Übersicht über das autonome Nervensystem

VonElizabeth Coon, MD, Mayo Clinic
Überprüft/überarbeitet Juli 2023
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Das autonome Nervensystem reguliert physiologische Prozesse. Diese Regulation erfolgt ohne willkürliche Kontrolle, d. h. autonom. Die 2 wichtigsten Sparten sind die

  • sympathisches System

  • parasympathisches System

Störungen des autonomen Nervensystems verursachen Insuffizienz oder Versagen der autonomen Funktionen und können jedes System im Körper beeinflussen.

Anatomie des autonomen Nervensystems

Das autonome Nervensystem erhält Input von Teilen des zentralen Nervensystems (ZNS), die Reize aus dem Körper und der äußeren Umgebung verarbeiten und integrieren. Zu diesen Anteilen des ZNS gehören: Hypothalamus, Nucleus solitarius, Formatio reticularis, Amygdala, Hippokampus und olfaktorischer Kortex.

Sowohl das sympathische als auch das parasympathische System bestehen jeweils aus zwei Sets von Nervenzellen.

  • Preganglionär: Dieses Set befindet sich im ZNS, mit Verbindungen zu einem anderen Set in Ganglien außerhalb des ZNS.

  • Postganglionisch: Dieses Set hat efferente Fasern, die von den Ganglien zu den Effektororganen gehen (siehe Abbildung Autonomes Nervensystem).

Autonomes Nervensystem

Sympathikus

Die präganglionären Zellkörper des sympathischen Nervensystems sind im intermediolateralen Horn des Rückenmarks zwischen Th1 und L2 oder L3 lokalisiert.

Die sympathischen Ganglien liegen direkt neben dem Rückenmark und bestehen aus den vertebralen (Grenzstrang des Sympathikus) und den prävertebralen Ganglien, die die oberen zervikalen, zöliakalen, oberen und unteren mesenterialen und aortikorenalen Ganglien einschließen.

Lange Fasern laufen von diesen Ganglien zu Effektororganen, einschließlich der folgenden:

  • Glatte Muskulatur von Blutgefäßen, Eingeweiden, Lunge, Kopfhaut (Piloerektormuskeln) und Pupillen

  • Herz

  • Drüsen (Schweiß, Speichel und Verdauung)

Parasympathikus

Die präganglionären Zellkörper des parasympathischen Systems sind im Hirnstamm und im sakralen Anteil des Rückenmarks lokalisiert. Präganglionäre Fasern treten mit den Hirnnerven III, VII, IX und X (N. vagus) aus dem Hirnstamm aus und verlassen das Rückenmark auf der Höhe S2 und S3; der N. vagus enthält ca. 75% aller parasympathischen Fasern.

Parasympathische Ganglien (z. B. Ganglion ciliare, Ganglion pterygopalatinum, Ganglion oticum, Becken- und Vagus-Ganglien) liegen in den Erfolgsorganen, und die postganglionären Fasern sind nur 1 oder 2 mm lang. Somit kann der Parasympathikus spezifische, lokale Reaktionen in den Effektororganen erzeugen, wie die folgende:

  • Blutgefäße des Kopfes, des Halses und der thorakoabdominellen Eingeweide

  • Tränen- und Speicheldrüsen

  • Glatte Muskulatur von Drüsen und Eingeweiden (z. B. Leber, Milz, Kolon, Niere, Blase, Genitalien)

  • Die Muskeln der Pupille

Physiologie des autonomen Nervensystems

Das autonome Nervensystem kontrolliert Blutdruck, Herzfrequenz, Körpertemperatur, Gewicht, Verdauung, Stoffwechsel, Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt, Schwitzen, Blasenentleerung, Defäkation, sexuelle Reaktionen und andere Prozesse. Viele Organe werden primär entweder vom Sympathikus oder vom Parasympathikus kontrolliert, auch wenn sie von beiden Input erhalten können; gelegentlich sind die Funktionen beider gegensätzlich (z. B. erhöht der Sympathikus die Herzfrequenz, der Parasympathikus vermindert sie).

