Schlangenbisse

VonRobert A. Barish, MD, MBA, University of Illinois at Chicago;
Thomas Arnold, MD, Department of Emergency Medicine, LSU Health Sciences Center Shreveport
Überprüft/überarbeitet Jan. 2022
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Von den weltweit 3000 vorkommenden Schlagenarten, sind nur etwa 15% der weltweit und 20% der in den USA vorkommenden Schlangen für den Menschen giftig, da sie entweder ein Gift oder aber toxischen Speichel absondern (siehe Tabelle Bedeutende Giftschlangen nach Region). In allen amerikanischen Bundesstaaten außer Alaska, Maine und Hawaii ist mindestens eine Giftschlangenart beheimatet. Die allermeisten nordamerikanischen Giftschlangen gehören zur Gruppe der Crotalinae (diese werden wegen einer grubenartigen Vertiefung auf beiden Seiten des Kopfes, in denen sich ein Hitzesensor befindet, auch als Grubenottern bezeichnet).

  • Klapperschlangen

  • Nordamerikanische Kupferkopfschlangen

  • Wassermokassinottern

Mehr als 60.000 Bisse und Stiche werden an Giftzentren gemeldet und verursachen jedes Jahr etwa 100 Todesfälle in den USA. Etwa 45.000 sind Schlangenbisse (davon 7000 bis 8000 giftig und verursachen etwa 5 Todesfälle). Für die meisten Schlangenbisse und für beinahe alle Todesfälle sind dabei die Klapperschlangen verantwortlich. Kupferkopfschlangen und zu einem geringeren Maße auch Mokassinschlangen machen den Rest der Giftschlangenbisse aus. Korallenottern (Elapiden) und importierte Schlangenarten (in Zoos, Schulen, Schlangenfarmen sowie in privaten und professionellen Schlangensammlungen) machen den Rest (< 1%) an Giftschlangenbissen aus.

Die meisten Opfer von Schlangenbissen sind junge Männer zwischen 17 und 27 Jahren, von denen wiederum 50% alkoholisiert sind und die absichtlich mit der Schlange herumspielen oder sie belästigen. Die meisten Bisse erfolgen in die obere Extremität. Fünf oder sechs Todesfälle ereignen sich jährlich in den USA. Besonders vom Tod bedroht sind Kinder und ältere Personen. Ein größeres Risiko, an einem Schlangenbiss zu versterben, besteht auch bei verzögerter oder nicht ausreichender Behandlung eines solchen Bisses. Tödliche Schlangenbisse werden häufiger durch Tiere verursacht, die in Gefangenschaft gehalten werden, als durch Giftschlangen, denen man in der freien Natur begegnet.

Außerhalb der USA sind lebensbedrohliche Schlangenbisse viel häufiger, die Inzidenz liegt bei > 100.000 Todesfällen jährlich.

Tabelle

Pathophysiologie von Schlangenbissen

Schlangengifte sind komplexe Substanzen; hauptsächlich handelt es sich um Proteine mit enzymatischer Aktivität. Obwohl Enzyme eine wichtige Rolle spielen, können die zum Tode führenden Eigenschaften des Giftes auf bestimmte kleinere Polypeptidmoleküle zurückgeführt werden. Die meisten Giftbestandteile scheinen sich im Körper des Opfers mit mehreren unterschiedlichen physiologischen Rezeptoren zu verbinden. Eine Einteilung in Neuro-, Hämato-, Kardio- und Myotoxine kann bei der klinischen Beurteilung zu Fehleinschätzungen führen.

Grubenottern

Das komplexe Gift der meisten nordamerikanischen Grubenottern hat lokale Auswirkungen sowie systemische Wirkungen wie Gerinnungsstörungen. Zu den Folgen gehören:

  • Lokale Gewebeschäden, die Ödeme und Hautblutungen verursachen

  • Vaskuläre endotheliale Schäden

  • Hämolyse

  • Disseminierte intravasale Gerinnung, (DIC)-ähnliches (Defibrinationssyndrom)-Syndrom

  • Pulmonale, kardiale, renale und neurologische Störungen

Das Gift dieser Schlangen führt zu einer vermehrten Permeabilität der Kapillargefäße und so zur Extravasation von Elektrolyten, Albumin, Erythrozyten durch die Gefäßwände sowohl an der betroffenen Stelle als auch in anderen Organen. Dieser Prozess kann die Lunge, das Myokard, die Niere, das Peritoneum und selten auch das Zentralnervensystem betreffen. Zu den häufige Krankheitsbildern nach schweren Grubenottervergiftungen gehören:

  • Ödeme: Anfangs entwickelt sich ein Ödem, eine Hypalbuminämie, und es kommt zur Hämokonzentration.

