Körperliche Untersuchung des Neugeborenen

VonDeborah M. Consolini, MD, Thomas Jefferson University Hospital
Überprüft/überarbeitet Sept. 2023
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Eine gründliche körperliche Untersuchung des Neugeborenen sollte innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt durchgeführt werden. Bei der Untersuchung im Beisein der Eltern haben diese die Möglichkeit, Fragen zu stellen, und der Arzt kann auf körperliche Befunde hinweisen und vorausschauende Begleitung leisten. Es werden auch routinemäßige Screening-Tests durchgeführt, um Probleme zu erkennen, die bei der körperlichen Untersuchung nicht erkannt werden können (siehe Screening-Tests für Neugeborene).

Zu den grundlegenden Messungen gehören Körperlänge, Körpergewicht und Kopfumfang (siehe auch Wachstumsparameter bei Neugeborenen). Die Körperlänge wird vom Scheitel bis zur Sohle gemessen; die Werte sollten auf einer Perzentilenkurve eingetragen und mit den Normwerten, die sich nach dem Gestationsalter richten, verglichen werden. Wenn das Gestationsalter ungewiss ist oder wenn das Kind zu groß für das Gestationsalter oder zu klein für das Gestationsalter erscheint, kann das Gestationsalter anhand von physischen und neuromuskulären Befunden genauer bestimmt werden (siehe Abbildung Beurteilung der Schwangerschaftsdauer — neuer Ballard-Score). Diese Methode ist auf ± 2 Wochen genau; beim kranken Neugeborenen sind diese Methoden jedoch weniger zuverlässig.

Beurteilung der Schwangerschaftsdauer — neuer Ballard-Score

Um den Gesamtwert zu erhalten, werden Werte aus den neuromuskulären und physischen Bereichen hinzugefügt. (Adapted from Ballard JL, Khoury JC, Wedig K, et al: New Ballard score, expanded to include extremely premature infants. Pediatrics 119(3):417–423, 1991. doi: 10.1016/s0022-3476(05)82056-6; used with permission of the CV Mosby Company.)

Viele Ärzte beginnen mit einer Untersuchung des Herzens und der Lunge, gefolgt von einer systematischen Untersuchung von Kopf bis Fuß, wobei besonders auf Anzeichen von Geburtstraumata und angeborenen Fehlbildungen geachtet wird.

Kardiorespiratorisches System

(Siehe auch Angeborene kardiovaskuläre Anomalien.)

Das Herz und die Lunge werden dann beurteilt, wenn das Kind ruhig ist.

Zuerst wird identifiziert, an wo die Herztöne am lautesten sind (um eine Dextrokardie auszuschließen). Herzfrequenz (normal: 100–160 Schläge/Minute) und Rhythmus werden geprüft. Der Rhythmus sollte regelmäßig sein, wenngleich durch vorzeitige atriale oder ventrikuläre Erregungen ausgehende Arrhythmien nicht selten sind. Ein innerhalb der ersten 24 Stunden auskultierbares Systolikum wird in aller Regel durch den noch persistierenden Ductus arteriosus (PDA, persistierender Ductus arteriosus) verursacht. Das Verschwinden des PDA-Geräuschs kann meist innerhalb der ersten drei Lebenstage durch die tägliche Auskultation bestätigt werden.

Die Leistenpulse (Femoralispulse) werden geprüft und mit den Pulsen der A. brachialis verglichen. Ein schwacher oder verzögerter Femoralispuls lässt eine Aortenisthmusstenose (Coarctatio aortae) oder eine Stenose des linksventrikulären Ausflusstraktes vermuten. Liegt eine zentrale Zyanose vor, besteht der Verdacht auf einen Herzfehler, eine Lungenkrankheit oder eine Sepsis.

Die Beurteilung des respiratorischen Systems erfolgt durch Auszählung der Atemfrequenz über eine komplette Minute, da die Atmung von Neugeborenen unregelmäßig ist; die normale Atemfrequenz liegt zwischen 40–60 Atemzügen/Minute. Bei der Untersuchung des Brustkorbs wird auf die Symmetrie geachtet, die Atemgeräusche sollten überall gleichmäßig sein. Stöhnen, flatternde Nasenflügel und Einziehungen sind Zeichen einer Dyspnoe.