Das sympathische Nervensystem wirkt katabol, es aktiviert Fight-or-flight-Reaktionen (Kampf oder Flucht).

Das parasympathische Nervensystem wirkt anabol, es konserviert und stellt sich wieder her (siehe Tabelle Unterteilungen des automatischen Nervensystems).

Tabelle
Tabelle

Zwei wichtige Neurotransmitter im autonomen Nervensystem sind

  • Acetylcholin: Zu den Fasern, die Acetylcholin sezernieren (cholinerge Fasern), gehören alle präganglionären, alle postganglionären parasympathischen und einige postganglionäre sympathische Fasern (die die Mm. arrectores pilorum, die Schweißdrüsen und Blutgefäße innervieren).

  • Noradrenalin: Zu den Fasern, die Noradrenalin sezernieren (adrenerge Fasern), gehören die meisten postganglionären sympathischen Fasern. Die Schweißdrüsen der Handflächen und Fußsohlen reagieren jedoch auch bis zu einem gewissen Grad auf adrenerge Stimulation.

Es gibt verschiedene Subtypen von adrenergen Rezeptoren, bzw. cholinergen Rezeptoren, die je nach Lokalisation variieren.

Ätiologie Autonomer Insuffizienz

Störungen, die eine Insuffizienz oder das Versagen autonomer Funktionen verursachen, können im peripheren oder im zentralen Nervensystem ihren Ursprung haben und primäre oder sekundäre Folge anderer Störungen sein.

Die häufigsten Ursachen autonomer Insuffizienz sind

Andere Ursachen sind

Die autonome Insuffizienz, die bei COVID-19 auftritt, entwickelt sich typischerweise nach der Erholung von den respiratorischen und anderen akuten systemischen Symptomen von COVID. Eine Manifestation ist das posturale orthostatische Tachykardiesyndrom (POTS), das durch abnorme autonome Reaktionen (z. B. Tachykardie) beim Aufstehen gekennzeichnet ist (orthostatische Intoleranz). Der zugrunde liegende Mechanismus ist nicht bekannt.

Beurteilung autonomer Insuffizienz

Anamnese

Symptome, die für eine autonome Insuffizienz sprechen, sind

  • Orthostatische Intoleranz (Entwicklung von autonomen Symptomen wie Benommenheit, die durch Hinsetzen gelindert werden) aufgrund von orthostatischer Hypotonie oder posturalem orthostatischem Tachykardie-Syndrom

  • Wärmeintoleranz

  • Verlust der Kontrolle über Blase und Darm

  • Erektile Dysfunktion (ein frühes Symptom)

Andere mögliche, jedoch weniger spezifische Symptome sind trockene Augen und ein trockener Mund.

Körperliche Untersuchung

Wichtige Teile der Untersuchung beinhalten:

  • Blutdruck nach Lagewechsel zum Stehen und Herzfrequenz: Bei einem normal hydrierten Patienten weist eine anhaltende Abnahme (z. B. > 1 min) des systolischen Blutdrucks um 20 mmHg oder eine Abnahme des diastolischen Blutdrucks um 10 mmHg im Stehen auf eine orthostatische Hypotonie. Die Herzfrequenzveränderungen während der Atmung und im Stehen sollten registriert werden; das Fehlen einer physiologischen Sinusarrhythmie und ein fehlender Anstieg der Herzrate bei Orthostase zeigen eine autonome Insuffizienz an. Im Gegensatz dazu weisen Patienten mit posturalem orthostatischemTachykardiesyndrom, typischerweise eine Tachykardie ohne Hypotonie auf.

  • Augenuntersuchung: Miosis und leichte Ptosis (Horner-Syndrom) weisen auf eine Sympathikusläsion hin. Eine dilatierte, nichtreagible Pupille (Adie-Pupille) deutet auf eine Parasympathikusläsion hin.