  • Hypovolämie: Später führt die Verlagerung von Blut und Gewebeflüssigkeit in die Mikrozirkulation zum Schock, Hypotonie, Lactazidose und in schweren Fällen zu Multiorganversagen. Der Abfall des effektiven zirkulierenden Blutvolumens kann zum Herz- und Nierenversagen beitragen.

  • Blutung: Gewöhnlich kommt es bei schweren Klapperschlangenbissen zu einer Thrombozytopenie (< 20.000/mcl), bei schwerwiegenden Bissen kann sich eine zusätzliche Koagulopathie aufpfropfen. Eine toxisch induzierte intravasale Gerinnung kann ein DIC-ähnliches Syndrom auslösen, was zu Blutungen führt.

  • Nierenversagen: Nierenversagen kann durch eine schwere Hypotonie, Hämolyse, Rhabdomyolyse, direkt nephrotoxische Gifte oder durch eine Verbrauchskoagulopathie ausgelöst werden. Das Gift der meisten nordamerikanischen Grubenottern führt nur zu einer geringfügigen Änderung der neuromuskulären Übertragung.

Davon auszunehmen ist das Gift der Mojave-Klapperschlange (Crotalus scutulatus) und der Diamantklapperschlange (Crotalus adamanteus), das schwerwiegende neurologische Ausfälle verursachen kann.

Korallenottern

Das Gift der Korallenottern (Micrurus spp.) enthält hauptsächlich neurotoxische Bestandteile, die zu einer neuromuskulären Blockade führen. Weil das Gift keine signifikante proteolytische Enzymaktivität aufweist, sind an der Bissstelle selbst nur geringe Veränderungen sichtbar.

Symptome und Anzeichen von Schlangenbissen

Jeder Schlangenbiss, ob durch eine giftige oder ungiftige Schlange, erzeugt im Patienten gewöhnlich Angst und Schrecken, die mit einer Reaktion des autonomen Nervensystems wie Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie, Durchfall und Schwitzen einhergehen. Diese Symptome sind nur schwer von einer systemischen Manifestation nach dem Biss einer wirklich giftigen Schlange zu unterscheiden.

Schlangenbisse durch ungiftige Schlangen verursachen nur geringe lokale Symptome, gewöhnlich in Form von Schmerzen und von 2–4 Zahnabdrücken durch den Biss mit dem Oberkiefer der Schlange.

Die Symptomatik nach dem Biss einer Giftschlange äußert sich in lokalen Zeichen um die Bissstelle herum, kann sich aber auch in einer systemischen Symptomatik äußern. In Abhängigkeit von der Menge des Giftes und der Schlangenart kann auch eine Kombination der verschiedenen Symptome auftreten. Anaphylaxie kann auftreten, insbesondere bei Schlangenbesitzern, die zuvor sensibilisiert wurden.

Grubenottern

Ungefähr 25% der Bisse durch Grubenottern führen nicht zu Vergiftungserscheinungen, da kein Gift abgegeben wurde. Es entwickelt sich dann keine systemische Symptomatik.

Der lokale Befund weist 1 Bissmarken der Giftzähne oder aber auch der anderen Zähne der Schlange auf. Ist es zur Gifteinspritzung gekommen, so entwickelt sich innerhalb von 30–60 Minuten um die Bissstelle herum ein Ödem mit Hautrötung oder Hauteinblutungen, die sich auf das umgebende Gewebe ausweiten können. Nässen aus der Wunde weist auf eine Vergiftung hin. Das Ödem kann sich sehr rasch ausbreiten und innerhalb von Stunden die gesamte Extremität befallen. Die Hauttemperatur ist über der Bissregion erhöht. Es kommt zu einer Lymphangitis und vergrößerten druckschmerzhaften regionalen Lymphknoten. Bei mittelschweren bis schweren Vergiftungen entwickeln sich innerhalb von 3-–6 Stunden Ekchymosen in unmittelbarer, aber auch in weiterer Umgebung der Bissstelle. Die Ekchymose ist nach Bissen am stärksten ausgeprägt

  • Ost- und West-Diamanten

  • Mokassins

  • Prärie-, Pazifik- und Wald-Klapperschlangen

Die Haut um die Bissstelle ist verhärtet und verfärbt. Blasen, die entweder mit Serum oder mit Blut oder auch mit beidem gefüllt sind, entwickeln sich innerhalb von 8 Stunden nach dem Biss. Das Ödem, das nach dem Biss durch eine nordamerikanische Klapperschlange auftritt, ist gewöhnlich auf Haut und Unterhaut beschränkt. Selten treten auch Ödeme im subfaszialen Gewebe auf, die zu einem Kompartmentsyndrom führen können – der Druck innerhalb des Kompartiments darf nicht 30 mmHg über 1 Stunde lang betragen. Nekrosen im Bereich der Bissstelle sind nach Klapperschlangenbissen nichts Ungewöhnliches. Der toxische Effekt auf das Bindegewebe erreicht seinen Höhepunkt nach 2–4 Tagen.

