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Leberschädigung durch Medikamente

VonDanielle Tholey, MD, Sidney Kimmel Medical College at Thomas Jefferson University
Reviewed ByMinhhuyen Nguyen, MD, Fox Chase Cancer Center, Temple University
Überprüft/überarbeitet Geändert Nov. 2024
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Quellen zum Thema

Viele Arzneimittel (z. B. Statine) verursachen häufig eine asymptomatische Erhöhung der Leberenzyme (Alanin-Aminotransferase [ALT], Aspartat-Aminotransferase [AST], alkalische Phosphatase). Allerdings ist klinisch signifikante Schädigung der Leber (z. B. mit Gelbsucht, Bauchschmerzen oder Pruritus) oder eingeschränkter Leberfunktion, d. h., was zu einer mangelhaften Proteinsynthese (z. B. bei längerem Prothrombinzeit oder mit Hypoalbuminämie) führt, selten.

Es wird nicht empfohlen, die Statintherapie bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung abzubrechen. Die Einnahme von Statinen bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung unterscheidet sich nicht von der Einnahme bei Patienten, die nicht an einer Lebererkrankung leiden. Im Gegensatz dazu können Statine antifibrotische Eigenschaften aufweisen und für Patienten mit metabolischer Dysfunktion-assoziierter Steatohepatitis (MASH) und metabolischer Dysfunktion-assoziierter steatotischer Lebererkrankung (MASLD) von Vorteil sein (1, 2). Die Richtlinien der American Association for the Study of Liver Disease (3) besagen, dass Patienten mit MASLD ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität haben und dass Patienten mit MASLD oder MASH kein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Leberschäden durch Statine aufweisen. Diese Richtlinien bestätigen, dass Statine zur Behandlung von Dyslipidämie bei Patienten mit MASLD, MASH und MASH-assoziierter Zirrhose eingesetzt werden können. Statine können bei Patienten mit dekompensierter Zirrhose nach einer Gesamtrisiko-Nutzen-Analyse mit Vorsicht in niedriger Dosierung eingesetzt werden (4).

Der Begriff arzneimittelinduzierte Leberschäden ("drug-induced liver injury", DILI) kann verwendet werden, um klinisch signifikante Leberschäden oder alle (einschließlich asymptomatische) Leberschädigungen zu verstehen. DILI schließt Schädigung ein, die durch Heilkräuter, Pflanzen und Nahrungsergänzungsmittel sowie Medikamente (5–7) verursacht werden.

Literatur

  1. 1. Athyros VG, Tziomalos K, Gossios TD, et al. Safety and efficacy of long-term statin treatment for cardiovascular events in patients with coronary heart disease and abnormal liver tests in the Greek Atorvastatin and Coronary Heart Disease Evaluation (GREACE) Study: A post-hoc analysis. Lancet. 376(9756):1916-1922, 2010. doi: 10.1016/S0140-6736(10)61272-X

  2. 2. Tikkanen MJ, Fayyad R, Faergeman O, et al. Effect of intensive lipid lowering with atorvastatin on cardiovascular outcomes in coronary heart disease patients with mild-to-moderate baseline elevations in alanine aminotransferase levels. Int J Cardiol. 168(4):3846-3852, 2013. doi: 10.1016/j.ijcard.2013.06.024

  3. 3. Chalasani N, Younossi Z, Lavine JE, et al. The diagnosis and management of non-alcoholic fatty liver disease: practice guideline by the American Gastroenterological Association, American Association for the Study of Liver Diseases, and American College of Gastroenterology [published correction appears in Gastroenterology. 2012 Aug;143(2):503]. Gastroenterology. 2012;142(7):1592-1609. doi:10.1053/j.gastro.2012.04.001)

  4. 4. Fontana RJ, Liou I, Reuben A, et al. AASLD practice guidance on drug, herbal, and dietary supplement-induced liver injury. Hepatology. 2023;77(3):1036-1065. doi:10.1002/hep.32689

  5. 5. Chalasani N, Bonkovsky HL, Fontana R, et al. Features and outcomes of 899 patients with drug-induced liver injury: The DILIN prospective study. Gastroenterology. 148(7):1340-1352, 2015. doi: 10.1053/j.gastro.2015.03.006 

