Plötzlicher Hörverlust

VonLawrence R. Lustig, MD, Columbia University Medical Center and New York Presbyterian Hospital
Überprüft/überarbeitet Juli 2022
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Bei einem Hörsturz handelt es sich um einen moderaten bis schweren Schallempfindungsschwerhörigkeit, der plötzlich innerhalb weniger Stunden auftritt oder beim Aufwachen bemerkt wird. Jährlich sind etwa 1/5000 bis 1/10.000 Menschen betroffen. Der initiale Hörverlust ist in der Regel einseitig (es sei denn, es handelt sich um einen medikamenteninduzierten Hörverlust) und kann einen Schweregrad von leicht bis tief erreichen. Viele haben auch Tinnitus, und einige zeigen Benommenheit und/oder Schwindel.

Ein Hörsturz hat andere Ursachen als chronische Schwerhörigkeit und muss als Notfall behandelt werden (1).

(Siehe auch Hörverlust.)

Allgemeiner Hinweis

  1. 1. Chandrasekhar SS, Tsai Do BS, Schwartz SR, et al: Clinical practice guideline: Sudden hearing loss (update). Otolaryngol Head Neck Surg 161(1 Suppl):S1-S45, 2019. doi: 10.1177/0194599819859885

Ätiologie des plötzlichen Hörverlusts

Im Folgenden sind häufige Merkmale eines Hörsturzes aufgeführt:

  • Die meisten Fälle sind idiopathisch (siehe Tabelle Ursachen für einen plötzlichen Hörverlust).

  • einige treten im Zuge eines offensichtlichen Ereignisses auf.

  • In einigen Fällen handelt es sich um die Erstmanifestation einer anderen, zunächst verborgenen, aber identifizierbaren Störung.

Idiopathisch

Es gibt zahlreiche Theorien, für die einige (obwohl widersprüchliche und unvollständige) Evidenz besteht. Die vielversprechendsten Möglichkeiten sind virale Infektionen (insbesondere mit Herpes simplex), autoimmune Attacken und akute mikrovaskuläre Okklusion.

Offensichtliches Ereignis

Einige Ursachen für Hörverlust sind leicht ersichtlich.

Ein stumpfes Schädeltrauma mit Fraktur des Os temporale oder schwerer Gehirnerschütterung unter Beteiligung der Cochlea kann zu einem Hörsturz führen.

Durch größere Luftdruckschwankungen (wie beim Tauchen) oder Anstrengung (wie beim Gewichtheben) kann eine Perilymphfistel zwischen Mittel- und Innenohr induziert werden, die plötzliche, schwere Symptome verursacht. Eine perilymphatische Fistel kann auch angeboren sein, sie kann spontan zu einem plötzlichen Hörverlust führen oder nach einem Trauma oder schwerwiegenden Druckveränderungen auftreten.

Ototoxische Medikamente können gelegentlich innerhalb eines Tages zur Ertaubung führen, insbesondere bei Überdosierung (nach systemischer Anwendung oder der Anwendung auf großen Wundflächen wie etwa nach Verbrennungen). Eine seltene mitochondrialvermittelte genetische Störung verstärkt die Anfälligkeit für die ototoxischen Nebenwirkungen von Aminoglykosiden.

Eine Reihe von Infektionen verursacht einen Hörverlust während oder unmittelbar nach einer akuten Erkrankung. Häufige Ursachen sind bakterielle Meningitis, Lyme-Krankheit und viele virale Infektionen, die die Cochlea (und manchmal auch den Vestibularapparat) betreffen. Die häufigsten viralen Ursachen in der entwickelten Welt sind Mumps und Herpes-simplex. Masern sind eine sehr seltene Ursache, weil der größte Teil der Bevölkerung immunisiert ist.

Andere Krankheiten

Selten kann ein Hörverlust auch die isolierte Erstmanifestation von Krankheiten sein, die in der Regel andere anfängliche Symptome zeigen. So kann ein Hörverlust in seltenen Fällen die Erstmanifestation z. B. eines Akustikusneurinoms, einer multiplen Sklerose, der Menière-Krankheit oder eines kleinen zerebellaren Schlaganfalls sein. Die Reaktivierung einer Syphilis kann bei HIV-infizierten Patienten selten zu einem Hörverlust führen.

Das Cogan-Syndrom ist eine seltene autoimmune Reaktion gegen ein unbekanntes verbreitetes Autoantigen in der Hornhaut und im Innenohr; > 50% der Patienten weisen vestibulocochleare Symptome auf. Etwa 10–30% der Patienten haben außerdem eine schwere systemische Vaskulitis, die eine lebensbedrohliche Aortitis einschließen kann.

