Die Adoleszenz ist eine Entwicklungsphase, in der Kinder zu unabhängigen Erwachsenen heranreifen. Während der Adoleszenz durchlaufen die Kinder signifikante körperliche, kognitive, soziale, und emotionale Entwicklungen. Die Begleitung von Jugendlichen durch diese Phase kann sowohl für Eltern als auch für Kliniker eine Herausforderung sein.
Kognitive Entwicklung bei Jugendlichen
In der Schule begegnen Jugendliche zunehmend komplexerem Unterricht und Hausaufgaben. Sie beginnen, Interessensgebiete sowie relative Stärken und Schwächen zu identifizieren. Die Adoleszenz ist eine Zeit, in der junge Menschen beginnen können, über Berufsmöglichkeiten nachzudenken, jedoch noch ohne ein klar definiertes Ziel. Sowohl die Eltern als auch die Ärzte müssen sich bewusst machen, welche Fähigkeiten der Jugendliche hat, müssen ihm helfen, realistische Ziele zu formulieren und darauf vorbereitet zu sein, Lernhindernissezu identifizieren. Bei Lernschwierigkeiten, Aufmerksamkeitsproblemen, Verhaltensprobleme oder unangemessener Lernumgebung kann Förderunterricht sinnvoll sein. Eltern und Ärzte sollten Praktika und Berufserfahrungen fördern, die älteren Heranwachsenden ermöglichen, potenzielle Berufswege innerhalb der Schulzeit oder während der Ferien praktisch kennenzulernen.
Zu den besonderen schulischen Problemen kann Folgendes zählen
Angst, zur Schule zu gehen
Akademische Leistungsschwäche (insbesondere eine Veränderung der Noten oder ein Leistungsabfall)
Schulabbruch
Wenn schulische Probleme auftreten, sollten das Schulpersonal und die Eltern den Grund dafür herausfinden und geeignete Wege finden, um dem Jugendlichen bei der Bewältigung dieser Probleme zu helfen.
Die kognitive Entwicklung wirkt sich auch darauf aus, wie Heranwachsende ihr Leben sehen und meistern. In der frühen Adoleszenz beginnen die Kinder, ihre Fähigkeit zum abstrakten, logischen Denken zu entwickeln. Diese erhöhte Komplexität führt zu einem verstärkten Bewusstsein für sich selbst und zu der Fähigkeit, das eigene Ich zu reflektieren. Aufgrund der vielen spürbaren körperlichen Veränderungen in der Adoleszenz, verwandelt sich dieses Selbst-Bewusstsein oft in übertriebene Selbstbespiegelung, gepaart mit einem Gefühl der Unsicherheit. Der Jugendliche ist oft auch mit dem körperlichen Erscheinungsbild und der Attraktivität beschäftigt und zeigt eine erhöhte Sensibilität für Unterschiede zu Gleichaltrigen. Diese Gefühle werden auch durch gesellschaftliche Erwartungen und Zwänge beeinflusst.
Jugendliche wenden ihre neuen reflektiven Fähigkeiten auf moralische Fragen an. Präadoleszente verstehen typischerweise Recht und Unrecht als fest und absolut. Jugendliche hinterfragen oft Verhaltensnormen und können traditionelle Bräuche oder Werte ablehnen – manchmal zum Entsetzen der Eltern. Idealerweise gipfelt diese Reflexion in der Entwicklung eigener moralischer Vorstellungen.
Emotionale Entwicklung bei Jugendlichen
Während der Adoleszenz entwickeln sich die Gerhirnareale weiter und reifen, die Kontrolle über die Emotionen haben. Diese Phase wird durch scheinbar spontane Ausbrüche gekennzeichnet, die für Eltern und Lehrer, die oft die Hauptlast auszuhalten haben, eine große Herausforderung sein können. Heranwachsende lernen mit der Zeit, unangemessene Gedanken und Handlungen zu unterdrücken und durch zielgerichtete Verhaltensweisen zu ersetzen.
.Der emotionale Aspekt des Wachstums während der Adoleszenz ist oft herausfordernd und strapaziert häufig die Geduld von Eltern, Lehrern und Klinikern. Emotionale Labilität ist eine direkte Folge der neurologischen Entwicklung in dieser Phase, in der die für die Emotionsregulation zuständigen Gehirnbereiche reifen.
Psychosoziale Anpassung ist ein Kennzeichen dieser Entwicklungsphase, da selbst gesunde Jugendliche mit normaler Entwicklung mit Fragen der Identität, Autonomie, Sexualität, und Beziehungen zu kämpfen haben.
