Professional edition active

Chronisch venöse Insuffizienz und postthrombotisches Syndrom

VonJames D. Douketis, MD, McMaster University
Überprüft/überarbeitet Dez. 2023
Aussicht hier klicken.

Die chronisch venöse Insuffizienz ist eine Behinderung des venösen Rückstroms, die manchmal zu einem Unbehagen im Bereich der unteren Extremität, zu Ödemen und Hautveränderungen führt. Das postthrombotische (postphlebitische) Syndrom ist eine symptomatische chronische venöse Insuffizienz nach einer tiefen Venenthrombose (TVT). Die Gründe der chronisch venösen Insuffizienz sind Krankheiten, die zu venösem Hochdruck führen, üblicherweise aufgrund einer Schädigung der Venen oder einer Insuffizienz der Venenklappen, wie sie (beispielsweise) nach einer tiefe Venenthrombose eintreten kann. Die Diagnose wird aufgrund der Anamnese, der körperlichen Untersuchung und der Duplex-Sonographie gestellt. Die Behandlung besteht aus Kompression, Wundversorgung und selten chirurgischem Vorgehen. Die Prävention erfordert eine adäquate Behandlung der tiefe Venenthrombose und Kompressionsstrümpfe.

Die Prävalenzschätzungen der chronischen Veneninsuffizienz variieren stark, was auf die Unterschiede in den Studienpopulationen zurückzuführen ist (1). Das postthrombotische Syndrom kann bis zu 50% der Patienten mit tiefer Venenthrombose (TVT) betreffen und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Das postthrombotische Syndrom kann in seiner Schwere von leichten Beinschwellungen bis zu schwächenden venösen Ulzera reichen; 20–35% der Patienten entwickeln eine mittelschwere bis schwere Erkrankung. Das postthrombotische Syndrom tritt häufiger bei Patienten mit ausgedehnteren Thrombosen auf, z. B. bei Patienten mit Beteiligung der gemeinsamen Oberschenkel- und/oder Beckenvenen (2).

Allgemeine Literatur

  1. 1. Galanaud JP, Monreal M, Kahn SR. Epidemiology of the post-thrombotic syndrome. Thromb Res 2018;164:100-109. doi:10.1016/j.thromres.2017.07.026

  2. 2. Rabinovich A, Kahn SR. How I treat the postthrombotic syndrome. Blood 2018;131(20):2215-2222. doi:10.1182/blood-2018-01-785956

Ätiologie der chronisch venösen Insuffizienz

Der venöse Rückstrom der unteren Extremitäten hängt von der Kontraktion der Unterschenkelmuskulatur ab, die das Blut von intramuskulären (M. soleus) Sinusoiden und den Venen des M. gastrocnemius in und durch die tiefen Venen pumpt. Die Venenklappen führen zu einem zum Herzen hin gerichteten Blutstrom. Die chronisch venöse Insuffizienz tritt auf, wenn eine venöse Verlegung (z. B. bei tiefe Venenthrombose), eine Insuffizienz der Venenklappen oder eine verminderte Kontraktion der um die Venen angeordneten Muskulatur (z. B. infolge einer Immobilisierung) vorliegt, die den Vorwärtsfluss der Venen vermindert und den Druck in den Venen erhöht (venöse Hypertonie).

Flüssigkeitsansammlungen in den unteren Extremitäten (z. B. bei Rechtsherzinsuffizienz) kann durch das Auslösen einer venösen Hypertonie auch dazu beitragen. Eine lang anhaltende venöse Hypertonie kann zu Gewebeödemen, Entzündung und Hypoxie und entsprechenden Symptomen führen. Der Druck kann auf oberflächliche Venen übertragen werden, wenn die Perforatorvenen, die die tiefen und oberflächlichen Venen verbinden, insuffizient werden.

Der häufigste Risikofaktor für eine chronisch venöse Insuffizienz ist

  • Tiefe Venenthrombose

Zu weiteren Risikofaktoren gehören

  • Trauma

  • Höheres Alter

  • Adipositas

  • Langes Sitzen oder Stehen

  • Schwangerschaft

Idiopathische Fälle werden häufig auf eine Anamnese mit versteckter tiefe Venenthrombose zurückgeführt.

