Übersicht über Chromosom- und Gendefekte

VonNina N. Powell-Hamilton, MD, Sidney Kimmel Medical College at Thomas Jefferson University
Überprüft/überarbeitet Nov. 2023
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Kurzinformationen

Chromosomen sind Strukturen im Inneren von Zellen, welche die Gene einer Person enthalten.

Gene sind Abschnitte der Desoxyribonukleinsäure (DNA). Sie enthalten den Code für ein bestimmtes Protein, das in einer oder mehreren Arten von Zellen im Körper tätig ist (siehe Gene und Chromosomen für einem Artikel zu Genetik).

Jede normale menschliche Zelle, mit Ausnahme von Samen- und Eizellen, verfügt über 23 Chromosomenpaare, also insgesamt 46 Chromosomen. Samen- und Eizellen haben nur eines der beiden Chromosomen jedes Paares, also insgesamt 23. Jedes Chromosom enthält Hunderte bis Tausende Gene.

Die Geschlechtschromosomen sind eines der 23 Chromosomenpaare. Es gibt 2 Geschlechtschromosomen, die als X und Y bezeichnet werden. Frauen haben typischerweise zwei X-Chromosomen (XX) und Männer ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom (XY).

DNS-Aufbau

Die DNS (Desoxyribonukleinsäure) ist das genetische Material einer Zelle, das in Chromosomen innerhalb des Zellkerns und der Mitochondrien enthalten ist.

Mit Ausnahme bestimmter Zellen (z. B. Samenzellen, Eizellen und rote Blutkörperchen) enthält der Zellkern 23 Chromosomenpaare. Ein Chromosom enthält viele Gene. Ein Gen ist ein Abschnitt der Desoxyribonukleinsäure (DNS oder DNA), der den Code zur Herstellung eines Proteins oder eines RNA-Moleküls liefert.

Das DNS-Molekül ist eine lange, gewundene Doppelhelix, die einer spiralförmigen Strickleiter ähnelt. Darin befinden sich zwei Stränge, die aus Zucker (Desoxyribose) und Phosphatmolekülen zusammengesetzt und in Paaren von vier Molekülen miteinander verbunden sind (genannt Basen), welche die Stufen der Strickleiter bilden. In den Stufen ist Adenin mit Thymin oder Guanin mit Cytosin gepaart. Jedes Basenpaar wird durch Wasserstoffverbindungen zusammengehalten. Ein Gen besteht aus einer Basensequenz. Sequenzen aus drei Basen verschlüsseln eine Aminosäure (Aminosäuren sind die Bausteine von Proteinen) oder andere Informationen.

Chromosomenanomalien

(Siehe auch „Chromosomenanomalien“ unter „Risikofaktoren für genetische Störungen oder Geburtsfehler“.)

Alle Chromosomen können von Abweichungen betroffen sein, auch die Geschlechtschromosomen. Chromosomenanomalien betreffen:

  • die Anzahl der Chromosomen

  • den Aufbau der Chromosomen

Größere Chromosomenanomalien können in einem Test, der Chromosomen- oder Karyotyp-Analyse, unter dem Mikroskop sichtbar gemacht werden. Kleinere Chromosomenanomalien können auch anhand eines speziellen Gentests entdeckt werden, bei dem die Chromosomen einer Person auf zusätzliche oder fehlende Abschnitte untersucht werden. Dazu zählen die chromosomale Mikroassay-Analyse und die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH). (Siehe auch Techniken zur Next-Generation-Sequenzierung.)

Numerische Anomalien treten auf, wenn eine Person über eine oder mehrere zusätzliche Kopien eines Chromosoms verfügt (bei einem zusätzlichen spricht man z. B. von einer Trisomie, bei zwei zusätzlichen von einer Tetrasomie) oder wenn eine Kopie des Chromosomenpaars fehlt (Monosomie). Trisomie kann auf jedem der 23 Chromosomen auftreten, aber die häufigsten sind die Trisomie 21 (Down-Syndrom), Trisomie 13 und Trisomie 18, die sowohl Mädchen als auch Jungen betreffen. Diese Anomalien sind bei der Karyotypisierung mit einem Mikroskop sichtbar.

Je älter eine Schwangere ist, desto größer ist das Risiko für ein ganzes zusätzliches oder ein fehlendes Chromosom beim Fötus (siehe die Tabelle Wie hoch ist das Risiko, ein Baby mit einer Chromosomenanomalie zu bekommen?). Auf Männer trifft dies nicht zu. Bei Männern erhöht sich das Risiko ein Baby mit einer Chromosomenanomalie zu zeugen nur geringfügig.

