Zöliakie

(Glutenenteropathie)

VonZubair Malik, MD, Lewis Katz School of Medicine at Temple University
Überprüft/überarbeitet März 2023
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Zöliakie ist eine immunologisch vermittelte Krankheit bei genetisch empfänglichen Personen. Sie wird verursacht durch eine Intoleranz gegenüber Gluten, die zu Darmschleimhautentzündung, Zottenatrophie und Malabsorption führt. Die Symptomatik besteht in der Regel aus Diarrhö und abdominellen Missempfindungen. Die Diagnose wird mithilfe einer Dünndarmbiopsie gestellt, die charakteristische, allerdings nicht spezifische pathologische Veränderungen im Sinne einer Zottenatrophie zeigt, die durch eine strikte glutenfreie Diät rückbildungsfähig ist.

Zöliakie ist eine Malabsorptionsstörung.

Ätiologie der Zöliakie

Die Zöliakie ist eine erbliche Krankheit, die durch eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber der Gliadinfraktion des Glutens, eines Weizenproteins, hervorgerufen wird. Ähnliche Proteine kommen auch in Roggen und Gerste vor. Bei genetisch empfänglichen Personen werden glutenspezifische T-Zellen aktiviert, sobald ihnen Peptidepitope vom Gluten präsentiert werden. Die Entzündungsreaktion führt zur charakteristischen Zottenatrophie der Dünndarmschleimhaut.

Epidemiologie der Zöliakie

Zöliakie betrifft vor allem Menschen nordeuropäischer Abstammung. Prävalenzschätzungen, die auf serologischen Untersuchungen unter Blutspendern basieren (manchmal durch Biopsie bestätigt), zeigen, dass die Störung in Europa, vor allem in Irland und Italien, etwa bei 1 von 150 Personen besteht und vielleicht bei 1 von 250 Personen in einigen Teilen der USA. In einigen Regionen wird die Prävalenz derzeit auf bis zu 1/100 geschätzt.

Die Krankheit manifestiert sich bei ca. 10–20% der Kinder ("1st-degree relatives") Betroffener. Das Verhältnis Frau zu Mann ist 2:1. In der Regel tritt die Krankheit in der Kindheit auf, aber auch später.

Patienten, die andere Krankheiten haben, wie lymphatische Colitis, Down-Syndrom, Typ Diabetes Mellitus, und autoimmune (Hashimoto) Thyreoiditis besitzen ein Risiko Zöliakie zu entwickeln.

Symptome und Zeichen der Zöliakie

Das klinische Erscheinungsbild variiert; es gibt kein typisches Erscheinungsbild. Einige Patienten sind asymptomatisch oder haben nur Zeichen eines Ernährungsmangels. Andere leiden unter deutlichen gastrointestinalen Symptomen.

Die Zöliakie kann sich bei Kleinkindern oder in der Jugend durch Aufnahme von Getreideprodukten (meist Getreideflocken) mit der Nahrung manifestieren. Die Kinder wachsen nicht mehr, sie sind apathisch, anorektisch, blass, generell hypoton mit Auftreibung des Leibes und Muskelschwund. Der Stuhl ist weich, voluminös, lehmfarben und riecht übel. Bei älteren Kindern kann eine Anämie oder Wachstumsstörung vorliegen.

Bei Erwachsenen sind Mattigkeit, Schwäche und Anorexie die häufigsten Symptome. Eine geringe, intermittierend auftretende Diarrhö kann manchmal Erstsymptom sein, Die Steatorrhö (übel riechende, blasse, sperrige und fettige Stühle) variiert im Schweregrad zwischen gering und schwer (7–50 g Fett/Tag). Viele Patienten leiden unter Gewichtsverlust, aber meist nicht so ausgeprägt, dass sie untergewichtig werden. Bei diesen Patienten werden häufig Anämie, Entzündungen der Zunge und der Mundwinkel und Aphthen gesehen. Häufig manifestiert sich ein Vitamin-D- oder -Kalziummangel (z. B. als Osteomalazie, Osteopenie, Osteoporose). Sowohl Männer als auch Frauen zeigen eine reduzierte Fertilität; bei Frauen bleibt möglicherweise die Menstruation aus.

Bei ca. 10% der Patienten tritt eine Dermatitis herpetiformis auf, ein von starkem Juckreiz begleiteter papulovesikulärer Hautausschlag, symmetrisch verteilt über die Streckseiten des Unterarms, über Knie, Gesäßbacken, Schultern und Kopf. Dieser Ausschlag kann durch eine glutenhaltige Nahrung hervorgerufen werden.

