Ältere Erwachsene können misshandelt werden, indem ihnen ein direkter Schaden zugefügt bzw. angedroht wird, oder wenn ihnen wesentliche Dinge vorenthalten werden. Misshandlung tritt mit der Zeit meist häufiger und mit zunehmendem Schweregrad auf. Misshandelte ältere Erwachsene haben Verletzungen, gesundheitliche Probleme, psychische Schäden, müssen wiederholt ins Krankenhaus eingewiesen werden, haben finanzielle Verluste und sterben früher als ältere Erwachsene, die nicht misshandelt werden.
Jedes Jahr werden in den USA Tausende ältere Erwachsene misshandelt oder vernachlässigt. Der Täter ist in der Regel ein Familienmitglied, meist ein erwachsenes Kind, das die Betreuungsperson des älteren Erwachsenen ist. Manchmal behandeln auch professionelle Betreuungspersonen, wie z. B. ambulante Pflegekräfte, die für die medizinische Versorgung zuständig sind, oder Mitarbeiter in Pflegeheimen und anderen Einrichtungen, ältere Erwachsene schlecht.
Weltweit erleiden bis zu 1 von 6 Personen, die in der Gemeinschaft leben und 60 Jahre oder älter sind, Misshandlungen. Etwa 12 Prozent dieser Menschen erleben mehr als eine Form von Misshandlung.
Es wurden mehr Misshandlungen von älteren Menschen während der COVID‐19-Pandemie berichtet, möglicherweise aufgrund einer erhöhten Anfälligkeit der Opfer und mehr Stress und Auslöser bei Tätern infolge von sozialer Isolation, finanzieller Notlage und schlechter psychischer Verfassung. Außerdem waren die Raten körperlicher und emotionaler Misshandlungen wesentlich höher und die Opfer erlitten mit größerer Wahrscheinlichkeit mehrere Formen von Misshandlung.
Betreuungspersonen sind durch die Pflegeanforderungen häufig überfordert, unzureichend vorbereitet oder verfügen über unzureichende Ressourcen oder wissen nicht, was von ihnen erwartet wird. Sie können eventuell auch immer mehr in die soziale Isolation geraten, was ihren Unmut manchmal noch steigert und eine Misshandlung wahrscheinlicher macht. Viele Betreuungspersonen behandeln die Person nicht absichtlich schlecht und manche wissen vielleicht nicht einmal, dass sie die Person schlecht behandeln.
Zu den typischen Misshandlungen älterer Menschen zählen unter anderem körperliche Misshandlungen, sexuelle Misshandlungen, psychische Misshandlungen, Vernachlässigung und finanzieller Missbrauch. Häufig treten mehrere Formen von Misshandlung in Kombination auf.
Physischer Missbrauch ist der Einsatz von Gewalt, um einer Person zu schaden oder ihr Schaden anzudrohen. Beispiele sind Schlagen, Schubsen, Schütteln, Verprügeln, in der Bewegungsfreiheit einschränken und zum Essen zwingen. Mögliche Anzeichen für physischen Missbrauch umfassen unerklärliche Verletzungen oder Verletzungen, die nicht angemessen behandelt werden, wunde Stellen und andere Narben, die darauf hindeuten, dass die Person festgebunden wurde, zerbrochene Brillengläser, Kratzer, Schnitte und Blutergüsse. Wenn eine Betreuungsperson nicht erlaubt, dass ein älterer Erwachsener mit Besuchern oder medizinischen Fachkräften oder Ärzten Zeit allein verbringt, kann dies Bedenken hinsichtlich physischen Missbrauchs aufkommen lassen.
Sexueller Missbrauch ist sexueller Kontakt ohne Einwilligung oder durch Gewalt oder Androhung von Gewalt. Beispiele sind Berührungen im Intimbereich und Vergewaltigung. Blutergüsse um die Brust herum und im Genitalbereich oder unerklärliche Blutungen aus der Vagina oder dem Anus können auf sexuellen Missbrauch hindeuten. Sexueller Missbrauch führt jedoch nicht immer zu körperlichen Verletzungen.
Psychischer Missbrauch drückt sich in verbaler oder tätlicher Gewalt aus und verursacht emotionalen Stress oder Qualen. Dazu gehört u. a.:
Äußerung von Drohungen, Beleidigungen und barschen Befehlen
Ignorieren der Person (zum Beispiel indem für längere Zeit nicht mit der Person gesprochen wird oder auf Ansprache nicht reagiert wird)
Behandlung des älteren Erwachsenen wie ein Kind (Infantilisierung), manchmal mit dem Ziel, dass die Person von dem Täter abhängiger werden soll
Menschen, die psychisch missbraucht werden, können passiv, ängstlich oder depressiv werden und sich in sich zurückziehen.
