Akute Tubulusnekrose (ATN)

VonFrank O'Brien, MD, Washington University in St. Louis
Überprüft/überarbeitet Jan. 2024
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Unter einer akuten tubulären Nekrose (ATN) versteht man eine Nierenschädigung durch akute tubuläre Zellverletzungen und Funktionsstörungen. Häufige Ursachen sind Hypotonie oder Sepsis, die eine renale Minderperfusion verursacht sowie nephrotoxische Medikamente. Wenn die Krankheit kein Nierenversagen verursacht, bleibt der Patient asymptomatisch. Die Diagnose lässt sich vermuten, wenn sich nach einem hypotonen Ereignis, schwerer Sepsis oder nach Medikamenteneinwirkung eine Azotämie entwickelt. Von einer prärenalen Azotämie wird diese durch Laboruntersuchungen und Reaktion auf die Volumenexpansion unterschieden. Die Therapie ist unterstützend.

(Siehe auch Überblick zu den tubulointerstitiellen Krankheiten.)

Ätiologie der akuten tubulären Nekrose

Zu den häufigen Ursachen einer akuten tubulären Nekrose gehören die folgenden:

  • Hypoperfusion der Nieren, meist durch Hypotonie oder Sepsis (ischämischer ATN; am meisten verbreitet, vor allem bei Patienten auf einer Intensivstation) verursacht

  • Nephrotoxinen

  • Große Operation (oft aufgrund von mehreren Faktoren)

Weitere Ursachen von ATN sind

  • Verbrennungen dritten Grades, die > 15% der Körperoberfläche bedecken

  • Die Hämopigmente Myoglobin und Hämoglobin (verursacht entweder durch Rhabdomyolyse oder massive Hämolyse)

  • Andere endogene Toxine, die aus Störungen wie Tumorlyse oder multiplem Myelom resultieren

  • Gifte, wie Ethylenglykol

  • Kräuterheil- oder Hausmittel, wie die Einnahme von Fischgallenblase in Südostasien

Zu den üblichen Nephrotoxinen gehören die folgenden:

  • Aminoglykoside

  • Amphotericin B

  • Cisplatin und anderen Chemotherapeutika

  • Röntgenkontrastmittel (insbesondere ionische hoch osmolare Substanzen, die i.v. in Mengen von > 100 ml gegeben werden – siehe Kontrastmittelnephropathie)

  • Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR; insbesondere bei gleichzeitiger schlechter Nierendurchblutung oder anderen nephrotoxischen Wirkstoffen)

  • Colistimethat (Colistin)

  • Calcineurininhibitoren (z. B. Cyclosporin, Tacrolimus, systemisch verwendet)

  • Vancomycin (insbesondere mit supratherapeutischer Dosierung [1])

Massiver Volumenverlust, insbesondere bei Patienten mit septischen oder hämorrhagischen Schock, Pankreatitis oder schwerer Operation, erhöht das Risiko für eine ischämische ATN; Patienten mit schweren Begleiterkrankungen haben das höchste Risiko.

Große chirurgische Eingriffe und fortgeschrittene hepatobiliäre Krankheiten (2) erhöhen das Risiko einer Aminoglykosidtoxizität. Manche Medikamentenkombinationen (z. B. Aminoglykosid mit Amphotericin B) können besonders nephrotoxisch wirken. NSAR können verschiedene Arten von intrinsischen Nierenerkrankungen, einschließlich ATN verursachen.

Diese Toxine bewirken eine ungleichmäßigen segmentale Verlegung des Tubuluslumens mit Zylindern und Zelltrümmern oder eine segmental-tubuläre Nekrose.

Die akute tubuläre Nekrose scheint sich eher bei Patienten zu entwickeln, die Folgendes aufweisen:

Literatur zur Ätiologie

  1. 1. Stokes MB: Vancomycin in the kidney—A novel cast nephropathy. J Am Soc Nephrol 28(6):1669-1670, 2017. doi: 10.1681/ASN.2017010091

  2. 2. Aniort J, Poyet A, Kemeny J-L, et al: Bile cast nephropathy caused by obstructive cholestasis. Am J Kidney Dis 69(1):143-146, 2017. doi: 10.1053/j.ajkd.2016.08.023

Symptome und Anzeichen einer akuten tubulären Nekrose

Die akute tubuläre Nekrose verläuft üblicherweise asymptomatisch, kann aber Symptome oder Anzeichen einer akuten Nierenschädigung entwickeln, üblicherweise anfangs Oligurie, wenn die ATN schwer ist. Allerdings kann Urinausscheidung nicht reduziert werden, wenn die ATN weniger schwerwiegend ist (z. B. typisch bei Aminoglykosid-induzierter ATN).

Diagnose der akuten tubulären Nekrose

  • Differenzierung von prärenaler Azotämie basiert hauptsächlich auf Laborbefunden und im Falle von Blut oder Flüssigkeitsverlust, der Reaktion auf die Volumenexpansion

Akute tubuläre Nekrose wird vermutet, wenn das Serumkreatininin 0,3 mg/dl/Tag (26,5 mikromol/l [mikromol/l]) [über dem Ausgangswert oder eine 1,5- bis 2,0-fache Zunahme des Serumkreatinins gegenüber dem Ausgangswert nach einem offensichtlichen Auslöser (z. B. hypotensives Ereignis, Exposition gegenüber einem Nephrotoxin) ansteigt; der Anstieg des Kreatinins kann 1 bis 2 Tage nach bestimmten Expositionen (z. B. IV Radiokontrast) auftreten, aber nach Exposition gegenüber anderen Nephrotoxinen (z. B. Aminoglykosiden) verzögert sein.

