Übersicht über das endokrine System

VonWilliam F. Young, Jr, MD, MSc, Mayo Clinic College of Medicine
Überprüft/überarbeitet Apr. 2022
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Das endokrine System koordiniert die Kommunikation zwischen verschiedenen Organen durch Hormone, welches Chemikalien sind, die von bestimmten Zellen innerhalb endokriner (gangloser) Drüsen in den Blutkreislauf abgegeben werden. Einmal in den Blutkreislauf abgegeben, beeinflussen Hormone die Funktion des Zielgewebes, was eine andere endokrine Drüse oder ein Endorgan sein kann. Einige Hormone beeinflussen Zellen genau des Organs, aus dem sie auch ausgeschüttet wurden (parakriner Effekt), einige beeinflussen sogar den gleichen Zelltyp (autokriner Effekt).

Hormone können sein

  • Peptide (eine oder mehrere Aminosäuren, die durch chemische Bindungen verbunden sind) unterschiedlicher Größe

  • Steroide (abgeleitet von Cholesterin)

  • Aminosäurederivative

Hormone binden selektiv an Rezeptoren an der Innenseite oder an der Oberfläche der Zielzellen. Hormone interagieren mit intrazellulären Rezeptoren, die die Genfunktion regulieren (z. B. Kortikosteroide, Vitamin D und Schilddrüsenhormone). Rezeptoren an der Zelloberfläche binden Hormone, die Enzymaktivitäten steuern oder Ionenkanäle beeinflussen (z. B. Wachstumshormone, Thyreotropin-releasing-Hormon).

Endokrine Erkrankungen resultieren aus Störungen der endokrinen Drüsen und/oder deren Zielgewebe.

Die Hypophyse und ihre Zielorgane

Beziehung zwischen Hypothalamus und Hypophyse

Die Funktion peripherer endokriner Organe wird in unterschiedlichem Ausmaß durch Hormone der Hypophyse reguliert. Einige Funktionen (z. B. Sekretion von Insulin durch die Bauchspeicheldrüse, in erster Linie durch den Blutzuckerspiegel gesteuert) werden in einem minimalen Ausmaß kontrolliert oder sind unabhängig von der Kontrolle der Hypophyse (z. B. Sekretion von Parathormon durch die Nebenschilddrüsen, in erster Linie als Reaktion auf den Kalziumspiegel im Blut), während viele (z. B. Sekretion von Schilddrüsen- oder Gonadenhormonen) in hohem Maße kontrolliert werden. Die Sekretion von Hormonen der Hypophyse wird durch den Hypothalamus gesteuert.

Die Interaktion zwischen Hypothalamus und Hypophyse (Hypothalamus-Hypophysen-Achse genannt) ist ein Feedback-System. Der Hypothalamus erhält Informationen aus nahezu allen anderen Bereichen des Zentralnervensystems und gibt diese an die Hypophyse weiter. In der Folge gibt die Hypophyse verschiedene Hormone ab, die endokrine Drüsen des gesamten Körpers stimulieren. Veränderungen in der Konzentration im Blut zirkulierender Hormone werden durch den Hypothalamus erkannt, welcher daraufhin seine stimulierenden Effekte auf die Hypophyse erhöht oder erniedrigt, um die Homöostase aufrechtzuerhalten.

Der Hypothalamus moduliert in unterschiedlicher Weise die Aktivität der Hypophysenvorderlappens und des Hypophysenhinterlappens. Neurohormone, die im Hypothalamus synthetisiert werden, erreichen den Hypophysenvorderlappen (Adenohypophyse) über spezielle portale Gefäße und regulieren Synthese und Freisetzung der sechs wichtigen Peptidhormone des Hypophysenvorderlappens (siehe Abbildung Die Hypophyse und ihre Zielorgane). Die Hormone des Hypophysenvorderlappens regulieren sowohl periphere endokrine Drüsen (die Schilddrüse, die Nebennierenrinde und die Gonaden) als auch Wachstum und Laktation. Zwischen Hypothalamus und Hypophysenvorderlappen gibt es keine direkte neuronale Verbindung.

