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Anaphylaxie

VonJames Fernandez, MD, PhD, Cleveland Clinic Lerner College of Medicine at Case Western Reserve University
Reviewed ByBrian F. Mandell, MD, PhD, Cleveland Clinic Lerner College of Medicine at Case Western Reserve University
Überprüft/überarbeitet Aug. 2024
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Die Anaphylaxie ist eine akute potenziell lebensbedrohliche IgE-vermittelte allergische Reaktion, die bei bereits sensibilisierten Personen auftritt, wenn sie erneut mit dem auslösenden Antigen in Berührung kommen. Die Symptome können sich als Stridor, Dyspnoe und Hypotonie äußern. Die Diagnose wird klinisch gestellt. Die Behandlung erfolgt mit Adrenalin. Zur Behandlung von Bronchospasmus und Ödemen der oberen Atemwege ist evtl. die Inhalation oder Injektion von Betaagonisten und manchmal eine endotracheale Intubation notwendig. Bei andauernder Hypotonie werden Flüssigkeit und manchmal Vasopressoren intravenös infundiert.

(Siehe auch Übersicht der Allergischen und Atopischen Erkrankungen.)

Anaphylaxie ist eine schwerwiegende, systemische Überempfindlichkeitsreaktion, die in der Regel rasch einsetzt und durch eine potenziell lebensbedrohliche Beeinträchtigung der Atmung und/oder des Kreislaufs gekennzeichnet ist (1).

Die Lebenszeitprävalenz von Anaphylaxie wird auf 1,6 bis 5,1% geschätzt (1). Eine tödliche Anaphylaxie ist selten.

Allgemeiner Hinweis

  1. 1. Golden DBK, Wang J, Waserman S, et al. Anaphylaxis: A 2023 practice parameter update. Ann Allergy Asthma Immunol 2024;132(2):124-176. doi: 10.1016/j.anai.2023.09.015

Ätiologie der Anaphylaxie

Anaphylaxie wird typischerweise ausgelöst durch

  • Medikamente (z. B. Betalaktam-Antibiotika, Insulin, Streptokinase, Allergenextrakte)

  • Lebensmittel (z. B. Nüsse, Eier, Meeresfrüchte)

  • Proteine (z. B. Tetanusantitoxin, Bluttransfusionen)

  • Tierische Gifte

  • Latex

Erdnüsse, Latex, Schalentiere und andere Allergene können in der Luft vorhanden sein. Gelegentlich kann körperliche Belastung oder Kälteexposition zu einer anaphylaktischen Reaktion beitragen bzw. diese auslösen.

Eine Atopievorgeschichte erhöht zwar nicht das Anaphylaxierisiko, kann aber das Risiko erhöhen, dass eine anaphylaktische Reaktion zum Tod führt.

Pathophysiologie der Anaphylaxie

Wechselwirkungen zwischen Antigen und IgE auf Basophilen und Mastzellen stimulieren die Freisetzung von Histamin, Leukotrienen und anderen Mediatoren, wodurch Kontraktionen der glatten Muskulatur (was zu Bronchokonstriktion, Erbrechen oder Diarrhoe führt) und Vasodilatation mit Plasmaaustritt in das Gewebe (was zu Urtikaria oder Angioödem führen kann) verursacht werden.

Anaphylaxieähnliche Reaktionen

Anaphylaktoide Reaktionen unterscheiden sich klinisch nicht von einer Anaphylaxie. Bei ihnen ist jedoch kein IgE an den Reaktionen beteiligt und es ist keine Vorsensibilisierung erforderlich. Zu diesen Reaktionen kommt es durch direkte Stimulierung der Mastzellen oder über Immunkomplexe, die Komplement aktivieren.

Die häufigsten Auslöser von anaphylaktischen Reaktionen sind

  • iodorganische Röntgenkontrastmittel

  • Aspirin und andere nichtsteroidale antientzündliche Medikamente (NSAID)

  • Opioide

  • Monoklonale Antikörper

  • Körperliche Betätigung

Symptome und Anzeichen von Anaphylaxie

Die Symptome einer Anaphylaxie beginnen innerhalb 15 Minuten nach der Exposition und betreffen typischerweise die Haut, die oberen und unteren Atemwege, das Herz-Kreislauf-System und/oder den Gastrointestinaltrakt. Es können ein oder mehrere Bereiche betroffen sein, und die Symptome müssen nicht unbedingt von leicht (z. B. Urtikaria) bis schwer (z. B. Atemwegsobstruktion, irreversiblem Schock) fortschreiten, auch wenn jeder Patient bei einem nachfolgenden Kontakt normalerweise die gleichen Reaktionen zeigt.

