Polycythaemia vera

VonJane Liesveld, MD, James P. Wilmot Cancer Institute, University of Rochester Medical Center
Überprüft/überarbeitet Dez. 2023
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Die Polycythaemia vera ist eine myeloproliferative Neoplasie der blutbildenden Zellen im Knochenmark und führt zu einem Überschuss aller Arten von Blutkörperchen.

  • Sie wird durch Mutationen des Januskinase-2- (JAK2-)Gens verursacht, wodurch ein Protein (Enzym) gebildet wird, das die Überproduktion von Blutkörperchen anregt.

  • Patienten können sich müde und schwach, benommen oder kurzatmig fühlen oder durch Blutgerinnsel verursachte Symptome entwickeln.

  • Für die Diagnose werden Blutuntersuchungen vorgenommen.

  • Eine Phlebotomie wird durchgeführt, um überschüssige rote Blutkörperchen zu entfernen. Einige Patienten wenden auch Aspirin und manchmal andere Medikamente an.

Die Polycythaemia vera ist eine myeloproliferative Neoplasie, bei der sich die blutbildenden Zellen im Knochenmark (Vorläuferzellen, auch Stammzellen genannt) krankhaft vermehren.

Bei einer Polycythaemia vera ist die Bildung aller Arten von Blutkörperchen erhöht: rote Blutkörperchen, weiße Blutkörperchen und Blutplättchen. Die erhöhte Bildung von roten Blutkörperchen wird als Erythrozytose bezeichnet. Manchmal leiden Patienten mit einer Polycythaemia vera nur an einer erhöhten Bildung der roten Blutkörperchen. In der Regel hat eine erhöhte Bildung allein der roten Blutkörperchen jedoch eine andere Ursache.

Bei der Polycythaemia vera erhöht der Überschuss an roten Blutkörperchen das Blutvolumen und verdickt gleichzeitig das Blut, sodass es nicht mehr so leicht durch die kleinen Blutgefäße fließen kann.

Die Polycythaemia vera tritt bei etwa 2 von 100.000 Personen auf. Das Durchschnittsalter, in dem die Krankheit diagnostiziert wird, liegt bei 60 Jahren. Sie tritt jedoch auch bei Personen auf, die jünger als 40 sind. Bei unter 40-Jährigen sind Frauen häufiger von der Krankheit betroffen als Männer.

Ursachen der Polycythaemia vera

Bei mehr als 95 Prozent der Patienten mit Polycythaemia vera liegt eine Mutation im JAK2-Gen vor. Diese Mutation führt zu einer übermäßigen Bildung der Blutkörperchen.

Außerdem stellte man bei manchen Patienten mit Polycythaemia vera zusätzliche Mutationen im Calreticulin-(CALR-)Gen und in anderen Genen fest. Diese Mutationen führen zu einer anhaltenden Aktivierung der JAK2-Kinase, des Enzyms, das eine übermäßige Bildung der roten Blutkörperchen verursacht.

Blutkörperchen werden normalerweise im Knochenmark gebildet. Manchmal beginnen auch Milz und Leber, Blutkörperchen zu bilden. Letztendlich kommt es bei einem kleinen Anteil der Patienten im Knochenmark zu einer Myelofibrose mit Vernarbung. Zudem nimmt die Fähigkeit des Knochenmarks, Blutkörperchen zu bilden, ab.

Symptome der Polycythaemia vera

Oft haben die Patienten jahrelang keine Symptome. Die ersten Symptome sind meist:

  • Schwäche

  • Müdigkeit

  • Kopfschmerzen

  • Benommenheit

  • Kurzatmigkeit

  • Nachtschweiß

  • Juckreiz nach dem Duschen oder Baden

Die Patienten sehen vielleicht verschwommen oder sie nehmen blinde Flecken oder Lichtblitze wahr (was durch eine Augenmigräne verursacht wird).