Seltener sind Ekchymosen durch die Kupferkopfschlange (Agkistrodon contortrix) und die Mojave-Klapperschlange (Crotalus scutulatus).

Die systemischen Manifestationen können sich in Übelkeit, Erbrechen, Diaphorese, Fieber, Brustschmerzen, Atembeschwerden, generalisierter Schwäche, Parästhesien, Muskelzuckungen, Bewusstseinsveränderungen, Blutdruckabfall und Schock äußern. Opfer von Klapperschlangenbissen berichten zuweilen auch über einen gummi-, minzeartigen oder metallischen Geschmack im Mund. Das Gift der meisten nordamerikanischen Grubenottern führt zu gering ausgeprägten neuromuskulären Übertragungsstörungen. Diese zeigen sich in Schwäche, Parästhesien und Muskelfaszikulationen. Das Gift der Mojave-Klapperschlange (Crotalus scutulatus) und der östlichen Diamantklapperschlange (Crotalus adamanteus) kann jedoch schwere neurologische Störungen einschließlich einer Atemlähmung hervorrufen.

Anaphylaxie kann sofort systemische Symptome verursachen.

Klapperschlangenbisse können eine Vielzahl von Koagulationsstörungen verursachen, z. B. eine Verlängerung der Prothrombinzeit (gemessen als INR [international normalized ratio]) oder der partiellen Thromboplastinzeit. Es kommt zur Thrombozytopenie, zu einem Absinken des Fibrinogens und einem Anstieg der Fibrinogen-Spaltprodukte. Eine Thrombozytopenie ist gewöhnlich die Erstmanifestation dieser Gerinnungsstörung und kann asymptomatisch verlaufen. Im Zusammenhang mit den anderen erwähnten Gerinnungsstörungen können gelegentlich jedoch auch spontane Blutungen auftreten. Patienten, die diese Gerinnungsstörung entwickeln, zeigen typischerweise eine Blutungsneigung aus der Bissstelle; hinzu kommen Blutungen in die Schleimhäute, Bluterbrechen, Epistaxis, Zahnfleischbluten, das Absetzen von blutigen Stühlen, Blut im Urin oder eine Kombination aus all diesen Blutungen. Ein frühes Zeichen ist für gewöhnlich der Anstieg des Hämatokriten als Folge der Ödeme und der Hämokonzentration. Im späteren Verlauf fällt der Hämatokrit entweder aufgrund der zugeführten Infusionen oder wegen des Blutverlustes ab. In schweren Fällen kann auch eine Hämolyse zu einem raschen Abfall des Hämatokriten beitragen.

Korallenottern

Bei Bissen durch Korallenottern bleiben Schmerz und Schwellungen zuweilen ganz aus, oft sind sie nur geringfügig ausgeprägt und vergehen rasch. Diese Fällen verleiten dazu, einen solchen Biss als Biss ohne Giftinjektion aufzufassen, was bei Patient und Arzt zu einem falschen Gefühl von Sicherheit führt.

Tipps und Risiken

  • Eine Vergiftung sollte bei allen Giftschlangenbissen vermutet werden, selbst wenn kurz nach dem Biss keine Anzeichen zu bemerken sind.

Eine Schwäche in der gebissenen Extremität kann sich erst nach Stunden bemerkbar machen. Die systemische Manifestation in der neuromuskulären Übertragung kann sogar bis zu 12 Stunden verzögert sein. Der Patient klagt dann über eine ausgeprägte Schwäche und Lethargie, es kann zu Wahrnehmungsstörungen kommen, die von Euphorie bis Schläfrigkeit reichen. Unter Umständen treten Hirnnervenlähmungen mit Ptosis, Diplopie, Verschwommensehen, Dysarthrie und Dysphagie mit vermehrtem Speichelfluss auf. Atemnot und Muskellähmungen können folgen. Es kann sogar zur Atemlähmung kommen. Sind die neurotoxischen Wirkungen des Korallenotterngiftes bereits manifest, so sind sie kaum reversibel und bleiben möglicherweise trotz Behandlung über 3–6 Tage hinweg bestehen. Unbehandelt kann die Lähmung der Atemmuskulatur tödlich sein.