Kopf und Hals

Bei Entbindung aus Scheitellage ist der Kopf üblicherweise verformt. Die Schädelknochen überlappen sich an den Nähten, zudem findet sich meist eine gewisse Schwellung und Ekchymose der Kopfhaut (Caput succedaneum). Bei Entbindung aus Steißlage ist die Verformung des Kopfes geringer ausgeprägt; die Schwellung und die Ekchymose treten am vorangehenden Körperteil (d. h. Gesäß, Genitale oder Füße) auf. Die Fontanellen variieren in ihrem Durchmesser zwischen einer Breite von einer Fingerkuppe bis hin zu einigen Zentimetern. Eine große vordere Fontanelle und eine etwas mehr als fingerspitzenbreite hintere Fontanelle können Anzeichen einer Hypothyreose sein.

Häufig findet sich ein Kephalhämatom, eine Ansammlung von Blut zwischen Periost und Knochen, die sowohl über einem als auch über beiden Parietalknochen, gelegentlich auch okzipital, zu finden sein kann. Es kann eine Schwellung auftreten, die die Schädelnähte aber nicht überschreitet. Kephalhämatome fallen normalerweise nicht auf, bevor das Weichteilödem verschwindet und gehen langsam über einige Monate zurück.

Kopfgröße und Form werden untersucht, um einen angeborenen Hydrozephalus zu erkennen.

Zahlreiche genetische Syndrome verursachen kraniofaziale Anomalien. Das Gesicht wird auf Symmetrie und normale Ausbildung, insbesondere des Unterkiefers, des Gaumens, der Ohrmuscheln und der äußeren Gehörgänge, untersucht.

Die Augen können oft am Tag nach der Geburt besser untersucht werden, da der Geburtsvorgang Schwellungen um die Augenlider verursachen kann. Bei der Untersuchung der Augen wird der Rotreflex untersucht; ein Fehlen kann auf ein Glaukom, eine Katarakt oder ein Retinoblastom hinweisen. Eine subkonjunktivale Blutung wurde möglicherweise durch eine Geburtszange verursacht.

Ein niedriger Ohransatz kann auf genetische Anomalien hinweisen, einschließlich Trisomie 18 und Trisomie 21 (Down-Syndrom). Fehlbildungen der Ohren, der äußeren Gehörgänge oder beides sind bei vielen genetischen Syndromen gegeben. Kliniker sollten auf äußere Ohrgrübchen oder Ohrenanhängsel achten, die manchmal mit Hörverlust und Nierenanomalien einhergehen.

Der Arzt sollte den Gaumen palpieren, um auch Fehlbildungen des weichen und harten Gaumens auszuschließen. Gesichtsspalten gehören zu den häufigsten angeborenen Defekten. Manche Neugeborene kommen mit einer Zahnfleischgeschwulst (Epulis) zur Welt, einem benignen Hamartom des Zahnfleischs, das bei entsprechender Größe zu Trink- bzw. Fütterproblemen führen und die Atemwege verlegen kann. Diese Läsionen können dauerhaft entfernt werden. Manche Neugeborene kommen mit primären und bereits sichtbaren Zähnen zur Welt. Bei der Geburt vorhandene Zähne haben keine Wurzeln und müssen eventuell entfernt werden, da sie herausfallen und aspiriert werden können. Am harten Gaumen können Inklusionszysten, auch Epstein-Perlen genannt, gefunden werden.

Bei der Untersuchung des Halses muss das Kinn angehoben werden, um Fehlbildungen wie zystische Hygrome, eine Struma oder Kiemenbogenreste zu entdecken. Ein Schiefhals (Torticollis) kann durch ein Hämatom des M. sternocleidomastoideus als Folge eines Geburtstraumas entstehen.

