Der schwere kombinierte Immundefekt (severe combined immunodeficiency, SCID) ist durch wenige T-Zellen oder deren Fehlen und eine niedrige, hohe oder normale Anzahl von B-Zellen und natürlichen Killerzellen charakterisiert. Die meisten Säuglinge entwickeln innerhalb der ersten drei Lebensmonate opportunistische Infektionen. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis einer Lymphopenie, das Fehlen oder eine stark verminderte Anzahl von T-Zellen und durch eingeschränktes proliferatives Ansprechen der Lymphozyten auf Mitogene. Die Patienten müssen sich in einem geschützten Umfeld aufhalten; die definitive Behandlung besteht in der hämatopoetischen Stammzellentranplantation.
(Siehe auch Übersicht über Immunschwächestörungen und Annäherung an den Patienten mit einer Immunschwächestörung.)
Ein schwerer kombinierter Immundefekt (SCID) ist eine primäre Immunschwächekrankheit zu der kombinierte humorale und zelluläre Immunitätsmängel gehören. Diese wird durch Mutationen in einem von vielen verschiedenen Genen verursacht (z. B. bei autosomal-rezessiven Formen Janus kinase 3 [JAK3], protein tyrosine phosphatase, receptor type, C [PTPRC oder CD45], recombination activating genes 1 [RAG1] und 2 [RAG2]). Es gibt verschiedene Formen von SCID, die autosomal rezessiv defekt sind, sodass für das betroffene Kind das gleiche Gen auf beiden Chromosomen mutiert werden muss.
Es gibt 4 verschiedene abnorme Lymphozytenphänotypen:
B-Zell-positiv, NK-Zell-negativ
B-Zell-negativ, NK-Zell-positiv
B-Zell-negativ, NK-Zell-negativ
B-Zell-positiv, NK-Zell-positiv
Bei den meisten Formen von SCID fehlen die T-Zellen (T-), je nach Art der SCID kann die Zahl der B-Zellen und/oder natürlichen Killerzellen (NK) niedrig oder fehlend sein (B-; NK-) bzw. hoch oder normal (B+; NK+). Doch selbst bei normaler B-Zellzahl können diese, aufgrund fehlender T-Zellen, nicht funktionieren. Die natürliche Killerzellfunktion ist in der Regel beeinträchtigt.
Die X-chromosomal vererbte Form von schwerer kombinierter Immunschwäche kommt am häufigsten vor. Der Phänotyp ist T – B + NK –. Da SCID mit der gewöhnlichen Gamma-Kette des Interleukin-2-Rezeptors (einer Komponente, die aus mindestens 6 Zytokinrezeptoren besteht) assoziiert ist, sind schwere Krankheiten die Folge. Sie resultiert aus einer Mutation des Interleukin-2-Rezeptor-Gamma-Gens (IL-2RG).
Die zweithäufigste Form ist die Folge eines Adenosin-Desaminase-Mangels (ADA), der zu Apoptose von B-, T- und NK-Zell-Vorläufern führt; der Phänotyp ist T- B- NK-.
Eine weitere, häufig vorkommende Form mit einem T – B+ NK+ -Phänotyp resultiert aus einem Alpha-Ketten-Defekt des Interleukin-7-Rezeptors.
Mutationen im rekombinationsaktivierenden Gen 1-2 (RAG1 oder RAG2) repräsentieren einen T-B-NK + SCID-Phänotyp.
Das Omenn-Syndrom ist ein weiterer T-B-NK + SCID-Phänotyp. Es ist in der Regel das Ergebnis eines defekten RAG-Allels und wird daher auch als atypisches SCID oder Leaky SCID bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine autosomal-rezessive Form von SCID. Häufig sind die IgA-, IgG- und IgM-Spiegel niedrig, während IgE und Eosinophilie erhöht sind. Diese Patienten haben in der Regel einen unterschiedlichen Grad an Lymphopenie mit einer niedrigen Anzahl von T- und B-Zellen und präsentieren sich mit Entzündung und Lymphadenopathie.
Artemis-defiziente SCID ist ein seltener Typ, der vor allem bei Kindern mit Apachen- oder Navajo-Abstammung auftritt. Sie resultiert aus einer Mutation in DCLRE1C.
Symptome und Anzeichen von SCID
Die meisten Kinder mit schwerem kombinierten Immundefekt (SCID) erkranken schon vor Erreichen des 6. Lebensmonats an systemischer Candidiasis, anhaltenden viralen Infektionen, Pneumocystis jirovecii -Pneumonie und Durchfällen, was zu Entwicklungsstörungen führt. Bei einigen kommt es zu Graft-versus-host-Reaktionen durch mütterliche Lymphozyten oder Bluttransfusionen. Bei anderen Kleinkindern treten diese Krankheiten zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat auf. Patienten mit Omenn-Syndrom können exfoliative Dermatitis, Erythrodermie, Schuppung, Alopezie, chronischen Durchfall, Gedeihstörung, Lymphadenopathie, Eosinophilie, Hepatosplenomegalie und erhöhte Serum-IgE-Werte entwickeln. ADA-Mangel kann zu Knochenanomalien führen. Der Thymus ist bei allen Formen extrem klein, und das Lymphgewebe kann entweder verkleinert sein oder ganz fehlen.
Ohne eine frühe Diagnosestellung und unbehandelt verlaufen alle Formen der SCID für die Kinder tödlich.
Diagnose von SCID
Routinemäßiges Neugeborenen-Screening unter Verwendung des "T-cell receptor excision circle" (TREC)-Tests
Anamnese persistierender Infektionen
Leukozytenzahl (WBC)
Mitogen- und Impfstoff-Antigen-Stimulation Assays
Das Screening aller Neugeborenen mit Hilfe des TREC-Tests wird oft empfohlen und wird in vielen amerikanischen Staaten routinemäßig durchgeführt.
