Vegetativer und minimal bewusster Zustand

(Syndrom der nicht ansprechbaren Wachheit)

VonKenneth Maiese, MD, Rutgers University
Überprüft/überarbeitet Apr. 2024
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Ein vegetativer Zustand ist gekennzeichnet durch das Fehlen von Ansprechbarkeit und Aufmerksamkeit als Folge einer massiven Funktionsstörung beider Großhirnhemisphären, aber mit ausreichender Restfunktion von Dienzephalon und Hirnstamm, um autonome und motorische Reflexe und Schlaf-Wach-Zyklen zu bewahren. Die Patienten können komplexe Reflexe aufweisen, inkl. Augenbewegungen, Gähnen und unwillkürliche Bewegungen auf schmerzhafte Stimuli, jedoch zeigen sie kein Bewusstsein ihrer selbst oder ihrer Umgebung. Ein minimal bewusster Zustand ist, im Gegensatz zu einem vegetativen Zustand, durch Anzeichen eines Ich-Bewusstseins oder der Wahrnehmung der Umgebung gekennzeichnet, und die Patienten zeigen eine Tendenz zur Besserung. Die Diagnose wird klinisch gestellt. Die Therapie erfolgt hauptsächlich supportiv. Die Prognose für Patienten mit anhaltenden Defiziten ist typischerweise desolat.

Der vegetative Zutsand (manchmal auch als Syndrom reaktionsloser Wachheit bezeichnet) ist ein chronischer Zustand, bei dem die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung von Blutdruck, Atmung und Herzfunktion, nicht aber die kognitiven Funktionen erhalten bleiben. Hypothalamische Funktionen und medulläre Hirnstammfunktionen bleiben intakt, um kardiorespiratorische und autonome Funktionen zu unterstützen, und sind ausreichend für das Überleben, sofern die medizinische und pflegerische Betreuung angemessen ist. Der Kortex ist schwer geschädigt (Auslöschung der kognitiver Funktion), aber das retikuläre Aktivierenungssystem (ARAS) bleibt funktionsfähig (ermöglicht Wachheit). Mittelhirn- oder pontine Reflexe können vorhanden sein oder auch fehlen. Die Patienten haben in der Regel kein Ich-Bewusstsein und interagieren mit der Umgebung nur über Reflexe. Anfallsaktivität kann vorhanden sein, ist aber nicht klinisch offensichtlich.

Traditionell gilt ein vegetativer Zustand, der > 1 Monat dauert, als Wachkoma. (Allerdings wurden andere Zeiträume vorgeschlagen, manchmal abhängig von der Ursache.) (1) Die Diagnose eines anhaltenden vegetativen Zustands impliziert jedoch keine dauerhafte Behinderung, denn in sehr seltenen Fällen (z. B. nach einem Schädel-Hirn-Trauma) können sich die Patienten bessern und einen Zustand minimalen Bewusstseins oder eine höhere Bewusstseinsebene erreichen.

Die häufigsten Ursachen für einen vegetativen Zustand und einen Zustand mit minimalem Bewusstsein sind

Jedoch kann jede Störung, die zur Hirnschädigung führt, einen vegetativen Zustand hervorrufen. In der Regel tritt ein vegetativer Zutsand auf, weil die Funktion von Hirnstamm und Zwischenhirn nach einem Koma wiedererlangt wird, die kortikale Funktion dagegen nicht.

Beim minimal bewussten Zustand gibt es, im Gegensatz zum vegetativen Zustand, Hinweise darauf, dass die Patienten sich ihrer selbst und/oder ihrer Umgebung bewusst sind. Die Patienten zeigen auch eine Tendenz zur Besserung (d. h. sie werden allmählich bewusster), aber die Fortschritte sind begrenzt. Dieser Zustand kann das erste Anzeichen einer Hirnschädigung sein oder auf einen vegetativen Zustand folgen, wenn Patienten wieder Funktionen zurückgewinnen. Patienten können vom dem vegetativen Zustand in den minimal bewussten Zustand überwechseln, was manchmal Jahre nach der ursprünglichen Hirnschädigung geschieht.

