Akutes Leberversagen

(Fulminantes Leberversagen)

VonDanielle Tholey, MD, Sidney Kimmel Medical College at Thomas Jefferson University
Überprüft/überarbeitet Sept. 2023
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Akutes Leberversagen wird am häufigsten durch Arzneimittel und Hepatitis-Viren verursacht. Hauptmanifestationen sind Gelbsucht, Gerinnungsstörungen und Enzephalopathie. Die Diagnose wird klinisch gestellt. Die Behandlung ist hauptsächlich unterstützend, manchmal mit Lebertransplantation und/oder spezifische Therapien (z. B. N -Acetylcystein bei Paracetamol-Toxizität).

(Siehe auch Leber-Struktur und -Funktion und Beurteilung des Patienten mit einer Lebererkrankung.)

Leberversagen kann auf verschiedene Weise klassifiziert werden, wobei es jedoch kein allgemein anerkanntes System gibt (siehe Tabelle Klassifizierung von Leberversagen).

Tabelle
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Ätiologie des akuten Leberversagens

Generell sind die häufigsten Ursachen von akutem Leberversagen

  • Viren, vor allem Hepatitis B

  • Medikamente und Toxine, am häufigsten Paracetamol

In Ländern mit unzureichenden sanitären Verhältnissen wird in der Regel die Virushepatitis als häufigste Ursache angesehen; in Ländern mit wirksamen sanitären Verhältnissen werden in der Regel Toxine als häufigste Ursache angesehen.

Insgesamt ist die häufigste virale Ursache Hepatitis B, oft mit Hepatitis D-Co-Infektion; Hepatitis C ist keine häufige Ursache. Andere virale Ursachen sind Cytomegalovirus, Epstein-Barr-Virus, Herpes-simplex-Virus, Humanes Herpesvirus 6, Parvovirus B19, Varicella-Zoster-Virus, Hepatitis-A-Virus, Hepatitis-E-Virus (vor allem, wenn es während der Schwangerschaft erworben wurde), und Viren, die hämorrhagisches Fieber hervorrufen (siehe Übersicht über Infektionen durch Arbovirus, Arenavirus und Filovirus)

Das häufigste Toxin ist Acetaminophen; Toxizität ist dosisabhängig. Prädispositionsfaktoren für Paracetamol-induziertes Leberversagen sind vorbestehende Lebererkrankungen, chronischer Alkoholkonsum und die Verwendung von Arzneimitteln, die das Cytochrom-P-450-Enzym-System (z. B. Antiepileptika) anregen. Andere Giftstoffe sind Antibiotika (insbesondere Amoxicillin/Clavulanat), Halothan, Eisenverbindungen, Isoniazid, nichtsteroidales Antiphlogistikum (NSAR), einige Bestandteile in pflanzlichen Produkten und Amanita phalloides Pilze (siehe Leberschädigung durch Medikamente). Einige Arzneimittelreaktionen sind idiosynkratisch.

Weniger häufige Ursachen sind

  • Gefäßerkrankungen

  • Stoffwechselstörungen

  • Autoimmunhepatitis

Vaskuläre Ursachen sind Lebervenenthrombose (Budd-Chiari-Syndrom), ischämische Hepatitis, Pfortaderthrombose und venöse okklusive Leberkrankheit, die manchmal durch Drogen oder Giftstoffe induziert werden. Metabolische Ursachen sind akute Fettleber bei Schwangerschaft, HELLP-Syndrom (Hämolyse, erhöhte Lebertests und niedrige Thrombozyten), Reye-Syndrom und Morbus Wilson. Andere Ursachen sind autoimmune Hepatitis, Lebermetastasierte Infiltration, Hitzschlag und Sepsis. In bis zu 20% der Fälle kann die Ursache nicht eruiert werden.

Pathophysiologie des akuten Leberversagens

Im Rahmen eines akuten Leberversagens kann sich ein Multiorganversagen entwickeln, die Gründe und Mechanismen die dazu führen, sind nicht eindeutig geklärt. Betroffene Systeme sind

  • Leber: Hyperbilirubinämie ist fast immer nachweisbar. Der Grad der Hyperbilirubinemia ist ein Indikator für den Schweregrad des Leberversagens. Koagulopathie aufgrund eingeschränkter Lebersynthese von Gerinnungsfaktoren ist häufig. Hepatozelluläre Nekrose, durch erhöhte Aminotransferasespiegel, ist vorhanden.

