Atemnotsyndrom des Erwachsenen (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS)

VonBhakti K. Patel, MD, University of Chicago
Überprüft/überarbeitet Apr. 2024
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Kurzinformationen

Das Atemnotsyndrom des Erwachsenen ist eine Form von respiratorischer Insuffizienz, der viele verschiedene Störungen zugrunde liegen, die dazu führen, dass sich Flüssigkeit in der Lunge ansammelt und die Sauerstoffsättigung des Blutes abnimmt.

  • Betroffene leiden unter Kurzatmigkeit mit rascher, flacher Atmung, ihre Haut kann sich grau oder aschfarben oder blau verfärben (Zyanose), und es kann zu Fehlfunktionen in anderen Organen wie dem Herzen und dem Gehirn kommen.

  • Zur Bestimmung des Sauerstoffgehalts im Blut wird ein Fingersensor (Pulsoximetrie) oder eine Blutprobe aus einer Arterie verwendet (arterielle Blutgasanalyse), zudem wird eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs gemacht.

  • Patienten werden auf einer Intensivstation behandelt, da sie möglicherweise künstlich beatmet werden müssen.

  • Sauerstoff wird verabreicht und die Ursache der respiratorischer Insuffizienz behandelt.

Das akute Atemnotsyndrom (ARDS) ist ein medizinischer Notfall, der bei Menschen, die bereits unter einer Lungenerkrankung leiden, ebenso auftreten kann wie bei Menschen mit gesunder Lunge.

ARDS wird in 3 Kategorien eingeteilt: mild, moderat und schwer. Die Kategorie wird bestimmt, indem der Sauerstoffgehalt im Blut mit der Menge an Sauerstoff verglichen wird, die zur Erreichung dieses Gehalts gegeben werden muss.

Ursachen für das ARDS

Alles, was die Lunge schädigt, kann ARDS hervorrufen. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen entwickelt sich ARDS infolge einer schweren, den ganzen Körper erfassenden Infektion (Sepsis) oder einer Lungenentzündung. Einige andere Ursachen umfassen:

Wenn die kleinen Lungenbläschen (Alveolen) und die winzigen Blutgefäße der Lunge (Kapillaren) geschädigt werden, treten Blut und Flüssigkeit in die Zwischenräume zwischen den Lungenbläschen und schließlich auch in die Alveolen selbst ein. Dass viele Alveolen zusammenfallen (was als Atelektase bezeichnet wird), kann auch auf einen Rückgang von Surfactant zurückzuführen sein. Surfactant ist eine Flüssigkeit, welche die Innenfläche der Alveolen auskleidet und sie dadurch stützt.

Flüssigkeit in den Lungenbläschen und zusammengefallene Alveolen beeinträchtigen den Übertritt von Sauerstoff aus der Atemluft in das Blut. Dadurch fällt der Sauerstoffgehalt im Blut stark ab. Da der Übertritt von Kohlendioxid aus dem Blut in die Atemluft nicht so stark behindert wird, verändert sich der Kohlendioxidgehalt im Blut nur geringfügig. Da das Atemversagen bei ARDS hauptsächlich auf einen niedrigen Sauerstoffgehalt zurückzuführen ist, wird es als hypoxämische respiratorische Insuffizienz angesehen.

Der durch ARDS verursachte geringere Sauerstoffgehalt im Blut und die Freisetzung bestimmter Eiweißstoffe (Zytokine), die in den verletzten Zellen der Lunge produziert werden, sowie weiße Blutkörperchen können Entzündungen und Komplikationen in anderen Organen hervorrufen. Dadurch können mehrere Organe ausfallen (man spricht in diesem Fall von multiplem Organversagen). Das Versagen der Organe kann schon sehr bald nach dem Einsetzen des Atemnotsyndroms oder erst Tage oder Wochen später beginnen. Hinzu kommt, dass Menschen mit ARDS einer Lungeninfektion nur wenig entgegenzusetzen haben und daher häufig an bakteriell bedingten Lungenentzündungen erkranken.

