Schizophrenie

VonCarol Tamminga, MD, UT Southwestern Medical Dallas
Überprüft/überarbeitet Apr. 2022 | Geändert Okt. 2022
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Schizophrenie ist charakterisiert durch Psychose (Realitätsverlust), Halluzinationen (Wahrnehmungsstörungen), Wahnvorstellungen (falsche Überzeugungen), Inkongruenz von Denken und Handeln, Affektverflachung (eingeschränkter emotionaler Bereich), kognitive Defizite (Beeinträchtigung von Nachdenken und Problemlösung) sowie Funktionsstörungen im beruflichen und sozialen Leben. Die Ursache ist unbekannt, aber der Nachweis für genetische und ökologische Komponenten ist stark. Die Symptome beginnen meist in der Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter. Für die Diagnosestellung müssen die Symptome einer oderer mehrerer Episoden 6 Monate anhalten. Die Behandlung besteht aus medikamentöser Therapie, kognitiver Therapie und psychosozialer Rehabilitation. Eine frühe Diagnose und Behandlung verbessern die Ergebnisse.

(Siehe auch Einführung zu Schizophrenie und zugehörigen Störungen.)

Zu einer Psychose gehören Symptome wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen, desorganisiertes Denken und Sprechen sowie bizarres und unangemessenes motorisches Verhalten, was einen Kontaktverlust mit der Realität aufzeigt.

Weltweit beträgt die Prävalenz der Schizophrenie ca. 1%. Männer und Frauen sind etwa gleich häufig betroffen; dieses Verhältnis ist in allen Kulturen relativ konstant. Urbanes Leben, Armut, Kindheitstrauma, Vernachlässigung und vorgeburtliche Infektionen sind Risikofaktoren und es gibt eine genetische Veranlagung. Die Erkrankung beginnt in der späten Adoleszenz und dauert ein Leben lang, wobei die psychosoziale Funktion in der Regel schlecht ist.

Das durchschnittliche Alter bei Beginn ist Anfang bis Mitte der 20er Jahre bei Frauen und bei Männern etwas früher; etwa 40% der Männer haben ihre erste Episode vor dem 20. Lebensjahr. Die Störung beginnt sehr selten bereits im Kindesalter, sie kann in der frühen Adoleszenz oder im Alter (dann wird sie manchmal als Paraphrenie bezeichnet) einsetzen.

Ätiologie der Schizophrenie

Obwohl die spezifischen Ursachen und Mechanismen nicht bekannt sind, hat die Schizophrenie eine biologische Grundlage, wie folgende Faktoren belegen:

  • Veränderungen im Gehirn (z. B. erweiterte Hirnventrikel, Verdünnung des Kortex die Verkleinerung des anterioren Hippokampus und anderer Hirnregionen)

  • Veränderungen in der Neurochemie, insbesondere veränderte Aktivität bei Markern für die Übertragung von Dopamin und Glutamat.

  • Kürzlich wurden genetische Risikofaktoren gezeigt (1)

Einige Experten gehen davon aus, dass Schizophrenie bei Menschen mit einer während der Entwicklung des Nervensystems angelegten Vulnerabilität häufiger auftritt; Beginn, Remission und Wiederauftreten der Symptome sind die Folge von Wechselwirkungen zwischen dieser Vulnerabilität und Umweltstressoren (Vulnerabilitäts-Stress-Modell).

Entwicklung des Nervensystems und Vulnerabilität

Obwohl sich Schizophrenie selten in der frühen Kindheit manifestiert, beeinflussen kindliche Faktoren das Auftreten von Krankheiten im Erwachsenenalter. Zu diesen Faktoren gehören

  • Genetische Veranlagung

  • Intrauterine, Geburts- oder postnatale Komplikationen

  • Virale Infektionen des zentralen Nervensystems

  • Kindheitstrauma und Vernachlässigung

Obwohl die meisten Menschen mit Schizophrenie keine positive Familienanamnese aufweisen, gibt es aber einen Zusammenhang mit genetischen Faktoren. Bei Menschen, die Verwandte 1. Grades mit Schizophrenie haben, beträgt das Risiko für die Entwicklung der Störung etwa 10-12%, verglichen mit einem Risiko von 1% in der Allgemeinbevölkerung. Die Konkordanzrate bei eineiigen Zwillingen liegt bei ca. 45%.