  6. 6. Navarro VJ, Barnhart H, Bonkovsky HL, et al. Liver injury from herbals and dietary supplements in the U.S. Drug-Induced Liver Injury Network. Hepatology. 60(4):1399-1408, 2014. doi: 10.1002/hep.27317

  7. 7. European Association for the Study of the Liver. Electronic address: easloffice@easloffice.eu; Clinical Practice Guideline Panel: Chair:; Panel members; EASL Governing Board representative:. EASL Clinical Practice Guidelines: Drug-induced liver injury.  J Hepatol. 2019;70(6):1222-1261. doi:10.1016/j.jhep.2019.02.014

Pathophysiologie von arzneimittelassoziierten Leberschäden

Die Pathophysiologie der arzneimittelinduzierten Leberschäden ist abhängig von dem Arzneimittel (oder anderen Hepatotoxinen) und ist in vielen Fällen noch nicht vollständig geklärt. Zu den schädigenden Mechanismen durch Arzneimittel gehören die kovalente Bindung des Wirkstoffes an zelluläre Proteine, was zur Schädigung des Immunsystems, Hemmung von Zell-Stoffwechselwegen, Blockierung von zellulären Transportwegen, induziertem Zelltod (Apoptose) und Störung der Mitochondrienfunktion führen kann.

Die Risikofaktoren für DILI sind nur unzureichend bekannt, und verschiedene Risikofaktoren scheinen mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Medikamente, aber nicht unbedingt für alle Medikamente verbunden zu sein (1). Beispiele sind:

  • Alter 18 Jahre: Kann erhöhtes Risiko bei Amoxicillin-Clavulanat, Isoniazid verursachen

  • Adipositas und Diabetes: Kann bei einigen Medikamenten zu einer erhöhten Schwere und Inzidenz von DILI führen

  • Vorbestehende Lebererkrankung: Kann bei Personen, die Methotrexat oder eine Anti-Tuberkulose-Therapie erhalten, ein erhöhtes Risiko für DILI verursachen

  • Gleichzeitiger Alkoholkonsum, Tabakkonsum: Risiko für DILI nicht eindeutig geklärt

  • Genetische Polymorphismen (zunehmend anerkannt): PTPN22-Gen, ein häufiger Polymorphismus, der mit DILI bei vielen Medikamenten in Verbindung gebracht wird

Muster der Leberschädigung

DILI kann vorhersehbar sein (wenn die Schädigung in der Regel kurz nach der Exposition auftritt und dosisabhängig ist) oder unvorhersehbar (wenn sich die Schädigung nach einer Latenzzeit entwickelt und keinen Bezug zur Dosis aufweist). Intrinsisches DILI (gemeinehin Paracetamolvergiftung) ist eine der häufigsten Ursache von akutem Ikterus und Leberversagen in den USA. Eine unvorhersehbare DILI ist eine seltene Ursache für eine schwere Lebererkrankung. Subklinische DILI ist möglicherweise unterschätzt.

Tabelle
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Biochemisch werden allgemein drei Arten von Leberschäden festgestellt (siehe Tabelle Potenziell hepatotoxische Arzneimittel):

  • Hepatozellulär: Hepatocellulare Hepatotoxizität manifestiert sich in der Regel als Unwohlsein und mit Bauchschmerzen im rechten oberen Quadranten, mit einer deutlichen Erhöhung in Aminotransferase-Spiegel (Alaninaminotransferase, Alaninaminotransferase oder beidem), die durch Hyperbilirubinämie in schweren Fällen verbunden sein kann. Hyperbilirubinämie in diesem Zusammenhang wird als hepatozellulärer Ikterus bezeichnet und ist zusammen mit erhöhten ALT- und AST-Werten nach dem Hy’schen Gesetz mit hohen Mortalitätsraten assoziiert (2). Wenn hepatozelluläre Schädigung der Leber durch Gelbsucht, eingeschränkte Lebersynthese und Enzephalopathie begleitet wird, ist die Chance einer spontanen Erholung gering und Lebertransplantation sollte in Betracht gezogen werden. Diese Art der Schädigung kann von Medikamenten wie Paracetamol und Isoniazid verursacht sein.