Die Patienten leiden vielleicht an Blutungen aus dem Verdauungstrakt oder an Zahnfleischbluten und bluten übermäßig stark infolge kleiner Wunden.

Die Haut, vor allem im Gesicht, ist eventuell gerötet oder verfärbt. Am ganzen Körper kann Juckreiz auftreten, besonders nach dem Baden oder Duschen. Es kann zu Rötungen und einem Brennen in den Händen und Füßen (Erythromelalgie) kommen. In selteneren Fällen treten Knochenschmerzen auf.

Manchmal verursacht ein Blutgerinnsel die ersten Symptome. Die Zunahme von roten Blutkörperchen bei einer Polycythaemia vera führt dazu, dass das Blut dicker wird und dass es eher zu Gerinnseln kommt als normal. Ein Gerinnsel kann sich in fast jedem Blutgefäß bilden, einschließlich denjenigen der Arme und Beine (was zu einer tiefen Venenthrombose führt), des Herzens (was zu einem Herzinfarkt führt), des Gehirns (was zu einem Schlaganfall führt) oder der Lunge (was zu einer Lungenembolie führt). Blutgerinnsel können auch die Blutgefäße blockieren, die das Blut von der Leber abführen (Budd-Chiari-Syndrom), insbesondere bei jungen Frauen.

Bei manchen Patienten erhöht sich die Anzahl der Blutplättchen (zellartiger Partikel im Blut, die bei der Gerinnung von Blut helfen) (Thrombozythämie). Obwohl man vielleicht denkt, dass eine erhöhte Anzahl der Blutplättchen immer eine übermäßige Blutgerinnung verursacht, kann eine sehr hohe Anzahl an Blutplättchen bei Patienten mit Polycythaemia vera zu Blutungen führen, indem sie sich auf andere Teile des Blutgerinnungssystems auswirken.

Bei manchen Menschen kann es zu einem Eisenmangel kommen.

Leber und Milz können sich vergrößern, da beide Organe mit der Bildung von Blutkörperchen beginnen (siehe auch „Vergrößerte Milz“). Wenn Leber und Milz sich vergrößern, kann im Bauch ein Völlegefühl entstehen. Der Schmerz kann plötzlich zunehmen, wenn sich in den Blutgefäßen der Leber oder der Milz ein Blutgerinnsel bildet, was dazu führt, dass ein Teil dieses Organs abstirbt.

Der Überschuss an roten Blutkörperchen kann mit Magengeschwüren, Gicht und Nierensteinen einhergehen. In seltenen Fällen schreitet die Polycythaemia vera zu einer Leukämie fort.

Diagnose der Polycythaemia vera

  • Bluttests

  • Genetische Untersuchungen und andere Tests

Bei einem Blutbild, das aus anderem Grund erstellt wird, kann die Polycythaemia vera entdeckt werden, noch ehe sich irgendein Symptom zeigt. Die Anzahl der roten Blutkörperchen, der Hämoglobinspiegel (Hämoglobin ist das Protein, das den Sauerstoff in den roten Blutkörperchen transportiert) und der Hämatokritwert (der prozentuale Anteil an roten Blutkörperchen im Blut) sind ungewöhnlich hoch. Die Zahl der Blutplättchen und der weißen Blutkörperchen kann ebenfalls erhöht sein.

Wenn der Hämatokritwert sehr hoch ist, ziehen Ärzte die Möglichkeit einer Polycythaemia vera in Betracht. Jedoch kann die Diagnose nicht allein auf der Basis des Hämatokritwerts gestellt werden. Sobald die erhöhte Anzahl der roten Blutkörperchen (Polyzythämie) entdeckt wird, muss der Arzt bestimmen, ob der Patient an einer Polycythaemia vera oder einer Polyzythämie anderer Ursache (sekundären Erythrozytose) leidet. Die Krankengeschichte (Anamnese) und eine Untersuchung können bei der Unterscheidung zwischen Polycythaemia vera und sekundärer Erythrozytose helfen, zuweilen müssen jedoch weitere Untersuchungen durchgeführt werden.