Diagnose von Schlangenbissen

  • Identifizierung der Schlange

  • Bestimmung der Vergiftungsschwere

Die endgültige Diagnose eines Schlangenbisses wird durch die eindeutige Identifizierung der Schlange und die klinischen Anzeichen einer Vergiftung unterstützt. Bei der Anamnese muss nach dem Zeitpunkt des Schlangenbisses gefragt werden. Der Betroffene sollte die Schlange möglichst genau beschreiben. Ferner sollte nach der vor Ort bereits erfolgten Art der Behandlung, vorbestehenden gesundheitlichen Probleme, Allergien gegen Pferde- oder Schafprodukte gefragt werden. Wichtig ist auch, sich beim Patienten nach früher stattgehabten Schlangenbissen und deren Therapie zu erkundigen. Eine komplette körperliche Untersuchung ist unabdingbar. Ein Marker sollte verwendet werden, um die Vorderkante des Ödems auf der betroffenen Extremität oder dem betroffenen Bereich anzuzeigen, und die Zeit der Markierung sollte dokumentiert werden.

Schlangenbisse sollten als giftg behandelt werden, bis ein Gegenbeweis vorliegt. Eine eindeutige Identifizierung der Spezies kann auch nach einer Phase der Beobachtung erreicht werden.

Indentifizierung der Schlangenart

Patienten können sich oft nicht an das genaue Aussehen der Schlange erinnern. Grubenottern können von ungiftigen Schlangen durch einige körperliche Merkmale unterschieden werden (siehe Abbildung Erkennung von Grubenottern). Eine Konsultation mit einem Zoo, einem Aquarium oder dem örtlichen Giftinformationszentrum kann bei der Identifizierung von Schlangenarten helfen.

Erkennung von Grubenottern

Grubenottern haben folgende Merkmale, die bei der Unterscheidung von harmlosen Schlangen helfen:

  • Pfeilförmiger (dreieckiger) Kopf

  • Elliptische Pupillen

  • Wärmesensensorische Grübchen zwischen den Augen und der Nase

  • Ausziehbare Reißzähne

  • Die Rassel besteht aus lose miteinander verzahnten umgewandelten Schwanzschuppenendgliedern.

In den USA vorkommende Korallenottern haben runde Pupillen und eine schwarze Schnauze, aber keine Wärmesensorgrübchen im Gesicht. Sie haben stumpfe oder zigarrenartig geformte Köpfe und sind mit roten und gelben (cremefarbigen) Bändern gestreift. Sie werden häufig mit der ungiftigen purpurnen Königsschlange verwechselt, die rot-schwarz-gelbe Bänder aufweist. Die Besonderheit in der Korallenschlange ist, dass die roten Bänder nur von gelben Bändern, nicht aber von schwarzen Bändern gesäumt sind. (Ein alter Kinderreim aus den USA lautet so: "red on yellow, kill a fellow; red on black, venom lack"). Korallenottern haben kurze, in aufrechter Stellung fixierte Giftzähne und injizieren ihr Gift nach und nach durch kauende Bewegungen.

Die Art und Weise der Giftmarke kann zu einer Vermutung, aber nicht zu einem endgültigen Schluss über die Schlangenart führen. Klapperschlangen hinterlassen einzelne oder zwei nebeneinander liegende Bissmarken, wobei auch Abdrücke der anderen Zähne vorhanden sein können. Im Gegensatz dazu findet man nach dem Biss einer ungiftigen Schlange viele nebeneinander liegende oberflächliche Zahnabdrücke. Es ist jedoch zu beachten, dass die Anzahl der Zahnabdrücke und auch der Bissstellen von Schlange zu Schlange unterschiedlich sein kann, da manche Schlangen mehrfach zubeißen können.

Ein Biss von Grubenottern, der zu keiner Gifteinspritzung geführt hat (sog. trockener Biss), kann erst dann diagnostiziert werden, wenn 8 Stunden nach dem Biss noch keine Vergiftungserscheinungen aufgetreten sind.

Schwere der Vergiftung

Die Schwere der Vergiftung hängt von folgenden Faktoren ab:

  • Größe und Art der Schlange (Klapperschlangen > Wassermokassinottern > Kupferkopfschlangen)

  • Menge des injizierten Gifts pro Biss (kann nicht von der Anamnese her bestimmt werden)

  • Anzahl der Bisse

  • Lage und Tiefe des Bisses (z. B. sind Vergiftungen in Bisswunden auf dem Kopf und dem Rumpf tendenziell stärker als in Bisswunden an den Extremitäten)

  • Alter, Größe und Gesundheitszustand des Patienten

  • Zeit, die seit dem Biss vergangen ist

  • Anfälligkeit des Patienten auf das Gift

Eine Schweregradeinteilung in leicht, mittel und schwer kann auf der Grundlage der schlimmsten Erscheinung im Bereich des Lokalbefundes, des Auftretens von systemischen Symptomen, des Auftretens einer Gerinnungsstörung und der Ergebnisse der Blutuntersuchung vorgenommen werden (siehe Tabelle Schweregrad der Grubenottervergiftung). Die Schweregradeinteilung sollte sich jeweils nach dem schwersten Symptom oder der stärksten Veränderung bei der Laboruntersuchung richten.

