden.

Die wichtigsten Symptome der Hypernaträmie resultieren aus Störungen des Zentralnervensystems im Rahmen der Hirnzellschrumpfung. Verwirrung, neuromuskuläre Erregbarkeit, Hyperreflexie, Krampfanfälle oder Koma können die Folge sein. Zerebrovaskuläre Schädigung mit subkortikaler oder subarachnoidaler Blutung und Venenthrombosen wurden bei Kindern beschrieben, die an schwerer Hypernaträmie verstarben.

Bei der chronischen Hypernaträmie werden osmotisch aktive Substanzen in ZNS-Zellen (idiogene Osmole) generiert und erhöhen die intrazelluläre Osmolalität. Deshalb ist das Ausmaß der Gehirnzelldehydratation und der daraus resultierenden ZNS-Symptome bei der chronischen Hypernaträmie nicht so schwer wie bei der akuten Hypernaträmie.

Wenn die Hypernaträmie zusammen mit einem pathologischen Gesamtkörpernatrium auftritt, sieht man auch meistens die typischen Symptome eines Volumenmangels bzw. einer Volumenüberladung. Patienten mit renalen Konzentrationsdefekten scheiden in der Regel große Mengen hypotonen Urins aus. Wenn die Verluste extrarenal sind, ist die Ursache des Verlustes meist offensichtlich (z. B. Erbrechen, Diarrhö, exzessives Schwitzen) und die Urinnatriumkonzentration ist niedrig.

Diagnose von Hypernaträmie

  • Serum-Natrium

Die Diagnose ergibt sich aus der Bestimmung des Serumnatriums. Die körperliche Untersuchung wird durchgeführt, um festzustellen, ob auch ein Volumenmangel oder eine Überlastung vorliegt. Bei Patienten, die nicht auf einfache Rehydratation ansprechen oder bei denen eine Hypernatriämie trotz adäquaten Zugangs zu Wasser erneut auftritt, sind weitere diagnostische Tests gerechtfertigt. Zur Ermittlung der zugrunde liegenden Ursache bedarf es der Bestimmung des Urinvolumens und der Osmolalität, insbesondere nach einer Phase des Wasserentzugs.

Bei Patienten mit erhöhter Urinausscheidung wird gelegentlich ein Wasserentzugstest verwendet, um zwischen mehreren polyurischen Zuständen, wie Arginin-Vasopressin-Mangel und Arginin-Vasopressin-Resistenz zu unterscheiden.

Behandlung von Hypernaträmie

  • Ersatz des intravasalen Volumens und des freien Wassers

Der Ausgleich des intravaskulären Volumens und des Defizits an freiem Wasser ist das Hauptziel der Behandlung. Eine orale Hydrierung ist bei bewusstseinsklaren Patienten ohne wesentliche gastrointestianle Störung ausreichend. Im Falle einer schweren Hypernaträmie oder bei Patienten, die aufgrund von Bewusstseinsveränderungen oder wegen massiven Erbrechens nicht in der Lage sind, oral Flüssigkeit aufzunehmen, wird der IV Rehydrierung der Vorzug gegeben. Die Art der i.v. Flüssigkeit hängt von der Art der Hypernaträmie ab.

Hypernaträmie, die in den letzten 24 Stunden aufgetreten ist, sollte innerhalb der nächsten 24 Stunden korrigiert werden. Hypernaträmie, die allerdings chronisch oder von unbekannter Dauer ist, sollte über 48 Stunden ausgeglichen werden, und die Serumosmolalität sollte, um ein zerebrales Ödem zu vermeiden, nicht schneller als um 0,5 mOsm/l/Stunde gesenkt werden.

Die Menge an Wasser (in Liter), die notwendig ist, das bestehende Defizit auszugleichen, wird mit Hilfe folgender Formel abgeschätzt:

equation

TBW wird in Litern angegeben und durch die Multiplizierung des Körpergewichts in KG mit 0,6 bei Männern und 0,5 bei Frauen ermittelt; Serumnatrium (Na) kann in mEq/l oder mmol/l sein. Diese Formel setzt ein konstantes Gesamtkörpernatrium voraus. Bei Patienten mit Hypernatriämie und Abnahme des Natriumgehalts des gesamten Körpers (d. h. Patienten, die einen Volumenverlust haben), ist das Defizit an freiem Wasser größer als das, das durch die Formel geschätzt wird.

Bei Patienten mit Hypernatriämie und einer extrazellulären Volumenüberladung (erhöhter Gesamtnatriumgehalt des Körpers) kann das Defizit an freiem Wasser durch 5%ige Dextrose in Wasser ersetzt werden. Zusätzlich kann ein Schleifendiuretikum verabreicht werden. Eine zu schnelle Infusion von 5% Dextrose in Wasser kann jedoch eine Glukosurie verursachen und dadurch die Ausscheidung von salzfreiem Wasser und die Hypertonizität erhöhen, insbesondere bei Patienten mit Diabetes mellitus. Andere Elektrolyte, einschließlich Serumkalium, sollten überwacht werden und bei Bedarf ersetzt werden.

Bei Patienten mit einer Hypernaträmie und einer Normovolämie kann freies Wasser entweder durch 5%ige Dextrose in Wasser oder 0,45%ige Kochsalzlösung ersetzt werden.

Behandlung von Patienten mit Arginin-Vasopressin-Mangel und erworben Arginin-Vasopressin-Resistenz werden an anderer Stelle im MSD-Manual besprochen.

Patienten mit einer Hypernaträmie und einer Hypovolämie, insbesondere Patienten mit Diabetes und einem nichtketotischen hyperglykämischen Koma, kann 0,45%ige Kochsalzlösung als Alternative zu einer Kombination aus 0,9%iger Kochsalzlösung und 5%iger Dextroselösung zur Normalisierung des Natrium- und Wasserhaushalts gegeben werden. Alternativ können Extrazellularflüssigkeit-Volumen und freies Wasser unter Verwendung der Formel zur Abschätzung des Defizits freien Wassers getrennt ausgetauscht werden. Bei schwerer Azidose (pH < 7,10) kann Natriumbicarbonatlösung zu 5% Dextrose in Wasser oder 0,45%iger Kochsalzlösung hinzugefügt werden, solange die endgültige Lösung hypoton bleibt.

Wichtige Punkte

  • Eine Hypernatriämie wird in der Regel durch einen eingeschränkten Zugang zu Wasser oder einen gestörten Durstmechanismus verursacht, seltener durch Arginin-Vasopressin-Mangel oder -Resistenz (früher Diabetes insipidus).

  • Symptome sind Verwirrung, neuromuskuläre Erregbarkeit, Hyperreflexie, Krampfanfälle und Koma.

  • Bei Patienten, die nicht auf eine einfache Rehydrierung ansprechen und bei denen keine klare Ursache vorliegt, kann die Bestimmung des Urinvolumens und der Osmolalität, insbesondere nach einer Phase des Wasserentzugs, erforderlich sein.

  • Ersetzen Sie intravaskuläres Volumen und freies Wasser oral oder intravenös in einer Menge, die dadurch bestimmt wird, wie akut (< 24 h) oder chronisch (> 24 h) sich die Hypernatriämie entwickelt hat, während andere Serum-Elektrolyt-spiegel auch beobachtet werden (vor allem Kalium und Bicarbonat).