Erfrierungen sind Verletzungen, die durch lokale Kälteeinwirkung auf Gewebe entstehen. Zunächst können sie täuschenderweise gutartig erscheinen. Die Haut kann weiß oder blasig aussehen und dabei taub sein; das Wiedererwärmen verursacht bedeutende Schmerzen. Es kann sich eine Gangrän entwickeln. Bei stark geschädigtem Gewebe kann es zur Selbstamputation kommen. Die Behandlung besteht in der Wiedererwärmung in warmem (37–39 ° C) Wasser, lokaler Pflege und Schmerzbehandlung. Gelegentlich kann eine chirurgische Amputation indiziert sein. Chirurgische Eingriffe, die oft durch Bildgebungsergebnisse geleitet werden, werden jedoch in der Regel verzögert, bis eine definitive Abgrenzung des nekrotischen Gewebes erfolgt.
(Siehe auch Verletzungen durch Kälte im Überblick.)
Erfrierungen kommen gewöhnlich bei extremer Kälte vor, v. a. in großer Höhe, und werden durch Hypothermie verstärkt. Die distalen Extremitäten und exponierte Haut sind am häufigsten betroffen.
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Innerhalb oder zwischen Gewebezellen bilden sich Eiskristalle, die unabdingbar zum Erfrieren des Gewebes führen und Zelltod verursachen. Angrenzende nicht gefrorene Zonen sind in Gefahr, weil lokale Vasokonstriktion und Thrombose endotheliale ischämische Schäden verursachen können. Durch die Reperfusion bei der Wiederaufwärmung werden entzündliche Zytokine (z. B. Thromboxane, Prostaglandine) freigesetzt, die die Gewebeschäden verstärken. Die Tiefe des Gewebeverlustes hängt von der Dauer und Tiefe der Erfrierung ab.
Symptome und Anzeichen von Erfrierungen
Der betroffene Bereich ist kalt, hart, weiß und taub. Wenn er erwärmt wird, wird der Bereich fleckig rot, geschwollen und schmerzhaft. Blasen bilden sich innerhalb von 4–6 Stunden, aber ist es möglich, dass sich das ganze Ausmaß der Verletzung erst nach einigen Tagen offenbart.
Wenn die Blasen mit klarem Serum gefüllt sind, deuten sie auf einen oberflächlichen Schaden hin; oberflächliche Schäden heilen ohne zurückbleibenden Gewebeverlust.
Mit Blut gefüllte Blasen weisen auf tiefe Schäden und wahrscheinlich auf Gewebeverlust hin.
Die Gangrän kann trocken oder feucht sein. Trockene Gangrän, verursacht durch das Gefrieren von tiefem Gewebe, führt zu einer harten schwarzen Kruste über gesundem Gewebe. Feuchte Gangrän ist grau, ödematös und weich und kommt seltener vor. Feuchte Gangrän ist durch eine Infektion gekennzeichnet; bei trockener Gangrän ist die Wahrscheinlichkeit einer Infektion geringer.
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Bei stark geschädigtem Gewebe kann es zur Selbstamputation kommen. Eventuell entwickelt sich ein Kompartmentsyndrom Alle Grade von Erfrierungen können zu fehlerhaftem Nagelwachstum und langfristigen neuropathischen Symptomen führen: Kälteempfindlichkeit, übermäßiges Schwitzen und Taubheitsgefühl (Symptome, die denen des komplexen örtlichen Schmerzsyndroms, ähneln).
Diagnose von Erfrierungen
Anamnese und körperliche Untersuchung
Die Diagnose erfolgt aufgrund von klinischen Kriterien. Viele frühe Merkmale von Erfrierungen (z. B. Kälte, Taubheitsgefühl, weiße oder rote Farbe, Blasen) sind auch charakteristisch für nicht gefrierende Kälteverletzungen; daher kann die endgültige Diagnose von Erfrierungen wiederholte Beobachtungen erfordern, bis spezifischere Merkmale (z. B. schwarze Kruste) auftreten.
Behandlung von Erfrierungen
Wiedererwärmung in warmem Wasser (37–39° C).