  • Herz-Kreislauf: Der periphere arterielle Widerstand und der Blutdruck verringern sich und führen zu einer hyperdynamen Kreislauflage mit erhöhter Herzfrequenz und erhöhtem Herzminutenvolumen.

  • Zerebral: Portosystemische Enzephalopathie tritt auf, möglicherweise sekundär zu einer erhöhten Ammoniakproduktion durch stickstoffhaltige Substanzen im Darm. Sekundär zum akutem Leberversagen ist ein Hirnödem häufig bei Patienten mit schwerer Enzephalopathie; eine Einklemmung ist möglich und in der Regel tödlich.

  • Renal: Aus unbekannten Gründen tritt bei bis zu 50% der Patienten akutes Nierenversagen auf. Da die Harnstoffkonzentration von der Lebersynthese abhängt, kann der Spiegel irreführend niedrig sein; deshalb zeigt der Kreatininspiegel die Nierenschädigung besser an. Wie beim hepatorenalen Syndrom, sinken das Natrium im Urin und die Ausscheidung von fraktioniertem Natrium, auch wenn keine Diuretika verwendet werden und keine tubuläre Schädigung vorliegt (wie es durch Paracetamol-Toxizität verursacht auftreten kann).

  • Immunologisch: Defekte des Immunsystems entstehen; sie umfassen auch eine defekte Opsonisierung, ein Mangel an Komplementfaktoren und dysfunktionale Leukozyten sowie Lymphozyten. Bakterielle Translokation im Gastrointestinaltrakt verstärkt sich. Atemwegs- und Harnwegsinfektionen sowie Sepsis sind häufig; Krankheitserreger können Bakterien, Viren oder Pilze sein.

  • Stoffwechsel: Beide metabolische und respiratorische Alkalose kann früh auftreten. Wenn sich ein Schock entwickelt, kann eine metabolische Azidose hinzukommen. Hypokaliämie ist üblich, zum Teil, weil sich der Sympathikustonus verringert, aber auch weil Diuretika verwendet werden. Hypophosphatämie und Hypomagnesiämie können sich entwickeln. Hypoglykämie kann auftreten, weil das Leberglykogen aufgebraucht ist und die Glukoneogenese und der Insulinabbau beeinträchtigt sind.

  • Pulmonal Ein Lungenödem nichtkardiogenen Ursprungs kann sich entwickeln.

Symptome und Anzeichen eines akuten Leberversagens

Charakteristische Symptome sind ein veränderter mentaler Zustand (in der Regel Teil einer portosystemischen Enzephalopathie) und Gelbsucht. Manifestationen einer chronischen Lebererkrankung wie Aszites sprechen gegen die Akutheit der Erkrankung, können aber bei subakutem Leberversagen vorhanden sein. Andere Symptome können unspezifisch sein (z. B. Unwohlsein, Anorexie) oder sich aus der ursächlichen Erkrankung heraus entwickeln. Foetor hepaticus (ein muffiger Geruch oder süßer Atem) und motorische Störungen sind häufig. Tachykardie, Tachypnoe und Hypotonie kann mit oder ohne Sepsis auftreten. Zeichen eines Hirnödems können Bewusstseinstrübung, Koma, Bradykardie und Hypertonie sein. Patienten mit Infektion haben manchmal lokalisierte Symptome (z. B. Husten, Dysurie), aber diese Symptome können auch fehlen. Trotz einer verlängerten International Normalized Ratio (INR) kommt es selten zu Blutungen, es sei denn, die Patienten befinden sich in einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC). Dies liegt daran, dass bei Patienten mit akutem Leberversagen die Verteilung von pro- und antikoagulierenden Faktoren wieder ausgeglichen ist und diese Patienten, wenn überhaupt, häufiger hyperkoagulabel sind (1, 2).

