Das Von-Hippel-Lindau-Syndrom ist eine seltene Erbkrankheit, bei der sich in mehreren Organen gutartige und/oder bösartige Tumoren entwickeln.
Das Von-Hippel-Lindau-Syndrom wird durch Mutationen in einem Gen verursacht.
Kinder können unter Kopfschmerzen, Sehstörungen oder Bluthochdruck leiden und sich schwindlig oder schwach fühlen.
Der Arzt vermutet die Erkrankung anhand der familiären Vorgeschichte und der Ergebnisse einer körperlichen Untersuchung und führt dann bildgebende Verfahren und andere Tests durch, um nach Tumoren und anderen Problemen zu suchen.
Tumoren werden operativ entfernt, durch Bestrahlung behandelt oder mittels Laser oder Anwendung extremer Kälte zerstört.
Das Von-Hippel-Lindau-Syndrom ist ein neurokutanes Syndrom. Ein neurokutanes Syndrom verursacht Probleme, die das Gehirn, die Wirbelsäule, die Nerven (Neuro) und die Haut (kutan) betreffen.
Das Gen, welches das Von-Hippel-Lindau-Syndrom verursacht, ist bekannt. Es muss nur 1 Gen – von 1 Elternteil – vorhanden sein, damit sich die Krankheit entwickelt. Jedes Kind eines betroffenen Elternteils trägt ein 50-prozentiges Risiko, die Störung zu erben. Bei 20 Prozent der Betroffenen ist eine spontane – neue (nicht vererbte) – Genmutation die Ursache für diese Erkrankung. Diese Erkrankung tritt bei 1 von 36.000 Personen auf.
Tumoren entwickeln sich beim Von-Hippel-Lindau-Syndrom meistens im Gehirn und in der Netzhaut der Augen. Diese sogenannten Angiome bestehen aus Blutgefäßen. In anderen Organen können sich andere Tumorarten entwickeln, darunter Tumoren in den Nebennieren (Phäochromozytome) und Zysten in den Nieren, der Leber oder der Bauchspeicheldrüse.
Bei den betroffenen Menschen nimmt das Risiko für Nierenkrebs mit zunehmendem Alter zu. Mit 60 Jahren kann das Risiko sogar 70 Prozent betragen.
Symptome des VHL-Syndroms
Symptome des Von-Hippel-Lindau-Syndroms treten normalerweise im Alter von 10 bis 30 Jahren auf, manchmal jedoch auch früher.
Die Symptome hängen von der Größe und der Lage der Tumoren ab. Kinder können unter Kopfschmerzen leiden und sich schwindlig oder schwach fühlen. Dazu können Sehstörungen und Bluthochdruck kommen. Es kann zu einem Koordinationsverlust kommen. Etwa 10 Prozent der betroffenen Kinder haben einen Tumor im Innenohr, was das Gehör beeinträchtigen kann.
Angiome in der Netzhaut verursachen meist keine Symptome. Wenn sie jedoch wachsen, können sie zu erheblichem Sehverlust führen. Bei solchen Angiomen kann sich die Netzhaut ablösen, auf oder unter der Makula (das Zentrum der Netzhaut) kann sich Flüssigkeit ansammeln und der Sehnerv kann durch den erhöhten Augeninnendruck beschädigt werden (Glaukom).
Ohne Behandlung können die Betroffenen erblinden, Hirnschäden erleiden oder sterben. Todesfälle sind normalerweise die Folge von Komplikationen der Gehirnangiome oder des Nierenkrebses.
Diagnose des VHL-Syndroms
Bildgebende Verfahren
Augenuntersuchung
Genetische Untersuchung
Der Arzt stellt fest, ob das Von-Hippel-Lindau-Syndrom in der Familie liegt, und führt eine körperliche Untersuchung durch.