Die Kommunikation, selbst in stabilen Familien, kann schwierig sein und verschlechtert sich, wenn es erhebliche Belastungen in der Familie gibt oder die Eltern eigene emotionale Probleme haben. Ärzte können hier eine große Unterstützung sein, indem sie den Jugendlichen und Eltern einfühlsame, pragmatische und konstruktive Hilfestellungen geben, wie die Kommunikation innerhalb der Familie verbessert werden kann.
Psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angstzustände und Essstörungen sind wichtige Fragen in der Adoleszenz. Kliniker sollten Jugendliche auf psychische Probleme untersuchen.
Autonome Entwicklung bei Jugendlichen
In der Pubertät steht die Entwicklung der Unabhängigkeit im Vordergrund. „Wer bin ich, wohin gehe ich und in welcher Beziehung stehe ich zu all diesen Menschen in meinem Leben?“, sind für die meisten Heranwachsenden häufige aktuelle Fragen. Diese Entwicklungsphase bietet Jugendlichen die Möglichkeit, zu lernen, wie sie für ihre eigene Gesundheit sorgen und sich gesundheitsfördernde Verhaltensweisen aneignen können, und ist häufig mit einer gewissen Risikobereitschaft oder Anfälligkeit für Gesundheitsrisiken verbunden.
Der Wunsch des Jugendlichen nach mehr Freiheit kann mit den starken Instinkten der Eltern, ihre Kinder vor Schaden zu bewahren, kollidieren, was zu Konflikten führt. Eltern brauchen manchmal Unterstützung dabei, ihre Rolle neu zu verhandeln und ihren heranwachsenden Kindern mehr Rechte einzuräumen. Im Gegenzug sollten Eltern aber auch erwarten können, dass sie mehr Verantwortung für sich selber und innerhalb der Familie übernehmen.
Jugendliche werden zunehmend unabhängiger und stehen daher oft nicht mehr unter der direkten körperlichen Kontrolle von Erwachsenen. Unter diesen Umständen bestimmen Jugendliche ihr eigenes Verhalten, das von ihrer Reife und ihren exekutiven Funktionen beeinflusst wird. Eltern leiten die Handlungen ihrer Kinder an, anstatt sie direkt zu kontrollieren.
Typischerweise üben Jugendliche ihre Unabhängigkeit aus, indem sie die Regeln der Eltern (oder Erziehungsberechtigten) hinterfragen oder herausfordern, was manchmal dazu führt, dass sie die Regeln brechen. Viele Jugendliche beginnen jetzt damit, riskante Verhaltensweisen wie schnelles Fahren zu zeigen. Viele Jugendliche machen ihre erste Erfahrungen mit der Sexualität und gehen dabei möglicherweise auch Risiken ein. Einige Jugendliche könnten zum Drogen- und Alkoholkonsum greifen. Experten gehen davon aus, dass diese Verhaltensweisen zum Teil deshalb auftreten, weil Jugendliche dazu neigen, ihre Fähigkeiten selbstständig leben zu können maßlos überschätzen. Neurologische Studien haben gezeigt, dass die Teile des Gehirns, die Impulse kontrollieren, erst im frühen Erwachsenenalter ausgereift sind.
Eltern und medizinische Fachkräfte müssen gelegentliche Fehlurteile, die erwartet werden und Jugendlichen helfen, gesundes Risikoverhalten zu erlernen, von einem Maß an Fehlverhalten unterscheiden, das professionelle Intervention erfordert. Die Schwere und Häufigkeit der Verstöße bestimmen den Bedarf an Intervention. Beispielsweise sind wiederholtes exzessives Trinken und häufiges Schulschwänzen deutlich schwerwiegender als einzelne Vorfälle dieser Art. Wenn eine störende Verhaltensstörung die Funktionsfähigkeit beeinträchtigt, gehören zu den Warnzeichen eine Verschlechterung der schulischen Leistungen, das Abkoppeln von zuvor genossenen Aktivitäten und das Weglaufen von zu Hause. Besonders besorgniserregend sind Jugendliche, die sich selbst oder andere schwer verletzen oder bei einer Schlägerei eine Waffe benutzen.
Risikobereitschaft, extremes Verhalten und das Testen von Fähigkeiten und Grenzen sind normale Handlungen und in der Adoleszenz entwicklungsgerecht. Jugendliche, die von ihren Eltern Wärme und Unterstützung erfahren, entwickeln seltener ernsthafte Probleme, ebenso wie diejenigen, deren Eltern klare Erwartungen an das Verhalten ihrer Kinder stellen und konsequent Grenzen setzen und überwachen.
