Idiopathische entzündliche Myopathien sind eine Gruppe von Autoimmunerkrankungen, die Entzündungen und Muskelschwäche verursachen und auch die Haut und andere Organe befallen können. „Idiopathisch“ bedeutet „unbekannt“ und „Myopathie“ bedeutet „Anomalie oder Erkrankung des Muskelgewebes“.
Die Muskelschäden können zu Muskelschwäche führen, bei der die Betroffenen die Arme nur schwer über Schulterhöhe anheben, Treppen steigen oder aus einer sitzenden Position aufstehen können.
Der Arzt prüft die Muskelenzyme im Blut sowie die elektrische Muskelaktivität, nimmt möglicherweise eine Magnetresonanztomografie der Muskeln vor und untersucht das Muskelgewebe.
Kortikosteroide und andere Immunsuppressiva oder Immunglobulin oder eine Kombination davon sind in der Regel wirksam.
(Siehe auch Übersicht über systemische rheumatische Erkrankungen.)
Es gibt verschiedene Formen der idiopathischen entzündlichen Myopathie:
Dermatomyositis
Antisynthetase-Syndrom
Nekrotisierende Myositis
Einschlusskörpermyositis
Polymyositis
Myositis bei Überlappungssyndrom
Diese Erkrankungen führen zu einer Entzündung der Muskulatur (Myositis), einer lähmenden Muskelschwäche und gelegentlich zu Druckempfindlichkeit. Meist sind Schultern und Hüften betroffen, aber die Muskelschwäche kann symmetrisch im ganzen Körper auftreten.
Idiopathische entzündliche Myopathien treten in der Regel bei Erwachsenen im Alter von 40 bis 60 Jahren oder bei Kindern im Alter von 5 bis 15 Jahren auf. Frauen entwickeln eine Form dieser Erkrankung mit höherer Wahrscheinlichkeit als Männer.
Bei Erwachsenen treten idiopathische entzündliche Myopathien allein oder in Verbindung mit systemischen rheumatischen Erkrankungen auf, wie z. B. mit Mischkollagenose, systemischem Lupus erythematodes oder systemischer Sklerodermie.
Die Ursache der idiopathischen entzündlichen Myopathie ist unbekannt, aber eine Autoimmunreaktion auf Muskelgewebe scheint bei Menschen mit bestimmten Genen ein Auslöser zu sein, und diese Krankheiten können familiär gehäuft auftreten. Weitere Auslöser sind Virusinfektionen, bestimmte Medikamente und Krebs.
Formen von idiopathischen entzündlichen Myopathien
Eine Dermatomyositis verursacht in der Regel Hautveränderungen, die bei anderen entzündlichen Myopathien nicht auftreten, was den Ärzten hilft, zwischen den verschiedenen Formen zu unterscheiden. Bei Kindern (und gelegentlich auch bei Erwachsenen) führt die Dermatomyositis dazu, dass sich Kalzium in oder unter der Haut und in den Muskeln oder Sehnen ansammelt. Diese Komplikation wird Kalzinose genannt.
Das Antisynthetase-Syndrom kann auch verschiedene Veränderungen und Symptome verursachen, unter anderem entzündliche Arthritis, Fieber, interstitielle Lungenerkrankung, dicke und raue Hautflecken an den Fingern (Mechanikerhände) und das Raynaud-Syndrom.
Eine nekrotisierende Myositis kann zu einer schwereren und schneller fortschreitenden Schwäche führen als die anderen entzündlichen Myopathien und mit größerer Wahrscheinlichkeit Schluckbeschwerden verursachen.
Die Einschlusskörpermyositis führt zu Muskelschwäche und Muskelschwund, am häufigsten in den Beinen, Händen und Füßen. Diese Krankheit entwickelt sich bei älteren Menschen, schreitet langsamer voran und verschwindet normalerweise auch dann nicht, wenn die Betroffenen Immunsuppressiva einnehmen. Das Muskelgewebe hat auch ein anderes Erscheinungsbild unter dem Mikroskop.
Die Polymyositis verursacht bei den Betroffenen auch Schwäche, aber keine Hautveränderungen.