Bei Säuglingen mit einer Vorgeschichte von persistenten Infektionen oder anderen charakteristischen Erscheinungsformen wird eine schwere kombinierte Immunschwäche vermutet. Ein Blutbild, inklusive der absoluten Leukozytenzahl und eines Differenzialblutbilds wird analysiert; Immunglobulin-Spiegel werden gemessen. Reaktionen auf Mitogene und Standard-Impfstoff-Antigene werden bestimmt, um die Funktion der Leukozyten und Antikörper zu ermitteln.
Die Diagnose der Erkrankung erfolgt durch:
Lymphopenia
Eine geringe Anzahl von T-Zellen oder keine
Fehlende Lymphozytenproliferation als Antwort auf Mitogene
Weitere Tests werden durchgeführt, um den Typ der SCID zu bestimmen; sie umfassen eine Durchflusszytometrie, um die Anzahl von T-Zellen, B-Zellen und natürlichen Killerzellen festzustellen. ADA und Purinnucleosidphosphorylase-Spiegel in Leukozyten, Erythrozyten und Fibroblasten werden gemessen. X-Inaktivierung-Tests können durchgeführt werden, um festzustellen, ob der SCID X-chromosomal vererbt ist.
Zur Unterstützung der Bestimmung des Schweregrades und der Prognose testen Kliniker die Patienten oft auf gemeinsame Mutationen, die für SCID charakteristisch sind (z. B. IL-2RG, RAG1 und RAG2, JAK3, Artemis [DCLRE1C]).
Gentests bei Verwandten werden nicht empfohlen.
Behandlung von SCID
Rückwärtsisolation
Supportive Pflege mit Immunglobulin-Ersatztherapie, Antibiotika und Antimykotika
Hämatopoetische Stammzelltransplantation
Enzym-Ersatz für ADA-Mangel
Gentherapie für ADA-defizienten SCID
Patienten mit schwerem kombiniertem Immundefekt müssen in umgekehrter Reihenfolge isoliert werden.
Eine Behandlung mit Immunglobulin-Ersatztherapie, Antibiotika (einschließlich einer P. jirovecii-Prophylaxe) und Antimykotika kann bei der Vorbeugung von Infektionen helfen, ist aber nicht kurativ.
Bei 90 bis 100% der Kinder mit SCID oder seinen Varianten stellt eine hämatompoetische Stammzelltransplantation von einem humanen Leukozytenantigen-identischen Geschwister mit passender Leukozytenmischkultur die Immunität wieder her. Sollte ein humanes Leukozytenantigen-identisches Geschwister nicht zur Verfügung stehen, können haploidentische hämatopoetischen Stammzellen eines Elternteils, das rigoros von T-Zellen gereinigt wurde, eingesetzt werden. Erfolgt die Diagnose vor dem 3. Lebensmonat, beträgt die Überlebensrate nach Transplantation der einen oder anderen Form der hämatopoetischen Stammzellen 96%. Eine Chemotherapie vor der Transplantation ist unnötig, da die Patienten aufgrund fehlender T-Zellen das Transplantat nicht abstoßen können.
Patienten mit Adenosin-Desaminase (ADA)-Mangel, die keine Stammzelltransplantation erhalten, kann ein- oder zweimal wöchentlich Polyethylenglykol-modifiziertes bovines ADA injiziert werden.
Die Gentherapie war bei ADA-defizientem SCID erfolgreich. Nach der Behandlung wurden weder Leukämien noch Lymphome registriert. Eine Veröffentlichung zeigte sehr günstige Ergebnisse der Gentherapie bei 50 ADA-SCID (1). Die Gentherapie war auch bei X-chromosomalem SCID erfolgreich, hat aber T-Zell-Leukämien verursacht, was ihre Anwendung ausschließt. Die Gentherapie für andere Formen von SCID wird derzeit untersucht, einschließlich der offenen Aufnahme in klinische Studien für ADA-SCID und X-chromosomales SCID. Eine kürzlich durchgeführte kleine Studie zeigte positive Ergebnisse der Gentherapie bei Artemis-defizientem SCID (2).
Literatur zur Therapie
1. Kohn DB, Booth C, Shaw KL, et al: Autologous ex vivo lentiviral gene therapy for adenosine deaminase deficiency. N Engl J Med 384(21):2002–2013, 2021. doi:10.1056/NEJMoa2027675
2. Cowan MJ, Yu J, Facchino J, et al: Lentiviral gene therapy for Artemis-deficient SCID. N Engl J Med 387(25):2344–2355, 2022. doi:10.1056/NEJMoa2206575
Wichtige Punkte
Eine schwere kombinierte Immunschwäche (SCID) wird vermutet, wenn Säuglinge rezidivierende Infektionen, die Transplantat-gegen-Wirt-Erkrankung oder eine exfoliative Dermatitis haben.
Die Diagnose wird bestätigt, wenn die Patienten Lymphopenie, eine mangelhafte Anzahl von T-Zellen und keine Lymphozyten-proliferative Antwort auf Mitogene haben.
Die Anzahl von T-Zellen, B-Zellen und natürlichen Killerzellen wird zur Identifikation des SCID-Typs gemessen.
Prophylaktische Immunglobuline und antimikrobielle Mittel werden verabreicht.
Eine hämatopoetische Stammzellentransplantation wird früh durchgeführt, sobald sie möglich ist.
Wenn Patienten mit ADA-defizienter SCID keine Knochenmarktransplantation erhalten, werden ein ADA-Ersatz und manchmal eine Gentherapie eingesetzt.