Das postthrombotische Syndrom ist eine symptomatische chronische venöse Insuffizienz, die auf eine TVT folgt. Zu den Risikofaktoren für das postthrombotische Syndrom bei Patienten mit TVT gehören eine proximale Thrombose, eine rezidivierende ipsilaterale TVT und ein Body-Mass-Index (BMI) 22 kg/m2. Alter, weibliches Geschlecht und eine Östrogentherapie sind auch mit dem postthrombotischen Syndrom assoziiert.

Symptome und Beschwerden der chronisch venösen Insuffizienz

Die klinisch evidente chronisch venöse Insuffizienz kann keine Symptome verursachen, verursacht aber immer Anzeichen; das postthrombotische Syndrom verursacht immer Symptome. Beide Krankheiten sind bedeutsam, da ihre Symptome die einer akuten tiefe Venenthrombose imitieren können und beide zu einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Aktivität und der Lebensqualität führen können.

Die Symptome, Schwellung, Schweregefühl, Schmerzen, Krämpfe, Müdigkeit und Parästhesien in den Beinen, verschlechtern sich beim Stehen oder Gehen und verbessern sich in Ruhe oder beim Hochlegen der Beine. Juckreiz kann die Hautveränderungen begleiten. Die Anzeichen sind vielfältig: keine Veränderungen bis hin zu Krampfadern (selten), Ödemen bis hin zu Stauungsdermatitis an den Unterschenkeln und den Knöcheln mit oder ohne Ulzeration (siehe Tabelle Klinische Klassifizierung der chronischen Veneninsuffizienz). Bei Kompression kann der Unterschenkel schmerzen.

Tabelle
Tabelle

Die venöse Stauungsdermatitis besteht aus Erythem, Hyperpigmentierung, Induration, venöser Ektasie, Lipodermatosklerose (fibrosierende subkutane Pannikulitis), Lichenifikation und venösen Stauungsulzera. Erytheme können bei dunkler Haut schwer zu erkennen sein.

Stauungsdermatitis (chronische Veränderungen)
Einzelheiten ausblenden
Chronische Stauungsdermatitis kann als fibrotische Hautverdickung und Hyperpigmentierung auftreten. Die Änderungen sind sowohl für hellhäutige (oben) als auch für dunkelhäutige (unten) Personen charakteristisch und erscheinen im unteren Foto stärker.
Images provided by Thomas Habif, MD.

Die venösen Stauungsulzera können sich spontan entwickeln oder nachdem die betroffene Haut gekratzt oder verletzt wird. Sie treten typischerweise um die medialen Malleoli auf, sind meist flach und feucht und können übel riechend (besonders wenn sie schlecht versorgt werden) oder schmerzhaft sein. Sie penetrieren nicht die tiefen Faszien. Im Gegensatz dazu exponieren Ulzera infolge einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit letztlich die Sehnen oder den Knochen.

Manifestationen des venösen Stauungsulkus
Frühes venöses Stauungsulkus
Frühes venöses Stauungsulkus

Zur venösen Stase gehören Lichenifikation und Hyperpigmentierung. Oberhalb des Malleolus medialis entwickelt sich ein flaches Ulkus.

... Erfahren Sie mehr

© Springer Science+Business Media

Frühes venöses Stauungsulkus
Frühes venöses Stauungsulkus

Dieses große venöse Stauungsulkus ist von einer bulligen Induration umgeben.

© Springer Science+Business Media

Stauungsdermatitis (Ulkus)
Stauungsdermatitis (Ulkus)

Venöse Stauungsgeschwüre entwickeln sich als Folge einer unzureichend behandelten Stauungsdermatitis; sie können schnell den ersten Anzeichen einer Stauungsdermatitis folgen.

... Erfahren Sie mehr

Image provided by Thomas Habif, MD.

Abgeheiltes venöses Stauungsulkus
Abgeheiltes venöses Stauungsulkus

Roberto A. Penne-Casanova/SCIENCE PHOTO LIBRARY

Ein Beinödem ist meist unilateral oder asymmetrisch; bilaterale symmetrische Ödeme resultieren eher durch eine systemische Krankheit (z. B. Herzinsuffizienz, Hypalbuminämie) oder durch bestimmte Medikamente (z. B. Kalziumantagonisten).

Im Allgemeinen, außer wenn die unteren Extremitäten adäquat versorgt werden, haben Patienten mit irgendeiner Manifestationen der chronisch venösen Insuffizienz oder des postthrombotischen Syndroms auch ein erhöhtes Risiko, dass sie sich zu einer fortgeschrittenen Form entwickeln.

Diagnose der chronischen venösen Insuffizienz

  • Klinische Untersuchung

  • Sonographie, um tiefe Venenthrombose auszuschließen

Die Diagnose wird üblicherweise basierend auf der Anamnese und der körperlichen Untersuchung gestellt. Ein klinisches Punktesystem, das fünf Symptome (Schmerz, Krämpfe, Schwere, Juckreiz und Parästhesie) und sechs Zeichen (Ödem, Hyperpigmentation, Induration, venöse Ektasie, Hyperämie, Schmerz bei Unterschenkelkompression) auf einer Skala von 0 (fehlend oder minimal) bis 3 (schwer) bewertet, wird zunehmend als diagnostisches Standardverfahren zur Bestimmung der Schwere der Krankheit anerkannt (1). Punktewerte von 5 bis 14 bei zwei Untersuchungen im Abstand von 6 Monaten zeigen eine milde bis moderate Form, Punktewerte 15 zeigen eine schwere Form der Erkrankung an.

Eine Duplex-Sonographie der unteren Extremitäten kann dabei eine tiefe Venenthrombose zuverlässig ausschließen oder bestätigen. Das Fehlen von Ödemen und ein reduzierter Knöchel-Brachial-Index deuten eher auf eine periphere arterielle Verschlusskrankheit als auf eine chronisch venöse Insuffizienz und ein postthrombotisches Syndrom hin.

Diagnosehinweis

  1. 1. Kahn SR. Measurement properties of the Villalta scale to define and classify the severity of the post-thrombotic syndrome. J Thromb Haemost 2009;7(5):884-888. doi:10.1111/j.1538-7836.2009.03339.x

Behandlung der chronisch venösen Insuffizienz

  • Elevation

  • Kompression mit Bandagen, Strümpfen und/oder pneumatischen Geräten

  • Topische Therapie

  • Behandlung der Sekundärinfektion, wenn vorhanden

Manche Experten glauben, dass Gewichtsabnahme, regelmäßiges körperliches Training und die Einschränkung der Natriumzufuhr für Patienten mit beidseitiger chronisch venöser Insuffizienz zu empfehlen sind. Alle Maßnahmen können jedoch schwierig durchzuführen sein.

Die Hochlagerung des Beines über das Niveau des rechten Vorhofs vermindert die venöse Hypertonie und das Ödem; dies ist bei allen Patienten angezeigt und sollte mindestens dreimal pro Tag für ≥ 30 Minuten durchgeführt werden. Die meisten Patienten können sich jedoch tagsüber nicht zuverlässig an diesen Zeitplan halten.

Die Kompression wird zur Behandlung und Prävention der Auswirkungen einer chronisch venösen Insuffizienz (d. h. Ödeme, venöse Ulzera) empfohlen und ist bei allen Patienten indiziert. Obwohl die Datenlage hinsichtlich der Frage, ob Kompressionsstrümpfe das postthrombotische Syndrom verhindern, uneinheitlich ist, sind sie nützlich, um Symptome wie Schwellungen, Schmerzen und Engegefühl, die nach einer tiefen Venenthrombose auftreten können, zu verringern (1).

Elastische Bandage werden zunächst benutzt, bis das Ödem und die Ulzera verschwinden und das Bein sich stabilisiert; kommerzielle Kompressionsstrümpfe werden dann benutzt. Strümpfe mit einem distalen Umfangsdruck von 20 bis 30 mmHg sind bei kleineren varikösen Venen und leichter chronisch venöser Insuffizienz indiziert; 30 bis 40 mmHg sind bei größeren variköse Venen und mittelschwerer bis schwerer Erkrankung indiziert. In seltenen Fällen kann ein höherer Kompressionsdruck (z. B. > 40 mmHg) verwendet werden, der aber möglicherweise nicht über einen längeren Zeitraum toleriert wird.

Kompressionsstrümpfe sollten beim Aufwachen des Patienten angezogen werden, bevor das Beinödem sich mit der körperlichen Aktivität verschlechtert; sie sollten den maximalen Druck an den Knöcheln entfalten und proximal abgestuft weniger Druck ausüben. Die Compliance bei dieser Behandlung ist unterschiedlich; viele Patienten halten Strümpfe für irritierend, einschränkend oder kosmetisch unerwünscht; viele Patienten haben Schwierigkeiten, sie anzuziehen.

