Körperdysmorphe Störung

VonKatharine Anne Phillips, MD, Weill Cornell Medical College;
Dan J. Stein, MD, PhD, University of Cape Town
Überprüft/überarbeitet Juli 2023
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Kurzinformationen

Eine körperdysmorphe Störung liegt vor, wenn die übermäßige Konzentration auf einen oder mehrere eingebildete oder leichte Defekte im Erscheinungsbild einen erheblichen Leidensdruck verursacht oder die Arbeits- und/oder Lebensweise beeinträchtigt.

  • Die Betroffenen verbringen typischerweise mehrere Stunden am Tag damit, sich um ihren empfundenen Makel zu sorgen, was jedes Körperteil einschließen kann.

  • Ärzte diagnostizieren diese Störung, wenn die Besorgnis über wahrgenommene Defekte im Erscheinungsbild (die in Wirklichkeit nicht oder nur leicht vorhanden sind) erhebliches Leid verursachen oder die Funktionsfähigkeit beeinträchtigen.

  • Bestimmte Antidepressiva (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer oder Clomipramin) und eine kognitive Verhaltenstherapie sind oft hilfreich.

Menschen mit körperdysmorpher Störung glauben, dass sie mindestens einen körperlichen Fehler oder Makel an sich haben, der aber in Wirklichkeit nicht oder kaum vorhanden ist. Aufgrund ihrer Sorge um ihr von ihnen nicht als perfekt angesehenes Äußeres wiederholen sie oft bestimmte Handlungsweisen (wie z. B. ihr Aussehen im Spiegel zu überprüfen, sich mit übertrieben viel Aufwand herzurichten oder sich mit anderen zu vergleichen).

Die körperdysmorphe Störung beginnt normalerweise im Jugendalter und tritt bei Frauen etwas häufiger auf. Ungefähr 2 bis 3 Prozent der Bevölkerung sind von der Störung betroffen.

Symptome einer körperdysmorphen Störung

Die Symptome einer körperdysmorphen Störung können sich allmählich entwickeln oder schlagartig auftreten, unterschiedlich intensiv sein und wahrscheinlich chronisch werden, wenn sie nicht entsprechend behandelt werden. Häufig geht es um Probleme mit dem Gesicht oder dem Kopf, können jedoch jedes andere Körperteil oder auch mehrere Teile des Körpers betreffen oder sie können von einem Körperteil zum andern wechseln. Die Betroffenen können sich beispielsweise einbilden, an Haarausfall, Akne, Falten, Narben, falsche Gesichtsfarbe oder übermäßige Gesichts- oder Körperbehaarung zu leiden. Oder es gibt Menschen, die sich hauptsächlich auf Form oder Größe eines Körperteils konzentrieren wie z. B. Nase, Augen, Ohren, Mund, Brüste, Beine oder Gesäß. Manche Männer mit normalem oder sogar athletischem Körperbau denken, dass sie zu wenig Muskeln haben und sind davon besessen, Gewicht und Muskelmasse aufzubauen, was als Muskeldysmorphie bezeichnet wird. Die Betroffenen beschreiben die ungeliebten Körperteile als hässlich, unattraktiv, deformiert, abscheulich oder monströs.

Die meisten Personen mit körperdysmorpher Störung sind sich nicht bewusst, dass sie tatsächlich normal aussehen.

Die meisten Personen mit körperdysmorpher Störung haben Probleme, sich nicht mit dieser Sorge zu beschäftigen und verbringen täglich mehrere Stunden damit, über ihre wahrgenommenen Makel zu grübeln. Sie glauben möglicherweise, dass andere Menschen sie wegen ihres Aussehens anstarren oder sich über sie lustig machen. Die meisten Betroffenen kontrollieren sich häufig im Spiegel, andere meiden Spiegel, und wieder andere schwanken zwischen diesen beiden Verhaltensweisen.

Viele Betroffene stehen unter dem Zwang, sich übertrieben herzurichten, zupfen an der Haut (um wahrgenommene Hautfehler zu entfernen oder zu korrigieren) und suchen nach Bestätigung, dass die wahrgenommenen Makel tatsächlich vorhanden sind. Sie wechseln häufig Ihre Kleidung, um zu versuchen, ihre nicht existierenden oder leichten Makel zu verstecken oder zu kaschieren, oder sie versuchen, ihr Erscheinungsbild anderweitig zu verbessern. So lassen sich Betroffene beispielsweise einen Bart wachsen, um wahrgenommene Narben zu verstecken oder tragen eine Kopfbedeckung, um leicht schütteres Haar zu verdecken. Die meisten von ihnen lassen, manchmal wiederholt, kosmetische medizinische (am häufigsten dermatologische), zahntechnische oder chirurgische Behandlungen vornehmen, um ihren wahrgenommenen Makel zu korrigieren. Solche Behandlungen sind normalerweise wenig erfolgreich und können die Sorge über einen Makel noch verstärken. Männer mit Muskeldysmorphie nehmen u. U. Anabolika (z. B. Testosteron) ein. Dies kann gefährlich sein.

Wussten Sie ...

  • Menschen mit körperdysmorpher Störung sorgen sich so sehr um einen eingebildeten oder kaum sichtbaren Makel im Aussehen, dass sie es vermeiden, nach draußen zu gehen und sich in der Öffentlichkeit zu zeigen.