Dermatitis herpetiformis Duhring an den Ellenbogen
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Dieses Foto zeigt Dermatitis herpetiformis (mit einem symmetrischen juckenden papulovesikulären Ausschlag) auf der Streckseite der Ellenbogen.
© Springer Science+Business Media
Dermatitis herpetiformis verursacht durch Zöliakie
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Die Dermatitis herpetiformis ist durch Anhäufungen von stark juckenden, erythematösen, urtikariellen Läsionen sowie Bläschen, Papeln und Bullae gekennzeichnet, die in der Regel symmetrisch auf Streckseiten verteilt sind.
Image courtesy of the Public Health Image Library of the Centers for Disease Control and Prevention.

Diagnose von Zöliakie

  • Serologische Marker

  • Dünndarmbiopsie

(Siehe auch the American College of Gastroenterology's 2023 Guidelines Update: Diagnosis and Management of Celiac Disease.)

An die Diagnose von Zöliakie muss man denken, wenn sich klinisch und bei der Laboruntersuchung Befunde ergeben, die verdächtig auf Malabsorption sind. Eine familiäre Belastung ist ein wertvoller Hinweis. Eine Zöliakie muss man besonders in Erwägung ziehen bei Patienten mit Eisenmangel, bei denen keine offensichtlichen gastrointestinalen Blutungen vorliegen.

Die Diagnose wird gesichert durch eine Dünndarmbiopsie aus dem unteren Abschnitt des Duodenums. Der histologische Befund besteht aus einer Zottenatrophie, vermehrten intraepithelialen Zellen und einer Kryptenhyperplasie. Die histologischen Veränderungen können aber auch bei der tropischen Sprue, bei schwerer bakteriellen Überwucherung des Dünndarms, einer eosinophilen Enteritis, infektiösen Enteritis (z. B. Giardiasis) und Lymphomen vorkommen.

Weil die Biopsie nicht spezifisch ist, werden serologische Marker zur Diagnose herangezogen. Anti-Gewebe-Transglutaminase-Antikörper (tTG) und Anti-Endomysium-Antikörper (EMA, ein Antikörper gegen ein intestinales Bindegewebsprotein) haben eine Sensitivität und Spezifität > 90%. Diese Marker können auch dazu verwandt werden, eine Bevölkerung mit hoher Prävalenz für eine Zöliakie zu screenen, inkl. Verwandten 1. Grades von Betroffenen und von Patienten mit Krankheiten, die häufig in Assoziation mit Zöliakie vorkommen. Wenn einer der Tests positiv ist, sollte bei dem Patienten eine diagnostische Dünndarmbiopsie durchgeführt werden. Sind beide negativ, ist eine Zöliakie extrem unwahrscheinlich. Die Antikörpertiter nehmen bei Patienten unter glutenfreier Diät ab und sind daher nützlich bei der Überwachung der Compliance des Patienten. Alle diagnostischen serologischen Tests sollten mit Patienten, die eine glutenhaltige Diät einhalten, durchgeführt werden.

Histokompatibilitätstests können bei ausgewählten klinischen Situationen nützlich sein. Mehr als 95% der Zöliakiepatienten haben das humane Leukozytenantigen-DQ2- oder humane Leukozytenantigen (HLA)-DQ8-Haplotyp (1), obwohl diese Haplotypen nicht besonders spezifisch für Zöliakie sind. Aufgrund der hohen Sensitivität können Tests, die humane Leukozytenantigen-DQ2 oder -DQ8 nicht zeigen, eine Zöliakie effektiv ausschließen, wenn Biopsie und serologische Marker nicht übereinstimmend sind.

Weitere Laborwerte können pathologisch sein und müssen daher untersucht werden. Dazu gehören Anämie (Eisenmangelanämie bei Kindern und Folsäuremangelanämie bei Erwachsenen), niedriges Albumin, Kalzium, Kalium und Natrium sowie eine erhöhte alkalische Phosphatase und eine verlängerte Prothrombinzeit.

Malabsorptiontests sind nicht spezifisch für die Zöliakie. Werden sie durchgeführt, sieht man häufig Befunde einer Steatorrhö von 10–40 g/Tag und einen pathologischen D-Xylose- und (bei schwerer Ileumbeteiligung) positiven Schilling-Test.

Tipps und Risiken

  • Bei Patienten mit Eisenmangel, aber ohne ersichtliche gastrointestinale Blutungen ist immer auch an eine Zöliakie zu denken.

Diagnosehinweis

  1. 1. Kaukinen K, Partanen J, Mäki M, Collin P: HLA-DQ typing in the diagnosis of celiac disease. Am J Gastroenterol 97(3):695–699, 2002. doi: 10.1111/j.1572-0241.2002.05471.x

Behandlung von Zöliakie

  • Glutenfreie Ernährung

  • Supplemente bei allen ernsthaften Mangelzuständen

(Siehe auch the American College of Gastroenterology's 2023 Guidelines Update: Diagnosis and Management of Celiac Disease.)