Erhöht wird das Risiko durch Faktoren wie Hunger oder Influenza bei der Mutter im 2. Schwangerschaftstrimester, ein Geburtsgewicht < 2500 g, Rh-Unverträglichkeit während einer 2. Schwangerschaft und Hypoxie.

Neuropsychiatrische Tests deuten darauf hin, dass abweichende Augenfolgebewegungen, kognitive und Aufmerksamkeitsdefizite sowie fehlerhaftes sensorisches Gating häufiger bei schizophrenen Patienten auftreten als in der Allgemeinbevölkerung. Diese Ergebnisse können auch bei Verwandten des ersten Grades von Menschen mit Schizophrenie und bei Patienten mit vielen anderen psychotischen Störungen auftreten und können eine erbliche Komponente der Verletzlichkeit darstellen. Die Gemeinsamkeit dieser Befunde bei psychotischen Störungen legt nahe, dass unsere konventionellen diagnostischen Kategorien die zugrunde liegenden biologischen Unterschiede zwischen Psychosen nicht widerspiegeln (1).

Umweltstressoren

Umweltstressoren können das erstmalige oder wiederholte Auftreten der Symptome bei vulnerablen Menschen auslösen. Die Stressoren können primär biochemischer (z. B. Substanzmissbrauch, insbesondere Marihuana) oder sozialer Art (z. B. Arbeitslosigkeit, Verarmung, Weggehen von zu Hause, um zu studieren, Beenden einer Liebesbeziehung, Beginn des Militärdienstes) sein. Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Umweltereignisse epigenetische Veränderungen auslösen können, die die Gentranskription und das Auftreten von Krankheiten beeinflussen können.

Zu den Schutzfaktoren, die den Einfluss von Stress auf die Symptombildung oder -verschlimmerung mildern können, gehören eine starke psychosoziale Unterstützung, gut entwickelte Bewältigungsfähigkeiten und Antipsychotika.

Hinweis zur Ätiologie

  1. 1. Schizophrenia Working Group of the Psychiatric Genomics Consortium: Biological insights from 108 schizophrenia-associated genetic loci. Nature 511(7510):421-427, 2014. doi: 10.1038/nature13595

Symptome und Anzeichen von Schizophrenie

Schizophrenie ist eine chronische Krankheit, die phasenweise verlaufen kann, wobei Dauer und Muster der Phasen variieren können. Patienten mit Schizophrenie neigen dazu, psychotische Symptome im Durchschnitt von 8 bis 15 Monate zu haben, bevor sie sich zur medizinischen Versorgung melden, aber die Erkrankung wird heute oft früher erkannt Antipsychotika.

Schizophrenie-Symptome beeinträchtigen typischerweise die Fähigkeit, komplexe und schwierige kognitive und motorische Funktionen auszuführen; daher beeinträchtigen Symptome oft deutlich die Arbeit, soziale Beziehungen und Selbstversorgung. Dies führt häufig zu Arbeitslosigkeit, Isolation, gestörten Beziehungen und einem Verlust an Lebensqualität.

Phasen dert Schizophrenie

In der Prodromalphase zeigen die Einzelpersonen u. U. keinerlei Symptome, oder sie können Beeinträchtigungen der sozialen Kompetenz, leichte kognitive Desorganisiertheit oder Wahrnehmungsverzerrungen, eine verringerte Fähigkeit, Freude zu empfinden (Anhedonie), sowie andere allgemeine Bewältigungsdefizite aufweisen. Solche Merkmale können schwach ausgeprägt und nur retrospektiv zu erkennen sein oder stärker auffallen bei Beeinträchtigungen der sozialen, akademischen und beruflichen Funktionsfähigkeit.

In der fortgeschrittenen Prodromalphase können subklinische Symptome auftreten; es handelt sich dabei um Rückzug oder Isolation, Reizbarkeit, Misstrauen, ungewöhnliche Gedanken, Wahrnehmungsverzerrungen und Desorganisiertheit (1). Offensichtlich schizophrene Symptome (Wahnvorstellungen und Halluzinationen) können plötzlich einsetzen (innerhalb von Tagen oder Wochen) oder sich langsam und schleichend entwickeln (über Jahre). Aber selbst in einer fortgeschrittenen Prodromalphase neigt nur ein Bruchteil (< 40%) dazu, in eine vollständige Schizophrenie überzugehen.

In der frühen Psychosephase sind Symptome aktiv und oft am schlimmsten.