Die Vergiftungserscheinungen können rasch fortschreiten und sich von leicht über mittel zu schwer entwickeln, weshalb eine wiederholte Beurteilung notwendig ist.

Wenn systemische Symptome sofort beginnen, sollte eine Anaphylaxie angenommen werden.

Tabelle

Behandlung von Schlangenbissen

  • Erste Hilfe

  • Unterstützende Behandlung

  • Antivenin

  • Wundversorgung

Grundsätzliche Vorgehensweise

Die Behandlung von Schlangenbissen beginnt sofort, bevor die Patienten in eine medizinische Einrichtung gebracht werden.

An der Unfallstelle sollte sich der Patient aus dem Aktionsradius der Schlange wegbewegen oder von dort weggebracht werden. Der Betroffene sollte Anstrengungen vermeiden, beruhigt und warm gehalten und so schnell wie möglich zur nächsten medizinischen Einrichtung gebracht werden. Die betroffene Extremität sollte knapp unterhalb der Herzhöhe in einer Funktionshaltung locker fixiert werden; sämtliche Ringe, Uhren und beengenden Kleidungsstücke sind zu entfernen. Diese Art der Druckimmobilisation kann nämlich zur Drosselung der Durchblutung und damit zu einer Verstärkung der Nekrosebildung führen. Eine sog. Druckimmobilisation, die verhindert, dass das Gift von der Bissstelle aus aufgenommen wird (z. B. durch Wickeln mit elastischen Binden um die beteiligte Extremität herum), kann u. U. bei Bissen durch Korallenottern angezeigt sein, wird aber von amerikanischen Ärzten nicht empfohlen, da die meisten Bisse doch auf Grubenottern zurückzuführen sind.

Die Ersthelfer sollten die Luftwege und die Atmung unterstützen. Dies erfolgt durch die Gabe von O2. An einer nichtbetroffenen Extremität ist ein intravenöser Zugang zu legen. Anschließend erfolgt so rasch wie möglich der Transport in die nächstgelegene medizinische Einrichtung. Alle anderen früher empfohlenen Maßnahmen, die vor Ort durchgeführt wurden, gelten heute als kontraindiziert. Dies gilt vor allem für das Abbinden, die lokale Therapie mit Salben oder Puder, das Aussaugen mit dem Mund oder mit einer Saugapparatur, mit oder ohne Inzision, die Kryotherapie und das Applizieren von Strom durch die Wunde. Die Wirksamkeit all dieser Maßnahmen konnte niemals nachgewiesen werden; sie können u. U. sogar gefährlich sein und die rechtzeitige richtige Therapie verzögern. Auf der anderen Seite gilt, dass bereits gelegte Abbindungen belassen werden sollten – wenn sie nicht schon zu einer Ischämie der betroffenen Gliedmaße geführt haben –, bis der Patient ins Krankenhaus transportiert wurde. Dann sollte die Abbindung gelöst und auf das Auftreten einer Vergiftung unter optimalen Therapiebedingungen geachtet werden.

Tipps und Risiken

  • Die Bisswunden dürfen nicht inzisiert oder abgebunden werden.

Eine serielle Beurteilung und Prüfung beginnt in der Notaufnahme. Die Außenränder der Ödeme um die Bisswunde werden mit einem permanenten Marker alle 15–30 Minuten nachgefahren. Diese Vorgehensweise kann dabei helfen, das Fortschreiten der Vergiftung zu dokumentieren. Der Umfang der betroffenen Extremität sollte bei der Aufnahme ebenfalls gemessen und in regelmäßigen Abständen nachkontrolliert werden. Alle bis auf triviale Grubenotterbisse erfordern

  • Ein grundlegendes Blutbild (einschließlich Blutplättchen)

  • Gerinnungsprofil (z. B. Prothrombinzeit, partielle Thromboplastinzeit, Fibrinogen)

  • Bestimmung von Fibrinspaltprodukten

  • Urinanalyse

  • Bestimmung von Serumelektrolyten, Blut-Harnstoff-Stickstoff und Kreatinin.

Bei mittelschweren bis schweren Vergiftungserscheinungen bedürfen die Patienten einer Blutgruppenbestimmung mit Kreuzung der Blutkonserven, einer EKG-Ableitung und einer Röntgenthoraxaufnahme. Die Bestimmung der Creatinkinase (CK) sollte innerhalb der ersten 12 Stunden alle 4 Stunden und dann täglich durchgeführt bzw. wiederholt werden, um eine Rhabdomyolyse rechtzeitig zu erkennen. Nach Bissen durch Korallenottern, die neurotoxische Effekte haben können, bedarf es einer Überwachung der Sauerstoffsättigung und einer initialen und später dann immer wiederholten einfachen Lungenfunktionsprüfung in Form von Peakflow-Messung und Bestimmung der Vitalkapazität.