Die Behandlung von Zöliakie besteht in einer glutenfreien Diät (Vermeidung von Nahrungsmitteln, die Weizen, Roggen oder Gerste enthalten). Gluten ist so weit verbreitet (z. B. im Handel erhältliche Suppen, Soßen, Eiskrem und Hot Dogs), dass ein Patient eine detaillierte Liste mit zu meidenden Nahrungsmitteln benötigt. Die Patienten werden ermutigt, einen Ernährungsberater zu konsultieren und sich einer Zöliakie-Selbsthilfegruppe anzuschließen wie z Beyond Celiac oder die Celiac Disease Foundation. Der Erfolg einer glutenfreien Diät tritt in der Regel schnell ein und die Symptome verschwinden innerhalb von 1–2 Wochen. Auch die Einnahme kleinster Mengen von glutenhaltiger Nahrung kann eine Remission verhindern und einen Rückfall hervorrufen.

Eine Dünndarmbiopsie sollte nach 3–6 Monaten glutenfreier Diät wiederholt werden. Wenn die pathologischen Veränderungen in der Histologie persistieren, müssen andere Ursachen einer Zottenatrophie (z. B. Lymphome) in Erwägung gezogen werden. Ein Nachlassen der Symptome und eine Verbesserung der Dünndarmmorphologie führen auch zu einem Abfall der Anti-Gewebe-Transglutaminase-Antikörper und der anti-endomysialen Antikörpertiter im Serum.

Ergänzende Vitamine, Mineralien und Hämatinpräparate werden entsprechend der Mangelzustände ersetzt. Während leichte Fälle oft nicht behandelt werden müssen, erfordern schwere Fälle eine umfassende Substitutionstherapie. Für Erwachsene umfasst die Substitution orales Eisen (II) -sulfat 300 mg einmal alle 2 Tage bis 3-mal täglich, orales Folat 5 bis 10 mg einmal täglich, Kalziumpräparate und alle gängigen Multivitaminpräparate. In Einzelfällen erfordern Kinder (seltener Erwachsene), die bei der Diagnosestellung schwer krank sind, eine Ruhigstellung des Darms und eine totale parenterale Ernährung.

Wenn ein Patient nur schlecht auf den Glutenentzug anspricht, ist entweder die Diagnose falsch oder die Krankheit therapierefraktär geworden. Unter Umständen können Kortikosteroide bei therapierefraktärer Krankheit die Symptome bessern.

Prognose für Zöliakie

Komplikationen bei Zöliakie sind eine therapierefraktäre Erkrankung, eine kollagene Sprue und die Entwicklung von Lymphomen des Darms.

Darmlymphome treten bei 6–8% der Patienten mit Zöliakie auf, meistens manifestieren sie sich 20–40 Jahre nach Krankheitsbeginn. Die Inzidenz für andere Krebserkrankungen des Gastrointestinaltrakts (Karzinome der Speiseröhre und des Oropharynx, Adenokarzinome des Dünndarms) nimmt ebenfalls zu (1): Wenn man sich streng an die glutenfreie Diät hält, wird das Risiko für eine Krebserkrankung signifikant vermindert.

Wenn Menschen, die sich lange Zeit glutenfrei ernährt haben, erneut Symptome einer Zöliakie entwickeln, führen die Ärzte in der Regel eine obere Endoskopie mit Dünndarmbiopsie und/oder eine Kapselendoskopie durch, um nach Anzeichen eines Darmlymphoms zu suchen.

Hinweis zur Prognose

  1. 1. Ilus T, Kaukinen K, Virta LJ, et al: Incidence of malignancies in diagnosed celiac patients: A population-based estimate. Am J Gastroenterol 109(9):1471–1477, 2014. doi: 10.1038/ajg.2014.194

Wichtige Punkte

  • Unter Zöliakie versteht man eine entzündliche Reaktion auf Gluten, die Zottenatrophie und Malabsorption verursacht.

  • Menschen in Nordeuropa sind am häufigsten betroffen.

  • Ein Verdacht auf die Diagnose besteht, wenn die serologischen Marker Anti-Transglutaminase-Antikörper und Anti-Endomysium-Antikörper vorhanden sind. Bestätigt wird die Diagnose durch eine Dünndarmbiopsie.

  • Der Patient bekommt die Empfehlung, eine glutenfreie Diät zu befolgen und Vitamin- oder Mineralstoffmangelzustände zu substituieren.

Weitere Informationen

Die folgenden englischsprachigen Quellen können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MSD-Manual nicht für den Inhalt dieser Quellen verantwortlich ist.

  1. American College of Gastroenterology: Guidelines Update: Diagnosis and Management of Celiac Disease (2023)

Auf den folgenden Webseiten finden Patienten Informationen über Zöliakie, z. B. darüber, wie sie damit leben können, was sie essen sollten, über Behandlungsmöglichkeiten und klinische Studien:

  1. Beyond Celiac

  2. Celiac Disease Foundation