Die intermittierende pneumatische Kompression (IPC) benutzt eine Pumpe, um zyklisch eine Plastikhose auf- und abzublasen. Die IPC bewirkt durch eine externe Kompression das Auspressen von Blut und Flüssigkeit aus den Unterschenkeln. Sie behandelt das schwere postthrombotische Syndrom und venöse Stauungsulzera, aber ist möglicherweise nicht wirksamer als Kompressionsstrümpfe allein und für die Patienten viel weniger praktikabel, um sie dauerhaft zu tragen.

Eine topische Wundversorgung ist bei der Versorgung von venösen Stauungsulzera wichtig. Wenn ein sog. Unna-Schuh (zinkoxidimprägnierte Bandagen) richtig eingesetzt, mit Kompressionsbandagen überdeckt und wöchentlich gewechselt wird, heilen fast alle Ulzera. Okklusive Verbände (z. B. Hydrokolloide wie Aluminumchlorid) bewirken ein feuchtes Milieu für die Wundheilung und fördern das Wachstum neuen Gewebes; sie können bei Ulzera mit leichtem bis mäßigem Exsudat verwendet werden, bieten aber wahrscheinlich nur einen geringen Zusatz zum einfachen Unna-Verband. Trockene Verbände sind absorbierend, weshalb sie am geeignetsten bei starker Exsudation sind.

Medikamente spielen bei der routinemäßigen Behandlung keine Rolle, obwohl manche Patienten Acetylsalicylsäure, topische Corticosteriode, Diuretika bei Ödemen oder Antibiotika erhalten.

Chirurgische Eingriffe (z. B. venöse Ligation, Venen-Stripping, Klappenrekonstruktion) sind in der Regel nicht wirksam. Die Transplantation von autologer Haut oder Haut, die aus epidermalen Keratinozyten oder Hautfibroblasten hergestellt wurde, kann eine Option für Patienten mit Stauungsulzera sein, die auf alle anderen Maßnahmen refraktär sind (2); es besteht jedoch das Risiko, dass das Transplantat reulzeriert, insbesondere wenn eine anhaltende venöse Hypertonie besteht.

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Kahn SR, Comerota AJ, Cushman M, et al. The postthrombotic syndrome: evidence-based prevention, diagnosis, and treatment strategies: a scientific statement from the American Heart Association [published correction appears in Circulation. 2015 Feb 24;131(8):e359]. Circulation 2014;130(18):1636-1661. doi:10.1161/CIR.0000000000000130

  2. 2. Jones JE, Nelson EA, Al-Hity A. Skin grafting for venous leg ulcers. Cochrane Database Syst Rev 2013;2013(1):CD001737. Published 2013 Jan 31. doi:10.1002/14651858.CD001737.pub4

Prävention von chronischer venöser Insuffizienz

Die Primärprävention der chronischen Veneninsuffizienz umfasst eine angemessene Antikoagulation nach einer tiefen Venenthrombose (TVT) und das Tragen von Kompressionsstrümpfen für bis zu 2 Jahre nach einer TVT oder einem Venentrauma der unteren Extremitäten. Eine Metaanalyse randomisierter Studien, in denen Kompressionsstrümpfe mit Placebo verglichen wurden (d. h. entweder keine oder Scheinkompressionsstrümpfe), ergab jedoch keine signifikante Verringerung des postthrombotischen Syndroms (1).

Lebensstiländerungen (z. B. Gewichtsabnahme, regelmäßiges körperliches Training, Einschränkung der Natriumzufuhr) können das Risko verringern, indem sie den Venendruck in den unteren Extremitäten senken.

Hinweis zur Prävention

  1. 1. Subbiah R, Aggarwal V, Zhao H, Kolluri R, Chatterjee S, Bashir R. Effect of compression stockings on post thrombotic syndrome in patients with deep vein thrombosis: a meta-analysis of randomised controlled trials. Lancet Haematol 2016;3(6):e293-e300. doi:10.1016/S2352-3026(16)30017-5

Wichtige Punkte

  • Hautveränderungen reichen auf einem Kontinuum von normaler Haut oder leicht ektatische Venen zu schweren Stauungsekzemen und Ulzerationen.

  • Die Symptome treten häufiger beim postthrombotischen Syndrom auf und umfassen Schweregefühl, Schmerzen und Parästhesien.

  • Die Diagnose basiert auf der Untersuchung, jedoch sollte auch eine Sonographie durchgeführt werden, um eine Tiefe Venenthrombose auszuschließen.

  • Die Behandlung besteht aus Hochlagern des Beines und Kompression; Medikamente und Operationen sind in der Regel nicht wirksam.