Medizinische Aspekte einer Langzeitnierenersatztherapie

VonL. Aimee Hechanova, MD, Texas Tech University Health Sciences Center, El Paso
Überprüft/überarbeitet Juli 2024
Aussicht hier klicken.

    Alle Patienten, die sich einer Langzeitnierenersatztherapie (NET) unterziehen, entwickeln begleitende metabolische oder andere Störungen. Diese Störungen erfordern die angemessene Aufmerksamkeit und eine zusätzliche Therapie. Das Vorgehen variiert von Patient zu Patient, schließt üblicherweise aber eine Ernährungsumstellung und Behandlung der multiplen metabolischen Anomalien ein (siehe auch Ernährung).

    (Siehe auch Überblick über die Nierenersatztherapie.)

    Diät

    Die Ernährung sollte engmaschig kontrolliert werden. Hämodialysepatienten neigen gewöhnlich zu Anorexie und sollten angehalten werden, täglich 35 kcal/kg ihres Idealkörpergewichts (bei Kindern 40–70 kcal/kg/Tag in Abhängigkeit von Alter und Aktivität) zu sich zu nehmen. Die tägliche Aufnahme von Natrium sollte auf 2 g (88 mEq [88 mmol]), von Kalium auf 2,3 g (60 mEq [60 mmol]), und von Phosphat (PO4) auf 800–1000 mg beschränkt werden. Die Flüssigkeitsaufnahme, einschließlich der in der Nahrung enthaltenen Flüssigkeit, wird auf 1000 bis 1500 ml/Tag begrenzt und durch Messung der Gewichtszunahme zwischen den Dialysebehandlungen überwacht. Patienten, die sich einer Peritonealdialyse unterziehen, benötigen eine Proteinzufuhr von 1,25–1,5 g/kg/Tag (im Vergleich zu 1,0–1,2 g/kg/Tag bei Hämodialysepatienten), um peritoneale Verluste zu ersetzen (8,4 +/- 2,2 g/Tag). Am besten ist das Überleben bei (Hämodialyse- und Peritonealdialyse-)Patienten, die ein Serumalbumin > 3,5 g/dl (35 g/l) beibehalten. Das Serumalbumin ist der beste Prädiktor für das Überleben dieser Patienten.

    Klinischer Rechner

    Anämie bei Nierenversagen

    Die bei Nierenversagen auftretende Anämie sollte mit Erythropoese-stimulierenden Substanzen (ESA) und Eisenergänzung behandelt werden (siehe Anämie der Nierenerkrankung und Anämie und Gerinnungsstörungen unter Behandlung von chronischer Nierenerkrankung). Da die Resorption von oralem Eisen begrenzt ist, benötigen viele Patienten IV Eisen während der Hämodialyse. (Eisen-Carboxymaltose und Eisensucrose werden Eisendextran vorgezogen, das eine höhere Inzidenz von Anaphylaxie hat.) Eisenspeicher werden anhand von Serumeisen, Gesamteisenbindungskapazität und Serumferritin beurteilt. In der Regel werden die Eisenspeicher vor Beginn der Erythropoietin-Therapie und danach alle 2 bis 3 Monate untersucht (1). Ein Eisenmangel ist der häufigste Grund für eine Erythropoietinresistenz. Manche Dialysepatienten, die viele Bluttransfusionen bekommen haben, weisen jedoch eine Eisenüberladung auf und sollten keinen Eisenersatz bekommen.

    Koronare Herzkrankheit

    Risikofaktoren für eine koronare Herzkrankheit müssen aggressiv angegangen werden, weil viele Patienten, die eine NET-Therapie benötigen, an Hypertonie, Dyslipidämie oder Diabetes leiden, rauchen und letztendlich an einer kardiovaskulären Krankheit sterben (2). Eine kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse ist effektiver als die Hämodialyse bei der Entfernung von Flüssigkeit. Als Folge hiervon benötigen hypertensive Patienten weniger Antihypertensiva. Bei vielen Hämodialysepatienten kann der Hypertonie auch allein durch Filtration kontrolliert werden. Antihypertensive Medikamente sind für den Rest erforderlich. Die Behandlung von Dyslipidämie, Diabeteskontrolle und Raucherentwöhnung sind sehr wichtig.