Eine Myositis bei Überlappungssyndrom entsteht, wenn sich eine idiopathische entzündliche Myopathie bei einer Person zusammen mit einer anderen systemischen rheumatischen Erkrankung entwickelt, z. B. mit systemischen Lupus erythematodes oder systemischer Sklerose. Menschen mit einer systemischen rheumatischen Erkrankung haben zusätzlich zur Myositis auch Symptome dieser Erkrankung.
Symptome von idiopathischen entzündlichen Myopathien
Die Symptome einer idiopathischen entzündlichen Myopathie sind in jedem Alter gleich, wobei die Muskelentzündung bei Kindern meist plötzlicher auftritt als bei Erwachsenen. Während oder direkt nach einer Infektion können symmetrische Muskelschwäche (vor allem in den Oberarmen und Oberschenkeln), Gelenkschmerzen (oft mit nur geringen Muskelschmerzen), Schluckbeschwerden, Husten, Fieber, Erschöpfung und Gewichtsverlust auftreten. Das Raynaud-Syndrom, bei dem die Finger als Reaktion auf Kälte oder emotionalen Stress plötzlich weiß und gefühllos werden oder prickeln, kann ebenfalls vorkommen.
Muskelschwäche
Die Muskelschwäche kann plötzlich oder schleichend beginnen und sich über Wochen oder Monate verstärken.
Da die Muskeln in Rumpfnähe am heftigsten betroffen sind, kann es für die Patienten sehr schwierig werden, die Arme über die Schulterhöhe anzuheben (um zum Beispiel ihre Haare zu bürsten), Treppen zu steigen oder von einem Stuhl oder Toilettensitz aufzustehen. Sind die Nackenmuskeln betroffen, kann der Patient im Liegen womöglich nicht einmal den Kopf heben.
Muskelschwäche in den Schultern oder Hüften kann den Patienten in einen Rollstuhl zwingen oder ans Bett fesseln.
Im oberen Teil der Speiseröhre führt die Muskelschwäche zu Schluckbeschwerden und Herauswürgen der Nahrung.
Die Muskeln der Hände, Füße, Augen und des Gesichts sind jedoch in der Regel nicht betroffen, außer bei Personen mit Einschlusskörpermyositis.
Gelenkschmerzen und -entzündungen
Gelenkschmerzen und -entzündungen treten bei einigen Menschen auf.
Probleme mit inneren Organen
Innere Organe sind bis auf Rachen und Speiseröhre in der Regel nicht betroffen.
Die Lunge kann jedoch betroffen sein und eine interstitielle Lungenerkrankung, Kurzatmigkeit und Husten verursachen. Wenn das Herz betroffen ist, kann es zu einer Perikarditis und Kardiomyopathie kommen.
Gastrointestinale Symptome treten häufiger bei Menschen auf, die ein Überlappungssyndrom mit systemischer Sklerodermie haben. Bei Kindern mit Dermatomyositis kann es aufgrund einer Entzündung der Blutgefäße (Vaskulitis) zu Magen-Darm-Beschwerden kommen, unter Umständen mit Bluterbrechen, schwarzem, teerigem Stuhl und starken Bauchschmerzen, gelegentlich auch mit einem Darmdurchbruch (Perforation).
Skin (Hautveränderungen)
Bei Personen mit Dermatomyositis kommt es zu Hautveränderungen.
Ausschläge treten meistens gleichzeitig wie Muskelschwäche und andere Symptome auf. Am Gesicht kann ein rötlicher oder violetter Ausschlag (heliotroper Ausschlag) mit rötlich-violetten Schwellungen um die Augen auftreten. Ausschläge auf der Kopfhaut können an Schuppenflechte erinnern und heftig jucken. Dieser Ausschlag kann auch erhaben und schuppig sein und am ganzen Körper auftreten, vor allem an den Fingerknöcheln, im V-förmigen Bereich von Hals und Schultern, an Brust und Rücken, Unterarmen und Unterschenkeln, Ellenbogen, Knien, den äußeren Bereichen der Oberschenkel und an Teilen der Hände und Füße. Erhabene, rötliche Beulen (sogenannten Gottron-Papeln) können an den großen und manchmal auch an den kleinen Fingergelenken auftreten. Dabei können die Bereiche um die Nägel gerötet oder verdickt sein und die Nagelhaut zum Überwachsen neigen. Eine Sonnenempfindlichkeit kann ebenfalls auftreten.
