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Ursachen von Benommenheit und Schwindel

Ursache

Verdächtige Befunde

Diagnostisches Vorgehen

Krankheiten des peripheren Vestibularsystemsa,b

Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPPV)

Schwere, kurze (< 1 Minute) Drehschwindelattacken, ausgelöst durch eine Drehung des Kopfes in eine bestimmte Richtung

Nystagmus hat eine Latenzzeit von 0–30 Sekunden, ist ermüdbar und torsional und zeigt eine Schlagrichtung hin zum untersten Ohr

Frenzel-Brille wird benötigt, um Blickfixierung zu verhindern

Hörvermögen und neurologische Untersuchung intakt

Dix-Hallpike-Manöver, um charakteristischen Lagenystagmus zu beurteilen

Menière-Krankheit

Wiederholte Episoden von einseitigem Tinnitus, Schwerhörigkeit, Völlegefühl im Ohr

Audiometrie

Gadolinium-MRT zum Ausschluss anderer Ursachen

Neuronitis vestibularis (virale Ursache vermutet)

Plötzlicher, zur Handlungsunfähigkeit führender, schwerer Schwindel ohne Hörverlust oder andere Befunde

Dauert bis zu 1 Woche an, mit schrittweiser Abschwächung der Symptome

Kann zu Lagerungsschwindel führen

Manchmal nur klinische Untersuchung

Gelegentlich Gadolinium-MRT

Der Lagerungsschwindel bei Neuronitis kann von BPPV durch ein Dix-Hallpike-Manöver unterschieden werden

Labyrinthitis (viral oder bakteriell)

Hörverlust, Tinnitus

Audiometrie

CT des Os temporale bei Verdacht auf eitrige Infektion

Gadolinium-MRT bei einseitigem Hörverlust und Tinnitus

Otitis media (akut oder chronisch, gelegentlich mit Cholesteatom)

Ohrenschmerzen, auffällige Ohruntersuchung, einschließlich Ausfluss bei chronischer Otitis

Infektion in der Vorgeschichte

Audiometrie

Bei Cholesteatom optionales CT, um eine Fistelbildung im Bogengang auszuschließen

Trauma (z. B. Trommelfellruptur, labyrinthische Prellung, perilymphatische Fistel, Fraktur des Os temporale, postkommotionelles Syndrom)

Trauma aus Anamnese offensichtlich

Weitere Befunde je nach Lokalisation und Ausmaß der Schädigung

Manchmal nur klinische Untersuchung

Gelegentlich CT

Vestibuläres Schwannom (Akustikusneurinom)

Langsam fortschreitender einseitiger Hörverlust, Tinnitus, Benommenheit, Gleichgewichtsstörungen

Selten Taubheitsgefühl im Gesicht und/oder Schwäche

Audiometrie

Gadolinium-MRT, falls signifikante Asymmetrie beim Hören oder ein einseitiger Tinnitus besteht

Ototoxische Medikamentec

Kürzlich eingeleitete Behandlung mit Aminoglykosiden, in der Regel mit beidseitigem Hörverlust und Verlust der Gleichgewichtsfunktion

Audiometrie

Gelegentlich vestibuläre Abklärung mit Elektronystagmographie und Drehstuhltest

Herpes zoster oticus (Ramsay-Hunt-Syndrom)

Ganglion geniculatum ebenfalls betroffen, weshalb Fazialisschwäche und Geschmacksverlust oft zusammen mit Hörverlust auftreten

Vertigo möglich, aber nicht typisch

Bläschen auf Ohrmuschel und im Gehörgang

Nur klinische Untersuchung

Chronische Reisekrankheit (mal de debarquement)

Persistierende Symptome nach akuter Reisekrankheit

Nur klinische Untersuchung

Zentrale Störungen des Vestibularsystemsd

Hirnstammblutung oder Infarkt

Plötzlicher Beginn

Beteiligung der Cochlea-Arterie verursacht möglicherweise Ohrsymptome

Sofortige Bildgebung (Gadolinium-MRT, falls verfügbar, ansonsten CT)

Kleinhirnblutung oder Infarkt

Plötzlicher Beginn, mit Ataxie und anderen Kleinhirnbefunden, häufig Kopfschmerzen

Verschlechtert sich schnell

Sofortige Bildgebung (Gadolinium-MRT, falls verfügbar, ansonsten CT)

Migräne

Episodischer, wiederkehrender Schwindel, in der Regel ohne unilaterale auditive Symptome (kann einen Tinnitus haben, der in der Regel bilateral ist)

Möglicherweise Kopfschmerzen, aber häufig Migräne in der persönlichen oder familiären Vorgeschichte

Lichtscheu, Lärmempfindlichkeit, visuelle oder andere Auren möglich, hilfreich bei Diagnose

In der Regel klinische Untersuchung, aber bei Bedarf mit Bildgebung des Gehirns, um andere Ursachen auszuschließen

Manchmal Versuch einer Migräneprophylaxe

Multiple Sklerose

Verschiedene motorische und sensorische ZNS-Defizite mit Remission und wiederkehrenden Exazerbationen (Schüben).