Allgemeine Literatur

  1. 1. Quiñones-Ossa GA, Durango-Espinosa YA, Janjua T, et al: Persistent vegetative state: an overview. Egypt J Neurosurg 36:9, 2021. doi: 10.1186/s41984-021-00111-3

Symptome und Beschwerden

Vegetativer Zustand

Patienten im vegetativen Zustand zeigen keine Anzeichen von Bewusstsein ihrer selbst oder ihrer Umgebung und können nicht mit anderen Personen interagieren. Zielgerichtete Antworten auf externe Reize fehlen ebenso wie das Sprachverständnis und der Ausdruck.

Bei Patienten im vegetativen Zustand sind

  • Zeichen einer intakten Formatio reticularis (z. B. Augenöffnen) und eines intakten Hirnstamms (z. B. reagible Pupillen, okulozephaler Reflex)

  • Schlaf-Wach-Zyklen, die nicht notwendigerweise einen bestimmten zirkadianen Rhythmus widerspiegeln oder mit der Umwelt in Verbindung stehen

  • Komplexere Hirnstammreflexe, inkl. Gähnen, Kauen, Schlucken und, selten, gutturale Laute

  • Manchmal können Erregung und Schreckreflexe (z. B. laute Geräusche oder Blinzeln mit hellem Licht) die Augen öffnen.

  • Manchmal Tränen und Tränen der Augen

  • Manchmal ist das Erscheinen eines Lächelns oder eines Stirnrunzelns

  • Spontane, vagabundierende Augenbewegungen–meist langsam, mit konstanter Geschwindigkeit und ohne Sakkaden

Die spontanen umherziehenden Augenbewegungen können als willkürliche Verfolgung fehlinterpretiert werden und können von Familienmitgliedern als Beweis des Bewusstseins fehlinterpretiert werden.

Die Patienten können nicht auf visuelle Reizung reagieren und Aufforderungen nicht folgen. Die Extremitäten können sich bewegen, aber die einizigen Zweckbewegungen, die vorkommen, sind primitver Art (z. B. Greifen nach einem Objekt, das die Hand berührt). Schmerz löst in der Regel eine motorische Reaktion aus (typischerweise Dekortikations- oder Dezerebrationshaltung), aber keine gezielte Abwehrbewegung. Die Patienten haben eine Stuhl- und Urininkontinenz. Hirnnervenfunktionen und spinale Reflexe sind in der Regel erhalten.

Selten zeigt die Hirnaktivität, die durch funktionelle MRT oder EEG erfasst wird, eine Reaktion auf Fragen und Aufforderungen an, obwohl es keine Verhaltensantwort gibt (verdecktes Bewusstsein) (1, 2). Das Ausmaß des tatsächlichen Bewusstseins des Patientenist noch nicht bekannt. Bei den meisten Patienten, die eine derartige Gehirnaktivität haben, wurde der vegetative Zustand durch ein Schädel-Hirn-Trauma verursacht und nicht durch eine hypoxische Enzephalopathie.

Minimal bewusster Zustand

Fragmente einer sinnvollen Interaktion mit der Umgebung sind erhalten. Patienten in einem minimal bewussten Zustand können Folgendes tun:

  • Augenkontakt herstellen

  • Greifen sie gezielt nach Objekten

  • Reagieren sie auf Befehle stereotyp

  • Antworten sie mit demselben Wort

Literatur zu Symptomen und Beschwerden

  1. 1. Owen AM, Coleman MR, Boly M, et al: Detecting awareness in the vegetative state. Science 313 (5792):1402, 2006. doi: 10.1126/science.1130197

  2. 2. Monti MM, Rosenberg M, Finoia P, Kamau E, Pickard JD, Owen AM: Thalamo-frontal connectivity mediates top-down cognitive functions in disorders of consciousness. Neurology 84(2):167–173, 2015. doi:10.1212/WNL.0000000000001123

Diagnose

  • Klinische Kriterien nach ausreichender Beobachtung

  • Neuroradiologische Bildgebung

Charakteristische Befunde (z. B. keine zielgerichtete Aktivität oder Verstehen) sowie Zeichen einer intakten Formatio reticularis deuten auf einen vegetativen Zustand hin. Die Diagnose wird nach klinischen Kriterien gestellt. Jedoch ist eine neuroradiologische Bildgebung angezeigt, um behandelbare Störungen auszuschließen.