Die Symptome variieren von leicht bis zu schwer. Die Ausprägungen können sein: Rötung, Juckreiz, Urtikaria, Niesen, Rhinorrhoe, Übelkeit, abdominale Krämpfe, Diarrhoe, Erstickungsgefühl oder Atemnot, Herzklopfen und Schwindel.

Zu den Sympomen einer Anaphylaxie gehören Hypotonie, Tachykardie, Urtikaria, Angioödem, Kurzatmigkeit, Atemgeräusche, Zyanose und Synkopen. Innerhalb von Minuten kann sich ein Schock entwickeln, der Patient kann krampfen, nicht mehr ansprechbar sein und versterben. Ein kardiovaskulärer Kollaps kann ohne respiratorische oder andere Beschwerden auftreten.

Spätphasenreaktionen treten 4 bis 8 Stunden nach dem Ausgesetztsein oder später auf. Die Symptome und Manifestationen sind in der Regel weniger schwer, als sie ursprünglich waren, und können auf die Urtikaria begrenzt sein; sie können jedoch auch schwerer oder lebensbedrohlich sein. Daher sollten Patienten, die eine anaphylaktische Reaktion zeigen, nach der ersten Reaktion mehrere Stunden lang in einer Akutklinik beobachtet werden.

Diagnose von Anaphylaxie

  • Anamnese und körperliche Untersuchung

  • Manchmal Messung des Tryptase-Serumspiegels

Die Diagnose einer Anaphylaxie wird klinisch gestellt. Der Verdacht auf Anaphylaxie liegt vor, wenn eine der folgenden Reaktionen plötzlich ohne anderweitige Erklärung auftreten:

  • Schock

  • Respiratorische Symptome (z. B. Atemnot, Stridor, Keuchen)

  • Zwei oder mehrere andere Manifestationen einer möglichen Anaphylaxie (z. B. Angioödem, Schnupfen, gastrointestinale Symptome)

Das Risiko einer raschen Schockentwicklung lässt keine Zeit für Untersuchungen, obwohl leichte, zweifelhafte Fälle durch die Messung des Tryptase-Serumspiegels (vorzugsweise innerhalb von 2 Stunden nach der Reaktion) bestätigt werden können. Während der Anaphylaxie sind diese Werte erhöht, und ihre Messung kann zur Bestätigung der Diagnose beitragen, wenn sie unklar ist oder wenn die Symptome wieder auftreten (z. B. nach einer Behandlung mit IV Medikamenten).

Die Ursache ist in der Regel leicht anhand der Anamnese zu erkennen. Wenn Mitarbeiter des Gesundheitswesens unerklärliche anaphylaktische Symptome haben, sollte eine Latexallergie in Betracht gezogen werden.

Tipps und Risiken

  • An eine Latex-Allergie muss gedacht werden, wenn Gesundheitspersonal ungeklärte anaphylaktische Symptome zeigen.

Behandlung der Anaphylaxie

  • Sofortige Gabe von Adrenalin

  • Manchmal Intubation

  • Infusionen und manchmal Vasopressoren bei anhaltender Hypotonie

  • Antihistaminika

  • Inhalative Betaagonisten zur Bronchokonstriktion

Anaphylaktoide Reaktionen werden ähnlich wie anaphylaktische Reaktionen behandelt.

Epinephrin

Adrenalin ist der Grundpfeiler der Behandlung von Anaphylaxie und sollte unverzüglich verabreicht werden. Es kann evtl. alle Symptome sofort lindern.

Die Anwendung von Adrenalin kann subkutan oder intramuskulär erfolgen (bei Erwachsenen beträgt die übliche Dosis 0,3-0,5 ml einer 1:1000-Lösung [0,1%], bei Kindern 0,01 ml/kg alle 5-15 Minuten). Die maximale Absorption erfolgt, wenn Epinephrin intramuskulär im anterolateralen (mittleren äußeren) Bereich des Oberschenkels verabreicht wird.

