Eine Infektion kann sich lokal (z. B. Zellulitis, Abszess) oder systemisch (meist durch Fieber) manifestieren. Es kann auch in mehreren Organsystemen zu Manifestationen kommen. Schwere, generalisierte Infektionen können lebensbedrohlichen Komplikationen aufweisen (z. B. Sepsis und septischer Schock). Die meisten Manifestationen werden durch eine erfolgreiche Therapie der zugrunde liegenden Krankheit aufgelöst.
Klinische Manifestationen
Die meisten Infektionen führen zu einer Erhöhung der Pulsfrequenz und Körpertemperatur, bei manch anderen (z. B. Typhus, Tularämie, Brucellose und Dengue-Fieber) kommt es aber in der Regel nicht zu einem fieberadäquaten Anstieg der Pulsfrequenz (relative Bradykardie). Hypotonie kann als Folge einer Hypovolämie, eines septischen Schocks oder toxischen Schocks auftreten. Häufig kommt es zu einer Hyperventilation und respiratorischen Alkalose.
Sensorische Veränderungen (Enzephalopathien) können bei schweren Infektionen auch ohne eine zerebrale Infektion vorkommen. Sie kommen am häufigsten und ausgeprägtesten bei älteren Menschen vor und verursachen Ängstlichkeit, Verwirrung, Delirium, Stupor, Krämpfen und Koma.
Hämatologische Manifestationen
Infektionskrankheiten führen in der Regel zum Anstieg reifer und unreifer zirkulierender neutrophiler Granulozyten. Zu den Mechanismen gehören die Demargination und Freisetzung unreifer Granulozyten aus dem Knochenmark, die Interleukin-1-vermittelte und Interleukin-6-vermittelte Freisetzung von Neutrophilen aus dem Knochenmark sowie die von Makrophagen, Lymphozyten und anderen Geweben produzierten koloniestimulierenden Faktoren. Eine überschießende Reaktion (z. B. bei Traumata, Entzündungen und ähnlichen Stresssituationen) kann zu einer exzessiven Freisetzung unreifer Leukozyten in den Blutkreislauf führen (leukämoide Reaktion), mit Leukozytenzahlen bis zu 25.000–30.000/Mikroliter (25–30 × 109/l).
Im Gegensatz dazu verursachen manche Infektionen (z. B. Typhus, Brucellose) in der Regel eine Leukopenie. Bei fulminanten, schweren Infektionen ist eine deutliche Leukopenie oft ein prognostisch ungünstiges Zeichen.
In neutrophilen Granulozyten septischer Patienten werden charakteristische morphologische Veränderungen (Döhle-Körperchen, toxische Granulationen, Vakuolisierung) beobachtet.
Eine Anämie kann sich trotz ausreichender Gewebeeisenspiegel entwickeln. Wenn die Anämie chronisch ist, handelt es sich um eine normochrome, normozytische Anämie, die durch ein niedriges Serum-Eisen, eine niedrige Gesamteisenbindungskapazität und normales bis erhöhtes Serumferritin gekennzeichnet ist.
S chwere Infektionen können eine Thrombozytopeniae und eine Verbrauchskoagulopathie (DIC) hervorrufen.
Weitere Organsysteme
Die Lungen-Compliance kann sich vermindern und zu einem akuten Atemnotsyndrom (ARDS) und zu einer muskulären Ateminsuffizienz entwickeln (1).
Renale Manifestationen reichen von einer minimalen Proteinurie bis hin zu einem akuten Nierenversagen, das durch den Schockzustand, eine akute tubuläre Nekrose, eine Glomerulonephritis oder eine tubulointerstitielle Krankheit ausgelöst werden kann.
Leberfunktionsstörungen, inklusive cholestatischen Ikterus (oft ein prognostisch ungünstiges Zeichen) oder hepatozellulärer Dysfunktion, kommen bei vielen Infektionskrankheiten vor, sogar dann, wenn der Erreger nicht in der Leber lokalisiert ist.
Zu den gastrointestinalen Manifestationen gehören oberen gastrointestinale Blutungen aufgrund von Stressulzera, die während einer Sepsis auftreten können.
Endokrinologische Dysfunktionen
Erhöhte Produktion des Schilddrüsen-stimulierenden Hormons, Vasopressin, Insulin, und Glucagon
Abbau der Skelettmuskelproteine und Muskelschwund sekundär zu erhöhten metabolischen Anforderungen
Knochendemineralisation
Hypoglykämie tritt selten in der Sepsis, aber Nebenniereninsuffizienz sollte bei Patienten mit Hypoglykämie und Sepsis in Betracht gezogen werden. Hyperglykämie kann ein frühes Zeichen der Infektion bei Diabetikern sein.
Hinweis
1. Bos LDJ, Ware LB. Acute respiratory distress syndrome: causes, pathophysiology, and phenotypes. Lancet. 2022;400(10358):1145-1156. doi:10.1016/S0140-6736(22)01485-4