Die Dauer der genauen Beobachtung bei alle Patienten mit Grubenotternbissen sollte mindestens 8 h betragen. Bei Patienten, bei denen nach 8 Stunden noch keine Vergiftungserscheinungen aufgetreten sind, kann nach entsprechender Versorgung der Bisswunde eine Entlassung nach Hause erwogen werden. Patienten mit Korallen Schlangenbisse, sollten engmaschig über mindestens 12 h überwacht werden, falls sich eine Atemlähmung entwickelt. Vergiftungserscheinungen, die anfangs als harmlos aufgefasst werden, können sich innerhalb von Stunden zu einer schweren Vergiftung weiterentwickeln.

Die unterstützende Behandlung kann in einer assistierten oder kontrollierten Beatmung des Patienten bestehen. Benzodiazepine zur Behandlung der Panikzustände und zur Sedierung können angezeigt sein. Häufig müssen Opiate für die bestehenden Schmerzen verabreicht werden. Gegebenenfalls kann eine Volumentherapie mit kristalloiden Lösungen und u. U. eine Schocktherapie mit Vasopressoren erforderlich werden. Erythrozytenkonzentrate, Fresh Frozen Plasma oder Thrombozytentransfusionen können zwar notwendig werden, sie sollten allerdings nicht ohne die vorherige Gabe ausreichender Mengen an neutralisierendem Antivenin verabreicht werden, weil die meisten Blutgerinnungsstörungen ausreichende Mengen an neutralisierendem Antivenin benötigen. Bei Verdacht auf Anaphylaxie (z. B. sofortiger Beginn der systemischen Symptome) wird mit Standardmaßnahmen, einschließlich Epinephrin, behandelt. Unter Umständen kann auch das Anlegen eines Tracheostomas notwendig werden, wenn sich beim Patienten ein Trismus, ein Laryngospasmus oder ein exzessiver Speichelfluss entwickelt.

Antivenin

Neben einer optimalen unterstützenden Behandlung haben Antiseren (Antivenine) in der Behandlung von leichten bis schwerwiegenden Giftschlangenbissen nach wie vor die größte Bedeutung.

Für Vergiftungen durch Grubenottern werden die aus Pferdeprotein gewonnenen Antivenine größtenteils durch vom Schaf gewonnenne polyvalenten Fab-Antivenine ersetzt. Dabei handelt es sich um gereinigte Fab-Fragmente aus Schaf-IgG, das von Tieren gewonnen wird, die mit dem Gift von Grubenottern immunisiert wurden. Die Wirksamkeit dieses Ativenins ist abhängig von der Zeit und der Dosis; es ist wirksam zur Verhinderung von Gewebeschädigungen, wenn es frühzeitig verabreicht wird. Es ist weniger wirksam, wenn es verzögert zum Einsatz kommt, kann aber Gerinnungsstörungen umkehren und wirksam sein, auch wenn es erst nach 24 Stunden nach dem Unfall gegeben wird. Das polyvalente, auf FAb-Fragmenten beruhende Antivenin (Crotalidae) ist deutlich besser verträglich als das alte, aus Pferdeprotein gewonnene Serum. Aber auch beim neuen Schafantiserum kann es zu akuten allergischen Reaktionen auf der Haut oder auch zu Anaphylaxie kommen; ferner wurde eine verzögerte Immunreaktion im Sinne einer Serumkrankheit beschrieben. Diese Serumkrankheit kann sich innerhalb von 1–3 Wochen nach der Verabreichung des FAb-Antivenins entwickeln und soll bei bis zu 16% der so behandelten Patienten auftreten.

Eine Anfangsdosis mit dem Inhalt von 4–12 Ampullen Antivenin, das aufgelöst und in 250 ml Kochsalzlösung verbracht wurde, wird innerhalb der ersten 10 Minuten mit einer Infusionsgeschwindigkeit von 20–50 ml/h und danach – wenn keine Nebenwirkungen aufgetreten sind – über eine Stunde infundiert. Dieselbe Dosis kann noch 2-mal wiederholt werden, um die Symptome des Schlangenbisses, die Gerinnungsstörung und die Störung der physiologischen Parameter unter Kontrolle zu bringen. Kinder erhalten die gleiche Dosis wie Erwachsene; das Antivenin wird also nicht nach Alter und Körpergewicht dosiert. Der Umfang der betroffenen Extremität wird an drei verschiedenen Stellen oberhalb der Bisswunde gemessen und überprüft, ob sich die Grenzlinie des Ödems über die nächsten 15–30 Minuten weiter ausbreitet. Sollte dies der Fall sein, so kann eine zusätzliche Antivenindosis verabreicht werden. Sobald die Schwellung unter Kontrolle gebracht worden ist, können weitere Antivenindosen à 2 Ampullen in 250 ml Kochsalzlösung alle 6 Stunden dreimal wiederholt werden, um ein erneutes Anschwellen der betroffenen Glieder und andere toxische Effekte zu verhindern.