Management des Herzstillstands erfolgt nach Standardprotokollen. Bei Patienten mit Hypotonie oder schwerer Atemwegsobstruktion kann Adrenalin intravenös oder intraossär verabreicht werden. Ein kontinuierlicher Tropf mit einer Infusionspumpe wird bevorzugt, aber wenn die Verzögerung zur Vorbereitung des Tropfs und der Pumpe nicht akzeptabel ist, kann Adrenalin als eine einzelne langsame i.v. Bolusdosis von 0,05–0,1 mg (0,5–1 ml einer 0,1 mg/ml [1:10.000]-Lösung über 1–2 Minuten) verabreicht werden. Für eine kontinuierliche Infusion wird 1 mg Epinephrin in 250 ml 5% Dextrose in Wasser oder 0,9% Kochsalzlösung gemischt, um eine Konzentration von 4 mcg/ml zu erreichen. Die Infusion wird mit 0,1 mcg/kg/Minute begonnen und alle 2 bis 3 Minuten je nach Bedarf basierend auf Blutdruck, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung um 0,05 mcg/kg/Minute erhöht. Wenn das Gewicht des Patienten nicht genau geschätzt werden kann, beträgt die empfohlene Anfangsdosis für Erwachsene 1 bis 2 mcg/Minute, die alle 2 bis 3 Minuten um 2 bis 4 mcg/Minute erhöht wird. Wenn ein initialer Bolus gewünscht wird, aber der IV-Zugang verzögert ist, können stattdessen 0,2 bis 0,25 mg Epinephrin über einen Endotrachealtubus verabreicht werden (2 bis 2,5 ml einer 0,1 mg/ml Lösung, verdünnt auf 5 bis 10 ml mit sterilem Wasser oder Kochsalzlösung); alternativ kann eine zweite IM-Dosis von Epinephrin verabreicht werden.

Eine Therapie mit Betablockern ist nachweislich ein Risikofaktor für Anaphylaxie. Aufgrund des Wirkmechanismus von Adrenalin kann seine Wirksamkeit bei der Behandlung von Anaphylaxie vermindert sein, wenn ein Patient einen Betablocker einnimmt. Da Adrenalin jedoch die wirksamste Therapie bei Anaphylaxie ist, sollte es unabhängig von einer Betablockertherapie eingesetzt werden. Auch wenn einige Studien die geringere Wirksamkeit von Adrenalin nicht belegen, wird dennoch dringend empfohlen, Betablocker in Situationen zu vermeiden, in denen ein hohes Risiko für Anaphylaxie besteht, wie z. B. bei der Allergie-Immuntherapie oder der Verabreichung von Omalizumab (1, 2, 3). Für Patienten, die orale Betablocker einnehmen, wird empfohlen, Glukagon 1 bis 5 mg IV über 5 Minuten (20 bis 30 mcg/kg bei Kindern) zu verabreichen, gefolgt von einer Infusion mit 5 bis 15 mcg/Minute. Eine schnelle Verabreichung von Glucagon kann Erbrechen verursachen.

Weitere therapeutische Maßnahmen

Patienten mit Stridor und Keuchen, die nicht auf Adrenalin ansprechen, sollten Sauerstoff erhalten und intubiert werden. Eine frühzeitige Intubation ist empfehlenswert, da sich ein Ödem der oberen Luftwege – während man das Ansprechen auf Adrenalin abwartet – so weit ausbreiten kann, dass eine endotracheale Intubation nicht mehr möglich ist und eine Koniotomie notwendig wird.

Eine Hypotonie verschwindet häufig nach der Gabe von Adrenalin. Persistierende Hypotonie kann in der Regel mit isotonischen i.v. Flüssigkeiten (z. B. 0,9% ige Kochsalzlösung) behandelt werden. Vasopressoren (z. B. Dopamin) können erforderlich werden, wenn der Patient weder auf Flüssigkeitsersatz noch auf IV Adrenalin anspricht.

Antihistaminika – sowohl H1 - (z. B. Diphenhydramin) als auch H2 -Blocker (z. B. Cimetidin) – sollten alle 6 Stunden verabreicht werden, bis sich die Symptome zurückbilden.

Die Inhalation von Betaagonisten (z. B. Albuterol) eignet sich zur Behandlung der Bronchokonstriktion, die nach der Behandlung mit Adrenalin weiterhin besteht.

Kortikosteroide haben keine nachgewiesene Rolle, können aber helfen, eine Spätphasenreaktion zu verhindern.