Auch kann der Gehalt an Erythropoietin im Blut gemessen werden, einem Hormon, das das Knochenmark zur Bildung roter Blutkörperchen anregt. Der Erythropoetinspiegel ist bei der Polycythaemia vera in der Regel sehr niedrig, während er bei der sekundären Erythrozytose häufig, aber nicht immer, normal oder erhöht ist.

Für die Bestätigung der Diagnose einer Polycythaemia vera werden Patienten auf JAK2-Genmutationen hin untersucht. Werden diese Mutationen nicht festgestellt, suchen die Ärzte nach CALR-Mutationen und manchmal auch nach anderen Mutationen, die ebenfalls bei der Bestätigung der Diagnose helfen können.

Behandlung der Polycythaemia vera

  • Entfernung von Blut (Phlebotomie) zur Verringerung der Anzahl der roten Blutkörperchen

  • Medikamente bei Bedarf zur Senkung der Blutplättchenzahl, Prävention von Komplikationen oder Symptomlinderung

Die meisten Betroffenen überleben viele Jahre mit einer Behandlung. Ungefähr 15 Prozent der Patienten erkranken an einer Myelofibrose, und ein geringer Anteil an einer akuten Leukämie.

Die Behandlung heilt die Polycythaemia vera nicht, aber sie kann sie unter Kontrolle bringen und die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen wie die Bildung von Blutgerinnseln verringern. Das Ziel der Behandlung ist es, die Zahl der roten Blutkörperchen zu senken. Gewöhnlich wird Blut vom Körper mit einem Verfahren namens Phlebotomie oder Aderlass entfernt, ähnlich dem Verfahren beim Blutspenden. Jeden zweiten Tag wird bis zu ein halber Liter Blut entnommen, bis der Hämatokritwert normal ist. Anschließend wird nach Bedarf Blut abgenommen, um den Hämatokritwert normal zu halten, beispielsweise alle 1 bis 3 Monate.

Aspirin kann bei der Linderung der Symptome helfen, die mit einer hohen Anzahl an Blutplättchen zusammenhängen, wie Migräne, die sich auf die Sehkraft auswirkt, brennende Schmerzen und Rötung von Händen und Füßen. Es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass Aspirin bei einer Polycythaemia vera das Risiko für die Bildung von Blutgerinnseln verringert, und Aspirin ist für Patienten ohne Symptome nicht hilfreich.

Patienten, die nach einer Phlebotomie weiterhin Symptome aufweisen, brauchen eine andere Behandlung. Bei diesen Patienten können Ruxolitinib, ein Medikament, das die Aktivität von JAK2 hemmt, oder andere Medikamente, einschließlich pegyliertes Interferon-alfa-2b, Anagrelid oder Hydroxyharnstoff, zum Einsatz kommen.

Eine Knochenmarktransplantation ist die einzige Heilung für eine Polycythaemia vera. Allerdings wird diese selten empfohlen – eine Empfehlung wird nur ausgesprochen, wenn die Polycythaemia vera durch eine Myelofibrose und ein Knochenmarkversagen verkompliziert wird. Eine Knochenmarktransplantation wird in der Regel empfohlen, sobald Symptome einer Myelofibrose vorliegen.

Andere Medikamente können bei der Kontrolle einiger der Symptome helfen. Zum Beispiel können Antihistaminika, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder die PUVA-Lichttherapie den Juckreiz lindern.

Weitere Informationen

Die folgenden Quellen in englischer Sprache können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quelle verantwortlich ist.

  1. MPN Research Foundation: Polycythaemia vera: Unterstützt die Forschung zur Polycythaemia vera sowie die Vertretung und Aufklärung von Patienten mit myeloproliferativen Neoplasmen.