  • Urogenitale und rektale Reflexe: Anomale urogenitale und rektale Reflexe können Störungen des autonomen Nervensystems anzeigen. Die Untersuchung schließt den Kremasterreflex (normalerweise löst Bestreichen der oberen Oberschenkelinnenseite eine Retraktion der Testes aus), den Analreflex (normalerweise führt Bestreichen der perianalen Haut zu einer Kontraktion des analen Sphinkters) und den Bulbo-cavernosus-Reflex (normalerweise führt Zusammenpressen der Glans penis oder Klitoris zu einer Kontraktion des analen Sphinkters) mit ein. In der Praxis werden die GU- und Rektalreflexe selten getestet, da Laboruntersuchungen viel zuverlässiger sind.

Laboruntersuchungen

Bei Patienten mit Symptomen, die für eine autonome Insuffizienz sprechen, werden üblicherweise sudomotorische, kardiovagale und adrenerge Untersuchungen durchgeführt, um das Ausmaß und die Verteilung der Insuffizienz zu bestimmen.

Sudomotorische Tests beinhalten:

  • Quantitativer sudomotorischer Axonreflextest: dieser bewertet die Integrität der postganglionären Fasern. Die Fasern werden durch Iontophorese mit Acetylcholin aktiviert. Standardlokalisationen am Bein und Handgelenk werden untersucht, und die Schweißmenge wird bestimmt. Mit dem Test kann eine verminderte oder fehlende Schweißbildung erkannt werden.

  • Thermoregulatorischer Schweißtest: Dieser Test überprüft sowohl die präganglionären als auch die postganglionären Bahnen. Nachdem ein Farbstoff auf die Haut aufgetragen wurde, begeben sich die Patienten in einen geschlossenen Raum, der so geheizt wird, dass maximales Schwitzen ausgelöst wird. Das Schwitzen führt zu einer Farbveränderung des Farbstoffs, sodass die Areale ohne Schweißdrüsensekretion und mit verminderter Schweißdrüsenreaktion erkennbar werden und in Prozent der Körperoberfläche angegeben werden können.

Bei derkardiovagalen Untersuchung wird die Reaktion der Herzfrequenz (mittels EKG-Rhythmusstreifen) auf tiefe Atmung und das Valsalva-Manöver (erzwungene Ausatmung bei geschlossener Glottis) untersucht. Bei intaktem autonomem Nervensystem variiert die Pulsfrequenz während dieser Manöver; normale Reaktionen (tiefe Atemzüge und das Valsalva-Verhältnis) schwanken je nach Alter. Das Valsalva-Verhältnis ist die maximale Herzfrequenz während des Valsalva-Manövers geteilt durch die Herzfrequenz 30 Sekunden nach dem Manöver. Der untere Grenzwert für normale Werte liegt bei 1,0.

Adrenerge Tests bewerten die Reaktion des Blutdrucks bei Beat-to-Beat-Messungen auf:

  • Gehobener Kopf in Schräglage (Kipptischversuch): Das Blut wird zu den abhängigen Teilen verschoben, was zu Reflexreaktionen bei Blutdruck und Herzfrequenz führt. Mithilfe dieses Tests können autonome Neuropathien vom posturalen orthostatischen Tachykardie-Syndrom unterschieden werden.

  • Valsalva-Manöver: Dieses Manöver erhöht den intrathorakalen Druck und reduziert den venösen Rückfluss, was zu Veränderungen des Blutdrucks und der Herzfrequenz führt, die die vagale und adrenerge Baroreflexfunktion widerspiegeln.

Beim Test mit gehobenem Kopf in Schräglage und beim Valsalva-Manöver ist das Antwortmuster ein Index für die adrenerge Funktion.

Noradrenalin-Plasmaspiegel können bei Patienten in Rückenlage und dann nach > 5 min Stehen bestimmt werden. Normalerweise steigen die Spiegel nach dem Stehen. Bei Patienten mit autonomer Insuffizienz können die Spiegel im Stehen nicht ansteigen und in Rückenlage niedrig sein, insbesondere bei postganglionären Störungen (z. B. autonome Neuropathie, rein vegetatives Versagen).