Literatur zu Symptomen und Beschwerden

  1. 1. Hugenholtz GC, Adelmeijer J, Meijers JC, et al: An unbalance between von Willebrand factor and ADAMTS13 in acute liver failure: Implications for hemostasis and clinical outcome. Hepatology 58(2):752-761, 2013. doi: 10.1002/hep.26372

  2. 2. Lisman T, Bakhtiari K, Adelmeijer J, et al: Intact thrombin generation and decreased fibrinolytic capacity in patients with acute liver injury or acute liver failure. J Thromb Haemost10(7):1312-1319, 2012. doi: 10.1111/j.1538-7836.2012.04770.x

Diagnose von akutem Leberversagen

  • Verlängerung der INR (International normalized ratio) auf 1,5 und klinische Manifestationen der Enzephalopathie bei Patienten ohne chronische Lebererkrankung in der Vorgeschichte

  • Um die Ursache zu ermitteln: Anamnese des Medikamentenkonsums, Exposition gegenüber Toxinen, serologische Tests auf Hepatitis-Viren, Autoimmunmarker und andere Tests bei klinischem Verdacht

Ein akutes Leberversagen sollte vermutet werden, wenn bei Patienten ohne zugrunde liegende chronische Lebererkrankung oder Zirrhose eine akut einsetzende Gelbsucht und/oder erhöhte Transaminasen auftreten, die von einer Koagulopathie und Veränderungen des mentalen Status begleitet werden. Bei Patienten mit bekannter Lebererkrankung, die akut dekompensieren, spricht man nicht von akutem Leberversagen, sondern von akut-chronischem Leberversagen, das eine andere Pathophysiologie hat als das akute Leberversagen.

Die Laboruntersuchung von Leber-Enzymen, Bilirubin und INR (International normalized ratio) bestätigen ein Leberversagen und geben den Schweregrad an. Ein akutes Leberversagen gilt in der Regel als bestätigt, wenn bei Patienten mit klinischen und/oder labortechnischen Hinweisen auf eine akute Leberschädigung das Sensorium verändert ist und der International normalized ratio (INR)-Wert > 1,5 ist. Der Nachweis einer Zirrhose lässt auf ein chronisches Leberversagen schließen.

Patienten mit akutem Leberversagen sollten auf Komplikationen getestet werden. Tests in der Anfangsphase der Diagnostik umfassen in der Regel Blutbild, Serum-Elektrolyte (einschließlich Kalzium, Phosphat und Magnesium), Nierenfunktiontests und Urinanalyse. Bestätigt sich ein akutes Leberversagen, sollten auch eine Blutgasanalyse (BGA) sowie Blutgruppe und Blutbild untersucht werden. Plasma-Ammoniak wird zur Beurteilung der Prognose empfohlen, da höhere Ammoniakspiegel (> 150 bis 200) das Risiko für ein Hirnödem erhöhen (1). Im Falle einer hyperdynamen Kreislaufstörung und Tachypnoe sollte eine Infektion ausgeschlossen werden, indem Kulturen (z. B. Blut, Urin oder Aszites) abgenommen und der Brustraum geröngt wird. Wenn der psychische Zustand von Patienten beeinträchtigt oder eine Verschlechterung eingetreten ist, sollte insbesondere bei Patienten mit Gerinnungsstörung eine Computertomographie des Kopfes durchgeführt werden, um ein Hirnödem oder eine weniger wahrscheinliche intrakranielle Blutung auszuschließen.

Um die Ursache für ein akutes Leberversagen zu finden, sollten Ärzte eine komplette Anamnese von eingenommenen Arzneimitteln und Toxinen vornehmen, einschließlich verschreibungspflichtigen und rezeptfreine Medikamente, pflanzlichen Produkte und Nahrungsergänzungsmitteln. Routinetests zur Ermittlung der Ursache sind

  • Serologische Tests auf virale Hepatitiden (z. B. IgM-Antikörper gegen Hepatitis-A-Virus [IgM Anti-HAV], Hepatitis B-Oberflächen-Antigen [HBsAg], IgM-Antikörper gegen Hepatitis B-Core-Antigen [IgM anti-HBcAg], Antikörper gegen das Hepatitis-C-Virus [anti- HCV])

  • Autoimmunmarker (z. B. antinukleäre Antikörper, Antikörper gegen die glatte Muskulatur, Immunglobulinspiegel)

Andere Tests werden aufgrund von Befunden und klinischem Verdacht durchgeführt, wie für folgende:

  • Kürzliche Reisen in Länder in Länder mit schlechten hygienischen Verhältnissen: Tests auf Hepatitis A, B, D und E