Bauchraum und Becken

Der Bauch sollte rund und symmetrisch sein. Eine kahnförmige Einziehung der Bauchdecken kann auf eine Zwerchfellhernie hinweisen, durch die sich in utero Bauchorgane in den Brustkorb verlagern können, was zu einer Lungenhypoplasie und postnataler Atemnot führen kann. Eine abdominale Asymmetrie kann auf eine Raumforderung hinweisen.

Der Milzrand ist bei etwa 30% der Neugeborenen tastbar. Splenomegalie (Milzrand > 2 cm unterhalb des linken Rippenbogens tastbar) deutet auf eine kongenitale Infektion oder hämolytische Anämie hin.

Die Nieren können bei tiefer Palpation fühlbar sein, links eher als rechts. Große Nieren können ein Hinweis auf eine Obstruktion, Tumoren oder Zysten im Bereich der ableitenden Harnwege sein.

Die Leber kann normalerweise 1–2 cm unterhalb des Rippenbogens palpiert werden. Eine Nabelhernie, verursacht durch eine zu schwache Ausbildung der umbilikalen Ringmuskeln, tritt oft auf, ist aber selten von klinischer Bedeutung. Ein normal gesetzter, offen liegender Anus sollte bestätigt werden.

Bei Jungen muss der Penis auf eine Hypospadie oder Epispadie untersucht werden. Bei reifen männlichen Neugeborenen sollten beide Hoden im Skrotum liegen (siehe Kryptorchismus). Eine skrotale Schwellung kann durch eine Hydrozele, Leistenhernie (inguinale Hernie) oder, seltener, durch eine Hodentorsion hervorgerufen worden sein. Ein typisches Zeichen der Hydrozele ist die positive Diaphanoskopie. Zeichen einer Torsion, die ein chirurgischer Notfall ist, sind Ekchymosen und ein derber Palpationsbefund.

Bei reifen weiblichen Neugeborenen sind die Schamlippen prominent. Muköse und serös-blutige vaginale Sekretionen (Pseudomenses) sind normal; sie werden durch die kindliche Exposition gegenüber intrauterin übertragenen mütterlichen Hormonen und dem geburtsbedingten Entzug verursacht. Ein kleines Anhängsel hymenalen Gewebes an der posterioren Fourchette, die auf Stimulation durch mütterliche Hormone zurückgeführt wird, ist gelegentlich zu finden, verschwindet aber innerhalb weniger Wochen.

Uneindeutige Genitalien (Intersexualität) können auf mehrere seltene Erkrankungen hinweisen (z. B. kongenitale adrenale Hyperplasie; 5-alpha-Reduktase-Mangel; Klinefelter-Syndrom, Turner-Syndrom oder Swyer Syndrom). Eine Überweisung an einen Endokrinologen für eine Beurteilung und ein Gespräch mit der Familie über Vorteile und Risiken einer sofortigen oder einer späteren Geschlechtszuordnung ist angezeigt.

Muskuloskelettales System

Die Extremitäten werden auf Missbildungen, Amputationen (unvollständige oder fehlende Gliedmaßen), Kontrakturen und Fehlentwicklungen untersucht. Eine brachiale Nervenlähmung durch ein Geburtstrauma kann sich dadurch bemerkbar machen, dass die Armbewegung auf der betroffenen Seite eingeschränkt ist oder nicht spontan ausgeführt werden kann. Manchmal kommt eine Adduktion und eine Innenrotation der Schulter und eine Pronation des Unterarms hinzu.

Die Wirbelsäule wird auf Anzeichen für eine Spina bifida, insbesondere auf eine Exposition der Hirnhäute, des Rückenmarks oder beides (Meningomyelozele) untersucht.

Eine orthopädische Untersuchung beinhaltet die Palpation der langen Röhrenknochen auf Geburtstraumata (insbesondere eine Schlüsselbeinfraktur), ist aber in der Hauptsache auf die Erkennung einer Hüftdysplasie ausgerichtet. Risikofaktoren hierür sind weibliches Geschlecht, Geburt aus Steißlage, Zwillingsschwangerschaft und eine positive Familienanamnese. Die Barlow- und Ortolani-Tests werden angewendet, um eine Dysplasie auszuschließen. Diese Tests müssen ausgeführt werden, wenn das Neugeborene ruhig ist. Die Startposition ist für beide gleich: die Neugeborenen werden auf den Rücken gelegt, die Hüften und Knie um 90° gedreht (die Füße befinden sich dabei nicht auf der Unterlage). Die Füße sind dem Arzt zugewendet, der seinen Zeigefinger auf den Trochanter major und seinen Daumen auf den Trochanter minor legt.

