Die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) zeichnet sich durch fleckförmige Entzündung, Fibrose und Strikturen der Gallengänge aus, deren Ursache nicht bekannt ist. 80% der Patienten mit primärer sklerosierender Cholangitis haben auch gleichzeitig eine entzündliche Darmkrankheit, am häufigsten eine Colitis ulcerosa. Andere assoziierte körperliche Zustände sind Erkrankungen des Bindegewebes, autoimmune Störungen und Immundefekte, die manchmal durch opportunistische Infektionen kompliziert werden. Müdigkeit und Juckreiz entwickeln sich schleichend und sind progressiv. Die Diagnose erfolgt durch eine Cholangiographie (Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie [MRCP] oder endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie [ERCP]). In fortgeschrittenen Fällen ist die Lebertransplantation indiziert.
(Siehe auch Übersicht Gallenfunktion.)
PSC ist die häufigste Form der sklerosierenden Cholangitis. Die meisten (70%) der Patienten mit PSC sind Männer. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung beträgt 40 Jahre.
Ätiologie der primär sklerosierenden Cholangitis
Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt, es besteht aber eine Assoziation der PSC mit chronischen entzündlichen Darmerkrankungen. Eine solche liegt bei 70% der PSC Patienten ebenfalls vor (1). Umgekehrt entwickeln etwa 5% der Patienten mit Colitis ulcerosa und etwa 1% derer mit Morbus Crohn eine PSC. Diese Assoziation und verschiedene Autoantikörper (z. B. Aantinukleäre Antikörper und perinukleäre antineutrophile Antikörper [p-ANCA]) lassen immunologisch vermittelte Mechanismen vermuten. T-Zellen scheinen in den Zerstörungsprozess der Gallengänge involviert zu sein, so dass eine Störung der zellulären Immunität vorzuliegen scheint. Darüber hinaus besteht möglicherweise eine genetische Prädisposition, da die Störung familiär auftritt und mit höherer Inzidenz bei Trägern von HLA-B8 und HLA-DR3, die beide mit Autoimmunerkrankungen assoziiert sind. Ein unbekannter Auslöser (z. B. bakterielle Infektion, ischämische Gangverletzung) führt vermutlich zur Entwicklung von primär sklerosierender Cholangitis bei genetisch prädisponierten Menschen.
Hinweis zur Ätiologie
1. Bowlus CL, Arrivé L, Bergquist A, et al: AASLD practice guidance on primary sclerosing cholangitis and cholangiocarcinoma. Hepatology 77(2):659-702, 2023. doi: 10.1002/hep.32771
Symptome und Anzeichen der primär sklerosierenden Cholangitis
Der Beginn ist meist schleichend mit zunehmender Abgeschlagenheit und spter auch Juckreiz. Bis zu 40% der Patienten können Symptome wie Bauchschmerzen, Pruritus, Diarrhö, Ikterus, Müdigkeit und Fieber aufweisen (1). Steatorrhoe und ein Mangel an fettlöslichen Vitaminen kann sich entwickeln. Ein persistierender Ikterus weist auf eine fortgeschrittene Erkrankung hin. Bei etwa 75% der Patienten entwickeln sich symptomatische Gallenblasensteine und eine Choledocholithiasis (1).
Ein Teil der Patienten bleibt asymptomatisch bis in späte Stadien und zeigt bei der Diagnose bereits eine Hepatosplenomegalie oder eine Zirrhose. PSC schreitet in der Regel langsam aber unaufhaltsam voran. Im Endstadium der Erkrankung besteht eine dekompensierte Zirrhose, portale Hypertonie, Aszites und Leberversagen.
Obwohl es eine starke Assoziation zwischen der PSC und entzündlichen Darmkrankheiten gibt, nehmen die beiden Krankheiten unterschiedliche Verläufe. Eine Colitis ulcerosa kann Jahre vor der PSC auftreten und scheint einen weniger schweren Verlauf zu nehmen, wenn sie mit einer PSC assoziiert ist. In ähnlicher Weise ändert auch die Kolektomie den Verlauf der PSC nicht.
Das gleichzeitige Vorhandensein von PSC und entzündlicher Darmerkrankung erhöht das Risiko auf die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms, unabhängig davon, ob eine Lebertransplantation durchgeführt wurde oder nicht. Ein Cholangiokarzinom entwickelt sich bei 10-15% der Patienten (2).
Literatur zu Symptomen und Beschwerden
1. Kaplan GG, Laupland KB, Butzner D, et al: The burden of large and small duct primary sclerosing cholangitis in adults and children: a population-based analysis. Am J Gastroenterol 102(5):1042-1049, 2007. doi: 10.1111/j.1572-0241.2007.01103.x
2. Tabibian JH, Ali AH, Lindor KD: Primary sclerosing cholangitis, part 2: Cancer risk, prevention, and surveillance. Gastroenterol Hepatol (NY). 14(7):427-432, 2018. PMID: 30166959
Diagnose der primär sklerosierenden Cholangitis
Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP)
Der Verdacht auf eine primär sklerosierende Cholangitiser gibt sich bei Patienten mit unerklärten pathologischen Lebertests, besonders bei Patienten, die unter einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leiden. Typisch ist ein cholestatisches Muster mit erhöhter alkalischer Phosphatase und Gamma-Glutamyltransferase (GGT) und weniger stark erhöhten Transaminasen. Gammaglobulin und IgM sind oft erhöht. Anti-nukleäre Antikörper und pANCA sind in der Regel positiv. Dagegen sind antimitochondriale Antikörper (AMA), die typisch bei der primär biliären Cholangitis auftreten, charakteristischerweise negativ.