  • Frauen im gebärfähigem Alter: Schwangerschaftstest

  • Alter < 40, hämolytische Anämie und ein Muster, das einen niedrigen Wert der alkalischen Phosphatase mit einem Verhältnis von alkalischer Phosphatase zu Gesamtbilirubin < 4 und einen Wert der Aspartat-Aminotransferase (AST) aufweist, der höher ist als der Wert der Alanin-Aminotransferase (ALT), mit Erhöhungen von ALT und AST (obwohl in der Regel < 2000): Überprüfung des Coeruloplasminspiegels auf Morbus Wilson

  • Verdacht auf eine Veränderungen aufgrund struktureller Anomalien (z. B. Budd-Chiari-Syndrom, Pfortaderthrombose, Lebermetastasen): Sonographie und falls notwendig, andere bildgebende Verfahren

Die Patienten sollten engmaschig auf Komplikationen (z. B. subtile Veränderungen der Vitalparameter mit Infektion) überwacht werden und die Schwelle für die Tests sollte niedrig sein. Ärzte sollten zum Beispiel nicht davon ausgehen, dass die Verschlechterung des psychischen Zustandes aufgrund einer Enzephalopathie erfolgt; in solchen Fällen sollte eine Computertomographie des Kopfes und meistens Blutzuckermessung am Krankenbett durchgeführt werden. Aufgrund des hohen Infektionsrisikos empfiehlt die American Association for the Study of Liver Diseases (AASLD), alle 48 Stunden Blutkulturen zur Überwachung anzulegen. Routine-Labortests (z. B. täglich INR [International normalized ratio], Serum-Elektrolyte, Nierenfunktiontests, Blutzucker und arterielle Blutgase) sollten in den meisten Fällen regelmäßig wiederholt werden. Allerdings kann es sein, dass bestimmte Tests häufiger gemacht werden müssen (z. B. Blutzucker alle 2 h bei Patienten mit schwerer Enzephalopathie).

Diagnosehinweis

  1. 1. Bernal W, Hall C, Karvellas CJ, et al: Arterial ammonia and clinical risk factors for encephalopathy and intracranial hypertension in acute liver failure. Hepatology 46(6):1844-1852, 2007. doi: 10.1002/hep.21838

Behandlung von akutem Leberversagen

(Siehe auch the American Association for the Study of Liver Diseases [AASLD] practice guideline Management of Acute Liver Failure: Update 2011 and the European Association for the Study of the Liver Practical Guidelines on the Management of Acute [Fulminant] Liver Failure.)

Wann immer möglich, sollten Patienten auf einer Intensivstation eines Zentrums behandelt werden, das in der Lage ist, Lebertransplantationen durchzuführen. Patienten sollten so schnell wie möglich verlegt werden, weil eine Verschlechterung rasch auftreten kann und Komplikationen (z. B. Blutungen, Aspiration, im schlimmsten Fall Schock) wahrscheinlicher werden, wenn das Leberversagen fortschreitet.

Intensive unterstützende Maßnahmen sind die Hauptsäule der Behandlung. Medikamente, die Manifestationen von akutem Leberversagen (z. B. Hypotonie, Sedierung) verschlechtern könnten, sollten vermieden oder in möglichst niedrigen Dosen verwendet werden.

Bei niedrigem Blutdruck und akuter Nierenschädigung, ist die Maximierung der Gewebeperfusion das Ziel der Behandlung. Die Behandlung umfasst die Gabe von intravenösen Flüssigkeiten und, bis eine Sepsis ausgeschlossen werden kann, in der Regel empirische Antibiotikatherapie. Wenn die Hypotonie nach der Gabe von etwa 20 ml/kg/Körpergewicht kristalloider Lösung weiter refraktär ist, sollte der Arzt den Lungenkapillardruck messen, um die Infusionstherapie zu steuern. Wenn die Hypotonie trotz adäquatem Füllungsdruck weiter besteht, sollte die Gabe von positiv inotropen Substanzen (z. B. Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin) überlegt werden.