    Hyperphosphatämie

    Hyperphosphatämie, eine Folge der Phosphatretention aufgrund einer niedrigen glomerulären Filtrationsrate (GFR), erhöht das Risiko einer Weichteilverkalkung, insbesondere in den Koronararterien und Herzklappen. Sie fördert darüber hinaus die Entwicklung eines sekundären Hyperparathyreoidismus. Patienten mit Hyperphosphatämie sollten phosphorhaltige Lebensmittel meiden. Zu den pharmakologischen Behandlungsmöglichkeiten gehören Phosphorbinder auf Kalziumbasis, Phosphorbinder ohne Kalziumbasis oder die Hemmung der Phosphorresorption.

    Zu den Phosphorbindern auf Kalziumbasis gehören Kalziumkarbonat, das 3-mal täglich zu den Mahlzeiten oral eingenommen wird, und Kalziumacetat, das ebenfalls 3-mal täglich zu den Mahlzeiten oral eingenommen wird. Sie sind preiswerter als die anderen Phosphorbinder, können aber zu Gefäßverkalkung und Hyperkalzämie führen.

    Zu den Phosphorbindern, die nicht auf Kalzium basieren, gehören Sevelamer-Karbonat, Lanthan-Karbonat, Sucroferric-Oxyhydroxid oder Eisen(III)-Zitrat mit jeder Mahlzeit. Die Verwendung von Phosphorbindern, die nicht auf Kalzium basieren, ist mit einem 22%igen Rückgang der Gesamtmortalität im Vergleich zur Verwendung von Phosphorbindern auf Kalziumbasis assoziiert (3). Einige Patienten (z. B. solche, die mit einer akuter Nierenschädigung u und sehr hohen Serumphosphatkonzentrationen ins Krankenhaus eingeliefert werden) benötigen die Zugabe von Phosphatbindern auf Aluminiumbasis, diese sollten jedoch nur als Kurzzeitmedikamente (z. B. je nach Bedarf 1 bis 2 Wochen) eingesetzt werden, um eine Aluminiumtoxizität (4) zu verhindern.

    Tenapanor hemmt die Phosphorabsorption im Gastrointestinaltrakt und kann als Zusatztherapie bei Patienten eingesetzt werden, die nicht ausreichend auf Phosphorbinder ansprechen (5). Diarrhö ist eine mögliche unerwünschte Wirkung.

    Hypokalzämie und sekundären Hyperparathyreoidismus

    Diese Komplikationen treten häufig gleichzeitig auf, da die renale Produktion von Vitamin D und die Hypophosphatämie beeinträchtigt sind. Die Behandlung der Hypokalzämie erfolgt mit Calcitriol, entweder oral oder intravenös. Die Behandlung kann die Serumphosphatspiegel erhöhen und sollte zur Vermeidung von Weichgewebekalzifikationen unterbrochen werden, bis die Spiegel sich normalisiert haben. Die Dosierung wird titriert, um die Parathormonspiegel (PTH) auf normalerweise 150–600 pg/ml [150–600 ng/l] zu drücken (PTH spiegelt den Knochenstoffwechsel besser wider als Serumkalzium) (4). Übersuppression vermindert den Knochenstoffwechsel und führt zu einer adynamischen Knochenkrankheit, die die Gefahr von Frakturen mit sich bringt. Die Vitamin-D-Analoga Doxercalciferol und Paricalcitol haben eine geringere Wirkung auf die Kalzium- und Phosphat-Resorption im Zwölffingerdarm, unterdrücken aber PTH gleichwertig gut. Obwohl es erste Hinweise darauf gibt, dass diese Medikamente die Morta­lität im Vergleich zu Calcitriol senken könnten, zeigen spätere Studien keinen statistisch signifikanten Unterschied in der Mortalität. .