Crotalidae immune F(ab')2 (equine) ist ein neu verfügbares Gegengift für Pferde, das aus rekonstituierten Fragmenten von Crotalidae immune Fab2 besteht und zur Behandlung von nordamerikanischen Klapperschlangenbissen bei Erwachsenen und Kindern eingesetzt wird. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 10 Ampullen, die in 250 ml normaler Kochsalzlösung verdünnt werden und während der ersten 10 Minuten mit 25 bis 50 ml/Stunde infundiert werden, wobei auf Anzeichen von allergischen Reaktionen zu achten ist. Wenn keine Reaktionen auftreten, kann die Infusion mit der vollen Menge von 250 ml/Stunde bis zum Ende fortgesetzt werden. Diese erste Dosis kann bei Bedarf stündlich wiederholt werden, um das Fortschreiten der Symptome aufzuhalten. Späte oder wiederkehrende Symptome können mit zusätzlichen 4 Dosen behandelt werden.

Tipps und Risiken

  • Kindern wird die gleiche Dosis wie bei Erwachsenen gegeben, wenn sie von einer Grubenotter gebissen wurden.

Die spezielle Gruppenotter-Spezies kann die Dosis beeinflussen. Vergiftungen durch Wassermokassinottern, Kupferkopfschlangen und Pygmäenklapperschlangen erfordern kleinere Dosen des Antivenims. Allerdings sollte das Antiserum keinesfalls vorenthalten werden, wenn die Schlangenart nicht identifiziert werden konnte. Es sollte auch bei unklarer Identifizierung gegeben werden. Besondere Aufmerksamkeit brauchen Kinder, ältere Menschen und Patienten mit Vorerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, koronare Herzkrankheit), da sie empfindlicher auf die Gifte reagieren.

Für Bisse von Korallenottern (Micrurus spp.) steht ein polyvalentes Antiserum vom Pferd zur Verfügung. Die Dosis beträgt 5 Ampullen bei Vergiftungsverdacht und zusätzlich 10-–15 Ampullen, wenn sich Vergiftungssymptome entwickeln. Auch hier gibt es in bei Kindern und Erwachsenen keinen Unterschied in der Dosierung. Diese Dosierungsempfehlung kann bei temporärem Vorratsmangel des Antiserums reduziert werden.

Vorsichtsmaßnahmen vor der Behandlung mit Antivenin sollten bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegenüber spezifischer Antivenom, Pferde, Schafserum und bei Patienten mit einer Vorgeschichte von Asthma oder multiplen Allergien beachtet werden. Bei diesen Patienten sollten, wenn die Vergiftungserscheinungen lebensbedrohlich oder für die Vitalität der Gliedmaßen bedrohlich erscheinen, H1- und H2-Blocker gegeben werden, bevor das Antiserum verabreicht wird. Bei einer solchen Vorgehensweise muss der Arzt auf eine anaphylaktische Reaktion gefasst sein und sich entsprechend vorbereiten. Frühe anaphylaktoide Reaktionen auf das Antivenin treten relativ häufig auf und sind in der Regel auf eine zu rasche Infusion zurückzuführen. Die Therapie besteht dann in einer kurzfristigen Unterbrechung der Infusion und, wenn nötig, in der Gabe von Adrenalin, H1- und H2-Blockern und in Abhängigkeit vom Schweregrad in der intravenösen Flüssigkeitsgabe. Für gewöhnlich kann die Antiveningabe wiederaufgenommen werden, wenn die Infusionslösung weiter verdünnt und die Infusionsrate vermindert wird.

Eine Serumkrankheit kann sich entwickeln, die sich 7–21 Tage nach der Applikation des Antivenins manifestiert. Die typischen Symptome sind Fieber, Hautausschlag, Krankheitsgefühl, Urtikaria, Gelenkschmerzen und eine Lymphadenopathie. Die Behandlung besteht in der Gabe von H1-Blockern und einer Steroidtherapie mit einer hohen Anfangsdosis und langsamem Ausschleichen. Diese Therapie kann in der Regel mit oralen Kortikoiden durchgeführt werden.