Im Gegensatz dazu enthält der Hypophysenhinterlappen (Neurohypophyse) Axone von neuronalen Zellen aus dem Hypothalamus. Diese Axone dienen als Speicher für zwei Peptidhormone aus dem Hypothalamus, Vasopressin (antidiuretisches Hormon) und Oxytocin, welche in der Peripherie die Homöostase des Wasserhaushalts, den Milcheinschuss und Kontraktionen des Uterus kontrollieren.

Phasen der Hormonabgabe werden unterbrochen von Phasen der Inaktivität. Nahezu alle Hormone, die im Hypothalamus und in der Hypophyse hergestellt werden, werden in pulsatiler Form abgegeben. Einige Hormone (z. B. adrenocorticotropes Hormon [ACTH], Wachstumshormon, Prolaktin) haben feste zirkadiane Rhythmen, andere Hormone (z. B. luteinisierendes Hormon und Follikel-stimulierendes Hormon während des Menstruationszyklus) haben zusätzlich zum zirkadianen Rhythmus eine monatliche Periodik.

Tabelle
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Hypothalamische Kontrolle

Bis jetzt konnten sieben physiologisch wichtige Neurohormone des Hypothalamus identifiziert werden (siehe Tabelle Hypothalamische Neurohormone). Außer dem biogenen Amin Dopamin sind alle oben genannten Hormone kleine Peptide. Einige werden sowohl in der Peripherie als auch im Hypothalamus produziert und wirken in örtlichen parakrinen Systemen, vor allem im GI-Trakt. Ein Beispiel hierfür ist das vasoaktive intestinale Peptid (VIP), welches auch die Freisetzung von Prolaktin stimuliert.

Neurohormone können die Freisetzung verschiedener Hormone der Hypophyse kontrollieren. Die Ausschüttung der meisten Hormone des Hypophysenvorderlappens ist abhängig von stimulierenden Signalen aus dem Hypothalamus. Eine Ausnahme ist Prolaktin, das über ein inhibitorisches Signal reguliert wird. Im Falle einer Durchtrennung der hypophysären Bahnen (welche die Hypophyse mit dem Hypothalamus verbinden) ist die Prolaktinfreisetzung gesteigert, während die Freisetzung aller anderen Hormone des Hypophysenvorderlappens abnimmt.

Eine Vielzahl von Veränderungen des Hypothalamus (z. B. Tumoren oder Enzephalitis und andere inflammatorische Prozesse) können die Freisetzung von Neurohormonen beeinflussen. Da Neurohormone in unterschiedlichen Bereichen innerhalb des Hypothalamus synthetisiert werden, betreffen manche Veränderungen des Hypothalamus nur ein einzelnes Neuropeptid, während andere Läsionen eine Vielzahl von Hormonen verändern. Das Ergebnis kann sowohl eine neurohormonale Überfunktion als auch eine Unterfunktion sein. Klinische Syndrome, die aus einer pathologischen Freisetzung hypophysärer Hormone resultieren (z. B. Diabetes insipidus, Akromegalie und Hypopituitarismus), werden an anderer Stelle diskutiert.

Funktionen des Hypophysenvorderlappens

Die Zellen des Hypophysenvorderlappens (welche 80% des Gewichts der Hypophyse ausmachen) synthetisieren und sezernieren Hormone, die für normales Wachstum und Entwicklung notwendig sind bzw. die Aktivität verschiedener Zieldrüsen stimulieren.

Adrenocorticotropes Hormon (ACTH)

ACTH wird auch Corticotropin genannt. Corticotropin-releasing-Hormon (CRH) ist der wesentliche Stimulator der ACTH-Freisetzung. Unter Stress spielt auch Vasopressin eine Rolle. ACTH veranlasst die Nebennierenrinde zur Freisetzung von Kortisol und verschiedener schwacher Androgene, wie z. B. Dehydroepiandrosteron (DHEA). Zirkulierendes Kortisol und andere Kortikosteroide (einschließlich exogener Glukokortikosteroide) inhibieren die Freisetzung von CRH und ACTH. Die Achse CRH–ACTH–Kortisol ist eine zentrale Komponente der physiologischen Stressantwort. Ohne ACTH kommt es zur Atrophie der Nebennierenrinde, und die Kortisolausschüttung versiegt nahezu.

Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH)

TSH reguliert die Funktion der Schilddrüse, denn es stimuliert die Synthese und Freisetzung von Schilddrüsenhormon. Die Synthese und Freisetzung von TSH wird durch hypophysäres Thyreotropin-releasing-Hormon (TRH) stimuliert und durch zirkulierendes Schilddrüsenhormon (negatives Feedback) inhibiert.

Luteinisierendes Hormon (LH) und Follikel-stimulierendes Hormon (FSH)

LH und FSH kontrollieren die Produktion von Sexualhormonen. Synthese und Freisetzung von LH und FSH werden hauptsächlich durch Gonadotropin-releasing-Hormon (GnRH) stimuliert und durch Östrogen bzw. Testosteron inhibiert. Ein Faktor, der die GnRH-Freisetzung steuert, ist Kisspeptin, ein Hypothalamus-Peptid, das durch einen erhöhten Leptinspiegel in der Pubertät ausgelöst wird. Zwei Gonadenhormone, Activin und Inhibin, wirken sich nur auf FSH aus; Activin ist stimulierend und Inhibin ist hemmend.

Bei Frauen stimulieren LH und FSH die Entwicklung von Follikeln in den Ovarien und die Ovulation.

Bei Männern wirkt FSH auf die Sertoli-Zellen und ist essenziell für die Spermatogenese. LH wirkt auf Leydig-Zellen in den Hoden und stimuliert die Testosteron-Biosynthese.

Wachstumshormon (Growth Hormone, GH)

GH stimuliert das körperliche Wachstum und reguliert den Stoffwechsel. Growth-hormone-releasing-Hormon (GHRH) ist der wesentliche Stimulator, und Somatostatin ist der wesentliche Inhibitor der Synthese und Freisetzung von GH. GH kontrolliert die Synthese von Insulin-like-growth-Faktor 1 (IGF-1, auch Somatomedin-C genannt), der das Wachstum weitgehend bestimmt. IGF-1 wird in vielen Geweben gebildet, jedoch ist die Leber der hauptsächliche Produktionsort. Eine Variante von IGF-1 ist im Muskelgewebe vorhanden, wo es eine Rolle bei der Verbesserung der Muskelkraft spielt. Es steht weniger unter der Steuerung von GH als die Lebervariante.

Die metabolischen Effekte von GH sind biphasisch. Zunächst zeigt GH insulinähnliche Effekte, wie die Erhöhung der Glukoseaufnahme in Muskel- und Fettzellen, Stimulierung der Aminosäureaufnahme und Proteinsynthese in Leber und Muskel sowie eine Hemmung der Lipolyse im Fettgewebe. Einige Stunden später treten Stoffwechseleffekte auf, die der Wirkung von Insulin entgegengesetzt sind. Dies beinhaltet eine Hemmung von Glukoseaufnahme und Verbrauch, was wiederum den Blutglukosespiegel und die Lipolyse erhöht, was dann zum Anstieg der Plasmakonzentration von freien Fettsäuren führt. Die Konzentration von GH-Spiegeln steigt während Perioden des Hungerns, um die Blutglukosespiegel aufrechtzuerhalten und Fett als alternative Energiequelle zu mobilisieren. Die Produktion von GH nimmt mit dem Alter ab. Ghrelin, ein im Magenfundus produziertes Hormon, fördert die GH-Freisetzung aus der Hypophyse, erhöht die Nahrungsaufnahme und verbessert in Tiermodellen das Gedächtnis.

Prolaktin

Prolaktin wird in sogenannten lactotrophen Zellen, welche ca. 30% aller Zellen der Hypophyse darstellen, produziert. Während der Schwangerschaft verdoppelt die Hypophyse ihre Größe, was im Wesentlichen auf eine Hypertrophie und Hyperplasie der lactotrophen Zellen zurückzuführen ist. Beim Menschen ist die Hauptfunktion von Prolaktin die Anregung der Milchproduktion. Auch während sexueller Aktivität und Stress kommt es zur Prolaktinausschüttung. Prolaktin kann ein sensitiver Indikator der Hypophysendysfunktion sein. Prolaktin ist das Hormon, das im Falle eines Tumors der Hypophyse am häufigsten exzessiv gebildet wird. Bei Unterbrechung der vaskulären Verbindung von Hypothalamus und Hypophyse kommt es durch Wegfall der hemmenden Wirkung von Dopamin auf die lactotrophen Zellen zur Entzügelungshyperprolaktinämie.