Wenn der Hautausschlag nachlässt, können sich bräunliche Pigmentflecken, Vernarbungen, Schrumpfungen und helle, pigmentlose Stellen auf der Haut zeigen.
Vor allem bei Kindern können sich unter der Haut oder in den Muskeln Kalziumknötchen (Kalzinose) bilden.
This photo shows dermatomyositis in a person with colon cancer. The dusky, red rash in the V-shaped area of the neck and shoulders (what doctors call a V sign) is characteristic of dermatomyositis.
Photo courtesy of Karen McKoy, MD.
Auf diesem Bild sind Gottron-Papeln (auf den großen Knöcheln), Beulen aus Kalzium unter der Haut (auf den großen und kleinen Knöcheln) sowie eine Rötung und Verdickung um die Nägel herum zu sehen.
© Springer Science+Business Media
Manchmal treten diese charakteristischen Hautveränderungen auch bei Personen auf, die nicht unter Muskelschwäche und Entzündungen leiden. In diesem Fall liegt eine amyopathische Dermatomyositis vor.
Diagnose von idiopathischen entzündlichen Myopathien
Untersuchung durch den Arzt
Bluttests, Elektromyographie, Magnetresonanztomografie (MRT) und manchmal Muskelbiopsie
Die Diagnose einer idiopathischen entzündlichen Myopathie stützt sich auf alle Informationen, die von den Ärzten zusammengetragen werden können: Symptome, Ergebnisse der körperlichen Untersuchung sowie sämtliche Testergebnisse.
Bluttests
Bluttests helfen Ärzten, andere Erkrankungen auszuschließen, das Risiko für Komplikationen zu erkennen, den Schweregrad zu bestimmen und festzustellen, welche Organe betroffen sein könnten. Beispielsweise wird auf erhöhte Spiegel bestimmter Muskelenzyme (insbesondere Kreatinkinase) im Blut getestet, die auf eine Muskelentzündung und auf das Vorhandensein von antinukleären Antikörpern (ANA) sowie von anderen Antikörpern hinweisen, die häufig bei Menschen mit idiopathischer entzündlicher Myopathie vorhanden sind.
Auch wenn Befunde von Bluttests bei der Diagnose einer idiopathischen entzündlichen Myopathie hilfreich sein können, lässt sich durch sie allein keine definitive Diagnose stellen, denn auffällige Werte sind manchmal auch bei gesunden Personen oder bei Personen mit anderen Erkrankungen feststellbar.
Elektromyographie und bildgebende Verfahren
Die Elektromyographie (EMG) wird verwendet, um Auffälligkeiten in der elektrischen Aktivität der Muskeln festzustellen. Dieser Test kann bei Menschen durchgeführt werden, die an Muskelschwäche und erhöhten Konzentrationen von Muskelenzymen im Blut leiden. Eine EMG kann mit oder ohne Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt werden. Sie weist Auffälligkeiten in den Muskeln nach. Eine MRT kann dem Arzt die optimale Stelle für eine Biopsie anzeigen.
Röntgenaufnahmen und eine Computertomografie (CT) des Brustkorbs werden normalerweise bei Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung durchgeführt. Oft werden auch Lungenfunktionstests und Tests der Atemmuskulatur durchgeführt.
Eine Barium-Röntgenuntersuchung wird bei Personen mit Schluckbeschwerden durchgeführt.
Biopsie
Eine Muskelbiopsie kann Ärzten helfen, zwischen verschiedenen Arten der idiopathischen entzündlichen Myopathie zu unterscheiden und andere Ursachen für Muskelschwäche auszuschließen.
Eine Muskelbiopsie ist in der Regel nicht notwendig, wenn die Patienten die charakteristischen Hautveränderungen einer Dermatomyositis aufweisen.
Weitere Tests
Ärzte können bei Patienten eine Untersuchung auf Krebs durchführen. Die Untersuchung kann Blut- und bildgebende Verfahren umfassen.
Menschen ab 40 Jahren benötigen möglicherweise zusätzliche Krebs-Vorsorgeuntersuchungen, da bei einigen der entzündlichen Myopathien ein erhöhtes Risiko für Krebs besteht.