ATN muss von einer prärenalen Azotämie unterschieden werden, da die Behandlung unterschiedlich verläuft. Bei einer prärenalen Azotämie ist die renale Perfusion genug zurückgegangen, um Serumharnstoff gegenüber Kreatinin zu erhöhen, aber nicht genug, um ischämische Schäden an den röhrenförmige Zellen zu verursachen. Eine prärenale Azotämie kann durch direkten intravaskulären Flüssigkeitsverlust verursacht werden (z. B. durch Blutungen, Verluste über den Gastrointestinaltrakt, Harnverluste) oder durch eine relative Abnahme des effektiven zirkulierenden Volumens ohne Verlust der gesamten Körperflüssigkeit (z. B. bei Herzinsuffizienz, portaler Hypertonie mit Aszites). Wenn Flüssigkeitsverlust die Ursache ist, erhöht eine Volumenausdehnung mit IV gegebener Kochsalzlösung die Urinausscheidung und normalisiert den Serumkreatininspiegel. Wenn ATN die Ursache ist, verursacht IV gegebene Kochsalzlösung typischerweise keinen Anstieg der Urinausscheidung und keinen raschen Wandel bei Serumkreatinin. Eine unbehandelte prärenalen Azotämie kann sich zu ischämischer ATN entwickeln.

Laborbefunde helfen ebenfalls, eine akute tubuläre Nekrose von prärenaler Azotämie zu unterscheiden (siehe Tabelle Laborbefunde zur Unterscheidung einer akuten tubulären Nekrose von prärenaler Azotämie).

Tabelle
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Behandlung der akuten tubulären Nekrose

  • Unterstützende Behandlung:

Die Behandlung ist unterstützend und beinhaltet das Stoppen der Nephrotoxine, wann immer möglich; die Aufrechterhaltung der Normovolämie, unterstützende Maßnahmen zur Ernährung und die Behandlung von Infektionen (vorzugsweise mit Medikamenten, die nicht nephrotoxisch sind). Diuretika können verwendet werden, um bei oligurischer akuter tubulärer Nekrose die Urinausscheidung zu gewährleisten, haben aber keinen nachweislichen Nutzen und verändern nicht den Verlauf der Nierenschädigung. Es gibt keine Beweise für die Verwendung von Mannit oder Dopamin zu unterstützen. Die allgemeine Therapie bei akuter Nierenschädigung.

Tipps und Risiken

  • Diuretika können helfen, Urinausscheidung bei Patienten mit ATN zu verbessern, aber nicht den Verlauf der Nierenschädigung verändern.

Prognose für akute tubuläre Nekrose

Die Kurzzeitprognose ist bei ansonsten gesunden Patienten gut, wenn die zugrunde liegende Störung behoben wird. Das Serumkreatinin kehrt innerhalb von 1–3 Wochen üblicherweise zu Normal- oder fast zu den Normalwerten zurück. Bei Krankenhauspatienten ist die Morbidität und Mortalität erhöht, selbst wenn die akute Nierenschädigung nur leicht ist (1). Die Prognose ist bei Patienten, die nicht auf der Intensivstation behandelt werden müssen, besser als bei denen, die auf der Intensivstation behandelt werden müssen. Prädiktoren für Sterblichkeit sind hauptsächlich (1)

  • Vermindertes Urinvolumen (z. B. Anurie, Oligurie)

  • Schwere der zugrunde liegenden Störung

  • Schwere der Komorbiditäten

Patienten, die eine die eine akute tubuläre Nekrose überleben, haben ein erhöhtes Risiko für chronische Nierenerkrankungen.

Todesursache ist gewöhnlich eine Infektion oder die zugrunde liegende Störung.

Hinweis zur Prognose

  1. 1. Chertow GM, Burdick E, Honour M, et al: Acute kidney injury, mortality, length of stay, and costs in hospitalized patients. J Am Soc Nephrol 16(11):3365-3370, 2005. doi: 10.1681/ASN.2004090740

Prävention der akuten tubulären Nekrose

Prävention besteht in Folgendem:

  • Erhaltung eines normalen Flüssigkeitszustandes und einer normalen Nierendurchblutung bei kritisch kranken Patienten

  • Wenn möglich, Vermeidung nephrotoxischer Arzneimitteln

  • Engmaschige Überwachung der Nierenfunktion, wenn nephrotoxischen Arzneimitteln verwendet werden

  • Maßnahmen, um eine Kontrastmittelnephropathie zu verhindern

  • Bei Patienten mit Diabetes, Kontrolle des Blutzuckerspiegels

Es gibt keine Beweise dafür, dass Schleifendiuretika, Mannitol oder Dopamin helfen, den Verlauf einer etablierten akuten tubulären Nekrose zu verhindern oder zu verändern.

Wichtige Punkte

  • Eine akute tubuläre Nekrose (ATN) kann sich nach verschiedenen Erkrankungen entwickeln oder Auslöser für eine verminderte Nierenperfusion sein oder die Nieren Giftstoffen aussetzen.

  • Anders als bei schweren Fällen einer Oligurie treten die Symptome nicht auf bevor sich ein Nierenversagen entwickelt.

  • ATN wird von einer prärenalen Azotämie durch die Reaktion auf Volumenexpansion und durch chemische Tests von Urin und Blut sowie den sich dadurch abgeleiteten Berechnungen unterschieden.

  • Die Ursache der ATN sollte so bald wie möglich korrigiert werden, um eine gute kurzfristige Prognose zu erreichen.

  • Nephrotoxine sollen gestoppt, ein ausgeglichener Flüssigkeitsstatus aufrechterhalten und Infektionen sowie Unterernährung behandelt werden.