Vernachlässigung bedeutet, dass keine Nahrung, Medikamente, körperliche Hygiene bereitgestellt oder andere Bedürfnisse gestillt werden. Manche ältere Erwachsene vernachlässigen sich selbst (sogenannte Selbstvernachlässigung). Andere werden durch ihre Betreuungspersonen vernachlässigt. Notwendigkeiten werden durch verantwortungslose oder unaufmerksame Betreuungspersonen absichtlich vorenthalten oder einfach vergessen oder übersehen. Beim Verlassenwerden handelt es sich um eine weitere Form der Vernachlässigung, bei der die Betreuungspersonen ihre Pflegedienste unterbrechen, ohne dafür zu sorgen, dass andere Betreuer oder Pflegedienste als Ersatz zur Stelle sind. Zu den Anzeichen einer Vernachlässigung gehören:
Gewichtsverlust aufgrund von Unterernährung
Trockene Haut und trockener Mund aufgrund von Dehydrierung
Der Betroffene hat Körpergeruch, weil er zu selten gebadet wird
Druckgeschwüre auf dem Gesäß oder den Fersen, wenn der Betroffene zu lange in einer Position sitzen oder liegen gelassen wurde
Fehlen notwendiger Hilfsmittel wie Brillen, Hörgeräte oder Zahnprothesen
Der Betroffene wird nicht zu Arzt- oder Pflegeterminen gebracht, obgleich sich Erkrankungen offensichtlich verschlimmern
Manche Betreuungspersonen sind sich nicht bewusst, dass sie den älteren Erwachsenen nicht mehr nur suboptimal behandeln, sondern bereits vernachlässigen. Diese Betreuungspersonen haben eventuell kein Gespür dafür, was eine adäquate und angemessene Versorgung ausmacht, oder sie haben eventuell eine sehr unterschiedliche Auffassung davon, welches Verhalten akzeptabel ist und welches nicht. Manchmal ist Vernachlässigung die Folge extremer Umstände, wie z. B. finanzieller Schwierigkeiten, trotz bester Absichten seitens der Betreuungsperson. Manchmal sind Betreuungspersonen aufgrund ihrer eigenen körperlichen Grenzen oder psychischen Beeinträchtigung nicht in der Lage, eine angemessene Versorgung bereitzustellen. Zum Beispiel können Betreuungspersonen eventuell nicht in der Lage sein, den älteren Erwachsenen zu baden, oder sie vergessen, der Person ihre Medikamente zu geben.
Finanzieller Missbrauch bezeichnet die Ausbeutung von Besitztümern oder Geldern einer Person zugunsten einer anderen Person oder zum Nachteil des älteren Erwachsenen. Dazu gehört u. a.:
dem älteren Erwachsenen Geld oder Vermögenswerte durch Lügen oder Betrügen zu entlocken
Stehlen von einem älteren Erwachsenen ohne sein Wissen
Druck auf einen älteren Erwachsenen ausüben, damit dieser sein Vermögen teilt
Verantwortungslos mit dem Geld eines älteren Erwachsenen umgehen
Betreuungspersonen geben eventuell den Großteil der Rente eines älteren Erwachsenen für sich selbst aus und stellen nur einen geringen Betrag für den älteren Erwachsenen bereit.
Die Einschränkung der Freiheit eines älteren Erwachsenen, wichtige Lebensentscheidungen selbst zu treffen, z. B. mit wem sich der Betroffene treffen darf und wie das Geld ausgegeben wird, wird manchmal als eine andere, subtilere Form von Misshandlung betrachtet.
Risikofaktoren für Misshandlungen älterer Menschen
Jeder ältere Erwachsene kann, unabhängig vom Gesundheitszustand, schlecht behandelt werden. Misshandlung ist jedoch wahrscheinlicher, wenn ältere Erwachsene folgende Merkmale aufweisen:
Körperliche Gebrechlichkeit, meist aufgrund von beeinträchtigenden chronischen Erkrankungen
Probleme haben, tägliche Aufgaben zu bewältigen
Probleme haben, zu kommunizieren
Soziale Isolation
An Demenz,Verwirrtheit oder einer anderen Form von geistiger Beeinträchtigung leiden
Misshandlung ist auch wahrscheinlicher, wenn die Täter folgende Merkmale aufweisen:
Finanzielle Abhängigkeit von oder Zusammenleben mit dem älteren Erwachsenen
Alkohol- oder Drogenmissbrauch
Psychische Störungen, wie z. B. Schizophrenie
Bekannte Neigung zu Gewalttätigkeit
Ältere Erwachsene haben eine bewegte Vorgeschichte, wie z. B. frühere Gewalt in der Familie
Stress, z. B. bei finanziellen Problemen oder einem Todesfall in der Familie
Mangelnde Fähigkeiten und Ressourcen, was die Versorgung und Betreuung frustrierend werden lässt
Störungen (wie z. B. Demenz), durch die er/sie aufgeregt oder gewalttätig wird (selbst wenn die betreffende Person zuvor sanftmütig war)
Wann von einer Misshandlung auszugehen ist
Ärzte, Krankenpfleger, Sozialarbeiter, Freunde und Familienangehörige erkennen die Anzeichen einer Misshandlung oftmals nicht. Die Anzeichen können sich nur schwer von anderen Problemen unterscheiden lassen. Wenn ein älterer Erwachsener zum Beispiel eine Hüftfraktur hat, können medizinische Fachkräfte oder Ärzte eventuell nicht unterscheiden, ob die Ursache körperlicher Missbrauch oder Osteoporose, Stürze oder beides ist (was sehr viel häufiger vorkommt). Wenn ältere Erwachsene zudem verwirrt sind, kann es sein, dass ihre Klagen über Missbrauch nicht ernst genommen werden und der Missbrauch unentdeckt bleibt.