In der mittleren Phase können symptomatische Perioden episodisch (mit feststellbaren Exazerbationen und Remissionen) oder kontinuierlich auftreten; funktionelle Defizite verschlechtern sich tendenziell.

In der späten Krankheitsphase kann sich das Krankheitsbild etablieren, aber es gibt erhebliche Variabilität; eine Behinderung kann sich stabilisieren, verschlechtern oder sogar verringern.

Symptomkategorien bei Schizophrenie

Im Allgemeinen werden die Symptome kategorisiert als

  • Positiv: Halluzinationen und Wahnvorstellungen

  • Negativ: Verminderung oder Ausfall der normalen Funktionen und Emotionen

  • Desorganisiert: Denkstörungen und bizzarres Verhalten

  • Kognitiv: Defizite bei Gedächtnis, Informationsverarbeitung und Problemlösung

Die Patienten können Symptome nur einer oder aller Kategorien aufweisen.

Positivsymptome können weiter unterteilt werden.

  • Wahnvorstellungen

  • Halluzinationen

Wahnvorstellungen sind fehlerhafte Überzeugungen, die trotz eindeutiger widersprüchlich Beweise aufrecht erhalten werden. Es gibt mehrere Arten von Wahnvorstellungen:

  • Verfolgungswahn: Die Patienten glauben, dass sie gequält, verfolgt, bedroht oder ausspioniert würden.

  • Beziehungswahn: Die Patienten glauben, dass Passagen aus Büchern, Zeitungen, Liedtexten oder andere Hinweisreize aus der Umgebung an sie gerichtet seien.

  • Wahnhaften Vorstellungen von Gedankenentzug oder Gedankeneingebung: Die Patienten glauben, dass andere ihre Gedanken lesen könnten, dass ihre eigenen Gedanken auf andere übertragen oder dass Gedanken oder Impulse ihnen von äußeren Kräften aufgezwungen würden.

Wahnvorstellungen bei Schizophrenie neigen dazu, bizarr, d. h. eindeutig unglaubwürdig und nicht von den gewöhnlichen Lebenserfahrungen (z. B. zu glauben, dass jemand ihre inneren Organe ohne eine Narbe entfernt) abgeleitet zu sein.

Halluzinationen sind Sinneswahrnehmungen, die nicht von anderen wahrgenommen werden. Sie können akustisch, optisch, olfaktorisch, gustatorisch oder taktil sein; am häufigsten kommen jedoch akustische Halluzinationen vor. Die Patienten können Stimmen hören, die ihr Verhalten kommentieren, die sich miteinander unterhalten oder kritische und beleidigende Kommentare abgeben. Wahnvorstellungen und Halluzinationen können die Patienten stark belasten.

Negative (Defizit) Symptome beinhalten

  • Affektverflachung: Die Mimik der Patienten wirkt unbeweglich und ausdruckslos; Augenkontakt wird vermieden.

  • Sprachverarmung: Der Patient spricht wenig und gibt knappe Antworten, wodurch der Eindruck von innerer Leere entsteht.

  • Anhedonie: Mangelndes Interesse an Aktivitäten sowie in zunehmend ziellose Aktivitäten.

  • Sozialer Rückzug: Mangelndes Interesse an Beziehungen.

Negativsymptome führen häufig zu Motivationsverlust, Ziellosigkeit und verringerter Zielstrebigkeit.

Symptome von Desorganisiertheit, die als eine Art Positivsymptom angesehen werden können, sind

  • Denkstörungen

  • Bizarre Verhaltensweisen

Das Denken ist zerfahren, mit weitschweifiger und nicht zielgerichteter Rede, die von einem Thema zum nächsten springt. Die Rede kann diskret zerfahren bis völlig zusammenhanglos und unverständlich sein. Mögliche Verhaltensauffälligkeiten sind: kindische Albernheit, Agitiertheit, unpassendes Auftreten, mangelnde Hygiene oder bizarres Verhalten. Katatonie ist eine extremes Beispiel von buzarrem Verhalten, zu dem entweder eine steife Körperhaltung gehört, die sich durch Bemühungen Außenstehender nicht lösen lässt, oder bei dem planlose und unvermittelte motorische Aktivität einsetzen.