Zusätzliche therapeutische Maßnahmen

Die Patienten sollten je nach Bedarf eine Tetanusimpfung oder Tetanusauffrischimpfung erhalten (siehe Tabelle Tetanusprophylaxe bei Routinewundbehandlung). Schlangenbisse können sich, wenn auch selten, infizieren und müssen dann antibiotisch behandelt werden. Gewöhnlich reichen Cephalosporine der ersten Generation aus, z. B. die orale Gabe von Cephalexin oder die IV Gabe von Cefazolin. Auch ein Breitspektrum-Penizillin wie z. B. Amoxicillin und Clavulansäure oder Ampicillin/Sulbactam kann zur Anwendung kommen. Zur Fortsetzung der antibiotischen Therapie sollte nach Abstrich eine Kultur angesetzt und entsprechend dem Antibiogramm und der Antibiotikaempfindlichkeit behandelt werden.

Die Wundversorgung bei Bissen ist ähnlich wie bei anderen Stichverletzungen. Das Gebiet wird gereinigt und abgedeckt. Ist der Biss in eine Extremität erfolgt, so wird diese auf eine Schiene in einer Funktionsstellung gelegt und hochgelagert. Der Verband sollte täglich gewechselt und dabei die Wunde gereinigt und neu steril verbunden werden. Bläschen, blutige Bläschen oder oberflächliche Nekrosen sollten operativ nach 3–10 Tagen debridiert werden, in mehreren Etappen, wenn nötig. Zur Wundreinigung und zur physikalischen Therapie können sterile Wundspülungen notwendig werden. Eine Fasziotomie (wie d. h. beim Kompartmentsyndrom) ist selten notwendig, und sollte nur bei schweren Durchblutungsstörungen erwogen werden, wenn ein erhöhter Gewebedruck von 30 mmHg über eine Stunde lang oder von < 30 mmHg unter dem diastolischen Wert eine schwere Gewebestörung verusacht, oder auch nach Hochlagern der betroffenen Extremität nicht verbessert wird, und auch nach intravenöser Gabe von Mannitol (1–2 g/kg KG) und einer zusätzlichen Antiveningabe keine Verbesserung zu erkennen ist. Ein massives Ödem allein ist kein Indikation für eine Fasziotomie. Zwei Tage nach dem Biss sollte ein vollständiger Status über die Gelenkbeweglichkeit, die Muskelkraft, die Sensibilität und den Umfang der betroffenen Extremität erhoben werden. Um Kontrakturen zu vermeiden, wird die Ruhigstellung öfter durch milde Bewegungsübungen unterbrochen, wobei allmählich von passiven zu aktiven Übungen übergegangen wird.

Die örtlichen Giftinformationszentralen, aber auch zoologische Gärten verfügen über ausreichende Erfahrung in der Behandlung von Schlangenbissen. Dies betrifft auch exotische, nicht heimische Schlangen. Diese Einrichtungen haben eine Liste von Ärzten, die sich mit der Identifizierung von Schlangenbissen und der Behandlung auskennen und geben auch Informationen über Antiseren weiter, und wo sie zu beziehen sind. Dieser Index katalogisiert die Lage und Anzahl der Ampullen mit Gegenmittel, die für alle einheimischen Giftschlangen und die exotischsten Arten verfügbar sind. Eine nationale Hotline ist unter der Nummer 1-800-222-1222 erreichbar.

Wichtige Punkte

  • In den USA gehören zu den häufigeren Giftschlangen die Klapperschlangen, die Kupferkopfschlangen und Wassermokassinottern (alle Grubenottern), wobei die Klapperschlangen für fast alle Bisse und Todesfälle verantwortlich sind.

  • Grubenottervergiftungen können lokale Befunde verursachen (z. B. Schmerzen, progressive Schwellung, Bluterguss) und systemische Befunde (z. B. Erbrechen, Schwitzen, Verwirrtheit, Blutungen, Fieber, Schmerzen in der Brust, Atemnot, Parästhesien, Hypotonie).

  • Körperliche Merkmale, die bei der Unterscheidung der Grubenvipern von ungiftigen Schlangen helfen, sind die elliptische Pupille, der dreieckige Kopf, versenkbare Zähne, wärmeempfindliche Grübchen zwischen den Augen und der Nase, und eine Rassel am Schwanzende.

  • Am Unfallort wird der Patient sofort aus dem Wirkungskreis der Schlange entfernt, und so schnell wie möglich zu einem Krankenhaus gebracht. Die gebissene Extremität wird lose eingeschlagen, immobilisiert und auf Herzhöhe gehalten. Enge Kleidung wird entfernt, auch Ringe und Uhren. Bisswunden dürfen nicht kreuzweise eingeschnitten, abgesaugt oder eingeschnürt werden.

  • Patienten mit Grubenotternbissen werden mindestens 8 h beobachtet, und länger, wenn die Befunde für eine Vergiftung sprechen.

  • Wunden und Symptome werden behandelt, und ein Giftinformationszentrum kontaktiert.

  • Ein Antiserum sollte früh und in der richtigen Dosierung verabreicht werden. Es gibt keinen Unterschied in der Dosierung für Erwachsene und Kinder.