Behandlung von idiopathischen entzündlichen Myopathien
Kortikosteroide
Andere Immunsuppressiva
Manchmal Immunglobulin
Häufig hilft es, bei starken Schüben einer Muskelentzündung die körperlichen Aktivitäten etwas einzuschränken.
Im Allgemeinen wird das Kortikosteroid Prednison (ein Immunsuppressivum) hoch dosiert zur oralen Einnahme verabreicht. as Medikament wirkt kräftigend und lässt Schmerzen und Schwellungen langsam abklingen, wodurch die Erkrankung unter Kontrolle gebracht wird. Viele Erwachsene müssen Prednison (in der niedrigsten wirksamen Dosis) über Monate weiter einnehmen. Bei Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf, Schluckbeschwerden oder einer Schwächung der Atemmuskulatur wird ein Kortikosteroid wie Methylprednisolon über eine Vene verabreicht.
Um die Wirkung der Kortikosteroidbehandlung zu überprüfen, werden regelmäßig Bluttests zur Messung der Menge an Muskelenzymen durchgeführt. Die Werte senken sich unter der Behandlung in der Regel auf normale oder beinahe normale Bereiche ab, und die Muskelkraft ist nach etwa 6 bis 12 Wochen wiederhergestellt. Eine MRT kann entzündete Bereiche aufzeigen und dabei helfen, die Wirksamkeit der Behandlung nachzuweisen. Sobald die Enzymwerte den Normalbereich erreicht haben, kann die Dosis von Prednison schrittweise verringert werden. Steigt der Muskelenzymspiegel wieder an, wird die Dosis wieder erhöht.
Obwohl Kortikosteroide bei einer idiopathischen entzündlichen Myopathie üblicherweise als erste Behandlungsmethode eingesetzt werden, haben diese Medikamente Nebenwirkungen (z. B. hoher Blutzucker, Stimmungsschwankungen, grauer Star, Gefahr von Knochenbrüchen und grüner Star), besonders, wenn sie über längere Zeit in hohen Dosen verabreicht werden. Zur Minimierung der Nebenwirkungen durch langfristigen Einsatz von Kortikosteroiden kann daher zusätzlich zu Prednison ein anderes Immunsuppressivum (wie Methotrexat, Tacrolimus, Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil oder Rituximab) verabreicht werden.
Eine weitere mögliche Behandlung ist mit Immunglobulin, einem Antikörperkonzentrat, das über eine Vene (intravenös) verabreicht wird. Bei einigen Patienten wird eine Kombination aus Kortikosteroiden, Immunsuppressiva und einem Immunglobulin verordnet.
Wenn die idiopathische entzündliche Myopathie mit einer Krebserkrankung zusammenhängt, ist die Behandlung mit Immunsuppressiva in der Regel schwieriger. Wenn der Krebs jedoch erfolgreich behandelt wird, kann auch die Myopathie leichter behandelt werden.
Bei Einnahme von Kortikosteroiden besteht das Risiko von Brüchen aufgrund von Osteoporose. Zur Vorbeugung von Osteoporose können daher Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin D und Kalzium genommen und manchmal Medikamente gegen Osteoporose verschrieben werden.
Bei Patienten, die Immunsuppressiva einnehmen, werden häufig auch Medikamente zum Schutz vor Infektionen durch Pilze wie Pneumocystis jirovecii (siehe Vorbeugung einer Lungenentzündung bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem) und Impfstoffe gegen häufige Infektionen wie Lungenentzündung (Pneumonie), Grippe (Influenza) und COVID-19 verabreicht.
Patienten mit idiopathischer entzündlicher Myopathie erkranken häufiger an Atherosklerose und müssen vom Arzt engmaschig überwacht werden.
Prognose bei idiopathischen entzündlichen Myopathien
Patienten mit idiopathischer entzündlicher Myopathie überleben unter Behandlung viele Jahre nach der Diagnose.
Bei Kindern mit Dermatomyositis kann es zu einer schweren Entzündung der Blutgefäße (Vaskulitis) im Darm kommen, die unbehandelt letztlich zu einer Darmperforation führen kann.