Bei einer Enzephalopathie, ist das Kopfende des Bettes auf 30° zu erhöhen, um das Risiko einer Aspiration zu verringern; an eine Intubation sollte frühzeitig gedacht werden. Bei der Auswahl der Medikamente und Dosierungen, sollte das Ziel sein, die Sedierung zu minimieren, so dass sie die Schwere der Enzephalopathie überwacht werden kann. Propofol ist das Medikament der ersten Wahl für die Intubation, weil es gegen intrakranielle Hypertension schützt und eine kurze Wirkdauer hat, die eine schnelle Erholung von der Sedierung erlaubt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Behandlungen wie Lactulose oder Rifaximin die Enzephalopathie bei akutem Leberversagen lindern, obwohl sie bei portosystemischer Enzephalopathie nützlich sind. Auch kann Lactulose einen Ileus verursachen und Gas produzieren, das den Darm aufbläht, was problematisch sein kann, wenn eine Laparotomie erforderlich ist (z. B. für eine Lebertransplantation) (1). Die Maßnahmen werden getroffen, um einen steigenden Hirndruck und einen abnehmenden zerebralen Perfusionsdruck zu verhindern:

  • Zur Vermeidung eines plötzlichen Anstiegs des intrakraniellen Hirndrucks: Stimuli, die ein Valsalva-Manöver auslösen, müssen vermieden werden (z. B. die Gabe von Lidocain vor endotrachealer Absaugung, um den Würgereiz zu verhindern).

  • Zur vorübergehenden Verringerung der Hirndurchblutung: Mannitol (0,5 bis 1 g/kg, wiederholt ein-oder zweimal nach Bedarf) kann zur Induzierung der osmotischen Diurese gegeben und eventuell eine kurze Hyperventilation durchgeführt werden, insbesondere, wenn eine Einklemmung vermutet wird. (Allerdings ist Mannitol bei akuter Nierenschädigung kontraindiziert, und die Serumosmolalität muss vor der Verabreichung einer zweiten Dosis überprüft werden).

  • Zur Überwachung des intrakraniellen Hirndrucks: Es ist nicht klar, ob und wann die Risiken der Hirndrucküberwachung (z. B. Infektionen, Blutungen), die Vorteile aufwiegen, ein Hirnödem frühzeitig zu erkennen und durch Flüssigkeits- und Blutdruckeinstellung gegen zu steuern; einige Experten empfehlen eine solche Überwachung, wenn die Enzephalopathie schwer ist. Es gibt jedoch keine Daten, die darauf hindeuten, dass die ICP-Überwachung die Mortalität beeinflusst (2). Ziele der Behandlung sind ein Hirndruck von < 20 mmHg und ein zerebraler Perfusionsdruck von > 50 mmHg.

  • Zur Verringerung des Hirnödems: Eine Nierenersatztherapie bei akutem Leberversagen trägt zur Beseitigung von Ammoniak bei und verringert die Sterblichkeit, wenn sie frühzeitig eingeleitet wird. In den Leitlinien der European Association for the Study of the Liver (EASL) zum akuten Leberversagen wird empfohlen, bei Patienten mit Leberversagen und deutlich erhöhtem Ammoniakgehalt und/oder fortschreitender Enzephalopathie eine Nierenersatztherapie in Betracht zu ziehen (1).

Epileptische Anfälle sind mit Phenytoin zu behandel; Benzodiazepine sollten vermieden oder nur in geringen Dosen verwendet werden, weil sie eine Sedierung verursachen.

Infektionen werden mit Antibiotika und/oder Antimykotika behandelt: die Behandlung beginnt sobald Patienten irgendein Zeichen einer Infektion zeigen (z. B. Fieber, lokalisierte Symptome; Verschlechterung der Blutwerte, des mentalen Status oder der Nierenfunktion). Da sich Anzeichen einer Infektion und eines akuten Leberversagens ähnlich sein können, ist eine Überbehandlung der Infektion besser, solange man auf die Ergebnisse der Kultur wartet.

Elektrolytstörungen können eine Supplementierung mit Natrium, Kalium, Phosphor oder Magnesium erfordern.

Hypoglykämie wird kontinuierlich mit einer Glukoseinfusion (z. B. 10% Dextrose) behandelt und der Blutzucker sollte häufig kontrolliert werden, weil die Enzephalopathie Symptome einer Hypoglykämie maskieren kann.

Gerinnungsstörung wird mit gefrorenem Frischplasma behandelt, wenn Blutungen auftreten oder wenn ein invasives Verfahren geplant ist. Gefrorenes Frischplasma wird ansonsten vermieden, da es das Volumen erhöht und zur Verschlechterung des Hirnödems führen kann. Bei der Verwendung von gefrorenem Frischplasma können die Ärzte auch keine Veränderungen der INR (International rormalized ratio) beobachten, die wichtig sind, weil die INR ein Index für den Schweregrad des akuten Leberversagens ist und daher manchmal ein Kriterium für eine Transplantation darstellt. Rekombinanter Faktor VII wird manchmal anstelle von oder mit gefrorenem Frischplasma bei Patienten mit Volumenüberladung eingesetzt. Seine Bedeutung wird weiterentwickelt. H2-Blocker können einer gastrointestinalen Blutung vorbeugen.