Unterstützende Maßnahmen
Lokale Wundversorgung
Gelegentlich Operation
Präklinische Versorgung
Im Freien sollten die erfrorenen Extremitäten schnell wiedererwärmt werden, indem die betroffenen Stellen völlig in Wasser getaucht werden, das bei Berührung erträglich warm ist (37–39°C). Das Wiederaufwärmen mit einer unkontrollierten trockenen Wärmequelle (z. B. Feuer, Heizkissen) sollte vermieden werden, da der betroffene Bereich gefühllos ist und die Gefahr von Verbrennungen besteht. Reiben, das das Gewebe weiter schädigen kann, sollte ebenfalls vermieden werden.
Je länger eine Zone in gefrorenem Zustand verbleibt, desto größer kann der endgültige Schaden sein. Wenn ein Patient jedoch eine längere Strecke zur Behandlung zurücklegen muss, kann es notwendig sein, das Auftauen der Füße zu verschieben. Aufgetautes Gewebe ist besonders empfindlich gegenüber dem Trauma des Gehens und wird, wenn es erneut gefriert, stärker beschädigt als wenn es gefroren bleibt. Wenn das Auftauen verzögert werden muss, wird der gefrorene Bereich vorsichtig gereinigt, luftgetrocknet und in sterile und trockene, voluminöse Kompressen geschützt. Den Patienten werden, wenn verfügbar, Analgetika gegeben und der ganze Körper wird warm gehalten.
Akutbehandlung
Bei der Ankunft im Krankenhaus wird die Kerntemperatur des Patienten stabilisiert und seine Extremitäten schnell in großen Gefäßen mit zirkulierendem Wasser bei einer Temperatur von ca. 37-39° C wiedererwärmt; 15–30 Minuten sind in der Regel ausreichend (1). Alle Schmuckstücke müssen abgelegt werden. Beim Wiederaufwärmen kann es zu starken Schmerzen kommen. Parenterale Analgetika, einschließlich Opioide, sind oft erforderlich.
Die Patienten werden dazu aufgefordert, beim Auftauen den betroffenen Körperteil sanft zu bewegen. Große, klare Blasen werden in der Regel intakt gelassen oder mit steriler Technik aspiriert. Hämorrhagische Blasen werden ebenfalls nicht berührt, um eine sekundäre Austrocknung tiefer dermaler Schichten zu vermeiden. Aufgeplatzte Blasen werden débridiert.
Bei schweren Verletzungen, die innerhalb von 48 bis 72 Stunden auftreten, ist nach dem Wiedererwärmen die Infusion eines Prostazyklin-Analogons, wie Iloprost, indiziert (2, 3). Wenn die Verletzung tief ist und ein Amputationsrisiko besteht, sollte innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Verletzung eine intraarterielle oder intravenöse thrombolytische (fibrinolytische) Therapie in Betracht gezogen werden (4). Phenoxybenzamin, ein langwirksamer Alpha-Blocker, kann Vasospasmen verringern und den Blutfluss verbessern. Obwohl auch andere Vasodilatatoren wie Papaverin, Nicardipin oder Nitroglycerin als Zusatztherapie eingesetzt werden, gibt es keine stichhaltige Evidenz für ihre Verwendung. Antikoagulanzien (z. B. Heparin), i.v. niedermolekulares Dextran und intraarterielle Vasodilatatoren (z. B. Reserpin, Tolazolin) haben keinen nachgewiesenen klinischen Nutzen und sollten nicht verwendet werden.
Entzündungshemmende Maßnahmen (z. B. Ibuprofen und topische Aloe Vera) sind hilfreich. Die entzündeten Bereiche werden in warmer Luft unbedeckt gelassen und die Extremitäten werden hochgelagert, um Ödeme zu reduzieren. Es liegen keine ausreichenden Daten zur Unterstützung der hyperbaren Sauerstofftherapie vor (5).
Die Prävention von Infektionen ist von grundlegender Bedeutung; eine empirische Prophylaxe ist nicht angezeigt, es sei denn, es liegt eine grobe Kontamination, Quetschverletzung oder feuchte Gangrän vor. Bei Vorliegen einer feuchten Gangrän werden Breitbandantibiotika verabreicht. Tetanustoxoid wird verabreicht, wenn der Status der Tetanusimpfung unbekannt oder nicht aktuell ist. Wenn Gewebeschäden schwerwiegend sind, wird der Gewebedruck auf Hinweise eines Kompartmentsyndroms überwacht (siehe Kompartmentsyndrom: Diagnose, Wie man den Kompartmentdruck im Unterarm misst und Wie man den Kompartmentdruck im Unterschenkel misst).
