Portosystemische Enzephalopathie

VonDanielle Tholey, MD, Sidney Kimmel Medical College at Thomas Jefferson University
Überprüft/überarbeitet Sept. 2023
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Die portosystemische Enzephalopathie ist ein neuropsychiatrisches Syndrom, das bei Patienten mit Lebererkrankungen auftreten kann. Es ist meist die Folge einer hohen oralen Eiweißzufuhr oder von akutem metabolischem Stress (z. B. gastrointestinale Blutung, Infektion, Elektrolytverschiebung) bei Patienten mit portosystemischen Shunts. Die Symptome sind neuropsychiatrisch (z. B. Benommenheit, Asterixis, Koma). Die Diagnose erfolgt aufgrund von klinischen Kriterien. Die Behandlung besteht in der Korrektur der akuten Ursache, oraler Lactulose und nichtresorbierbarer Antibiotika wie Rifaximin.

(Siehe auch Leber-Struktur und -Funktion und Beurteilung des Patienten mit einer Lebererkrankung.)

Die Bezeichnung „portosystemische Enzephalopathie“ beschreibt die Pathophysiologie besser als „hepatische Enzephalopathie“ oder „hepatisches Koma“, aber alle drei Begriffe werden gleichwertig gebraucht.

Ätiologie der portosystemischen Enzephalopathie

Eine portosystemische Enzephalopathie kann bei fulminanter Hepatitis, verursacht durch Viren, Medikamente oder Toxine, auftreten, ist aber häufiger bei Zirrhose und anderen chronischen Krankheiten, bei denen sich als Folge der portalen Hypertonie ein ausgeprägter portosystemischer Kollateralkreislauf gebildet hat. Enzephalopathie kann auch die Folge von portosystemischen Anastomosen sein, wie z. B. operativ angelegten Anastomosen, die den Portalkreislauf mit der V. cava verbinden (portokavale Shunts oder transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt [TIPS]).

Auslösende Ursachen

Bei Patienten mit chronischen Leberkrankheiten werden Episoden von Enzephalopathie meist durch reversible Ursachen ausgelöst. Am weitesten verbreitet sind folgende:

  • Metaboliischer Stress (z. B. Infektionen, Elektrolyt-Ungleichgewicht, insbesondere Hypokaliämie, Austrocknung, Verwendung von Diuretika)

  • Bedingungen, die zu eine Zunahme der Proteine im Darm führen (z. B. gastrointestinale Blutungen, sehr eiweißreiche Ernährung)

  • Unspezifische zerebrale Beruhigungsmittel (z. B. Alkohol, Sedativa, Analgetika)

Pathophysiologie der portosystemischen Enzephalopathie

Infolge der portosystemischen Shunts gelangen Stoffe, die normalerweise in der Leber entgiftet werden, in die systemische Zirkulation und können dadurch toxische Wirkungen im Gehirn, v. a. im zerebralen Kortex entfalten. Die Substanzen, die eine toxische Wirkung auf das Gehirn haben, sind nicht genau bekannt. Ammoniak als Abbauprodukt des Eiweißstoffwechsels spielt eine wesentliche Rolle, aber weitere Faktoren (z. B. Veränderungen der zerebralen Benzodiazepinrezeptoren und Neurotransmitter wie Gamma-Aminobuttersäure [GABA]) tragen ebenfalls zur Enzephalopathie bei. Die Konzentration der aromatischen Aminosäuren im Serum ist meist hoch, die der verzweigkettigen niedrig; wahrscheinlich verursacht diese Konstellation jedoch keine Enzephalopathie.

Symptome und Zeichen der portosystemischen Enzephalopathie

Symptome und klinische Befunde einer Enzephalopathie entwickeln sich progressiv in Stadien (siehe Tabelle Klinische Stadien der portosystemischen Enzephalopathie).