Als erstes bildgebendes Verfahren zur Darstellung des hepatobiliären Systems wird zum Ausschluss eines extrahepatischen Verschlusses die Sonographie eingesetzt. Obwohl Ultraschall oder Computertomographie Gallengangserweiterungen zeigen können, erfordert die Diagnose eine Cholangiographie, damit multiple Stenosen und Erweiterungen in den intra- und extrahepatischen Gallengänge bestätigt werden. Eine Cholangiographie sollte mit der Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie (MRCP) beginnen. Eine endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) ist in der Regel die zweite Wahl, da sie invasiv ist. Eine Leberbiopsie ist gewöhnlich nicht für die Diagsosestellung notwendig. Wenn Sie durchgeführt wird, zeigt sie Proliferation von kleinen Gallengängen, periduktale Fibrose, Entzündung und den Verlust von Gallengängen. Mit fortschreitender Erkrankung breitet sich die periduktale Fibrose von den Portalregionen her aus und führt letztlich zur biliären Zirrhose.
Erwachsene mit primär sklerosierender Cholangitis, auch wenn keine Zirrhose vorliegt, sollten sich alle 6 bis 12 Monate einer Bildgebung des Abdomens (Ultraschall, abdominelle Computertomographie oder Magnetresonanztomographie/Magnetresonanz-Cholangiopankreatikographie) unterziehen, um auf Gallenblasenkrebs und Cholangiokarzinom zu untersuchen. Der Serumspiegel des Kohlenhydrat-Antigens (CA) 19-9 sollte regelmäßig kontrolliert werden (1).
Die Koloskopie mit Biopsien sollte bei Patienten ohne vorbestehende entzündliche Darmerkrankungen (IBD) zum Zeitpunkt der Diagnose von einer primären sklerosierenden Cholangitis (PSC) durchgeführt werden und bei Patienten mit PSC und IBD ab dem Zeitpunkt der Diagnose der PSC aufgrund des erhöhten Risikos für ein kolorektales Adenokarzinom jährlich erfolgen.
Diagnosehinweis
1. Bowlus CL, Lim JK, Lindor KD: AGA Clinical practice update on surveillance for hepatobiliary cancers in patients with primary sclerosing cholangitis: Expert review. Clin Gastroenterol Hepatol 17(12):2416-2422, 2019. doi: 10.1016/j.cgh.2019.07.011
Behandlung der primär sklerosierenden Cholangitis
Unterstützende Behandlung
Dilatation bei größeren (dominanten) Strikturen durch eine endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP)
Transplantation bei rezidivierender bakterieller Cholangitis, Kachexie oder bei dekompensierter Leberzirrhose.
Asymptomatische Patienten muss man lediglich überwachen (körperliche Untersuchung, Bestimmung der Lebertests zweimal jährlich sowie Bildgebung einmal pro Jahr) und, falls erwachsen, eine regelmäßige Bildgebung und Messung von CA 19-9 zum Screening auf Gallenblasenkrebs und Cholangiokarzinom. Ursodeoxycholsäure (20 mg/kg/Tag) reduziert den Juckreiz und verbessert die biochemischen Marker, aber nicht das Überleben. Chronische Cholestase und Leberzirrhose benötigen eine supportive Behandlung. Episoden von bakterieller Cholangitis rechtfertigen Antibiotika und therapeutische endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie, je nach Bedarf (1). Wenn eine einzelne Striktur die Hauptursache für die Obstruktion zu sein scheint (bei bis zu 45% der Patienten kann sich eine dominante Striktur entwickeln) (2), kann eine ERCP-Dilatation (mit Bürstenzytologie und Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung [FISH] zum Screening auf Cholangiokarzinom) und Stenting die Symptome lindern.
Die Lebertransplantation stellt die einzige Behandlung dar, die die Lebenserwartung von Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis verbessert und die kurativ sein kann. Eine rezidivierende bakterielle Cholangitis, Komplikationen einer Lebererkrankung im Endstadium (z. B. nicht behandelbarer Aszites, portosystemische Enzephalopathie, blutende Ösophagusvarizen) oder ein Cholangiokarzinom (bei entsprechend ausgewählten Patienten) sind Indikationen für eine Lebertransplantation.
Literatur zur Behandlung
1. Aabakken L, Karlsen TH, Albert J, et al: Role of endoscopy in primary sclerosing cholangitis: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) and European Association for the Study of the Liver (EASL) Clinical Guideline. Endoscopy 49(6):588-608, 2017. doi: 10.1055/s-0043-107029
2. Bowlus CL, Arrivé L, Bergquist A, et al: AASLD practice guidance on primary sclerosing cholangitis and cholangiocarcinoma. Hepatology 77(2):659-702, 2023. doi: 10.1002/hep.32771
Wichtige Punkte
Die meisten Patienten (80%) mit PSC haben eine entzündliche Darmkrankheit, in der Regel eine Colitis ulcerosa, und viele haben Autoantikörper.
Der Verdacht auf primär sklerosierende Cholangitis sollte geäußert werden, wenn Patienten, insbesondere solche mit entzündlichen Darmerkrankungen, ein unerklärliches cholestatisches Muster von Anomalien in Lebertests aufweisen.
Eine extrahepatische Gallengangsobstruktion sollte durch Ultraschall ausgeschlossen werden, dann sollte eine MRCP (oder, als zweite Wahl, endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie) durchgeführt werden.
Die Patienten mit regelmäßigen Lebertests überwachen, regelmäßig auf Gallenblasenkrebs und Cholangiokarzinom untersuchen und Symptome und Komplikationen behandeln (z. B. endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie zur Weitung dominanter Strikturen).
Eine Lebertransplantation sollte bei rezidivierender Cholangitis oder Komplikationen eines Leberversagens in Betracht gezogen werden.