Kognitive Defizite umfassen Beeinträchtigung in den folgenden Punkten:

  • Aufmerksamkeit

  • Verarbeitungsgeschwindigkeit

  • Arbeitsspeicher und deklarativer Speicher

  • Abstraktes Denken

  • Problemlösung

  • Verstehen sozialer Interaktionen

Das Denken des Patienten kann unflexibel, die Fähigkeit zur Problemlösung, zum Verstehen der Ansichten anderer Menschen und zum Lernen aus Erfahrung verringert sein. Die Schwere der kognitiven Beeinträchtigung ist ein wesentlicher Faktor, um die Gesamtbehinderung zu beurteilen.

Subtypen von Schizophrenie

Einige Experten unterteilen Schizophrenien in den defizitären und den nichtdefizitären Subtyp, je nach Ausprägung der Negativsymptomatik wie Affektverflachung, Motivationsmangel und verminderte Zielgerichtetheit.

Patienten mit defizitärem Subtyp zeigen hauptsächlich Negativsymptome, die sich durch andere Faktoren (z. B. Depression, Angst, stimulationsarme Umgebung, Nebenwirkungen psychotroper Substanzen) nicht erklären lassen.

Patienten mit nichtdefizitärem Subtyp können Wahn, Halluzinationen und Denkstörungen aufweisen, sie zeigen aber kaum Negativsymptome.

Die früher erfassten Subtypen der Schizophrenie (paranoide, unorganisiert, katatone, residuale, undifferenzierte) haben sich nicht als gültig oder zuverlässig erwiesen und werden nicht mehr verwendet.

Suizid

Etwa 5 bis 6% der Patienten mit Schizophrenie begehen Selbstmord, und etwa 20% versuchen es; viele weitere haben erhebliche Suizidgedanken. Suizid stellt die häufigste vorzeitige Todesursache bei Menschen mit Schizophrenie dar, was zumindest teilweise erklärt, warum die Störung die Lebenserwartung im Durchschnitt um 10 Jahre reduziert.

Das Risiko kann vor allem bei junge Menschen mit Schizophrenie und einer Substanzgebrauchsstörung hoch sein. Das Risiko ist auch erhöht bei Patienten, die depressive Symptome oder Gefühle der Hoffnungslosigkeit haben, die arbeitslos sind, oder die gerade eine psychotische Episode hatten oder aus dem Krankenhaus entlassen wurden.

Patienten mit spätem Krankheitsbeginn sowie guter prämorbider Funktionsfähigkeit–also genau die Patienten mit der besten Prognose–haben auch das größte Suizidrisiko. Da bei diesen Patienten die Fähigkeit zu Trauer und seelischem Schmerz erhalten ist, können sie, weil sie die Folgen ihrer Erkrankung realistisch wahrnehmen, eher zu einer Verzweiflungstat neigen.

Gewalt

Schizophrenie stellt einen überraschend moderaten Risikofaktor für gewalttätiges Verhalten dar. Gewaltandrohungen und aggressive Durchbrüche sind bei häufiger als ernsthaft gefährliches Verhalten. In der Tat sind Menschen mit Schizophrenie insgesamt weniger gewalttätig als Menschen ohne Schizophrenie.

Patienten, die Substanzgebrauchsstörungen haben, unter Verfolgungswahn und Befehlshalluzinationen leiden, sowie Patienten, die die verschriebenen Medikamente nicht einnehmen, sind mit größerer Wahrscheinlichkeit ernsthaft gewaltbereit. Nur sehr selten attackiert oder ermordet ein schwer depressiver, vereinsamter, paranoider Patient jemanden, den er als einzige Ursache für seine Schwierigkeiten ansieht (z. B. eine Autoritätsperson, eine Berühmtheit oder den Partner).

Hinweis auf Symptome

  1. 1. Tsuang MT, Van Os J, Tandon R, et al: Attenuated psychosis syndrome in DSM-5. Schizophr Res 150(1):31–35, 2013. doi: 10.1016/j.schres.2013.05.004

Diagnose von Schizophrenie

  • Klinische Kriterien (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5. Ausgabe [DSM-5])

  • Kombination von Anamnese, Symptomen und Zeichen

Je früher die Diagnose gestellt und behandelt wird, desto besser ist das Ergebnis.

Es gibt keinen eindeutigen Test zum Nachweis von Schizophrenie. Die Diagnose basiert auf einer umfassenden Beurteilung von Anamnese, Symptomen und Zeichen. Häufig sind Informationen aus zusätzlichen Quellen wichtig, beispielsweise von Familienangehörigen, Freunden, Lehrern und Kollegen.