Tabelle
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Die Symptome werden in der Regel erst auffällig, wenn die Hirnfunktion mäßig eingeschränkt ist. Eine Apraxie, bei der der Patient nicht in der Lage ist, einfache Zeichnungen zu reproduzieren (z. B. einen Stern), entwickelt sich früh. Erregung und Manie können vorkommen, sind aber seltener. Asterixis ist ein charakteristischer Flattertremor, der ausgelöst wird, wenn der Patient bei gestreckten Armen die Handgelenke dorsalflektiert. Neurologische Defizite treten üblicherweise symmetrisch auf. Neurologische Zeichen im Koma zeigen in der Regel bilaterale diffuse hemisphärische Funktionsstörungen an. Zeichen von Störungen der Hirnstammfunktion entstehen erst beim fortgeschrittenen Koma, meist erst in den Stunden oder Tagen vor Eintritt des Todes. Ein modriger süßer Atemgeruch (Foetor hepaticus) tritt unabhängig vom Stadium der Enzephalopathie auf.

Diagnose der portosystemischen Enzephalopathie

  • Klinische Bewertung

  • Häufig ergänzende Tests mit psychometrischer Bewertung, Ammoniakspiegel, Elektroenzephalogramm (EEG) oder einer Kombination

  • Ausschluss von anderen behandelbaren Erkrankungen

Die Diagnose ist letztlich klinisch, aber Testverfahren können hilfreich sein.

  • Psychometrische Tests decken subtile neuropsychiatrische Defizite auf, die ein frühes Stadium der Enzephalopathie bestätigen.

  • Ammoniakwerte werden in der Regel bestimmt.

  • Ein EEG zeigt in der Regel diffuse, langsame Wellenaktivität, auch bei weniger ausgeprägten Fällen, ist also sensitiv, aber nicht spezifisch für die frühe Enzephalopathie.

Liquoruntersuchungen sind routinemäßig nicht indiziert, die eigentliche pathologische Abweichung besteht in einer geringen Erhöhung der Proteinkonzentration.

Andere potenziell reversible Krankheitszustände, die zu einem ähnlichen klinischen Bild führen können (z. B. Infektionen, subdurales Hämatom, Hypoglykämie und Intoxikationen) müssen ausgeschlossen werden. Wenn eine portosystemische Enzephalopathie gesichert ist, muss nach der auslösenden Ursache gesucht werden.

Behandlung der portosystemischen Enzephalopathie

  • Behandlung der Ursache

  • Darmreinigung mit oraler oder rektaler Lactulose oder oralem Polyethylenglykol 3350

  • Oral resorbierbare Antibiotika wie Rifaximin und Neomycin

Eine Behandlung der Ursachen führt in weniger schweren Fällen in der Regel zur Rückbildung. Eine Beseitigung der toxischen Darmprodukte ist das andere Ziel der Behandlung und wird mit verschiedenen Methoden erreicht. Der Darm sollte mit Einläufen gereinigt werden, noch besser sollte oral Lactulose, z. B. bei komatösen Patienten über eine Sonde, zugeführt werden. Dieses synthetische Disaccharid hat eine osmotische Wirkung. Es senkt darüber hinaus den pH-Wert im Kolon und führt damit zu einer verminderten fäkalen Ammoniakproduktion. Die initiale Dosis von 30–45 ml p.o. 3-mal täglich sollte so eingestellt werden, dass zwei bis drei weiche Stühle pro Tag abgesetzt werden. Entgegen der früheren Praxis ist eine Proteinrestriktion nicht mehr notwendig und kann sogar schädlich sein, da zirrhotische Patienten oft unterernährt sind. Oral resorbierbare Antibiotika wie Rifaximin und Neomycin sind bei hepatischer Enzephalopathie wirksam. Rifaximin wird in der Regel bevorzugt, da Neomycin ein Aminoglykosid ist, das ausfallen oder Ototoxizität bzw. Nephrotoxizität hervorrufen kann. Es gibt jedoch keine Beweise darauf, dass Behandlungen wie Lactulose oder Rifaximin die Enzephalopathie bei akutem Leberversagen lindern können.

