Rezeptfreie Arzneimittel und damit verbundene Vorsichtsmaßnahmen

VonShalini S. Lynch, PharmD, University of California San Francisco School of Pharmacy
Überprüft/überarbeitet Mai 2022 | Geändert Sept. 2022
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

Sehr junge, sehr alte und sehr kranke Menschen, aber auch Schwangere und Stillende sind besonders durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen gefährdet. Das gilt auch für rezeptfreie Arzneimittel. Wenn solche Menschen Medikamente einnehmen, sollten spezielle Vorkehrungen einschließlich einer ärztlichen Aufsicht getroffen werden.

Um riskante Wechselwirkungen zwischen Medikamenten zu vermeiden, sollten Patienten einen Apotheker oder Arzt konsultieren, bevor sie rezeptpflichtige und rezeptfreie Arzneimittel gleichzeitig einnehmen. Personen mit chronischen Erkrankungen sollten ebenfalls einen Apotheker oder Arzt konsultieren. Frei verkäufliche Arzneimittel (OTC) wurden nicht zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen entwickelt und können einige Erkrankungen sogar verschlimmern. Unerwartete Erkrankungen wie ein Ausschlag oder Schlaflosigkeit sind als Signale zu deuten, die Einnahme sofort abzubrechen und einen Arzt aufzusuchen.

Kinder

Der kindliche Körper verarbeitet Arzneimittel anders und reagiert anders auf sie als der von Erwachsenen. Es kann vorkommen, dass ein Arzneimittel jahrelang von vielen Menschen verwendet wird, ehe seine Gefahren für Kinder entdeckt werden. Beispielsweise dauerte es Jahre, bis Forschungsergebnisse zeigten, dass das Auftreten des Reye-Syndroms mit der Gabe von Aspirin an Kinder mit Windpocken oder Grippe in Verbindung steht. Ärzte und Eltern sind häufig überrascht, dass die meisten rezeptfreien Arzneimittel nicht speziell bei Kindern geprüft worden sind, nicht einmal, wenn sie Dosierungsempfehlungen für Kinder geben. Die Wirksamkeit einiger Erkältungsmittel, insbesondere bei Kindern, ist nicht erwiesen. Sie können unnötige Kosten und unnötige schädliche Wirkungen verursachen.

Die Bestimmung der korrekten Dosierung für ein Kind kann schwierig sein. Auch wenn kindgerechte Dosierungen oft nach Altersgruppen (z. B. 2 bis 6 Jahre oder 6 bis 12 Jahre) angegeben werden, ist das Alter nicht das beste Kriterium. In jeder Altersstufe können sich Kinder in Bezug auf ihre Größe erheblich voneinander unterscheiden. Deshalb empfehlen Experten sich bei der Dosisbestimmung von frei verkäuflichen Arzneimitteln nach dem Gewicht des Kindes zu richten.

Wenn das Etikett keine Anweisungen enthält, welche Dosierung für ein Kind angemessen ist, sollten die Eltern nicht versuchen, dies zu erraten. Im Zweifelsfall sollte ein Elternteil einen Arzt oder Apotheker konsultieren. Durch eine solche Beratung kann verhindert werden, dass ein Kind ein gefährliches Medikament oder eine gefährlich hohe Dosis eines möglicherweise hilfreichen Medikaments erhält.

Viele Arzneimittel für Kinder werden als Saft angeboten. Auch wenn das Etikett klare Anweisungen bzgl. der Dosis enthalten sollte, könnte die Verwendung eines gewöhnlichen Teelöffels zu einer falschen Dosierung führen. Die einzigen Löffel mit hinreichender Präzision sind Messlöffel. Ein zylindrischer Messlöffel eignet sich zur Messung der Dosis für Kinder jedoch weitaus besser. Eine Spritze zur oralen Verabreichung wird für die Messung und das Spritzen einer bestimmten Medikamentenmenge in den Mund eines Kleinkindes bevorzugt. Vor dem Gebrauch einer oralen Spritze sollte stets die Kappe entfernt werden. Eine versehentlich verabreichte Kappe kann von einem Kind verschluckt werden. Gelegentlich werden Mittel zur Behandlung von Kindern mit einer Messvorrichtung geliefert. In diesem Fall sollte die mitgelieferte Messvorrichtung zur Bestimmung der für Kinder geeigneten Dosierung verwendet werden.

Viele Medikamente für Kinder sind in mehreren Formen erhältlich. Erwachsene müssen Etiketten jedes neuen Mittels für ein Kind aufmerksam lesen.

Rezeptfreie Husten- und Erkältungsmittel für Kinder

Kinder sind besonders empfänglich für Erkältungserkrankungen, und deren Symptome empfinden sie als besonders unangenehm. Eltern und Betreuer wollen diese Symptome verständlicherweise lindern. Allerdings liegen nur wenige Studien zu Kindern unter 4 Jahren über die Wirksamkeit und Sicherheit von Erkältungsmitteln vor.

Kinder unter 4 Jahren sollten ohne spezielle Dosierungsanweisung des Arztes keine rezeptfreien Mittel gegen Schnupfen oder Husten erhalten.