Der vegetative Zustand muss vom minimal bewussten Zustand unterschieden werden. Beide Zustände können permanent oder temporär sein, und die körperliche Untersuchung kann beide nicht zuverlässig voneinander unterscheiden. Eine ausreichende Beobachtung ist notwendig. Bei zu kurzer Beobachtungszeit können Anzeichen für Bewusstsein übersehen werden. Einige Patienten mit schwerem M. Parkinson werden falsch diagnostiziert als Patienten in einem vegetativen Zustand.

Mit CT oder MRT können ein ischämischer Infarkt, eine intrazerebrale Blutung und eine Läsion durch Raumforderung mit Beteiligung von Kortex oder Hirnstamm unterschieden werden. Die MR-Angiographie kann zur Darstellung des zerebralen Gefäßsystems nach Ausschluss einer Hirnblutung genutzt werden. Die diffusionsgewichtete MRT wird immer mehr zur bevorzugten Art und Weise, laufende ischämische Veränderungen im Gehirn zu verfolgen.

Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), die funktionelle MRT und die Einzelphotonen-Emissions-Computertomographie (SPECT) können zur Beurteilung der Hirnfunktion (und nicht der Hirnanatomie) eingesetzt werden. Bestehen Zweifel an der Diagnose eines anhaltenden vegetativen Zustands, sollte eine PET-, SPECT- oder funktionelle MRT-Untersuchung durchgeführt werden. In einigen Fällen können diese Tests zeigen, ob Teile des Gehirns, z. B. der Kortex, noch funktionieren, auch wenn dies bei der klinischen Untersuchung nicht erkennbar ist.

Das EEG ist nützlich bei der Beurteilung der kortikalen Dysfunktion und der Identifizierung von verdeckter Anfallsaktivität.

Behandlung

  • Unterstützende Behandlung

Eine supportive Behandlung ist die Hauptstütze der Therapie für Patienten in einem vegetativen Zustand oder einem minimal bewussten Zustand und sollte Folgendes beinhalten:

  • Prävention systemischer Komplikationen durch Immobilisierung (z. B. Lungenentzündung, Harnwegsinfektionen, Thromboembolie)

  • Versorgung mit guter Ernährung

  • Prävention von Druckgeschwüren

  • Bereitstellung von physikalischer Therapie zur Kontrakturprophylaxe.

Für den vegetativen Zustand gibt es keine spezifische Behandlung. Bei Entscheidungen über eine lebenserhaltende Pflege sollten die sozialen Dienste, das Ethik-Komitee des Krankenhauses und Familienmitglieder einbezogen werden. Die Weiterbetreuung von Patienten in einem anhaltenden vegetativen Zustand, besonders von Patienten ohne vorliegende Vorausverfügung zur Beendigung medizinischer Behandlungsmaßnahmen, wirft ethische und weitere Fragen (z. B. zur Nutzung von Ressourcen) auf.

Die meisten Patienten in einem minimal bewussten Zustand reagieren nicht auf bestimmte Behandlungen. In einigen Fällen kann die Behandlung mit Zolpidem (1), Apomorphin (2) oder Amantadin (3) jedoch zu einer Verbesserung der neurologischen Reaktionsfähigkeit führen, solange das Medikament fortgesetzt wird.

Eine wachsende Zahl von Studien untersucht die Auswirkungen der Bereitstellung von Musikinterventionen bei Bewusstseinsstörungen (4). Einige Studien zeigen, dass Musiktherapie zu positiven Verhaltenseffekten und zur Rückkehr zu normalen physiologischen Reaktionen führen kann. Die Ergebnisse sollten mit Vorsicht interpretiert werden, da die Forschung in diesem Bereich bisher begrenzt ist.