Da Menschen mit einer körperdysmorphen Störung sich im Hinblick auf ihr Aussehen befangen fühlen, vermeiden es manche, in der Öffentlichkeit gesehen zu werden und gehen nicht zur Arbeit, in die Schule oder zu gesellschaftlichen Ereignissen. Manche Menschen mit schwerwiegenden Symptomen verlassen ihr Haus nur nachts, andere hingegen gar nicht. Dieses Verhalten führt deshalb häufig zur sozialen Isolation. In sehr schweren Fällen führt die körperdysmorphe Störung zur Behinderung. Die durch die Störung verursachten Leiden und Fehlfunktionen können zu Depressionen, Drogen- oder Alkoholproblemen, wiederholten Psychiatrieeinweisungen, Selbstmordverhalten und Selbstmord führen.

Im Laufe ihres Lebens haben etwa 80 Prozent der Menschen mit körperdysmorpher Störung Selbstmordgedanken und 25 bis nahezu 30 Prozent unternehmen einen Selbstmordversuch.

Viele Menschen mit körperdysmorpher Störung leiden auch an anderen psychischen Gesundheitsstörungen, wie einer schweren depressiven Störung, einer Substanzgebrauchsstörung, einer sozialen Angststörung oder einer Zwangsstörung.

Diagnose einer körperdysmorphen Störung

  • Ärztliche Beurteilung auf der Basis spezifischer psychiatrischer Diagnosekriterien

Bis zur Diagnose einer körperdysmorphen Störung können Jahre vergehen, da die Betroffenen zu verlegen sind und sich schämen, ihre Symptome preiszugeben, oder weil sie wirklich glauben, hässlich zu sein. Diese Störung unterscheidet sich von der normalen Sorge um das Aussehen oder von Eitelkeit, weil die Sorgen zeitraubend sind und eine erhebliche Belastung darstellen oder die Arbeits- und Lebensweise massiv beeinträchtigen.

Ärzte gehen von einer körperdysmorphen Störung aus, wenn Folgendes zutrifft:

  • Sie beschäftigen sich mit einem oder mehreren Makeln in ihrem Erscheinungsbild, die für andere Personen unbedeutend oder nicht zu sehen sind

  • Sie zeigen wiederholt übertriebene Verhaltensweisen (wie z. B. ihr Aussehen im Spiegel zu überprüfen, sich mit übertrieben viel Aufwand herzurichten oder sich mit anderen zu vergleichen), weil sie so mit ihrem Erscheinungsbild beschäftigt sind.

  • Sie sind extrem verzweifelt oder fühlen sich immer weniger in der Lage, normalen Alltagsaktivitäten nachzugehen (z. B. in der Arbeit, in der Familie oder mit Freunden), weil sie sich ständig Sorgen über die wahrgenommenen Mängel in ihrem Erscheinungsbild machen.

Wenn die einzige Sorge ihre Figur und Gewicht sind und sie ein auffälliges Essverhalten an den Tag legen, ist eine Essstörung die wahrscheinlich präzisere Diagnose, wenn ihre einzige Sorge das Erscheinungsbild ihrer körperlichen Geschlechtsmerkmale oder anderer körperlicher Merkmale ist, die auf ihr Geburtsgeschlecht schließen lassen, könnte die Diagnose Geschlechtsidentitätsstörung in Betracht gezogen werden.

Behandlung einer körperdysmorphen Störung

  • Bestimmte Antidepressiva

  • Kognitive Verhaltenstherapie

Die Behandlung mit bestimmten Antidepressiva, vor allem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) oder Clomipramin (ein trizyklisches Antidepressivum) ist häufig wirksam bei Menschen mit körperdysmorpher Störung. Oft sind hohe Dosen nötig. Andere Arzneimittelklassen können verwendet werden, wenn SSRI und Clomipramin unwirksam sind.

Eine kognitive Verhaltenstherapie mit Schwerpunkt auf die Symptome der körperdysmorphen Störung kann auch zur Verringerung der Symptome beitragen. Im Rahmen dieser Therapie helfen Fachpersonen den Betroffenen, angemessenere und hilfreichere Vorstellungen ihres Aussehens zu entwickeln. Die Fachleute helfen ihnen auch, die typischen, sich wiederholenden übertriebenen Verhaltensmuster zu unterbinden, wie z. B. das Überprüfen ihres Aussehens im Spiegel oder das Zupfen an der Haut. Außerdem helfen sie den Betroffenen, sich in der Gesellschaft anderer wohler zu fühlen und daran teilzuhaben.

Das Habit-Reversal-Training wird verwendet, um wiederholtes Hautzupfen oder Haareausrupfen, Verhaltensstörungen, die Menschen mit körperdysmorpher Störung versuchen können, um wahrgenommene Fehler an Haut (wie z. B. einen Bluterguss) oder Haaren (z. B. übermäßige Gesichtsbehaarung) zu reduzieren oder zu entfernen.

Da vielen Personen mit dieser Störung nicht klar ist, dass sie ein Problem mit dem Körperbild und nicht mit dem tatsächlichen Erscheinungsbild haben, müssen Ärzte möglicherweise Motivationstechniken anwenden, um die Betroffenen zur Teilnahme an solchen Therapien zu animieren.

Viele Fachleute sind der Auffassung, dass die Kombination einer medikamentösen Behandlung und einer kognitiven Verhaltenstherapie für schwere Fälle am besten ist.

Eine kosmetische Behandlung wird nicht empfohlen, da sie fast immer unwirksam ist und ein sehr hohes Risiko besteht, dass die Person mit den Ergebnissen unzufrieden ist.

Weitere Informationen

Die folgenden Quellen in englischer Sprache können nützlich sein. Bitte beachten Sie, dass das MANUAL nicht für den Inhalt dieser Quelle verantwortlich ist.

  1. International Obsessive-Compulsive Disorder (OCD) Foundation, Body Dysmorphic Disorder (BDD): Bietet Zugang zu Aufklärung über körperdysmorphe Störung und Ressourcendatenbanken für Therapeuten, Kliniken, Programme und Selbsthilfegruppen.