Die oberste Priorität bei einem medizinischen Notfall besteht darin, Leben zu retten. Eine Person, die bewusstlos ist und keine Reaktionen zeigt, kann dem Tode nahe sein. Daher müssen Rettungshelfer die Situation einschätzen und die notwendige Behandlung nach folgender ABC-Regel einleiten: Atemwege der Person (Airway, A), Atmung (Breathing, B) und Blutkreislauf (Circulation, C). Ein Problem in einem dieser Bereiche kann tödlich enden, wenn es nicht sofort behoben wird.
Der Atemweg, bei dem es sich um den Weg handelt, über den die Luft in die Lunge gelangt, kann blockiert sein (zum Beispiel, wenn ein Stück Essen im Hals stecken bleibt). Viele Störungen, z. B. ein Emphysem und Asthma können die Atmung behindern. Die Durchblutung, die davon abhängt, dass der Herzmuskel schlägt und Blut pumpt, kann bei einem Herzstillstand zum Erliegen kommen. Personen, die keine medizinischen Fachkräfte sind, sollten nur dann medizinische Hilfe leisten, wenn sie dazu in der Lage sind, dies in einer für sich selbst und die Person, die einen gesundheitlichen Notfall hat, sicheren Weise zu tun. Sie sollten zum Beispiel nicht in ein brennendes Gebäude eindringen oder versuchen, jemanden aus einer gefährlichen Umgebung, wie z. B. von einer Klippe, zu retten. Ohne angemessenes Training oder geeignete Ausrüstung können Personen, die eine Rettung versuchen, selbst zu Verletzten werden.
Nachdem die Situation beurteilt wurde, sollten die Rettungshelfer sofort mit der Notfallversorgung beginnen, falls dies für die Situation angemessen ist. Dazu kann Folgendes gehören:
Manöver zur Lösung von Fremdkörpern bei Erstickung (z. B. Druckstöße in Richtung Zwerchfell, das sogenannte Heimlich-Maneuver) ausführen
Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) bei Personen mit Herzstillstand
Direkte Druckanwendung auf Bereiche, die sichtbar bluten
Die nächste Priorität ist es, medizinische Hilfe zu holen, indem der Notdienst angerufen wird. In Deutschland ist der Notdienst unter der Nummer 112 zu erreichen. Beim Anruf bei der Zentrale sollten Sie den Zustand des Betroffenen vollständig beschreiben und angeben, wie die es zu der Verletzung oder Erkrankung gekommen ist. Der Anrufer sollte nicht auflegen, bevor ihm gesagt wird, dies zu tun. Falls mehrere Amateurhelfer (Rettungshelfer) vor Ort sind, sollte einer von ihnen Hilfe rufen, während ein anderer mit der Untersuchung und den Erste-Hilfe-Maßnahmen beginnt. Wenn nur ein Rettungshelfer verfügbar ist, rufen Sie erst Hilfe herbei und beginnen Sie dann mit der Notfallversorgung.
Nachdem der Notruf 112 oder der jeweilige Notdienst eines anderen Landes gewählt wurde, können den Betroffenen bei Bedarf auch folgende Notfallmedikamente verabreicht werden:
Epinephrin als Fertigpen in einer Einzeldosis zur intramuskulären Injektion (z. B. EpiPen) bei lebensbedrohlichen allergischen Reaktionen (Anaphylaxie), z. B. nach einem Bienenstich oder dem Verzehr von Nahrungsmitteln, auf die eine Person allergisch reagiert
Naloxon, zur Anwendung in die Nase oder als Spritze in den Muskel, wenn eine Person einen oder beinahe einen Atemstillstand nach einer Überdosis mit einem Opioid hat (z. B. Heroin, Oxycodon [einschließlich Oxycontin], Fentanyl)
Sind mehrere Personen betroffen, wird der Schwerstverletzte zuerst behandelt. Eine Beurteilung sollte weniger als 1 Minute pro verletzter Person dauern. In jedem Fall sollte der Rettungshelfer genau abwägen, ob die Situation:
Lebensbedrohlich ist
Ernst, aber nicht lebensbedrohlich ist
Nicht ernst ist
Es kann schwierig sein zu beurteilen, wer am dringendsten behandelt werden muss, weil jemand, der vor Schmerzen schreit, eventuell weniger schwer verletzt ist als jemand, der nicht atmen kann oder im Koma liegt und deshalb still ist. Schweres Atmen und starkes Bluten sind lebensbedrohlich, während eine gebrochene Hand oder ein gebrochener Fuß später immer noch behandelt werden können, wie schmerzhaft sie auch sein mögen.
Wenn es viele Menschen mit schweren Verletzungen gibt und nicht genügend Helfer verfügbar sind, müssen sie sich eventuell darauf beschränken, nur die Verletzten zu behandeln, von denen sie meinen, dass sie eine Chance haben zu überleben.
Wenn die Verletzten nicht in der Lage sind, medizinische Auskünfte zu erteilen, weil sie konfus oder bewusstlos sind oder weil ihr Gesundheitszustand zu schlecht ist, sollten die Informationen auf andere Weise eingeholt werden. Wurde beispielsweise jemand bewusstlos in der Nähe einer leeren Medikamentenpackung aufgefunden, sollte diese Packung dem Rettungspersonal übergeben werden. Eine Beschreibung der näheren Verletzungsumstände und sonstige Informationen durch Umstehende, Verwandte und Ersthelfer können für die Behandlung des Opfers entscheidend sein.
Personen, die keine Notfallbehandlung benötigen, werden beruhigt und mit einfachen Maßnahmen versorgt, wie etwa einer Decke, um die Person ruhig und warm zu halten, während sie darauf warten, behandelt zu werden.
Um die Ausbreitung von über das Blut übertragenen Infektionen zu verhindern, sollten Rettungshelfer sich selbst schützen, indem sie allgemeine Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Dazu zählt die Vorbeugung vor einer Übertragung der Infektion, indem sie alles menschliche Blut und alle Körperflüssigkeiten als potenziell infektiös behandeln. So können über das Blut und bestimmte Körperflüssigkeiten zum Beispiel schwere Krankheiten wie eine Infektion mit dem humanen Immunschwächevirus (HIV) oder Hepatitis B und Hepatitis C (siehe Überblick über Hepatitis) übertragen werden. Falls möglich sollten Rettungshelfer für den besten Schutz Untersuchungshandschuhe aus Latex oder Nitril tragen. Sind keine verfügbar, kann als Ersatz eine Plastiktüte über die Hand gezogen werden. Zum Beispiel können die Helfer ihre Hände in Plastiktüten oder etwas Anderes stecken, das wasserdicht ist. Ebenfalls sollten Gesichtsmasken und Sicherheitsbrillen (oder Gesichtsvisiere) sowie Schutzkleidung und -kappen getragen werden, wenn Flüssigkeit oder Blut verspritzt werden könnte.
Nachdem die Erste-Hilfe-Maßnahme abgeschlossen ist, sollten die Rettungshelfer ihre Haut von Schadstoffen reinigen. Sie sollten sich zum Beispiel so schnell wie möglich die Hände sorgfältig mit Seife und Wasser waschen – auch unter den Fingernägeln. Sind Seife und Wasser nicht zur Hand, kann ein Handwaschmittel auf Alkoholbasis verwendet werden.