Literatur zur Behandlung

  1. 1. Du B, Shan A, Zhang Y, et al: Zolpidem arouses patients in vegetative state after brain injury: Quantitative evaluation and indications. Am J Med Sci 347 (3):178–182, 2014. doi: 10.1097/MAJ.0b013e318287c79c

  2. 2. Fridman EA, Krimchansky BZ, Bonetto M, et al: Continuous subcutaneous apomorphine for severe disorders of consciousness after traumatic brain injury. Brain Inj 24 (4):636–641, 2010. doi: 10.3109/02699051003610433

  3. 3. Gao Y, Zhang Y, Li Z, Ma L, Yang J. Persistent vegetative state after severe cerebral hemorrhage treated with amantadine: A retrospective controlled study. Medicine (Baltimore). 2020;99(33):e21822. doi:10.1097/MD.0000000000021822

  4. 4. Li X, Li C, Hu N, Wang T: Music interventions for disorders of consciousness: A systematic review and meta-analysis. J Neurosci Nurs 52(4): 146–151, 2020. doi: 10.1097/JNN.0000000000000511

Prognose

Vegetativer Zustand

Prognose variiert etwas je nach Ursache und Dauer des vegetativen Zustands. Es ist prognostisch günstiger, wenn eine reversible metabolische Störung die Ursache ist (z. B. toxische Enzephalopathie), als wenn neuronaler Tod durch ausgedehnte Hypoxie und Ischämie oder eine andere Störung zugrunde liegt. Auch können jüngere Patienten mehr motorische Funktionen wiedererlangen als ältere, jedoch nicht mehr Kognition, Verhalten oder Sprache.

Die Erholung von einem vegetativen Zustand hängt von der Ursache ab. Bei nicht-traumatischen Hirnschädigungen ist dies nach 1 Monat unwahrscheinlich, bei traumatischen Hirnschädigungen nach 12 Monaten.

Auch wenn nach diesen Zeiträumen eine gewisse Erholung eintritt, sind die meisten Patienten schwerbehindert. In seltenen Fällen tritt die Besserung erst spät ein; nach 3 bis 5 Jahren erlangen nur wenige Patienten (z. B. etwa 3 bis 5 %) (1) die Fähigkeit zur Kommunikation und zum Verstehen wieder, aber noch weniger können unabhängig leben; kein Patient erreicht wieder eine normale Funktion.

Wenn ein vegetativer Zustand anhält, sterben die meisten Patienten innerhalb von 6 Monaten an der ursprünglichen Hirnschädigung. Die Ursache ist in der Regel eine Lungenentzündung, eine Harnwegsinfektion oder multiples Organversagen, oder Tod kann plötzlich und mit unbekannter Ursache eintreten. Bei den meisten der übrigen Patienten beträgt die Lebenserwartung etwa 2–5 Jahre (1). Wenige Patienten überleben jahrzehntelang.

Minimal bewusster Zustand

Die meisten Patienten tendieren dazu, das Bewusstsein wiederzuerlangen, aber in begrenztem Umfang in Abhängigkeit von der Dauer des minimal bewussten Zustands. Je länger dieser angedauert hat, desto geringer sind die Chancen der Patienten auf Erholung höherer kortikaler Funktionen. Die Prognose kann günstiger ausfallen, wenn die Ursache ein Schädel-Hirn-Trauma ist.

Selten erlangen Patienten nach Jahren im Koma wieder ein klares, aber eingeschränktes Bewusstsein, das die Medien als Erweckung bezeichnen.

Hinweis zur Prognose

  1. 1. Baricich A, de Sire A, Antoniono E, et al. Recovery from vegetative state of patients with a severe brain injury: a 4-year real-practice prospective cohort study. Funct Neurol. 2017;32(3):131-136. doi:10.11138/fneur/2017.32.3.131

Wichtige Punkte

  • Ein vegetativer Zustand zeichnet sich in der Regel durch Nichtvorhandensein von Reaktion und Bewusstsein aufgrund einer überdurchschnittlichen Dysfunktion der zerebralen Hemisphären, intakte Hirnstammfunktionen und manchmal durch die Vortäuschung von Bewusstsein, obwohl dieses nicht vorhanden ist, aus.

  • Der minimal bewusste Zustand unterscheidet sich vom vegetativen Zustand dadurch, dass die Patienten etwas mit der Umgebung interagieren und im Laufe der Zeit eine Tendenz zur Besserung zeigen.

  • Die Diagnose erfordert den Ausschluss anderer Erkrankungen und oft eine lang anhaltende Beobachtung, v. a. um den vegetativen Zustand, den minimal bewussten Zustand und M. Parkinson zu unterscheiden.

  • Die Prognose ist in der Regel ungünstig, insbesondere für Patienten in einem vegetativen Zustand.

  • Die Behandlung erfolgt hauptsächlich unterstützend.