Ginseng ist der Name einer ganzen Pflanzenfamilie. Nahrungsergänzungsmittel werden aus amerikanischem (Panax quinquefolius) oder asiatischem Ginseng (Panax ginseng) gewonnen, denn sibirischer Ginseng (Eleutherococcus senticosus) enthält nicht die Bestandteile der beiden anderen Formen, die man für die aktiven Wirkstoffe hält und als Nahrungsergänzung verwendet.
Ginsengwurzel kann frisch oder getrocknet, als Extrakt oder Lösung, in Form von Kapseln, Tabletten, Sodawasser und Tee eingenommen oder für Kosmetika verwendet werden. Die Wirkstoffe in amerikanischem Ginseng sind die Panaxoside (Saponinglykoside). Die Wirkstoffe in asiatischem Ginseng sind Ginsenoside (Triterpenoidglykoside).
Viele Ginsengprodukte enthalten wenige oder keine nachweisbaren Wirkstoffe. In sehr wenigen Fällen wurden einige Ginsengpräparate aus Asien gezielt mit Alraunwurzel gemischt, um Erbrechen auszulösen oder auch mit den Substanzen Phenylbutazon oder Aminopyrin. Diese Medikamente wurden in den USA wegen der erheblichen Nebenwirkungen vom Markt entfernt.
(Siehe auch Nahrungsergänzungsmittel im Überblick.)
Behauptungen
Man sagt, Ginseng könne das körperliche (wie auch das sexuelle) und geistige Leistungsvermögen steigern und adaptogen wirken bzw. die Anpassungsfähigkeit verbessern (d. h. durch stärkere Energie und Widerstandskraft gegenüber schädlichen Folgen von Stress und Alter). Ginseng soll auch den Plasma-Glukosespiegel senken und die HDL (high density lipoprotein)-, Hb (Hämoglobin)- und Proteinkonzentrationen erhöhen können, als Immunstimulans, Antikrebsmittel und Herztonikum wirken sowie endokrine, zentralnervöse und östrogene Wirkungen haben. Ein weiterer Anspruch sind mögliche, positive Auswirkungen auf die Immunfunktion.
Belege
Studien über Ginseng haben unterschiedliche Wirkungen und Einschränkungen gezeigt, darunter die folgenden:
Verbesserung der Immunfunktion durch Modulation entzündlicher Zytokine (1)
antikarzinogene Effekte (2)
Verringert den Blutzuckerspiegel (3)
Beweis der kognitiven Funktion (4)
Müdigkeit (5)
Eine systematische Überprüfung von 5 Studien (747 Probanden) ergab keinen Hinweis darauf, dass Ginseng die Häufigkeit oder Schwere von Erkältungen senkte, aber Ginseng verkürzte die Erkältungsdauer (6).
Eine Cochrane-Review von 2010 über 9 randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studien hat die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen von Ginseng-Supplementierung zur Verbesserung der kognitiven Funktion bei gesunden Probanden (8 Versuche) und bei jenen mit altersbedingten Gedächtnisstörungen (1 Versuch) untersucht (4). Die Analyse ergab keine schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen mit Ginseng-Ergänzung, aber es gab keine überzeugenden Beweise für eine verbesserte kognitive Funktion bei gesunden Probanden oder Menschen mit der Diagnose Demenz. Eine koreanische Längsschnittstudie ergab, dass die Einnahme von Ginseng über einen Zeitraum von mehr als 5 Jahren für die kognitiven Fähigkeiten von in Gemeinschaftseinrichtungen lebenden älteren Erwachsenen von Vorteil sein kann (7).
Eine systematische Cochrane-Überprüfung von Ginseng zur Verbesserung der Erektionsfähigkeit aus dem Jahr 2021 umfasste 9 Studien (587 Teilnehmer), in denen die Wirkung von Ginseng mit der eines Placebos verglichen wurde. Die Überprüfung ergab, dass Ginseng im Vergleich zu Placebo eine geringfügige Auswirkung auf die erektile Funktion haben kann (8).