Beim Barlow-Test adduziert der Arzt die Hüfte (d. h., das Knie wird über den Körper gezogen) und schiebt den Oberschenkel nach hinten. Ein fühlbares, aber nicht hörbares Klirren zeigt an, dass sich der Oberschenkelkopf aus der Hüftpfanne herausbewegt hat; das Ortolani-Manöver bringt ihn dann wieder zurück in die ursprüngliche Position und bestätigt die Diagnose.

Für den Ortolani-Test wird die Hüfte in die Ausgangsposition zurückbewegt. Anschließend wird die zu testende Hüfte abduziert. Dabei wird das Knie von der Mittellinie weg in Richtung des Behandlungstisches bewegt, sodass es zu einer Froschbeinstellung kommt. Nun wird die Hüfte sanft nach vorne gezogen. Ein palpabler Klick des Femurkopfs bei der Abduktion spricht für eine Bewegung des bereits dislozierten Femurkopfs in das Azetabulum und wird als positives Zeichen für das Vorliegen einer Hüftgelenksdysplasie gewertet.

Die Manöver können bei Kindern > 3 Monate falsch-negativ sein, da die Hüftmuskeln und -bänder straffer sind. Manche Experten empfehlen die Hüftsonographie in diesem Alter für alle Kinder mit Risikofaktoren. Wenn der Befund unklar ist oder auch wenn ein hohes Risiko besteht (z. B. Mädchen nach Geburt aus Steißlage), sollte im Alter von 4–6 Wochen eine Hüftsonographie erfolgen.

Neurologisches System

Beim Neugeborenen werden der Tonus, das Maß an Aufmerksamkeit, die Bewegung der Extremitäten und die Reflexe beurteilt. Typischerweise sind die neonatalen Reflexe, inklusive Moro-, Saug- und Suchreflex, auslösbar.

  • Moro-Reflex: Die Reaktion des Neugeborenen auf einen Schreck kann durch leichtes Abheben der Arme von der Unterlage und plötzliches Loslassen ausgelöst werden. Das Neugeborene streckt daraufhin Arme und Finger, beugt die Hüften und beginnt zu weinen.

  • Suchreflex: Ein Streicheln der Wange oder der lateralen Lippen bewirkt, dass der Säugling seinen Kopf zur Seite der Berührung dreht und seinen Mund öffnet.

  • Saugreflex: Ein Schnuller oder ein behandschuhter Finger wird verwendet, um diesen Reflex auszulösen.

Diese Reflexe sind einige Monate lang vorhanden und sind Zeichen für eine normale Entwicklung des peripheren Nervensystems.

Aussehen

Die Haut des Neugeborenen ist normalerweise rosig; eine Zyanose der Finger und Zehen in den ersten Lebensstunden ist aber nicht ungewöhnlich. Die Vernix caseosa (sog. Käseschmiere) bedeckt die meisten Neugeborenen mit einem Gestationsalter von > 24 SSW. Trockene und schuppende Haut zeigen sich oft in den ersten Tagen, v. a. im Bereich der Hautfalten an Hand- und Fußgelenken.

An den Stellen, die während der Geburt traumatisiert wurden, können sich Petechien zeigen, so z. B. im Gesicht, sofern es der vorangehende Körperteil war; bei generalisierten Petechien muss aber eine Thrombozytopenie ausgeschlossen werden.

Viele Neugeborene haben ein Erythema toxicum neonatorum, ein gutartiges Erythem mit weißlichen oder gelblichen Papeln. Die Hauterscheinungen treten zumeist innerhalb der ersten 24 h auf, sind am ganzen Körper zu finden und können bis zu 2 Wochen zu sehen sein.