Andere Hormone

Mehrere andere Hormone werden im Hypophysenvorderlappen gebildet. Hierzu gehört Proopiomelanocortin (POMC, das Prohormon für ACTH), alpha- und beta- Melanozyten-stimulierendes Hormon (MSH), Beta-Lipotropin (β-LPH), die Enkephaline und die Endorphine. POMC und MSH können eine Hyperpigmentierung der Haut verursachen; sie treten klinisch nur bei Störungen in Erscheinung, bei denen die ACTH-Sekretion deutlich erhöht ist (z. B. Morbus Addison, Nelson-Tumor). Die Funktion des hypophysären β-LPH ist nicht bekannt. Enkephaline und Endorphine sind endogene Opioide, die sich im gesamten ZNS an Opioidrezeptoren binden und diese aktivieren.

Funktion des Hypophysenhinterlappens

Der Hypophysenhinterlappen schüttet Vasopressin (auch ArgininVasopressin oder antidiuretisches Hormon [ADH]) und Oxytocin aus. Beide Hormone werden als Antwort auf neuronale Impulse freigesetzt und haben eine Halbwertszeit von ca. 10 Minuten.

Vasopressin (antidiuretisches Hormon, ADH)

Vasopressin unterstützt in erster Linie die renale Konservierung von Wasser durch eine Erhöhung der Permeabilität der Epithelien der distalen Tubuli und der Sammelrohre. In hohen Konzentrationen verursacht Vasopressin auch eine Vasokonstriktion. Wie Aldosteron spielt Vasopressin eine bedeutende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Flüssigkeitshomöostase und der vaskulären und zellulären Hydratation. Der Hauptstimulus für die Freisetzung von Vasopressin ist ein Anstieg des osmotischen Drucks des Körperwassers, welcher durch Osmorezeptoren im Hypothalamus erkannt wird.

Ein anderer wichtiger Stimulus ist ein Volumenmangel, der von Barorezeptoren im linken Vorhof, in den Pulmonalvenen, im Karotissinus und im Aortenbogen detektiert wird und dann über den N. vagus und den N. glossopharyngeus an das Zentralnervensystem weitergeleitet wird. Weitere Stimulatoren der Vasopressin-Ausschüttung sind Schmerz, Stress, Erbrechen, Hypoxie, Sport, Hypoglykämie, cholinerge Rezeptoragonisten, Beta-Blocker, Angiotensin und Prostaglandine. Zur Hemmung der Vasopressin-Freisetzung führen Alkohol, Alpha-Blocker und Glukokortikoide.

Ein Mangel an Vasopressin führt zu einem zentralen Diabetes insipidus. Das Unvermögen der Niere zu einer adäquaten Antwort auf Vasopressin, verursacht einen renalen Diabetes insipidus. Die Entfernung der Hypophyse führt normalerweise nicht zu einem dauerhaften Diabetes insipidus, da die verbleibenden Neurone des Hypothalamus in der Lage sind, Vasopressin herzustellen.

Copeptin wird zusammen mit Vasopressin im Hypophysenhinterlappen produziert. Seine Messung kann bei der Unterscheidung der Ursache für eine Hyponatriämie nützlich sein.

Oxytocin

Oxytocin hat zwei Hauptziele:

  • Die myoepithelialen Zellen der Mamma, welche die Alveolen der Brustdrüse umgeben

  • Zellen der glatten Muskulatur des Uterus

Saugen an den Brustwarzen stimuliert die Freisetzung von Oxytocin, welches zur Kontraktion der myoepithelialen Zellen führt. Diese Kontraktion führt dazu, dass Milch von den Alveolen in die großen Sinus fließt, von wo aus sie abgegeben wird (d. h. der Milcheinschussreflex stillender Mütter). Oxytocin stimuliert die Kontraktion glatter Muskelzellen am Uterus. Die Empfindlichkeit des Uterus auf Oxytocin nimmt während der Schwangerschaft zu. Die Oxytocinspiegel steigen während des Geburtsvorgangs nicht wesentlich an. Die Rolle des Oxytocin bei der Auslösung von Wehen ist unklar.

Bei Männern ist kein Stimulus für Oxytocin bekannt, obwohl sehr niedrige Konzentrationen von Oxytocin auch hier nachweisbar sind.