Gemäß DSM-5 erfordert die Diagnose der Schizophrenie eines der Folgenden:

  • 2 charakteristische Symptome (Wahnvorstellungen, Halluzinationen, zerfahrene Rede, desorganisiertes Verhalten, Negativsymptome), die über einen signifikanten Anteil eines 6-Monats-Zeitraums bestehen (die Symptome müssen mindestens eines der ersten drei einschließen)

  • Prodromi oder abgeschwächte Krankheitszeichen mit Beeinträchtigungen im sozialen oder beruflichen Bereich oder bzgl. der eigenen Versorgung, die über einen 6-Monats-Zeitraum hinweg offensichtlich sind, wobei 1 Monat mit aktiven Symptomen eingeschlossen ist

Differenzialdiagnosen

Eine Psychose aufgrund anderer medizinischer Erkrankungen oder aufgrund von Substanzgebrauchsstörungen muss durch Anamnese und Untersuchung, einschließlich Labortests und Neurobildgebung, ausgeschlossen werden (Medizinische Beurteilung des Patienten mit psychischen Symptomen). Einige Patienten mit Schizophrenie weisen in der Bildgebung zwar strukturelle Hirnanomalien auf, diese sind jedoch nicht spezifisch genug, um diagnostischen Wert zu haben.

Andere psychische Störungen, die mit Schizophrenie in Beziehung stehen und ähnliche Symptome zeigen, sind:

Darüber hinaus können bei einigen Personen auch affektive Störungen eine Psychose hervorrufen.

Neuropsychologische Tests, Bildgebung im Gehirn, Elektroenzephalogramm und andere Tests der Gehirnfunktion (z. B. Eye-Tracking) helfen nicht, zwischen psychotischen Störungen zu unterscheiden. Eine erste Forschung legt jedoch nahe (1), dass die Ergebnisse solcher Tests verwendet werden können, um Patienten in drei verschiedene Psychose-Biotypen zu gruppieren, die nicht den aktuellen klinischen Diagnosekategorien entsprechen.

Bestimmte Persönlichkeitsstörungen (insbesondere die schizotype Persönlichkeitsstörung) verursachen Schizophrenie-ähnliche Symptome; allerdings sind diese in der Regel schwächer ausgeprägt und nicht psychotisch.

Diagnosehinweis

  1. 1.Clementz BA, Sweeney JA, Hamm JP, et al: Identification of distinct psychosis biotypes using brain-based biomarkers. Am J Psychiatry 173(4): 373-384, 2016. doi: 10.1176/appi.ajp.2015.14091200

Prognose bei Schizophrenie

Studien, die von der RAISE-Initiative (Erholung nach einer anfänglichen Schizophrenie-Episode) abgeleitet wurden, haben gezeigt, dass je früher die Behandlung begonnen wird und je intensiver sie ist, desto besser ist das Ergebnis (1).

Während der ersten 5 Jahre nach Einsetzen der Symptome kann sich die Funktionsfähigkeit verschlechtern, und soziale und berufliche Fertigkeiten können abnehmen, wobei die eigene Versorgung immer mehr vernachlässigt wird. Die Negativsymptome können stärker werden, die kognitiven Fähigkeiten können abnehmen. Danach bleibt die Behinderung tendenziell stabil. Es gibt einige Hinweise darauf, dass der Schweregrad der Krankheit später im Leben, v. a. bei Frauen, abnimmt. Spontane Bewegungsstörungen können sich bei Patienten mit starker Negativsymptomatik und kognitiven Funktionseinschränkungen entwickeln, selbst wenn keine Antipsychotika eingesetzt werden.

Schizophrenie kann mit anderen psychischen Störungen einhergehen. Bei ausgeprägter komorbider Zwangssymptomatik ist die Prognose ausgesprochen schlecht; zusammen mit Symptomen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung ist die Prognose besser. Etwa 80% der Menschen mit Schizophrenie machen zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens eine oder mehrere Episoden eine Major Depression durch.

Im ersten Jahr nach der Diagnose steht die Prognose in engem Zusammenhang mit der Einhaltung der verschriebenen psychoaktiven Medikamente und der Vermeidung von Freizeitdrogenkonsum.