Größere sind Versuche nötig, um die Wirksamkeit des Ginsengs zu bewerten. Auch sind weitere Auswertung der in den Ergänzungen gefundenen Verbindungen notwendig, um die Komponenten zu bestimmen, die für die beobachteten vorteilhaften Effekte verantwortlich sind. Je nachdem, ob es sich bei dem verwendeten Präparat um Amerikanischen Ginseng oder Panax Ginseng handelt, können die Wirkungen unterschiedlich sein, und manchmal werden in klinischen Studien auch Ginseng-Kombinationen verwendet. Es gibt keine Beweise, die andere gesundheitsbezogene Angaben für Ginseng unterstützen.
Nebenwirkungen
Falls in den ersten Tagen Nervosität und Reizbarkeit auftreten, lassen sie schon bald wieder nach. Auch die Konzentrationsfähigkeit kann eingeschränkt sein und die Plasma-Glukose kann auffallend sinken, was dann zu Hypoglykämie führt. Wegen der östrogenartigen Wirkung sollten weder Schwangere oder stillende Frauen noch Kinder Ginseng einnehmen. Gelegentlich wurde über ernstere Nebenwirkungen wie Asthmaanfälle, erhöhten Blutdruck, Palpitationen und uterine Blutungen (nach der Menopause) berichtet. Vielen Menschen schmeckt Ginseng nicht gerade angenehm.
Interaktionen mit Medikamenten
Ginseng kann Wechselwirkungen mit blutzuckersenkenden Mitteln, Acetylsalicylsäure und anderen nichtsteroidalen Antiphlogistika, mit Kortikosteroiden, Digoxin, Östrogenen, MAO-Hemmern und Warfarin haben.
Ginseng kann auch die Serumkonzentrationen bestimmter Medikamente erhöhen. So kann Ginseng beispielsweise die Spiegel von Imatinib und Raltegravir erhöhen und dadurch Lebertoxizität verursachen. Wenn Ginseng mit bestimmten Antiarrhythmika wie Amiodaron oder Thioridazin kombiniert wird, können Arrhythmien auftreten.
(Siehe auch Tabelle Einige mögliche Wechselwirkungen von Nahrungsmittelergänzugen.)
Literatur
1. Kim JH, Yi Y-S, Kim M-Y, et al: Role of ginsenosides, the main active components of Panax ginseng, in inflammatory responses and diseases. J Ginseng Res41(4):435-443, 2016. doi: 10.1016/j.jgr.2016.08.004
2. Yun TK, Zheng S, Choi SY, et al: Non-organ-specific preventive effect of long-term administration of Korean red ginseng extract on incidence of human cancers. J Med Food 13(3):489-494, 2010. doi: 10.1089/jmf.2009.1275
3. Shishtar E, Sievenpiper JL, Djedovic V, et al: The effect of ginseng (the genus panax) on glycemic control: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled clinical trials. PLoS One 9(9):e107391, 2014. doi: 10.1371/journal.pone.0107391
4. Geng J, Dong J, Ni H, et al: Ginseng for cognition. Cochrane Database Syst Rev (12):CD007769, 2010. doi: 10.1002/14651858.CD007769.pub2
5. Arring NM, Millstine D, Marks LA, et al: Ginseng as a treatment for fatigue: a systematic review. J Altern Complement Med 24(7):624-633, 2018. doi: 10.1089/acm.2017.0361
6. Seida JK, Durec T, Kuhle S: North American (Panax quinquefolius) and Asian ginseng (Panax ginseng) preparations for prevention of the common cold in healthy adults: a systematic review. Evid Based Complement Alternat Med 2011:282151, 2011. doi: 10.1093/ecam/nep068
7. Lho SK, Kim TH, Kwak KP, et al: Effects of lifetime cumulative ginseng intake on cognitive function in late life. Alzheimers Res Ther 10(1):50, 2018. doi: 10.1186/s13195-018-0380-0
8. Lee HW, Lee MS, Kim TH, et al: Ginseng for erectile dysfunction. Cochrane Database Syst Rev 4(4):CD012654, 2021. Veröffentlicht 2021 Apr 19. doi:10.1002/14651858.CD012654.pub2
Weitere Informationen
Die folgenden englischsprachigen Quellen können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.
National Institutes of Health (NIH), National Center for Complementary and Integrative Health: General information on the use of Asian ginseng as a dietary supplement