Literatur zur Therapie

  1. 1. White JL, Greger KC, Lee S, et al: Patients taking β-Blockers do not require increased doses of epinephrine for anaphylaxis. J Allergy Clin Immunol Pract 6 (5):1553–1558.e1, 2018. doi: 10.1016/j.jaip.2017.12.020

  2. 2. Sturm GJ, Herzog SA, Aberer W, et al: β-blockers and ACE inhibitors are not a risk factor for severe systemic sting reactions and adverse events during venom immunotherapy. Allergy 76 (7):2166–2176, 2021. doi: 10.1111/all.14785

  3. 3. Tejedor-Alonso MA, Farias-Aquino E, Elia Pérez-Fernández E, et al: Relationship between anaphylaxis and use of beta-blockers and angiotensin-converting enzyme inhibitors: A systematic review and meta-analysis of observational studies. J Allergy Clin Immunol Pract 7 (3):879–897.e5, 2019. doi: 10.1016/j.jaip.2018.10.042

Prävention von Anaphylaxie

Die primäre Prävention der Anaphylaxie besteht im Vermeiden bekannter auslösender Allergene. Eine Desensibilisierung gegen allergene Auslöser wird durchgeführt, wenn ein Kontakt nicht zuverlässig vermieden werden kann (z. B. Insektenstiche).

Patienten mit bekannten anaphylaktischen Reaktionen gegen Röntgen-Kontrastmittel sollten eine nochmalige Exposition vermeiden. Ist diese jedoch unumgänglich, wird Prednison in 3 Dosen zu je 50 mg oral alle 6 Stunden gegeben, beginnend 18 Stunden vor der Untersuchung, und eine Stunde vor Untersuchungsbeginn Diphenhydramin, 50 mg oral (siehe oben). Die Wirksamkeit dieser Vorgehensweise ist jedoch nicht belegt.

Omalizumab kann zur Prävention von allergischen Reaktionen des Typs 1 (einschließlich Anaphylaxie) eingesetzt werden, die bei Patienten ≥ 1 Jahr mit einer IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergie bei versehentlichem Kontakt mit einem oder mehreren Nahrungsmitteln auftreten können.

Patienten mit anaphylaktischen Reaktionen auf Insektenstiche, Nahrungsmittel oder andere bekannte Substanzen sollten ein SOS-Armband tragen und zur sofortigen Selbstbehandlung bei erneuter Exposition eine mit Adrenalin gefüllte Spritze (0,3 mg für Erwachsene und 0,15 mg für Kinder) oder orale Antihistaminika mit sich führen. Wenn eine schwerwiegende Reaktion auftritt, sollte den Patienten geraten werden, diese Behandlungen so schnell wie möglich anzuwenden und sich dann an die Notaufnahme zu wenden. Dort können sie genau überwacht werden und die Behandlung kann wiederholt oder nach Bedarf eingestellt werden.

Wichtige Punkte

  • Typische Auslöser für eine Anaphylaxie sind Medikamente (z. B. Betalaktam-Antibiotika, Allergenextrakte), Nahrungsmittel (z. B. Nüsse, Meeresfrüchte), Proteine (z. B. Tetanus-Antitoxin, Bluttransfusionen), tierische Gifte und Latex.

  • Nicht-IgE-vermittelte Reaktionen mit anaphylaktischen Manifestationen (anaphylaktoide Reaktionen) können durch ein jodiertes radiopakes Kontrastmittel, Aspirin, andere nichtsteroidale Antiphlogistika, Opioide, monoklonale Antikörper und Bewegung verursacht werden.

  • Der Verdacht auf Anaphylaxie ist gegeben, wenn Patienten unerklärliche Hypotonie, respiratorische Symptome oder ≥ 2 anaphylaktische Manifestationen (z. B. Angioödem, Schnupfen, gastrointestinale Symptome) haben.

  • Adrenalin muss sofort gegeben werden, weil sich anaphylaktische Symptome schnell zu einer Atemwegsokklusion oder zum Schock entwickeln können; Adrenalin kann alle Symptome lindern.

  • Weisen Sie die Patienten an, stets ein Alarmarmband zu tragen und eine vorgefüllte, selbstinjizierende Adrenalinspritze zur sofortigen Selbstbehandlung nach der Exposition mitzuführen.