Von Anomalien in der Struktur spricht man, wenn ein Teil des Chromosoms anormal ist. Manchmal lagert sich ein Chromosom teilweise oder vollständig an ein anderes an (Translokation). Manchmal fehlen Teile von Chromosomen (als Deletion bezeichnet – siehe Überblick über chromosomale Deletionssyndrome) oder sind doppelt vorhanden.

Manche Chromosomenanomalien führen vor der Geburt zum Tod des Embryos oder Fötus. Andere Anomalien verursachen Probleme wie geistige Behinderung, Kleinwüchsigkeit, Krampfanfälle, Herzprobleme oder eine Gaumenspalte.

Genanomalien

Veränderungen in einem oder mehreren Basenpaaren der DNS in einem Gen (siehe Abbildung DNS-Aufbau) erzeugt eine Variante dieses Gens, die sich auf die Funktionsweise des Gens auswirken kann. Diese Veränderungen wirken sich nicht auf die Chromosomenstruktur aus und können deshalb in der Karyotyp-Analyse oder anderen Chromosomentests nicht sichtbar gemacht werden. Es sind ausführlichere genetische Untersuchungen erforderlich. Manche Genvarianten machen gar keine Probleme, andere nur einige oder nur leichte Probleme. Wiederum andere Varianten haben schwerwiegende Erkrankungen wie Sichelzellanämie, Mukoviszidose und Muskeldystrophie zur Folge. Mediziner finden nach und nach mehr spezifische genetische Ursachen für Erkrankungen bei Kindern heraus.

Es bleibt unklar, wie die meisten Varianten entstehen, aber wahrscheinlich ist in den meisten Fällen ein spontanes Entstehen. Manche Substanzen oder Stoffe in der Umwelt können Gene schädigen und Genvarianten verursachen. Diese Substanzen nennt man Mutagene. Mutagene, wie etwa Bestrahlung, ultraviolettes Licht und bestimmte Medikamente sowie Chemikalien können bestimmte Arten von Krebs und Geburtsfehler auslösen.

Eine Variante in den Genen im Sperma des Vaters oder in der Eizelle der Mutter kann an das Kind weitergegeben werden. Eine Variante in den Genen anderer Zellen kann Erkrankungen hervorrufen, die nicht an die Kinder weitergegeben werden (weil das Sperma des Mannes oder die Eier der Frau nicht davon betroffen sind). Hat eine Person zwei Exemplare eines veränderten Gens, so kann dies zu schwerwiegenden Erkrankungen führen, wie etwa Mukoviszidose oder Tay-Sachs-Syndrom. Manchmal können schon Störungen auftreten, wenn eine Person nur eine Kopie von einem abnormen Gen hat.

Tests zum Erkennen von Chromosomen- und Genanomalien

Die Chromosomen und Gene einer Person können untersucht werden, indem eine Blutprobe sowie Zellen aus anderen Teilen des Körpers, wie z. B. aus einem Abstrich der Innenseite der Wange, analysiert werden.

Zudem können auch während der Schwangerschaft bei einer Amniozentese oder einer Chorionzottenbiopsie Zellen entnommen werden, um diese auf bestimmte Chromosomen- oder Genanomalien beim Fötus zu untersuchen. Wenn der Fötus eine Anomalie aufweist, können weitere Tests vorgenommen werden, um bestimmte Geburtsfehler nachzuweisen.

Kürzlich wurde ein Test zur Vorsorgeuntersuchung (Screening) entwickelt, bei dem eine Blutprobe der schwangeren Frau untersucht wird, um festzustellen, ob ihr Fötus ein erhöhtes Risiko für bestimmte genetische Störungen hat. Dieser Test nutzt die Tatsache, dass das Blut der Mutter eine sehr kleine Menge an Fötus-DNS enthält. Dieser Test wird als nicht-invasive Pränataldiagnostik (NIPD) oder als Analyse der zellfreien fötalen DNS bezeichnet. Anhand der NIPD kann festgestellt werden, ob ein erhöhtes Risiko für Trisomie 21 (Down-Syndrom), Trisomie 13 oder Trisomie 18 und für bestimmte andere Chromosomen- und Genanomalien besteht, aber es kann keine definitive Diagnose gestellt werden. Wird eine Chromosomenanomalie festgestellt, empfehlen Ärzte normalerweise weitere Tests.

Vorbeugung von Chromosomen- und Genanomalien

Obwohl Chromosomen- und Genanomalien nicht korrigiert werden können, können einige Geburtsfehler manchmal verhindert werden. Beispielsweise können Mütter Folsäure (Folat) einnehmen, um Neuralrohrdefekte zu verhindern, und Eltern können auf ihren Trägerstatus für bestimmte genetische Anomalien untersucht werden. In-vitro-Fertilisation (im Reagenzglas) (IVF) mit einer genetischen Diagnose des Embryos, bevor er in die Gebärmutter der Frau eingesetzt wird (siehe genetische Präimplantationsdiagnostik).