Eine Sedierung vertieft die Enzephalopathie und sollte, wenn immer möglich, vermieden werden. Das Koma bei fulminanter Hepatitis bedarf einer sehr sorgfältigen Behandlung und Pflege, die zusammen mit der Prävention und Behandlung von Komplikationen die Chance auf ein Überleben erhöht. Hämodialyse kann helfen, Ammoniak zu entfernen, wenn ein akutes Leberversagen vorliegt. Hochdosierte Kortikosteroide, Austauschtransfusionen und andere komplexe Vorgehensweisen zur Entfernung von zirkulierenden Toxinen führen im Allgemeinen nicht zu einer Verbesserung des Verlaufs. Für Patienten, deren Zustand sich im Verlauf der fulminanten Hepatitis verschlechtert, bleibt als einzige Therapieoption die Lebertransplantation.

Weitere potenzielle Therapieansätze, inkl. Levodopa, Bromocriptin, Flumazenil, Natrium-Benzoat, Infusionen von verzweigtkettigen Aminosäuren, Ketonanalogen essenzieller Aminosäuren und Prostaglandinen haben sich als nicht wirksam erwiesen. Komplexe Plasmafiltersysteme (sog. künstliche Lebern) geben Hoffnung, aber erfordern noch intensive Untersuchungen.

Prognose für portosystemische Enzephalopathie

Bei chronischen Leberkrankheiten führt die Beseitigung der auslösenden Ursachen zur Rückbildung der Enzephalopathie ohne dauerhafte neurologische Folgen. Manche Patienten, insbesondere solche mit portokavalen Shunts oder transjugulärem intrahepatischem portosystemischem Shunt (TIPS), benötigen eine kontinuierliche Therapie, und selten entwickeln sich irreversible extrapyramidale Anzeichen oder spastische Paraparese. Die Kombination von fortgeschrittenem Leberversagen und portosystemischer Enzephalopathie ist ebenfalls meist fatal. Der Zustand des Komas (Stadium 4 der Enzephalopathie), der mit einer fulminanten Hepatitis assoziiert ist, führt bei > 80% der Patienten trotz Intensivtherapie zum Tod.

Wichtige Punkte

  • Portosystemische Enzephalopathie ist ein neuropsychiatrisches Syndrom, das entsteht, wenn portosystemische Shunts absorbierte Produkte, die normalerweise in der Leber entgiftet werden, in das Gehirn durchlassen.

  • Symptome sind kognitive Verhaltensstörungen (z. B. Verwirrtheit, Bewusstseinstrübung, Koma) und neuromuskuläre Dysfunktion (z. B. Flattertremor, Ataxie, Hyperreflexie oder Hyporeflexie).

  • Die Diagnose der portosystemischen Enzephalopathie basiert hauptsächlich auf klinischen Befunden, aber in der Regel werden Blutammoniakspiege gemessen, und wenn die Anzeichen subtil oder abwesend sind, neuropsychologische Tests durchgeführt.

  • Andere behandelbare Erkrankungen (z. B. Subduralhämatom, Hypoglykämie, Intoxikation) müssen ausgeschlossen und nach den Auslösern einer Enzephalopathie (z. B. Infektionen, Darmblutungen, Elektrolytanomalie) gesucht werden.

  • Behandeln Sie die Ursache der Enzephalopathie und die Enzephalopathie selbst mit einer Darmreinigung (mit oraler oder rektaler Lactulose oder oralem Polyethylenglykol 3350 oder Einläufen) und oralem Rifaximin oder Neomycin.

Weitere Informationen

Die folgenden englischsprachigen Quellen können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. American Association for the Study of Liver Diseases and the European Association for the Study of the Liver: Hepatic Encephalopathy in Chronic Liver Disease 2014 Practice Guidelines