Symptome des ARDS

Zu einem Atemnotsyndrom kommt es in der Regel zwischen 24 und 48 Stunden nach der ursprünglichen Verletzung oder Erkrankung, wobei es auch erst nach 4 oder 5 Tagen auftreten kann. Als Erstes tritt bei dem Betroffenen Kurzatmigkeit auf, die normalerweise von einer schnellen, flachen Atmung begleitet wird.

Mit dem Stethoskop sind rasselnde oder keuchende Geräusche in der Lunge zu hören. Ein niedriger Sauerstoffgehalt im Blut kann bei hellhäutigen Menschen die Haut fleckig oder blau werden lassen (Zyanose), bei dunkelhäutigen Menschen kann sie sich im Mund, um die Augen und unter den Nägeln grau oder weißlich verfärben. Die Funktion anderer Organe, wie Herz und Gehirn, kann gestört sein, was zu Herzrasen, Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien), Verwirrung und Schläfrigkeit führen kann.

Diagnose des ARDS

  • Messung der Sauerstoffwerte im Blut

  • Röntgenaufnahme des Brustkorbs

Der Sauerstoffgehalt im Blut kann ohne Entnahme einer Blutprobe mithilfe einer Elektrode gemessen werden, die an einen Finger oder ein Ohrläppchen angelegt wird – das entsprechende Verfahren wird Pulsoximetrie genannt. Der Gehalt des Sauerstoffs (und der des Kohlendioxids) im Blut kann auch durch die Analyse einer Blutprobe gemessen werden, die aus einer Arterie entnommen wird (arterielle Blutgasanalyse).

Auf den Röntgenaufnahmen des Brustkorbs ist Flüssigkeit in solchen Bereichen zu sehen, die mit Luft gefüllt sein sollten. Weitere Untersuchungen können erforderlich sein, um sicherzustellen, dass nicht eine Herzinsuffizienz die Ursache des Problems ist.

Behandlung des ARDS

  • Behandlung der Krankheitsursache

  • Sauerstofftherapie

  • Häufig künstliche Beatmung

Patienten mit ARDS werden auf einer Intensivstation behandelt:

Eine erfolgreiche Behandlung richtet sich in der Regel an der Grunderkrankung aus (z. B. einer Lungenentzündung). Eine Sauerstofftherapie, die für die Behebung der niedrigen Sauerstoffsättigung entscheidend ist, wird ebenfalls eingeleitet.

Wenn die Sauerstoffgabe über eine Atemmaske oder ein anderes Gerät (wie ein Helm oder über Nasenkanülen) die niedrige Sauerstoffsättigung des Blutes nicht merklich verbessert oder wenn sehr hohe Dosen von Sauerstoff inhaliert werden müssen, wird eine künstliche Beatmung erforderlich. Bei dieser druckunterstützten Beatmungsmethode wird sauerstoffreiche Luft durch einen Schlauch über den Mund in die Luftröhre (Trachea) geführt.

Prognose bei ARDS

Viele Patienten mit ARDS können ohne sofortige Behandlung nicht überleben. Je nach Grunderkrankung überleben jedoch bei einer angemessenen Behandlung etwa 60 bis 75 % der Menschen mit ARDS.

Wer auf die Behandlung sofort anspricht, erholt sich in der Regel vollständig und weist nur wenige oder gar keine langfristigen Veränderungen an der Lunge auf. Wer bei der Behandlung über längere Zeit künstlich beatmet werden muss (mit einem Gerät, das dabei hilft, Luft in die Lunge und wieder heraus zu transportieren), hat mit größerer Wahrscheinlichkeit Vernarbungen an der Lunge. Diese Narben können ein paar Monate nach dem Absetzen der künstlichen Beatmung wieder zurückgehen. Eine umfangreiche Narbenbildung kann dauerhaft die Lungenfunktion bei gewissen alltäglichen Aktivitäten merklich beeinträchtigen. Bei weniger umfangreichen Narben kann es sein, dass die Lungenfunktion nur unter starker Belastung wie bei Sport oder während einer Krankheit beeinträchtigt wird.

Etliche Patienten verlieren während der Erkrankung viel Gewicht und Muskelmasse. Die Rehabilitation im Krankenhaus kann ihnen dabei helfen, ihre Kraft und Selbstständigkeit wiederzuerlangen.