    Cinacalcet, ein Calcimimetikum, erhöht die Empfindlichkeit der kalziumempfindlichen Rezeptoren der Nebenschilddrüse gegenüber Kalzium und kann ebenfalls bei einem Hyperaldosteronismus angezeigt sein, aber die Rolle in der Alltagspraxis ist noch nicht definiert. Sein Vermögen, den PTH-Spiegel um bis zu 75% zu senken, kann die Notwendigkeit einer Parathyreoidektomie bei diesen Patienten verringern.

    Aluminiumtoxizität

    Die Toxizität ist die Gefahr bei Hämodialysepatienten, die aluminiumkontaminiertem Dialysat (jetzt ungewöhnlich) und Phosphatbindern auf Aluminiumbasis ausgesetzt sind. Manifestationen sind Osteomalazie, mikrozytäre Anämie (eisenresistent) und wahrscheinlich eine Dialysedemenz (eine Konstellation aus Gedächtnisverlust, Dyspraxie, Halluzinationen, Grimassieren, Myoklonie, Anfällen und einem typischen Elektroenzephalogramm [EEG]).

    Aluminiumtoxizität sollte bei Patienten, die eine NET erhalten, und die Osteomalazie, eisenresistente mikrozytäre Anämie oder neurologische Manifestationen wie Gedächtnisverlust, Dyspraxie, Halluzinationen, Grimassen, Myoklonie oder Krampfanfälle entwickeln, in Betracht gezogen werden. Die Diagnose wird durch Messung des Plasmaaluminiumspiegels vor und zwei Tage nach IV Infusion von Deferoxamin, 5 mg/kg, gestellt. Deferoxamin "chelates" Aluminium, löst es von Geweben und erhöht den Blutspiegel bei Patienten mit Aluminiumtoxizität. Ein Anstieg des Aluminiumspiegels auf 50 mcg/l spricht für eine Intoxikation. Eine durch Aluminium verursachte Osteomalazie kann auch durch eine Knochennadelbiopsie diagnostiziert werden, die eine Spezialfärbung auf Aluminium erfordert.

    Die Behandlung besteht in der Vermeidung von aluminiumhaltigen Phosphatbindern plus IV oder intraperitonealer Gabe von Deferoxamin.

    Tipps und Risiken

    • Eine Aluminiumtoxizität sollte bei RRT-Patienten mit Osteomalazie, eisenresistenter mikrozytärer Anämie oder neurologischen Symptomen in Betracht gezogen werden.

    Knochenerkrankungen

    Nierenosteodystrophie ist eine anormale Knochenmineralisierung. Diese hat mehrere Ursachen, darunter Vitamin-D-Mangel, erhöhtes Serumphosphat, sekundärer Hyperparathyreoidismus, chronische metabolische Azidose und Aluminiumtoxizität. Behandelt wird die Ursache.

    Vitaminmangel

    Vitaminmängel entstehen durch den dialysebedingten Verlust von wasserlöslichen Vitaminen (z. B. B, C, Folat) und können mit täglichen Multivitaminpräparaten für Nierenpatienten (z. B. mit Thiamin, Riboflavin, Niacin/Niacinamid, Vitamin B6, Vitamin B12, Folsäure und Pantothensäure) ausgeglichen werden.