Wenn ältere Erwachsene bestimmte Probleme haben oder bestimmte Veränderungen auftreten, sollten sich Familienangehörige und Freunde sowie medizinische Fachkräfte und Ärzte bewusst sein, dass eventuell Misshandlung die Ursache dafür ist. Zu diesen Problemen gehören u. a.:
Schlechte Hygiene oder unangenehmer Geruch
Druckgeschwüre
Gewichtsverlust und trockener Mund
Fehlende Brillen, Hörgeräte oder Zahnprothesen
Häufige Blutergüsse, Blutergüsse an Stellen, die in der Regel bei Unfällen nicht betroffen sind (wie z. B. das Gesäß) oder Blutergüsse, die den Abdruck eines Gegenstands haben (wie z. B. von einem Kochlöffel, Stock oder Gürtel)
Fesselspuren
Knochenbrüche
Kratzer und Schnitte
Angst, Depression oder Sichzurückziehen und Passivität
Plötzliche finanzielle Änderungen (wie z. B. Änderungen im Testament, Verschwinden von Geld oder sonstiger Vermögenswerte oder Ergänzen von Namen von Personen, die Zugriff auf das Konto des älteren Erwachsenen haben)
Das Verhalten der Betreuungsperson kann auch durch Folgendes auf eine Misshandlung hindeuten:
Den älteren Erwachsenen nicht zu Wort kommen lassen
Den älteren Erwachsenen wie ein Kind behandeln
Keine plausiblen Erklärungen für Verletzungen angeben
Wenn medizinische Fachkräfte von einer Misshandlung ausgehen, befragen sie den älteren Erwachsenen allein sowie die mögliche Tatperson. Sie können andere Personen befragen, die den älteren Erwachsenen kennen, manchmal allein.
Medizinische Fachkräfte können Fragebögen verwenden, die entwickelt wurden, um herauszufinden, ob ältere Erwachsene missbraucht werden. Sie können allgemeine Fragen dazu stellen, wie sicher sich die betroffene Person fühlt, und indirekte Fragen über eine mögliche Misshandlung. Ärzte untersuchen die Person auch gründlich auf Anzeichen einer Misshandlung. Bildgebende Verfahren und Bluttests können erforderlich sein, um Anzeichen und/oder Komplikationen von Misshandlungen zu erkennen und, falls Anzeichen vorliegen, die Misshandlung zu dokumentieren.
Medizinische Fachkräfte beurteilen zudem die Umstände älterer Erwachsener, einschließlich der folgenden:
Soziale und finanzielle Ressourcen, um festzustellen, ob ein finanzieller Missbrauch stattfindet, und um dafür zu sorgen, dass der ältere Erwachsene davor geschützt wird (z. B. durch Änderung der Wohnverhältnisse oder die Einstellung einer professionellen Betreuungsperson).
Stimmung, zur Abklärung von Depressionen, Angst, Wut und Furcht
Die Fähigkeit, Alltagstätigkeiten zu verrichten
Alle körperlichen Einschränkungen, die den Selbstschutz beeinträchtigen
Wenn Hilfe bei täglichen Aktivitäten benötigt wird, stellen medizinische Fachkräfte fest, ob die aktuelle Betreuungsperson über ausreichende emotionale, finanzielle und geistige Fähigkeiten für die Aufgabe verfügt. Andernfalls muss eine neue Betreuungsperson gesucht werden.
Weitere Informationen
Die folgenden Quellen in englischer Sprache können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.
National Institute on Aging: Elder Abuse: Informationen und Links zu zusätzlichen Ressourcen für ältere Erwachsene und Betreuungspersonen bezüglich Anzeichen, Vorbeugung und langfristigen Auswirkungen von Misshandlungen älterer Menschen
National Center on Elder Abuse (NCEA): Leitfaden des NCEA, eines nationalen Informationszentrums in den Vereinigten Staaten, das sich der Prävention von Misshandlungen bei älteren Menschen widmet, einschließlich Ratschläge und Ressourcen für Fachleute, Forscher, Patientenvertreter und Angehörige (855-500-3537)