Erziehungsstile während der Adoleszenz
Konflikte zwischen Eltern und Jugendlichen sind keine Seltenheit. In einigen Fällen ist das Kernproblem die Kontrolle. Jugendliche wollen die Kontrolle über ihr Leben haben, aber die Eltern sind nicht bereit, diese Kontrolle aufzugeben. In diesen Situationen können alle davon profitieren, wenn die Eltern ihre Bemühungen auf die Handlungen des Jugendlichen konzentrieren (z. B. Schulbesuch, Einhaltung der häuslichen Pflichten) anstatt auf Ausdrucksformen (z. B. Kleidung, Frisur, bevorzugte Unterhaltung).
Alle Eltern erziehen unterschiedlich; es gibt jedoch vier wichtige Erziehungsstile (1):
Autoritativ
Autoritär
Permissiv
Unbeteiligt
Autoritative Erziehung führt zu den positivsten Ergebnissen für Jugendliche. Autoritative Eltern verwenden in der Regel ein System von abgestuften Privilegien, in dem Jugendlichen zunächst ein kleines Stück Verantwortung und Freiheit gegeben wird (z. B. Pflege eines Haustieres, Hausarbeit, Kauf von Kleidung, Einrichtung ihres Zimmers, Verwaltung eines Zuschusses, Besuch sozialer Veranstaltungen mit Freunden). Wenn Jugendliche eine Verantwortung oder ein Privileg über einen bestimmten Zeitraum hinweg gut bewältigen, werden ihnen weitere Privilegien gewährt. Im Gegensatz dazu führen schlechtes Urteilsvermögen oder fehlende Verantwortung zum Verlust von Privilegien. Jedes neue Privileg erfordert eine enge Überwachung durch die Eltern, um sicherzustellen, dass sich Jugendliche an die vereinbarten Regeln halten. Verantwortliches Erziehen beinhaltet das Setzen von Grenzen, was für eine gesunde Entwicklung von Jugendlichen wichtig ist.
Autoritäre Erziehung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Eltern Regeln aufstellen, die die Kinder befolgen sollen. Es gibt wenig Spielraum für Verhandlungen, und die Kommunikation ist unidirektional.
Eine permissive Erziehung zeichnet sich dadurch aus, dass die Eltern eine offene Kommunikation mit den Kindern führen. Es gibt mehr Flexibilität, aber weniger Erwartungen. Dieser Erziehungsstil kann zwar dazu führen, dass Kinder lernen, mehr zu erforschen und mehr Risiken einzugehen, er kann aber auch dazu führen, dass Kinder negative Gewohnheiten entwickeln, weil ein permissiver Elternteil nicht viel Anleitung gibt.
Der unbeteiligte Erziehungsstil zeichnet sich durch die größte Flexibilität aus. Unbeteiligte Eltern sorgen zwar dafür, dass die Kinder ihre Grundbedürfnisse befriedigen können (z. B. Nahrung, Unterkunft, Kleidung), sind aber ansonsten nicht so stark beteiligt. Ärzte sollten beachten, dass dieser Erziehungsstil durch soziale Gesundheitsfaktoren beeinflusst werden kann, z. B. wenn ein Elternteil sich weniger engagiert, weil er den Großteil seiner Zeit damit verbringt, die finanziellen Ressourcen der Familie zu sichern.
Jugendliche, deren Verhalten trotz der besten Bemühungen ihrer Eltern negative gesundheitliche Auswirkungen oder Schaden für sich selbst oder andere verursachen kann, benötigen möglicherweise professionelle Intervention.
Literatur zur Entwicklung der Autonomie
1. Sanvictores T, Mendez MD. Types of Parenting Styles and Effects On Children. In: StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; September 18, 2022.
Soziale Entwicklung bei Jugendlichen
Die Familie ist das Zentrum des sozialen Lebens für kleine Kinder. Während der Adoleszenz wird die Peer-Group die Familie als erste soziale Instanz ersetzen. Peer-Gruppen werden oft auf der Grundlage von Unterschieden in Kleidung, Aussehen, Einstellungen, Hobbys, Interessen und anderen Merkmalen gebildet, die für Außenstehende tiefgründig oder trivial erscheinen können. Diese Gruppen werden für Heranwachsende so wichtig, weil sie ihnen in kritischen Situationen Rückhalt und Unterstützung in ihren Neigungen und Entscheidungen geben.
Jugendliche, die keiner Peer-Group angehören, können starke Gefühle der Entfremdung und des Andersseins entwickeln. Obwohl diese Gefühle in der Regel keine dauerhaften Auswirkungen haben, können sie das Potenzial für psychische Probleme und, selten, für antisoziales Verhalten verschlimmern.
Umgekehrt kann die Gruppe der Gleichaltrigen zu viel Bedeutung erlangen, was ebenfalls zu schwierigem Verhalten aufgrund von Gruppendruck oder der Angst vor Ausgrenzung führt.