Organsysteme

VonAlexandra Villa-Forte, MD, MPH, Cleveland Clinic
Überprüft/überarbeitet Apr. 2022 | Geändert Sept. 2022
DIE AUSGABE FÜR MEDIZINISCHE FACHKREISE ANSEHEN

    Obgleich jedes einzelne Organ seine spezielle Funktionen hat, bilden sie auch funktionell zusammengehörende Gruppen, nämlich sogenannte Organsysteme (siehe Tabelle Große Organsysteme). Erkrankungen und medizinische Fachgebiete werden anhand der jeweiligen Organsysteme kategorisiert.

    Einige Beispiele für Organsysteme und ihre Funktionen sind der Verdauungstrakt, das Herz-Kreislauf-System und der Bewegungsapparat.

    Der Verdauungs- bzw. Gastrointestinaltrakt, der sich vom Mund bis zum After erstreckt, ist für die Aufnahme und Verdauung der Nahrung und die Ausscheidung von Abfallstoffen zuständig. Er umfasst nicht nur den Magen und den Dünn- und Dickdarm, wo die aufgenommene Nahrung weitertransportiert und absorbiert wird, sondern auch verbundene Organe wie die Bauchspeicheldrüse, Leber und Gallenblase, die Verdauungsenzyme produzieren, Schadstoffe aus dem Blut filtern und für die Verdauung notwendige Substanzen vorrätig halten.

    Zum Herz-Kreislauf-System gehören das Herz und die Blutgefäße. Es wird daher auch als kardiovaskuläres System bezeichnet. Das Herz-Kreislauf-System sorgt dafür, dass das Blut durch den Körper gepumpt wird.

    Zum Bewegungsapparat (muskoskelettales System) gehören Knochen, Muskeln, Bänder, Sehnen und Gelenke, die den Körper stützen und bewegen.

    Tabelle
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    Zusammenarbeit der Organsysteme

    Die Organsysteme arbeiten oft zur Ausführung komplexer Aufgaben zusammen. Beispielsweise arbeiten nach einer üppigen Mahlzeit verschiedene Organsysteme zusammen, um dem Verdauungstrakt mehr Blut zuzuführen, sodass dieser seine Aufgaben erfüllen kann. Dafür nimmt der Verdauungstrakt die Hilfe des Herz-Kreislauf-Systems und des Nervensystems in Anspruch. Die Blutgefäße des Verdauungstrakts weiten sich, um mehr Blut zu transportieren. Nervenimpulse werden an das Gehirn gesendet und informieren dieses über die höhere Verdauungsaktivität. Der Verdauungstrakt kann das Herz durch Nervenimpulse und chemische Stoffe, die ins Blut abgegeben werden, sogar unmittelbar beeinflussen. Das Herz reagiert, indem es mehr Blut pumpt. Das Gehirn reagiert mit verringertem Hungergefühl, erhöhtem Sättigungsgefühl und verringertem Bewegungsdrang (Bewegungsapparat). Das vom Bewegungsapparat nunmehr nicht benötigte Blut kann stattdessen vom Verdauungstrakt genutzt werden.

    Die Kommunikation zwischen Organen und Organsystemen ist lebenswichtig. Die Kommunikation ermöglicht dem Körper, die Aufgaben jedes einzelnen Organs den Bedürfnissen des ganzen Körpers anpassen. Im obigen Beispiel muss das Herz wissen, wann der Verdauungstrakt mehr Blut benötigt, damit es schneller pumpt. Wenn das Herz weiß, dass sich der Körper ausruht, kann es weniger Blut pumpen. Die Nieren müssen darüber informiert sein, wann zu viel Flüssigkeit im Körper ist und mehr Urin produziert werden kann und wann Flüssigkeitsmangel herrscht und Wasser zurückgehalten werden muss.

    Der Begriff Homöostase bezeichnet die Aufrechterhaltung des normalen Aufbaus und der Funktionen des Körpers. Dank der Kommunikation zwischen den Organsystemen kann der Körper stetige Mengen an Körperflüssigkeiten und Substanzen erhalten. Die Organe arbeiten weder zu viel noch zu wenig und unterstützen sich gegenseitig.

    Die Kommunikation zur Aufrechterhaltung der Homöostase erfolgt durch das vegetative Nervensystem und das endokrine System. Biochemische Stoffe, die als Botenstoffe (Transmitter) bezeichnet werden, übermitteln die Nachrichten.

    Das vegetative Nervensystem steuert weite Teile des komplizierten Kommunikationsnetzwerks, das die Körperfunktionen reguliert. Dieser Teil des Nervensystems funktioniert automatisch und beinahe unmerklich, ohne dass der Mensch davon Notiz nimmt. Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, übermitteln Nachrichten zwischen verschiedenen Teilen des Nervensystems und zwischen dem Nervensystem und anderen Organen.

    Das endokrine System besteht aus verschiedenen Drüsen, die chemische Botenstoffe, sogenannte Hormone, produzieren. Die Hormone werden mit dem Blut zu anderen Organen transportiert und regulieren die Funktionen dieser Organe. Die Schilddrüse setzt beispielsweise Schilddrüsenhormone frei, die die Stoffwechselrate (Geschwindigkeit chemischer Funktionsabläufe im Körper) steuern. Die Bauchspeicheldrüse produziert Insulin, das die Verwertung von Zucker steuert.

    Einer der bekanntesten Botenstoffe ist das Hormon Epinephrin (Adrenalin). Wenn ein Mensch unter Stress steht oder Angst bekommt, sendet das Gehirn umgehend eine Botschaft an die Nebennieren, die sofort Adrenalin freisetzen. Innerhalb von wenigen Augenblicken alarmiert diese chemische Substanz den ganzen Körper. Diese Reaktion nennt man Kampf-oder-Flucht-Reaktion (Fight or Flight). Das Herz schlägt schneller und kräftiger, die Pupillen weiten sich, der Atem geht schneller, und der Verdauungstrakt verringert seine Aktivität, damit den Muskeln mehr Blut zur Verfügung steht. Die Wirkung tritt sehr rasch ein und ist sehr intensiv.

    Andere Verständigungsformen durch Botenstoffe sind weniger heftig, aber ebenso wirkungsvoll. Wenn der Körper z. B. an Flüssigkeitsmangel leidet und mehr Wasser benötigt, zirkuliert weniger Blut im Herz-Kreislauf-System. Rezeptoren in den Halsarterien registrieren das verringerte Blutvolumen. Sie senden über Nervenbahnen Impulse an die Hirnanhangsdrüse, die daraufhin ein antidiuretisches Hormon produziert. Dieses veranlasst die Nieren, den Urin stärker zu konzentrieren und dadurch mehr Wasser zurückzuhalten. Gleichzeitig erzeugt das Gehirn ein Durstgefühl, das die Person zum Trinken anregt.