Vaskulitische Erkrankungen können zu Hörverlust führen, der in einigen Fällen akut ist. Hämatologische Erkrankungen wie Waldenström-Makroglobulinämie, Sichelzellanämie und einige Formen der Leukämie können selten einen Hörverlust verursachen.

Tabelle
Tabelle

Bewertung des plötzlichen Hörverlusts

Die Untersuchung dient zum Nachweis und zur quantitativen Erfassung einer Schwerhörigkeit sowie zur Abklärung der Ätiologie (vor allem reversibler Ursachen).

Anamnese

Die Anamnese des Krankheitsverlaufs sollte sicherstellen, dass es sich um einen plötzlichen Hörverlust handelt und nicht um ein chronisches Geschehen. Die Anamnese sollte auch feststellen, ob der Hörverlust einseitig oder beidseitig ist und ob ein akutes Ereignis zugrunde liegt (z. B. Kopfverletzungen, Barotrauma [besonders ein Tauchunfall], infektiöse Krankheit). Wichtige begleitende Symptome sind weitere otologische Symptome (z. B. Tinnitus, Ohrausfluss), vestibuläre Symptome (z. B. Desorientierung im Dunkeln, Schwindel) und andere neurologische Symptome (z. B. Kopfschmerzen, Schwäche oder Gesichtsasymmetrie, abnormer Geschmackssinn).

Bei der Überprüfung der Organsysteme sollte nach Symptomen möglicher Ursachen, darunter vorübergehende, wandernde neurologische Defizite (multiple Sklerose) sowie Augenreizung und -rötung (Cogan-Syndrom), geforscht werden.

Bei der Anamnese sollte nach bekannter HIV- oder Syphilisinfektion und deren Risikofaktoren (z. B. mehrere Sexualpartner, ungeschützter Geschlechtsverkehr) gefragt werden. Die Familienanamnese sollte feststellen, ob es nahe Verwandte mit Hörverlust gibt (was auf eine kongenitale Fistel hindeutet). Die Medikamentenanamnese sollte speziell nach der aktuellen oder früheren Anwendung ototoxischer Medikamente fragen und ob bei dem Patienten eine bekannte Niereninsuffizienz oder ein Nierenversagen vorliegt.

Körperliche Untersuchung

Die Untersuchung konzentriert sich auf die Ohren und das Gehör sowie auf die neurologische Untersuchung.

Das Trommelfell wird auf Perforation, Drainage oder andere Läsionen untersucht. Während der neurologischen Untersuchung sollte das Augenmerk auf die Hirnnerven (insbesondere den V., VII., und VIII.) und die vestibuläre und cereballare Funktion gerichtet werden, da Veränderungen in diesen Bereichen häufig mit Tumoren des Hirnstamms und des Kleinhirnbrückenwinkels assoziiert sind.

Im Weber- und Rinne-Versuch verwendet man eine Stimmgabel zur Abgrenzung einer Schallleitungs- von einer Schallempfindungsschwerhörigkeit.

Darüber hinaus werden die Augen auf Rötung und Photophobie (mögliches Cogan-Syndrom) und die Haut auf einen Ausschlag (z. B. Virusinfektion, Syphilis) untersucht.

Warnzeichen

Befunde von besonderer Bedeutung sind:

  • Auffälligkeiten der Hirnnerven (außer Hörverlust)

  • Deutliche Asymmetrie im Sprachverstehen zwischen den beiden Ohren

  • Andere neurologische Symptome (z. B. motorische Schwäche, Aphasie, Horner-Syndrom, sensorische oder temperaturempfindliche Anomalien)

Interpretation der Befunde

Ein Trauma, ototoxische Nebenwirkungen oder Infektionen sind gewöhnlich anhand der klinischen Zeichen als Ursachen ersichtlich. Wenn sich eine Perilymphfistel bildet, hören die Patienten möglicherweise einen Knall im betroffenen Ohr, bevor sich danach plötzlicher Schwindel, Nystagmus und Tinnitus einstellen.

Fokale neurologische Anomalien sind von besonderer Bedeutung. Der V. und/oder VII. Hirnnerv sind oft von Tumoren betroffen, die den VIII. Hirnnerven einschließen, weshalb der Verlust der Gesichtssensibilität, ein schwacher Kieferschluss (V.), eine halbseitige Gesichtsschwäche und Geschmacksanomalien (VII.) auf eine Läsion in dem betroffenen Bereich hinweisen.

Schwankender einseitiger Hörverlust, der von auraler Fülle (aural fullness), Tinnitus und Schwindel begleitet ist, lässt auch an die Menière-Syndrom denken. Systemische Symptome lassen eine Entzündung (z. B. Fieber, Hautausschlag, Gelenkschmerzen, Schleimhautläsionen) vermuten und begründen den Verdacht auf eine okkulte Infektion oder eine Autoimmunerkrankung.

Tests

Bei den Patienten sollte ein Audiogramm erfolgen, zusätzlich veranlassen die meisten Kliniker ein Gadolinium-MRT, um inapparente Ursachen feststellen zu können, es sei denn, die Diagnose deutet klar auf eine akute Infektion oder eine Medikamentenintoxikation hin, besonders bei einseitigen Verlusten. Bei Patienten mit einer akuten traumatischen Ursache sollte ebenfalls ein MRT durchgeführt werden. Eine perilymphatische Fistel wird in der Regel aufgrund eines auslösenden Ereignisses vermutet (z. B. übermäßige Beanspruchung, Barotrauma) und die Untersuchung kann durch Verwendung von positivem pneumatischem Druck erfolgen, um Augenbewegungen (Nystagmus) zu evozieren. Eine CT des Schläfenbeins wird in der Regel durchgeführt, um die knöchernen Eigenschaften des Innenohrs zu zeigen und kann helfen, angeborene Anomalien (z. B. vergrößertes vestibuläres Aquädukt), Frakturen des Schläfenbeins von Trauma oder erosive Prozesse (z. B. Cholesteatoma) zu verdeutlichen.

Bei Patienten mit Risikofaktoren oder Symptomen, die auf eine bestimmte Ursache hindeuten, sollten entsprechende Tests basierend auf klinischer Evaluation erfolgen (z. B. serologische Tests bei einer möglichen HIV-Infektion oder Syphilis, Gesamtblutbild und Gerinnungsstatus bei hämatologischen Erkrankungen, Erythrozyten und antinukleäre Antikörper bei Vaskulitis).

Behandlung des plötzlichen Hörverlusts

Die Behandlung eines plötzlichen Hörverlustes konzentriert sich auf die ursächliche Erkrankung, wenn diese bekannt ist. Fisteln werden untersucht und chirurgisch behandelt, wenn Bettruhe nicht reicht, die Symptome zu kontrollieren.

Nach einem viral bedingten oder idiopathischen Hörsturz normalisiert sich das Gehör bei etwa 50% der Patienten wieder,

in anderen Fällen erholt es sich zumindest teilweise. Bis zur Besserung bzw. vollständigen Heilung dauert es meistens 10–14 Tage.

Die Erholung nach Einnahme eines ototoxischen Medikaments variiert stark in Abhängigkeit vom Mittel und seiner Dosierung. Bei einigen Medikamenten (z. B. Aspirin, Diuretika) verschwindet der Hörverlust innerhalb von 24 Stunden, während andere Medikamente (z. B. Antibiotika, Chemotherapeutika) häufig zu dauerhaften Hörschäden führen, wenn sichere Dosierungen überschritten wurden.

Viele Kliniker geben Patienten mit idiopathischem Hörverlust Glukokortikoide (typischerweise Prednison 60 mg/kg oral 1-mal amTag für 7 bis 14 Tage, gefolgt von einem Ausschleichen über 5 Tage). Glukokortikoide können oral und/oder durch transtympanale Injektion verabreicht werden. Die direkte transtympanale Injektion vermeidet die systemischen Nebenwirkungen der oralen Glukokortikoide und ist ebenso wirksam, außer bei tiefem (> 90 Dezibel) Hörverlust. Es gibt Daten, die zeigen, dass sowohl mündliche als auch intratympanische Steroide zu besseren Ergebnissen führen als die beiden allein. Obwohl Ärzte oft antivirale Medikamente wirksam gegen Herpes simplex einsetzen (z. B. Valaciclovir, Famciclovir) zeigen die Daten, dass solche Medikamente die Hörergebnisse nicht beeinflussen. Es gibt einige begrenzte Daten, die darauf hindeuten, dass eine hyperbare Sauerstofftherapie bei idiopathischem Hörsturz von Vorteil sein kann.

Wichtige Punkte

  • Die meisten Fälle von plötzlichem Hörverlust sind idiopathisch.

  • Einige Fälle haben eine offensichtliche Ursache (z. B. schweres Trauma, akute Infektion, Medikamente).

  • Nur sehr wenige Fälle stellen ungewöhnliche Manifestationen behandelbarer Störungen dar.

  • Die Untersuchung umfasst Audiometrie, CT- und MRT-Untersuchungen sowie andere Tests zur Abklärung vermuteter Ursachen.

  • Die Behandlung konzentriert sich auf die bekannten Ursachen, und bei idiopathischem Hörsturz werden Kortikosteroide verabreicht.