Insgesamt wird bei einem Drittel der Patienten eine deutliche und dauerhafte Besserung erreicht, bei einem Drittel tritt eine gewisse Besserung ein, aber es kommt immer wieder zu Rückfällen und Restbehinderungen, und ein Drittel bleibt schwer behindert. Nur etwa 15% aller Patienten kehren vollständig zu ihrem Funktionslevel vor der Erkrankung zurück.

Zu den Faktoren, die mit einer guten Prognose assoziiert sind, gehören

  • Gute prämorbide Funktionsfähigkeit (z. B. guter Schüler, solide berufliche Vorgeschichte)

  • Verspätetes und/oder plötzliches Einsetzen der Krankheit

  • Familienanamnese mit anderen psychischen Störungen als Schizophrenie

  • Leichte kognitive Beeinträchtigung

  • Wenige Negativsymptome

  • Kürzere Dauer der unbehandelten Psychose

Zu den Faktoren, die mit einer schlechten Prognose assoziiert sind, gehören

  • Niedriges Alter bei Krankheitsbeginn

  • Schlechte prämorbide Funktionsfähigkeit

  • Familienanamnese mit Schizophrenie

  • Viele Negativsymptome

  • Längere Dauer der unbehandelten Psychose

Männer weisen schlechtere Behandlungsergebnisse als Frauen auf; Frauen sprechen besser auf eine Behandlung mit Antipsychotika an.

Substanzkonsum ist bei vielen Patienten mit Schizophrenie ein erhebliches Problem. Es gibt Hinweise darauf, dass die Verwendung von Marihuana oder Halluzinogenen für Patienten mit Schizophrenie sehr störend ist und daher dringend abgeraten und aggressiv behandelt werden sollte, falls vorhanden. Komorbider Substanzmissbrauch ist ein signifikanter Prädiktor für ein schlechteres Behandlungsergebnis und kann zu mangelnder Adhärenz, wiederholten Rezidiven, häufiger Rehospitalisierung, nachlassender Funktionsfähigkeit und Verlust der sozialen Unterstützung bis hin zur Obdachlosigkeit führen.

Hinweis zur Prognose

  1. 1. RAISE: Recovery After an Initial Schizophrenia Episode—A Research Project of the National Institute of Mental Health (NIMH). Aufgerufen am 14.01.22.

Behandlung von Schizophrenie

  • Antipsychotika

  • Rehabilitation, einschließlich kognitiver Wiederherstellung, gemeindebasiertem Training und Unterstützungsdiensten.

  • Psychotherapie, ausgerichtet auf Resilienztraining

Die Zeit zwischen dem Einsetzen von psychotischen Symptomen und der ersten Behandlung korreliert damit, wie schnell und wie gut die initiale Therapie wirkt. Bei einer frühzeitigen Behandlung reagieren die Patienten schneller und vollständiger. Ohne ständigen Einsatz von Antipsychotika nach einer ersten Episode tritt bei 70–80% der Patienten eine weitere schizophrene Episode innerhalb der nächsten 12 Monate auf. Mit kontinuierlicher Antipsychotikagabe kann die 1-Jahres-Rezidivrate auf ca. 30% gesenkt werden oder niedriger mit lang wirksamen Medikamenten. Arzneimittelbehandlung wird für mindestens1 bis 2 Jahre nach einer ersten Episode fortgesetzt. Wenn Patienten länger krank waren, wird es für viele Jahren gegeben.

Die frühzeitige Erkennung und vielseitige Behandlung hat die Versorgung von Patienten mit psychotischen Störungen wie Schizophrenie verändert. Eine koordinierte fachliche Betreuung, die Resilienztraining, persönliche und familiäre Therapie, die Behandlung kognitiver Dysfunktionen und unterstützte Beschäftigung umfasst, ist ein wichtiger Beitrag zur psychosozialen Genesung.

Allgemeine Ziele für Schizophrenie-Behandlung sind

  • Reduzieren Sie die Schwere der psychotische Symptome

  • Erhalten Sie die psychosoziale Funktion

  • Vermeiden Sie das Wiederauftreten von symptomatischen Episoden und damit verbundene Funktionseinschränkugnen

  • Reduzierung des Konsums von Freizeitdrogen

Die Hauptbestandteile der Behandlung sind Antipsychotika, Rehabilitation zusammen mit kommunalen Hilfsdiensten und Psychotherapie. Da es sich bei Schizophrenie um eine lang andauernde und häufig rezidivierende Krankheit handelt, besteht ein wichtiges generelles Ziel darin, den Patienten Fertigkeiten zum Selbstmanagement ihrer Erkrankung zu vermitteln. Die Bereitstellung von Informationen über die Erkrankung (Psychoedukation) an Eltern jüngerer Patienten kann die Rückfallrate (1, 2) reduzieren. (Siehe auch the American Psychiatric Association’s Practice Guideline for the Treatment of Patients With Schizophrenia, 3rd Edition.)