Betreuer sollten sicherstellen, dass sie nur für Alter und Gewicht von Kindern formulierte Produkte verwenden.

Ältere Menschen

Der Alterungsprozess verändert die Geschwindigkeit, aber auch die Art und Weise, mit der der Körper Arzneimittel verstoffwechselt (siehe Arzneimittel im Alter). Ältere Menschen neigen dazu, an mehreren Erkrankungen zu leiden und zeitgleich mehrere Medikamente zu nehmen. Aus diesen Gründen sind ältere Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit von Neben- oder Wechselwirkungen betroffen. Auf immer mehr Etiketten rezeptpflichtiger Arzneimittel wird angegeben, ob für ältere Menschen andere Dosierungen erforderlich sind. Solche Informationen sind auf Etiketten rezeptfreier Arzneimittel eher selten zu finden.

Viele rezeptfreie Arzneimittel können für ältere Menschen potenziell gefährlich sein. Das Risiko erhöht sich, wenn Medikamente regelmäßig in der höchsten Dosis eingenommen werden. So kann ein älterer Mensch mit Arthritis regelmäßig Schmerzmittel oder Entzündungshemmer einnehmen, was jedoch ernsthafte Konsequenzen zur Folge haben kann, zum Beispiel in Form eines blutenden peptischen Geschwürs. Solch ein Geschwür kann für einen älteren Menschen lebensbedrohlich sein und ohne vorherige Anzeichen auftreten.

Viele Antihistaminika wie etwa Diphenhydramin werden als „sedierende“ Antihistaminika bezeichnet und bergen besondere Risiken für ältere Menschen. Viele Mittel zur nächtlichen Schmerzlinderung, Erkältungsmittel, antiallergische Mittel und Schlafmittel enthalten sedierende Antihistaminika. Diese Antihistaminika können Benommenheit oder Erschöpfung verursachen und einige Erkrankungen verschlimmern, die häufig bei älteren Menschen auftreten. Hierzu zählen ein Engwinkelglaukom sowie eine vergrößerte Prostata. Zudem können sie zu Schwindel oder Benommenheit führen und damit Stürze und Knochenbrüche nach sich ziehen. Besonders bei hoher Dosierung und in Kombination mit anderen Arzneimitteln können Antihistaminika Sehstörungen, Schwindel, Mundtrockenheit, Schwierigkeiten beim Wasserlassen, Verstopfung und Verwirrtheit hervorrufen. Fexofenadin, Cetirizin und Loratadin gelten als „nicht-sedierende“ Antihistaminika und neigen weniger dazu, Benommenheit oder andere Nebenwirkungen hervorzurufen.

Ältere Menschen sind auch empfänglicher für die möglichen Nebenwirkungen von Antazida. Aluminiumhaltige Mittel rufen häufiger Verstopfung hervor, die magnesiumhaltigen führen eher zu Durchfall und Austrocknung.

Bei Arztbesuchen sollten ältere Menschen stets alle rezeptfreien Arzneimittel erwähnen, die sie einnehmen, einschließlich Vitamine, Mineralstoffe und Pflanzenextrakte. Mit Hilfe dieser Informationen kann der Arzt die gesamte Medikation dahingehend bewerten, ob ein rezeptfreies Arzneimittel für bestimmte Symptome verantwortlich sein könnte.

Erkennen sedierender Antihistaminika

Zahlreiche rezeptfreie Arzneimittel, darunter Präparate gegen Erkältungen, Allergien und Reisekrankheit sowie Schlafmittel, enthalten Antihistaminika. Viele sedierende Antihistaminika beeinträchtigen die Reaktionsfähigkeit, haben viele andere Nebenwirkungen und können für Menschen mit bestimmten Erkrankungen gefährlich sein. Daher ist es hilfreich, wenn man selbst erkennen kann, ob ein Mittel Antihistaminika enthält. Rezeptfreie Antihistaminika werden auf der Packung unter aktiven Bestandteilen aufgelistet. U. a. folgende Antihistaminika sind mit solchen Nebenwirkungen verbunden:

  1. Brompheniramin

  2. Chlorpheniramin

  3. Dexbrompheniramin

  4. Dimenhydrinat

  5. Diphenhydramin

  6. Doxylamin

  7. Phenindamin

  8. Pheniramin

  9. Pyrilamin

  10. Triprolidin

Schwangere und stillende Frauen

Arzneimittel können von einer schwangeren Frau in erster Linie über die Plazenta auf den Fetus übergehen (siehe Übertragung von Arzneimitteln während der Schwangerschaft) bzw. nach der Geburt mit der Brustmilch auf den Säugling übertragen werden. Manche dieser Arzneimittel können den Fötus oder Säugling schädigen. Daher sollten schwangere und stillende Frauen ihren Arzt oder Apotheker konsultieren, bevor sie ein rezeptfreies Arzneimittel oder Kräuterpräparat nehmen. Darüber hinaus sollten sie den Beipackzettel auf entsprechende Warnhinweise hin überprüfen.