  • Cholestatische: Cholestatische Hepatotoxizität wird durch die Entwicklung von Juckreiz und Gelbsucht geprägt begleitet durch eine deutliche Erhöhung der alkalischen Phosphatase-Serumspiegel. Normalerweise ist diese Art von Verletzungen weniger gravierend als hepatozelluläre Syndrome, aber die Erholung kann langwierig sein. Stoffe, die bekanntermaßen zu dieser Art von Verletzung führen sind Amoxicillin/Clavulansäure und Chlorpromazin. Selten führt cholestatische Hepatotoxizität zu chronischen Lebererkrankungen und Gallengangsverlustsyndrom (progressive Zerstörung der intrahepatischen Gallengänge).

  • Gemischt Bei diesen klinischen Syndromen überwiegt weder ein Anstieg von Aminotransferase noch von alkalischer Phosphatase. Die Symptome können auch gemischt sein. Medikamente wie Phenytoin können zu dieser Art der Verletzung führen.

Literatur zur Pathophysiologie

  1. 1. Fontana RJ, Liou I, Reuben A, et al. AASLD practice guidance on drug, herbal, and dietary supplement–induced liver injury. Hepatology. 00:1-29, 2022. doi: 10.1002/hep.32689 

  2. 2. Robles-Diaz M, Lucena MI, Kaplowitz N, et al. Use of Hy's law and a new composite algorithm to predict acute liver failure in patients with drug-induced liver injury. Gastroenterology. 2014;147(1):109-118.e5. doi:10.1053/j.gastro.2014.03.050

Diagnose von arzneimittelassoziierten Leberschäden

  • Identifizierung von charakteristischen Mustern von Laboranomalien

  • Ausschluss anderer Ursachen

Das Erscheinungsbild ist sehr unterschiedlich und reicht von abwesenden oder unspezifischen Symptomen (z. B. Unwohlsein, Übelkeit, Anorexie) bis Gelbsucht, eingeschränkter Lebersynthese und Enzephalopathie. Die frühzeitige Erkennung einer medikamenteninduzierten Leberschädigung (DILI) verbessert die Prognose.

Entscheidend für die Diagnose einer DILI sind die Identifizierung eines potenziellen Hepatotoxins, ein für die Substanz charakteristisches Muster von Anomalien bei Lebertests, die charakteristisch für die Substanz (ihre Signatur) sind, und der Beginn der Verletzung, der zeitlich mit dem typischen Profil des auslösenden Hepatotoxins übereinstimmt. Eine Verbesserung der Lebertests nach Absetzen des schädigenden Mittels ist ein weiteres wichtiges diagnostisches Merkmal. Mögliche Erreger können mit Hilfe der LiverTox-Datenbank ermittelt werden. In den Vereinigten Staaten wird diese leicht zugängliche Internetdatenbank durch die National Institutes of Health finanziert. Sie enthält Informationen über die Wahrscheinlichkeit, dass eine Substanz eine DILI verursacht, das Verletzungsmuster, den zeitlichen Verlauf der Verletzung und die vermutete Erholungsphase. Sie enthält auch Links zu Fallberichten über potenzielle Erreger.

Da es keine bestätigenden diagnostischen Test gibt, müssen andere Ursachen von Lebererkrankungen, insbesondere virale, biliäre, alkoholische, metabolische und Autoimmunursachen ausgeschlossen werden (1). Klinisch signifikante DILI wird üblicherweise definiert als mindestens eines der folgenden Kriterien (2):

  • Aspartat-Aminotransferase (AST) oder Alanin-Aminotransferase (ALT) > 5 × obere Normwertgrenze (ULN) oder alkalische Phosphatase> 2 × ULN bei 2 Gelegenheiten im Abstand von mindestens 24 Stunden

  • Gesamtbilirubin > 2,5 mg/dl mit erhöhter Transaminase oder alkalischer Phosphatase

  • International Normalized Ratio (INR)> 1,5 mit erhöhter Transaminase oder alkalischer Phosphatase

Ein erneuter Medikamentenversuch sollte aus jeglichem Grund vermieden werden. Verdachtsfälle von DILI sollten dem Programm der Food and Drug Administration (FDA) zur Überwachung unerwünschter Arzneimittelwirkungen (MedWatch) sowie dem DILIN (Drug-Induced Liver Injury Network) gemeldet werden, einer von den National Institutes of Health (NIH) geförderten Forschungseinrichtung zur Verbesserung des Verständnisses der Ursachen und Folgen von DILI in den Vereinigten Staaten. Informationen über die Teilnahme an der Studie finden Sie auf der DILIN-Webseite.