Ernährungsunterstützung kann notwendig werden, wenn Patienten nicht essen können. Starke Protein-Einschränkung ist unnötig, 60 g/Tag werden empfohlen.

Akute Paracetamol-Intoxikation wird mit N-Acetylcystein behandelt. Da eine chronische Paracetamol-Toxizität schwierig zu diagnostizieren ist, sollte die Verwendung von N-Acetylcystein überlegt werden, wenn keine Ursache für ein akutes Leberversagen zu finden ist. Ob N -Acetylcystein eine leicht positive Wirkung auf Patienten mit akutem Leberversagen aufgrund anderer Bedingungen hat, wird derzeit in Studien untersucht.

Lebertransplantation führt durchschnittlich zu einer Einjahresüberlebensrate von etwa 84% (3). Transplantation ist dann empfehlenswert, wenn die Prognose ohne Transplantation schlechter ist. Allerdings ist die Vorhersage schwierig und Scores, wie die Kings College-Kriterien und der APACHE II (Acute Physiologic Assessment and Chronic Health Evaluation II) -Score sind nicht ausreichend sensitiv und spezifisch, um als einzige Kriterien für eine Transplantation herangezogen zu werden; sie werden unterstützend zur klinischen Beurteilung verwendet (z. B. basierend auf Risikofaktoren).

Weitere Informationen zum akuten Leberversagen finden sich in den Leitlinien der European Association for the Study of the Liver (EASL).

Literatur zur Behandlung

  1. 1. European Association for the Study of the Liver: EASL Clinical practical guidelines on the management of acute (fulminant) liver failure. J Hepatology 66:1047-1081, 2017. doi: 10.1016/j.jhep.2016.12.003

  2. 2. Karvellas CJ, Fix OK, Battenhouse H, et al: Outcomes and complications of intracranial pressure monitoring in acute liver failure: A retrospective cohort study. Crit Care Med 42:1157-1167, 2014. doi: 10.1097/CCM.0000000000000144

  3. 3. Health Resources and Services Administration (HRSA): Organ Procurement and Transplantation Network (OPTN)/Scientific Registry of Transplant Recipients (STRT) 2020 Annual Data Report: Liver.

Prognose für akutes Leberversagen

Eine Vorhersage der Entwicklung kann schwierig sein. Wichtige prädiktive Variable sind

Verschiedene Scores (z. B. Kings-College-Kriterien oder Acute Physiologic Assessment and Chronic Health Evaluation II [APACHE II]-Score) können Prognosefaktoren in Patientenpopulationen sein, sind aber bei einzelnen Patienten nicht genau genug.

Wichtige Punkte

  • Die häufigsten Ursachen für akutes Leberversagen sind virale Hepatitis (in Ländern mit schlechten sanitären Verhältnissen) sowie Drogen und Toxine (in Ländern mit guten sanitären Verhältnissen).

  • Akutes Leberversagen ist charakterisiert durch Gelbsucht, Gerinnungsstörungen und Enzephalopathie.

  • Die Diagnose wird durch eine verlängerte INR (International normalized ratio) oder klinische Manifestationen einer Enzephalopathie bei Patienten mit Hyperbilirubinämie und erhöhten Aminotransferase-Spiegel bestätigt.

  • Zur Ursachenfindung wird die Arzneimittel-Anamnese und Belastung mit Toxinen erhoben und eine Hepatitis-Virus-Serologie, Autoimmunmarker und andere Labortests auf der Basis klinischer Verdachtsmomente durchgeführt.

  • Akutes Leberversagen sollte auf der Intensivstation behandelt werden, und die Überweisung an ein Transplantationszentrum sollte umgehend erfolgen.

  • N-Acetylcystein kann bei Paracetamol-induziertem Leberversagen und eine Lebertransplantation bei Patienten mit schlechten prognostischen Faktoren berücksichtigt werden (z. B. Alter < 10 oder > 40, schwere Enzephalopathie, starke Verlängerung der INR (International normalized ratio), unerwartetete Arzneimittelwirkung, Wilson-Krankheit).