Gadolinium-MRT des Gehirns und der Wirbelsäule

Dissektion der A. vertebralis

Häufig Kopf- und Nackenschmerzen

Magnetresonanz-Angiographie

Vertebrobasiläre Insuffizienz

Sporadisch kurze Episoden, manchmal mit Sturzanfällen, Sehstörungen, Verwirrtheit

Magnetresonanz-Angiographie

Globale Störung der ZNS-Funktione

Anämie (zahlreiche Ursachen)

Blässe, Schwäche, manchmal Häm-positiver Stuhl

Komplettes Blutbild

ZNS-aktive Medikamentef (nicht ototoxisch)

Kürzlich eingeleitete Medikation oder Dosiserhöhung; mehrere Medikamente, vor allem bei einem älteren Patienten

Symptome unabhängig von Bewegung oder Lage

Manchmal nur klinische Untersuchung

Gelegentlich, Wirkstoffspiegel (bestimmte Antiepileptika)

Manchmal Entzugsversuch

Hypoglykämie (in der Regel durch Antidiabetika verursacht)

Kürzlich erfolgte Dosissteigerung

Gelegentlich Schwitzen

Glukosetest an der Fingerkuppe (wenn möglich bei Vorliegen von Symptomen)

Hypotonie (verursacht durch Herzerkrankungen, Antihypertensiva, Blutverlust, Dehydratation oder orthostatische Hypotonie-Syndrome inkl. orthostatisches Tachykardie-Syndrom und andere Dysautonomien)

Symptome beim Aufstehen, manchmal mit Vagusreizung (z. B. beim Wasserlassen), aber nicht bei Kopfbewegungen oder im Liegen

Manifestation möglicherweise von Ursache (z. B. Blutverlust, Diarrhö) dominiert

Orthostatische Vitalfunktionen, gelegentlich mit Kipptischversuch, EKG

Hypoxämie (zahlreiche Ursachen)

Tachypnoe

Häufig Lungenerkrankungen in der Vorgeschichte

Pulsoxymetrie

Andere Ursachene

Persistierender perzeptueller posturaler Schwindel (PPPD)

Chronischer Schwindel ohne Drehschwindel (ein inneres Schwankungsgefühl), der seit > 3 Monaten anhält

Kann durch andere akute Erkrankungen wie BPPV oder vestibuläre Migräne ausgelöst werden

Kann eine Manifestation einer Angststörung sein

Nur klinische Untersuchung

Schwangerschaft

Möglicherweise unerkannt

Schwangerschaftstest

Psychiatrische (z. B. Panikattacken, Hyperventilationssyndrom, Angst, Depression)

Symptome chronisch, kurz, rezidivierend

Unabhängig von Bewegung oder Lage, kann jedoch bei Stress oder Ärger auftreten

Normaler neurologischer und otologischer Untersuchungsbefund

Anfangs wird beim Patienten möglicherweise eine periphere vestibuläre Dysfunktion diagnostiziert und ein Ansprechen auf die entsprechende Behandlung bleibt aus

Nur klinische Untersuchung

Syphilis

Chronische Symptome mit beidseitigem Hörverlust, fluktuierend, mit episodischem Schwindel

Audiometrie

Syphilis-Serologie

Schilddrüsenfunktionsstörungen

Gewichtsveränderung

Hitze- oder Kälteintoleranz

Tests der Schilddrüsenfunktion

Unkompensierte periphere vestibuläre Schwäche

Dysequilibrium

Visuelles Verschwommensehen (ein inneres Gefühl des Schwankens) bei Kopfdrehung

Kann nach Episoden von vestibulärer Neuronitis, Migräne mit Schwindel, Morbus Menière oder nach einem Kopftrauma oder einer Innenohroperation auftreten

Vestibuläre Tests

aDie Symptome sind in der Regel eher paroxysmaler, schwerer und episodischer Art anstatt kontinuierlich. Ohrsymptome (z. B. Tinnitus, Völlegefühl, Hörverlust) deuten normalerweise auf eine periphere Störung hin. Bewusstseinsverlust ist aufgrund der peripheren vestibulären Pathologie nicht mit Schwindel assoziiert.

bPeriphere vestibuläre Störungen werden in grober Reihenfolge nach der Häufigkeit ihres Auftretens aufgeführt.

cZahlreiche Medikamente, darunter Aminoglykoside, Chloroquin, Furosemid und Chinin. Viele andere Medikamente sind ototoxisch, aber haben mehr Einfluss auf die Cochlea als auf den Vestibularapparat.

dOhrsymptome sind selten vorhanden, aber Störungen von Gangart/Balance sind häufig. Ein Nystagmus wird durch Blickfixierung nicht inhibiert.

eDiese Ursachen sollten keine otischen Symptome (z. B. Hörverlust, Tinnitus) oder fokalen neurologischen Defizite (treten gelegentlich zusammen mit Hypoglykämie auf) verursachen. Vertiginöse Symptome sind selten, wurden aber berichtet.

fEs gibt zahlreiche Medikamente, darunter die meisten angst- und krampflösenden Mittel, Antidepressiva, Neuroleptika und Sedativa. Medikamente zur Behandlung von Schwindel werden ebenfalls einbezogen.

BPPV = benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel; ZNS = zentrales Nervensystem; URI = Infektion der oberen Atemwege.