Tipps und Risiken

  • Keine Reprovokation mit einem Medikament, das verdächtig ist, Leberschäden zu verursachen.

Literatur zur Diagnose

  1. 1. European Association for the Study of the Liver. EASL clinical practice guidelines: Drug-induced liver injury. J Hepatol. 70(6):1222-1261, 2019. doi: 10.1016/j.jhep.2019.02.014

  2. 2. Fontana RJ, Liou I, Reuben A, et al. AASLD practice guidance on drug, herbal, and dietary supplement-induced liver injury. Hepatology. 2023;77(3):1036-1065. doi:10.1002/hep.32689

Behandlung von medikamentenbedingten Leberschäden

  • Sofortiges Absetzen des Medikaments

Die Patientenversorgung muss auf das Absetzen des Medikaments bestehen, was in der Regel zu einer Erholung führt, wenn es frühzeitig erfolgt. In schweren Fällen ist die Beratung mit einem Spezialisten angezeigt, vor allem, wenn Patienten hepatozelluläre Gelbsucht und Leberfunktionsstörungen haben, weil eine Lebertransplantation erforderlich sein könnte. Gegenmittel für arzneimittelinduzierte Leberschäden sind nur für ein paar Hepatotoxine verfügbar; solche Gegenmittel sind N-Azetylzystein für Paracetamol-Toxizität und Silymarin oder Penizillin für Amanita phalloides-Toxizität. Gelegentlich können Kortikosteroide bei DILI mit DRESS-Syndrom (drug reaction with eosinophilia and systemic symptoms) oder bei autoimmunähnlichen Schädigungen helfen, wie z. B. bei der Toxizität von Minocyclin oder PD-1/PD-L1-Checkpoint-Inhibitoren.

Prävention von arzneimittelassoziierten Leberschäden

Die Bemühungen, eine arzneimittelinduzierte Leberschäden zu vermeiden beginnt bereits während der Medikamentenentwicklung, obwohl gezeigte Sicherheit in kleinen präklinischen Studie, keine Garantie für die Sicherheit des Medikaments in der breiten Anwendung ist. Die Überwachung nach dem Inverkehrbringen, die nun zunehmend von der U.S. Food and Drug Administration (FDA) vorgeschrieben wird, kann die Aufmerksamkeit auf potenziell hepatotoxische Arzneimittel lenken. Die LiverTox-Datenbank kann sehr nützlich sein.

Es konnte nicht gezeigt werden, dass routinemäßige Kontrollen von Leberwerten die Inzidenz von DILI verringern können. Die Nutzung der Pharmakogenomik kann eine exakte Anpassung des Medikamentengebrauchs und damit die Vermeidung potenzieller Toxizitäten bei gefährdeten Patienten ermöglichen.

Wichtige Punkte

  • Medikamente verursachen viel eher eine asymptomatische Abnormalität der Leberfunktion als klinisch manifeste Leberverletzungen oder Funktionsstörungen.

  • Risikofaktoren für medikamenteninduzierte Leberschädigung (DILI) können ein Alter von ≥ 18 Jahren, Adipositas, gleichzeitigen Alkoholkonsum und bestimmte genetische Polymorphismen umfassen.

  • DILI kann vorhersehbar und dosisabhängig oder unvorhersehbar und dosisunabhängig auftreten.

  • DILI kan hepatozellulär, cholestatisch (in der Regel weniger schwerwiegend als hepatozellulär) oder beides sein.

  • Um die Diagnose zu bestätigen, sind andere Ursachen von Lebererkrankungen, insbesondere virale, Gallenwegs-, alkoholische, Autoimmun- und Stoffwechselerkrankungen auszuschließen.

  • Keine Reprovokation mit Medikamenten, die im Verdacht stehen, DILI zu verursachen.