Antipsychotika werden nach ihrer spezifischen Affinität zu Neurotransmitterrezeptoren und ihrer Aktivität in Antipsychotika der ersten Generation (FGA) und Antipsychotika der zweiten Generation (SGA) unterteilt. SGA bieten evtl. einige Vorteile wie eine etwas bessere Wirksamkeit (obwohl neuere Anhaltspunkte an den Vorzügen der SGA als Klasse zweifeln lassen) und eine geringere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von unwillkürlichen Bewegungsstörungen und assoziierten unerwünschten Wirkungen. Allerdings ist das Risiko für ein metabolisches Syndrom (extremes Bauchfett, Insulinresistenz, Dyslipidämie und Hypertonie) unter SGA größer als unter konventionellen Antipsychotika. Mehrere Antipsychotika in beiden Klassen können zum Long-QT-Syndrom führen und letztlich das Risiko tödlicher Arrhythmien erhöhen; zu diesen Medikamenten gehören Thioridazin, Haloperidol, Olanzapin, Risperidon und Ziprasidon.

Rehabilitation und kommunale Hilfsdienste

Das Training psychosozialer Kompetenzen und berufliche Rehabilitationsprogramme verhelfen vielen Patienten dazu, arbeiten, einkaufen und für sich selbst sorgen zu können, einen Haushalt zu führen, mit anderen Menschen zurechtzukommen und mit Fachkräften aus psychosozialen Berufen zusammenzuarbeiten.

Unterstützte Arbeit, bei der die Patienten in einer wettbewerbsorientierten Arbeitsumgebung eingesetzt und durch einen persönlichen Betreuer vor Ort dabei gefördert werden, sich wieder dem Berufsleben anzupassen, kann besonders wertvoll sein. Mit der Zeit tritt der Betreuer nur noch als Helfer bei der Lösung von Problemen oder bei Gesprächen mit dem Arbeitgeber auf.

Hilfsdienste ermöglichen es vielen Patienten mit Schizophrenie, in Gemeinschaften zu wohnen. Die meisten können zwar unabhängig leben, einige Patienten sind jedoch auf betreute Wohngemeinschaften angewiesen, in denen ein Mitarbeiter anwesend ist, der die Adhärenz gegenüber der medikamentösen Therapie sicherstellt. Es gibt verschiedene Stufenprogramme zur Betreuung der einzelnen Wohnformen, die von 24-h-Unterstützung bis zu gelegentlichen Hausbesuchen reichen. Diese Programme fördern die Autonomie des Patienten und bieten gleichzeitig ausreichend Betreuung, um die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs und die Notwendigkeit einer stationären Behandlung zu minimieren. Bestimmte kommunale Programme bieten ihre Dienste in der Wohnung des Patienten oder an anderen Wohnorten an und zeichnen sich durch ein gutes Patienten-Betreuer-Verhältnis aus; Behandlungsteams bieten nahezu alle benötigten Dienstleistungen direkt an.

Bei schweren Rezidiven können stationäre Behandlungen oder Kriseninterventionen in der Klinik nötig werden; eine Unterbringung gegen den Willen des Patienten ist dann unumgänglich, wenn er für sich selbst oder andere eine Gefahr darstellt. Trotz bester Rehabilitationsprogramme und kommunaler Dienstleistungen ist ein geringer Prozentsatz der Betroffenen, v. a. Patienten mit schweren kognitiven Defiziten sowie solche, die auf eine Pharmakotherapie kaum ansprechen, langfristig auf die Unterbringung in einer Einrichtung oder auf andere unterstützende Pflege angewiesen.