Bestimmte Arzneimittelgruppen sind besonders problematisch. Hierzu gehören Antihistaminika, die häufig in Mitteln gegen Erkältungen, Allergien, Reisekrankheit und Schlafmitteln enthalten sind, und nichtsteroidale Entzündungshemmer (NSAR). Letztere sollten nur auf ausdrückliche Anweisung eines Arztes eingenommen werden, da sie vor allem in den letzten 3 Monaten der Schwangerschaft dem Fötus schaden und zu Geburtskomplikationen führen können.

Menschen mit chronischen Erkrankungen

Eine Reihe chronischer Beschwerden können sich verschlimmern, wenn ein rezeptfreies Mittel falsch eingenommen wird. Da rezeptfreie Mittel primär für die gelegentliche Anwendung durch an sich gesunde Menschen vorgesehen sind, sollten Menschen mit chronischen oder schwerwiegenden Erkrankungen oder Menschen, die vorhaben, ein rezeptfreies Mittel täglich einzunehmen, vor dem Kauf einen Arzt konsultieren. In solchen Fällen geht die Arzneimittelverwendung über die Grenzen einer normalen Selbstmedikation hinaus und erfordert fachkundigen Rat.

Tabelle
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Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln

Viele Menschen vergessen, die von ihnen verwendeten rezeptfreien Arzneimittel gegenüber ihrem Arzt oder Apotheker zu erwähnen. Mittel, die zeitweise eingenommen werden, etwa gegen Erkältung, Verstopfung oder gelegentliche Kopfschmerzen, werden sogar noch seltener erwähnt. Ärzte vergessen möglicherweise, nach der Einnahme von rezeptfreien Mitteln oder Heilkräutern zu fragen, wenn sie ein Rezept ausstellen. Dennoch können viele rezeptfreie Arzneimittel und Heilkräuter in Verbindung mit vielen Arzneimitteln unerwünschte Wechselwirkungen auslösen (siehe Arzneimittel-Wechselwirkungen).

Manche dieser Wechselwirkungen können schwerwiegend sein, die Wirksamkeit eines Mittels beeinträchtigen oder Nebenwirkungen verursachen. So kann die Einnahme von Aspirin mit dem Antikoagulans Warfarin das Risiko abnormer Blutungen erhöhen. Ein Antazidum mit Aluminium oder Magnesium kann die Absorption von Digoxin verringern, das bei Herzerkrankungen eingenommen wird. Die Einnahme einer Vielzahl von Vitamin- und Mineralienpräparaten kann die Wirkung einiger rezeptpflichtiger Medikamente beeinträchtigen. So kann das Antibiotikum Tetrazyklin unwirksam werden, wenn es zusammen mit einem Produkt eingenommen wird, das Kalzium, Magnesium oder Eisen enthält.

Wechselwirkungen unter rezeptfreien Mitteln sind noch nicht systematisch erforscht. Viele ernsthafte Probleme wurden zufällig festgestellt, nachdem Nebenwirkungen oder Todesfälle bekannt wurden. Selbst wenn Warnhinweise auf Wechselwirkungen auf den Etiketten von rezeptfreien Mitteln enthalten sind, sind sie lange noch nicht für jeden verständlich. So können die Etiketten einiger Erkältungsmittel, die Pseudoephedrin enthalten, vor einer gleichzeitigen Verwendung mit einem Monoaminoxidasehemmer (MAO-Hemmer, die unregelmäßig gegen Depressionen und diverse andere Beschwerden verwendet werden) oder in den ersten 2 Wochen nach dessen Absetzen warnen. Für die vielen Menschen, die nicht wissen, dass das Antidepressivum, das sie einnehmen, ein MAO-Hemmer ist (z. B. Phenelzin, Tranylcypromin), ist diese wichtige Warnung nicht hilfreich.

Der beste Weg, das Risiko von Wechselwirkungen einzudämmen, liegt darin, den Apotheker diese prüfen zu lassen. Zusätzlich dazu sollte der Arzt über alle eingenommenen Mittel informiert werden bzw. sein.

Überlappung von Substanzen

Ein weiteres potenzielles Problem ist die Überlappung von Substanzen. Rezeptfreie Produkte zur Behandlung unterschiedlicher Symptome können denselben aktiven Bestandteil enthalten. Wenn Menschen nicht die Etiketten aller eingenommenen Mittel lesen und vergleichen, können sie sich versehentlich überdosieren. So nimmt eine Person, die ein Schlafmittel und ein Mittel gegen Erkältung einnimmt, die beide Diphenhydramin enthalten, unter Umständen das Doppelte der als sicher geltenden Dosis ein. Viele Produkte enthalten Paracetamol. Wer gleichzeitig zwei unterschiedliche Produkte einnimmt, die Paracetamol enthalten – eines gegen Kopfschmerzen und eines gegen Allergien oder Nebenhöhlenerkrankungen – überschreitet möglicherweise die empfohlene Dosis.

Weitere Informationen

Bei dem Folgenden handelt es sich um ein englischsprachiges Hilfsmittel, das nützlich sein kann. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quelle verantwortlich ist.

  1. OTC Products and Dietary Supplements: Eine Website zur Meldung unerwünschter Ereignisse im Zusammenhang mit der Anwendung von frei verkäuflichen (OTC) Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln.