Ein Vitamin-A-Mangel entsteht durch inadäquate Zufuhr, Malabsorption von Fett oder Leberschäden. Er schwächt das Immunsystem und die Hämatopoese und führt zu Hautrötungen sowie typischen Augenschäden (z. B. Xerophthalmie, Nachtblindheit). Die Diagnose stellt sich anhand charakteristischer okulärer Befunde und niedriger Vitamin-A-Spiegel. Therapeutisch wird Vitamin A oral verabreicht oder parenteral appliziert, wenn schwere Symptome vorliegen oder Malabsorption die Mangelursache ist.
Vitamin A ist für die Bildung des Pigments Rhodopsin erforderlich, das als Photorezeptor in der Retina fungiert (siehe Tabelle Quellen, Funktionen und Wirkungen von Vitaminen). Vitamin A hilft bei der Erhaltung des Epithelgewebes und ist wichtig für die Lysosomenstabilität und die Glykoproteinsynthese.
Zu den Nahrungsquellen gehören Milch, Käse, Leber, Fleisch, Eier und mit Vitamin A angereicherte Milchprodukte. Beta-Carotin und weitere Provitamin-Carotinoide, die in grünem Blattgemüse, gelbem Gemüse, Karotten, und in kräftig oder bunt gefärbtem Obst enthalten sind, werden in Vitamin A umgewandelt. Carotinoide aus Gemüse werden besser resorbiert, wenn sie gekocht oder homogenisiert und mit Fetten (z. B. Ölen) verzehrt werden. Die Leber speichert 80–90% des Vitamins A im Körper. Um Vitamin A zu verwerten, setzt der Körper es gebunden an Präalbumin (Transthyretin) und an das Retinol-bindende Protein frei.
Die Bezeichnung "Retinol activity equivalent" (RAE) wurde eingeführt, weil Provitamin-A-Carotinoide weniger Vitamin-A-Aktivität haben als vorgebildetes Vitamin A; 1 mcg Retinol = 3,33 Einheiten
Synthetische Vitaminanaloga (Retinoide) werden zunehmend in der Dermatologie verwendet. Ob Beta-Carotin und Retinoide vor Epithelkarzinomen schützen, wird derzeit in Studien untersucht. Jedoch besteht nach einer Beta-Carotin-Ergänzung eventuell ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten.
(Siehe auch Überblick über Vitamine.)
Ätiologie des Vitamin-A-Mangels
Ein primärer Vitamin-A-Mangel entsteht in der Regel durch
die längerfristig unzureichende Aufnahme mit der Nahrung.
In Süd- und Ostasien ist er endemisch verbreitet, da dort Reis, der kein Beta-Carotin enthält, als Hauptnahrungsmittel gilt. Xerophthalmie aufgrund von primären Mangelerscheinungen ist eine häufige Ursache für Blindheit bei Kleinkindern in Ländern mit hoher Ernährungsunsicherheit.
Ein sekundär Vitamin-A-Mangelkann verursacht werden durch
verminderte Bioverfügbarkeit von Provitamin-A-Carotinoiden,
Störung der Absorption, Speicherung oder Transport von Vitamin A.
Eine Störung der Absorption oder Speicherung ist bei Zöliakie, zystischer Fibrose, Pankreasinsuffizienz, duodenalem Bypass, chronischer Diarrhö, Obstruktion des Gallengangs, Giardiasis (Lambliasis) und Zirrhose wahrscheinlich. Vitamin-A-Mangel tritt bei einer persistierenden Protein-Energie-Unterernährung nicht nur deshalb auf, weil die Nahrung nicht ausreichend Vitamin A liefert, sondern auch, weil die Speicherung und der Transport des Vitamins nicht problemlos ablaufen.
Symptome und Anzeichen von Vitamin-A-Mangel
Image courtesy of the Nutrition Program via the Public Health Image Library of the Centers for Disease Control and Prevention.
Die eingeschränkte Adaptation des Auges an die Dunkelheit, die zu Nachtblindheit führen kann, ist ein Frühsymptom von Vitamin-A-Mangel. Eine Xerophthalmie, die als beinahe pathognomonisch gilt, folgt der Keratinisierung des Auges. Sie zeigt sich in der Austrocknung (Xerosis) und Verdickung der Konjunktiva und Kornea. Es bilden sich oberflächliche schaumige Flecken aus abgestorbenen Epithelteilchen und Sekretionen von der exponierten bulbären Konjunktiva (Bitot-Flecken). Bei fortgeschrittenem Vitamin-A-Mangel wird die Kornea undurchsichtig und entwickelt Erosionen, die zu ihrer Zerstörung führen können (Keratomalazie).
Die Haut und die Schleimhautmembran des Respirations- und Gastrointestinaltrakts sowie der Harnorgane verhornen. Folge sind Austrocknung, Abschuppung und follikuläre Verdickung der Haut sowie Infekte der Atemwege.
Das Immunsystem ist allgemein geschwächt.
Je jünger ein Patient ist, desto stärker wirkt sich ein Vitamin-A-Mangel aus. Bei Kindern kommt es häufig zu Wachstumsverzögerungen und Infektionen. Die Mortalitätsrate von Kindern mit schwerem Vitamin-A-Mangel kann 50% überschreiten.
Diagnose von Vitamin-A-Mangel
Retinolspiegel im Serum, klinische Untersuchung und Reaktion auf Vitamin A
Okuläre Befunde ermöglichen die Diagnose eines Vitamin-A-Mangels. Die Adaption an die Dunkelheit ist auch bei anderen Krankheiten beeinträchtigt (z. B. Zinkmangel, Retinitis, Pigmentatrophie, schwere Refraktionsanomalien, Katarakt, diabetische Retinopathie). Wenn die Adaptation des Auges an die Dunkelheit beeinträchtigt ist, werden eine Skotometrie der Stäbchen und eine Elektroretinographie durchgeführt, um festzustellen, ob Vitamin-A-Mangel die Ursache ist.
Die Serumspiegel von Retinol werden gemessen. Die normale Spanne beträgt 28–86 mcg/dl (1–3 Mikromol/l). Allerdings verringern sich die Spiegel erst, nachdem der Magel ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, weil die Leber große Vorräte an Vitamin A enthält. Niedrige Spiegel können ebenso von einer akuten Infektion herrühren, die eine vorübergehende Senkung der Spiegel von Retinol-bindendem Protein und Transthyretin (auch als Präalbumin bezeichnet) bewirkt.
Mit einer therapeutischen Gabe von Vitamin A lässt sich die Diagnose bestätigen.
Prävention von Vitamin-A-Mangel
Die Nahrung sollte dunkelgrünes Blattgemüse, kräftig oder bunt gefärbtes Obst wie Papayas oder Orangen, Karotten und gelbes Gemüse wie Kürbis enthalten. Mit Vitamin A angereicherte Milch und Getreideprodukte, Leber, Eigelb und Fischlebertran wirken vorteilhaft. Carotinoide werden besser absorbiert, wenn sie mit fetthaltigen Lebensmitteln konsumiert werden. Bei Verdacht auf Milchallergie sollten Kleinkinder adäquate Vitamin-A-Mengen aus Babynahrung erhalten.
In Ländern mit hoher Ernährungsunsicherheit werden prophylaktische Ergänzungen von Vitamin-A-Palmitat oral in Höhe von 200.000 Einheiten (60.000 Retinol-Äquivalent [RAE)] alle 6 Monate für alle Kinder im Alter von 1–5 Jahren empfohlen. Säuglingen im Alter < 6 Monaten wird eine einmalige Dosis von 50.000 Einheiten (15.000 RAE) verabreicht, Kleinkinder im Alter von 6–12 Monaten erhalten einmalig 100.000 Einheiten (30.000 RAE).
Behandlung von Vitamin-A-Mangel
Vitamin A
Ein ernährungsbedingter Vitamin-A-Mangel wird gewöhnlich mit Vitamin-A-Palmitat in einer Dosierung von 60.000 Einheiten oral einmal täglich über 2 Tage behandelt. Später werden einmal täglich oral 4.500 Einheiten gegeben. Bei bestehendem Erbrechen oder Malabsorption oder Verdacht auf Xerophthalmie erhalten Säuglinge, < als 6 Monate alt sind, eine Dosis von 50.000 Einheiten, Kleinkinder im Alter von 6–12 Monaten 100.000 Einheiten und Kinder > 12 Monaten sowie Erwachsene 200.000 Einheiten Diese Dosierungen werden jeweils über 2 Tage verabreicht, eine 3. Dosis folgt mindestens 2 Wochen später. Die gleichen Dosen werden für Säuglinge und Kinder mit Masernkomplikationen empfohlen.
Ein Vitamin-A-Mangel ist ein Risikofaktor für schwere Masern: Behandlung mit Vitamin A kann die Dauer der Erkrankung verkürzen und die Schwere der Symptome sowie das Mortalitätsrisiko reduzieren. Es wird empfohlen, dass alle Kinder mit Masern 2 Dosen von Vitamin A (100.000 Einheiten für Kinder < 12 Monate und 200.000 Einheiten für die > 12 Monate) im Abstand von 24 Stunden erhalten (siehe auch WHO: Measles Fact Sheet).
Säuglinge von HIV-positiven Müttern sollten 50.000 Einheiten (15.000 RAE) innerhalb von 48 Stunden nach der Geburt erhalten. Die längerfristige tägliche Gabe hoher Dosen muss v. a. bei Säuglingen und Kleinkindern vermieden werden, da sie toxisch wirken können.
Prophylaktische oder therapeutische Dosierungen für schwangere oder stillende Frauen sollten täglich 10.000 Einheiten (3000 RAE) nicht überschreiten, um eine Schädigung des Feten oder Säuglings zu verhindern.
Wichtige Punkte
Vitamin-A-Mangel resultiert normalerweise aus Mangelernährung, wie sie in Ländern vorkommt, in denen von Beta-Carotin freier Reis das Grundnahrungsmittel ist. Ein Mangel kann aber auch aufgrund von Störungen, die mit Aufnahme, Lagerung oder Transport von Vitamin A zusammenhängen, entstehen.
Okuläre Befunde umfassen eine beeinträchtigte Nachtsicht (früh), Bindehauteinlagerungen und Keratomalazie.
Bei Kindern mit schwerem Vitamin-A-Mangel ist das Wachstum verlangsamt und das Risiko einer Infektion erhöht.
Die Diagnose stellt sich anhand okulärer Befunde und niedriger Serumretinolspiegel.
Die Behandlung besteht in der Gabe von Vitamin-A-Palmitat.