Die Cognitive Remediation Therapy (CRT) hilft bei einigen Patienten. Diese Therapie ist so konzipiert, dass sie die neurokognitive Funktion verbessert (z. B. Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, exekutive Funktionen) und Patienten hilft, zu lernen oder wieder zu lernen, wie sie ihre Aufgaben erledigen können. Diese Therapie kann es dem Patienten ermöglichen, besser funktionsfähig zu sein

Psychotherapie

Das Ziel der Psychotherapie bei Schizophrenie ist der Aufbau einer kollaborativen Beziehung zwischen Patienten, Angehörigen und Arzt, damit die Patienten lernen können, ihre Krankheit zu beherrschen, ihre Medikamente vorschriftsmäßig einzunehmen und besser mit Stress umzugehen.

Einzelpsychotherapie plus Pharmakotherapie ist zwar ein häufig gewählter Ansatz, es sind jedoch nur wenige empirische Richtlinien verfügbar. Eine Psychotherapie, die zunächst die sozialen Grundbedürfnisse des Patienten anspricht, ihm Unterstützung und Aufklärung zum Wesen seiner Krankheit bietet, seine Anpassungsleistungen fördert und die auf Empathie und einem guten dynamischen Verständnis der Schizophrenie beruht, ist wahrscheinlich am wirksamsten. Viele Patienten brauchen empathische psychologische Unterstützung, um sich an diese Krankheit anzupassen, die sie häufig ein Leben lang begleiten wird und ihre Funktionsfähigkeit drastisch einschränken kann.

Neben der individuellen Psychotherapie, hat es eine bedeutende Entwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie bei Schizophrenie gegeben. Z. B. diese Therapie, als Einzel- oder Gruppentherapie, kann sich auf Möglichkeiten konzentrieren, wahnhafte Gedanken zu vermindern.

Bei Patienten, die in ihrer Familie leben, kann durch Psychoedukation der Familienmitglieder die Rezidivrate verringert werden. Selbsthilfe- und Interessensgruppen, wie die National Alliance on Mental Illness, sind für die Familien oft hilfreich.

Allgemeine Literatur zur Behandlung

  1. 1. Correll CU, Rubio JM, Inczedy-Farkas G, et al: Efficacy of 42 pharmacologic cotreatment strategies added to antipsychotic monotherapy in schizophrenia: Systematic overview and quality appraisal of the meta-analytic evidence. JAMA Psychiatry 74(7):675-684, 2017. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2017.0624

  2. 2. Wang SM, Han C, Lee SJ: Investigational dopamine antagonists for the treatment of schizophrenia. Expert Opin Investig Drugs 26(6):687-698, 2017.  doi: 10.1080/13543784.2017.1323870

Wichtige Punkte

  • Schizophrenie ist charakterisiert durch Psychose, Halluzinationen, Wahnvorstellungen, unorganisiertes Sprechen und Verhalten, Affektverflachung, kognitive Defizite sowie Funktionsstörungen im beruflichen und sozialen Leben.

  • Selbstmord ist die häufigste Ursache für einen frühzeitigen Tod.

  • Gewaltdrohungen und kleinere aggressive Ausbrüche sind häufiger als ernsthaft gefährliches Verhalten, aber ein solches Verhalten kann bei Menschen mit paranoider Psychose, die Drogen missbrauchen, häufiger auftreten.

  • Frühzeitige Behandlung mit Antipsychotika, deren Auswahl hauptsächlich auf dem Nebenwirkungsprofil, der erforderlichen Applikationsart und dem früheren Ansprechen des Patienten auf das Medikament basiert.

  • Eine Psychotherapie hilft den Patienten, ihre Krankheit zu verstehen und zu beherrschen, ihre Medikamente vorschriftsmäßig einzunehmen und besser mit Stress umzugehen.

  • Mit einer Behandlung erreichen ein Drittel der Patienten eine signifikante und anhaltende Verbesserung; bei einem Drittel kommt es zu einer leichten Verbesserung mit Rezidiven und Residualsymptomen; bei einem Drittel bleibt eine schwere Beeinträchtigung bestehen.

Weitere Informationen

Nachfolgend finden Sie einige englischsprachige Quellen, die nützlich sein können. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. American Psychiatric Association (APA), Clinical Practice Guidelines for Schizophrenia, 3rd Edition: Practice guidelines include information on the social determinants of mental health and on effectively using technology (including social media, telepsychiatry, and mental health apps) to provide optimal patient care.

  2. National Alliance on Mental Illness (NAMI), Schizophrenia: NAMI promotes ongoing awareness of schizophrenia, as well as educational and advocacy initiatives to support those who have it, and crisis-response services (including a HelpLine) to assist those in need.