Wenn die Ergebnisse auf die Erkrankung hindeuten, können verschiedene Tests zur Prüfung auf Tumoren und andere Auffälligkeiten durchgeführt werden:
Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) des Gehirns und der Wirbelsäule
Eine augenfachärztliche Untersuchung, einschließlich einer Ophthalmoskopie
Ultraschall, CT oder MRT des Bauches
Hörtests
Bluttests
Das Von-Hippel-Lindau-Syndrom wird diagnostiziert, wenn 1 der folgenden Punkte vorliegt:
Von-Hippel-Lindau-Syndrome in der Familie plus mindestens 1 charakteristischer Tumor in den Augen, im Gehirn, in der Wirbelsäule, in den Nebennieren, Nieren oder in der Bauchspeicheldrüse
Zwei oder mehr charakteristische Tumoren des Von-Hippel-Lindau-Syndroms bei Personen, die keine bekannten Fälle des Von-Hippel-Lindau-Syndroms in der Familie haben
Wenn ein Tumor festgestellt wird, wird auch nach weiteren Tumoren gesucht.
Wenn sich die Ärzte immer noch nicht sicher sind, führen sie Tests zur Analyse von Chromosomen durch (molekulare Gentests). Mit der Analyse wird das abnorme VHL-Gen identifiziert und die Diagnose bestätigt.
Wenn das abnorme VHL-Gen bei einer Person identifiziert wird, werden Gentests durchgeführt, um bei Familienmitgliedern nach dem abnormen Gen zu suchen.
Behandlung des VHL-Syndroms
Operation oder manchmal Strahlentherapie
Für Angiome der Netzhaut (Retina): Lasertherapie oder Anwendung extremer Kälte
Manchmal das Medikament Belzutifan
Tumoren werden, sofern möglich, operativ entfernt, bevor sie bleibende Schäden verursachen. Manchmal kann auch eine hochdosierte, auf den Tumor gerichtete Strahlentherapie zum Einsatz kommen. Patienten mit Tumoren in den Nebennieren benötigen möglicherweise auch Medikamente zur Kontrolle ihres Blutdrucks. Patienten mit fortgeschrittenem Nierenkrebs können auch andere Medikamente erhalten.
Belzutifan kann für Erwachsene mit Nierenkrebs, Tumoren im Gehirn oder der Wirbelsäule oder mit Tumoren in der Bauchspeicheldrüse verwendet werden, die nicht sofort operativ entfernt werden müssen. Dieses Medikament schrumpft die Tumoren und verhindert, dass sie weiter wachsen. Es kann eingesetzt werden, bis sich die Krankheit verschlimmert oder bis die Nebenwirkungen zu stark werden.
Angiome der Netzhaut werden normalerweise mittels Lasertherapie oder durch Anwendung extremer Kälte (Kryotherapie) zerstört. Diese Verfahren helfen, das Sehvermögen zu erhalten.
Vorsorgeuntersuchungen bezüglich neuer Probleme
Da sich beim Von-Hippel-Lindau-Syndrom neue Komplikationen und Tumoren entwickeln können, müssen die Betroffenen für den Rest ihres Lebens engmaschig überwacht werden.
Bei Personen, bei denen das Von-Hippel-Lindau-Syndrom diagnostiziert wurde, werden die folgenden Vorsorgeuntersuchungen und Tests alle 1 bis 2 Jahre durchgeführt, aber auch, wenn Symptome auftreten:
Körperliche Untersuchung
Augenuntersuchung zur Überprüfung auf Augentumoren
Blutdruckmessungen sowie Urin- und Bluttests zur Untersuchung auf Phäochromozytome
Magnetresonanztomografie (MRT) des Gehirns und der Wirbelsäule zur Untersuchung auf Tumoren
Hörtests zur Untersuchung auf Innenohrtumoren
MRT oder Ultraschalluntersuchung des Bauchraums zur Untersuchung auf Nierenkrebs, Phäochromozytome und Bauchspeicheldrüsentumoren
Bei Personen, bei denen das Von-Hippel-Lindau-Syndrom nicht diagnostiziert wurde, bei denen aber das abnorme Gen vorliegt, oder die nicht getestet wurden, bei denen aber ein Elternteil oder Geschwisterteil das Von-Hippel-Lindau-Syndrom hat, werden jedes Jahr Blutdrucküberwachung und Untersuchungen durchgeführt, um sie auf Seh-, Hör- und Augenprobleme zu überprüfen.