Langzeitpflege
Eine angemessene Ernährung ist wichtig, um die stoffwechselbedingte Wärmeproduktion aufrechtzuhalten. Erwägen Sie die Verwendung von Doppler-Ultraschall zur Beurteilung von Puls und Gewebestatus.
Andere bildgebende Untersuchungen umfassen Radionuklid-Scanning, MRI, Mikrowellen-Thermografie und Laser-Doppler-Flowmetrie, um die Durchblutung zu beurteilen, die Lebensfähigkeit des Gewebes zu bestimmen und so die Behandlung zu steuern. Die MRT und insbesondere die Magnetresonanzangiographie können die Demarkationslinie des lebensfähigen Gewebes vor der klinischen Demarkation bestimmen und somit ein früheres chirurgisches Débridement oder eine Amputation ermöglichen. Es ist jedoch nicht klar, ob ein früherer chirurgischer Eingriff das Langzeitergebnis verbessert. Gewöhnlich wird die Operation so lange wie möglich aufgeschoben, weil der schwarze Gewebepanzer oftmals abgeworfen wird und lebensfähiges Gewebe hinterlässt. Weisen Sie Patienten mit schweren Erfrierungen darauf hin, dass viele Wochen der Beobachtung erforderlich sein können, bevor die Demarkation und das Ausmaß des Gewebeverlusts erkennbar werden.
Zur optimalen Langzeitbehandlung gehören 3-mal täglich Whirlpool-Bäder bei 37 °C , gefolgt von sanftem Abtrocknen, Ruhe und Zeit. Es ist keine vollständig wirksame Behandlung für die langanhaltenden Symptome von Erfrierungen (z. B. Taubheitsgefühl, Hypersensitivität gegen Kälte) bekannt. Eine chemische oder chirurgische Sympathektomie bei späten neuropathischen Symptomen wird nicht empfohlen.
Literatur zur Behandlung
1. McIntosh SE, Freer L, Grissom CK, et al. Wilderness Medical Society Clinical Practice Guidelines for the Prevention and Treatment of Frostbite: 2024 Update. Wilderness Environ Med. 2024;35(2):183-197. doi:10.1177/10806032231222359
2. Iloprost (Aurlumyn) for frostbite. Med Lett Drugs Ther. 2024;66(1707):114. doi:10.58347/tml.2024.1707b
3. Vampola C-L, Fahrbach K, Davis C. Risk of Amputation in Severe Frostbite - A Systematic Literature Review and Meta-analysis to Evaluate Iloprost and Standard of Care. Wilderness Environ Med. 2023;34(4):e4. https://doi.org/10.1016/j.wem.2023.08.016
4. Hickey S, Whitson A, Jones L, et al. Guidelines for Thrombolytic Therapy for Frostbite. J Burn Care Res. 2020;41(1):176-183. doi:10.1093/jbcr/irz148
5. Lorentzen AK, Davis C, Penninga L. Interventions for frostbite injuries. Cochrane Database Syst Rev. 2020;12(12):CD012980. Published 2020 Dec 20. doi:10.1002/14651858.CD012980.pub2
Wichtige Punkte
Die Tiefe der Verletzung ist anfangs schwer zu erkennen, obwohl mit Blut gefüllte Bläschen auf tiefere Schäden hindeuten.
Das erfrorene Gewebe muss so schnell wie möglich mit Wasser aufgetaut werden, das bei Berührung noch gerade erträglich ist (37–39° C); eine Analgesie ist in der Regel erforderlich.
Auftauen und erneutes Einfrieren ist zu vermeiden.
Die betroffenen Bereiche müssen offen, sauber, trocken und erhöht gelagert werden.
Schwarzes Gewebe kann eine schwarze Kruste darstellen, die abgestoßen wird, oder eine Gangrän, die eine Amputation erfordert; die Operation wird normalerweise verzögert, bis die Demarkation klar ist.
Neuropathische Symptome (z. B. Kälteempfindlichkeit, Taubheitsgefühl) kann auf unbestimmte Zeit andauern.