    Kalziphylaxie

    Kalziphylaxie stellt eine seltene Störung der systemischen arteriellen Kalzifikation dar, die Ischämie und Nekrose in lokalisierten Bereichen des Fettes und der Haut des Rumpfes, des Gesäßes und der unteren Extremitäten verursacht. Die Ursache ist unbekannt. Man denkt aber an einen ernsten Hypoparathyreoidismus, Vitamin-D-Supplementation und erhöhte Kalzium- und Phosphat (PO4)-Spiegel. Sie manifestiert sich mit schmerzhaften, violett-purpurnen, juckenden Plaques und Knötchen, welche ulzerieren, Krusten bilden und sich entzünden. Sie verläuft oft tödlich. Die Behandlung ist im Allgemeinen unterstützend. Es ist von mehreren Fälle berichtet worden, bei denen Natriumthiosulfat IV am Ende der Dialyse 3-mal/Woche gegeben wurde, zusammen mit aggressiven Bemühungen, das Serumkalzium × PO4-Produkt zu reduzieren, was zu einer erheblichen Verbesserung geführt hat (6, 7). Eine kürzlich durchgeführte klinische Studie deutet ebenfalls darauf hin, dass eine Vitamin-K- Supplementierung von Vorteil sein kann (8).

    Kalziphylaxie (Stamm)
    Einzelheiten ausblenden
    Diese Abbildung zeigt frühe Hautveränderungen in Form von Ischämie und Nekrose in lokalisierten Bereichen, die auf eine Calciphylaxie zurückzuführen sind.
    Image courtesy of Karen McKoy, MD.

    Obstipation

    Obstipation ist eine eher geringere, aber lästige Folge der Langzeit-NET, die sich infolge der Darmdistension aber störend auf die Katheterdrainage bei Peritonealdialyse auswirken kann. Viele Patienten benötigen osmotische Laxanzien (z. B. Sorbitol) oder Laxanzien mit Quellwirkung. Abführmittel, die Magnesium (z. B. Magnesiumhydroxid) oder Phosphat (z. B. Fleet-Einlauf) enthalten, sollten vermieden werden.

    Literatur

    1. 1. KDIGO Clinical Practice Guideline for Anemia in Chronic Kidney Disease: Diagnosis and evaluation of anemia in CKD. Kidney Int Suppl 2:288-291, 2012. doi:10.1038/kisup.2012.33

    2. 2. U.S. Renal Data System (USRDS), National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases: End Stage Renal Disease. Aufgerufen am 14. Mai 2024.

    3. 3. Jamal SA, Vandermeer B, Raggi P, et al: Effect of calcium-based versus non-calcium-based phosphate binders on mortality in patients with chronic kidney disease: an updated systematic review and meta-analysis. Lancet 382(9900):1268-1277, 2013. doi: 10.1016/S0140-6736(13)60897-1

    4. 4. KDIGO Executive Committee: KDIGO 2017 clinical practice guideline update for the diagnosis, evaluation, prevention, and treatment of chronic kidney disease—Mineral and bone disorder (CKD-MBD). Kidney Int Suppl 7(1):1-159.

    5. 5. Pergola PE, Rosenbaum DP, Yang Y, et al: A randomized trial of tenapanor and phosphate binders as a dual-mechanism treatment for hyperphosphatemia in patients on maintenance dialysis (AMPLIFY). J Am Soc Nephrol 32(6):1465-1473, 2021. doi: 10.1681/ASN.2020101398

    6. 6. Zitt E, König M, Vychytil A, et al: Use of sodium thiosulphate in a multi-interventional setting for the treatment of calciphylaxis in dialysis patients. Nephrol Dial Transplant 28(5):1232–1240, 2013. https://doi.org/10.1093/ndt/gfs548

    7. 7. Nigwekar SU, Brunelli SM, Meade D, et al: Sodium thiosulfate therapy for calcific uremic arteriolopathy. Clin J Am Soc Nephrol 8(7):p 1162-1170, 2013. doi:10.2215/CJN.09880912

    8. 8. Nigwekar SU: Phase 2 trial of phytonadione in calciphylaxis. American Society of Nephrology. Abstract TH-PO1188. Aufgerufen am 16. Mai 2024.